Xibrarp of the Museum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. N0.406 , ABHANDLUNGEN HERAUSGEGEBEN VON DER SENCKENBERGISCHEN NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT. DREIZEHNTER BAND. Mit XLII Tafeln. FRANKFURT..M. IN COMMISSION BEI MORITZ DIESTERWEG. 1884. Z x Bemerkung: Die Verfasser sind für den Inhalt ihrer Abhandlungen verantwortlich. ; Inhalt. Dr. Joh. Chr. Gust. Lucae, Die Statik und Mechanik der Quadrupeden an dem Skelet und den Muskeln eines Lemur und eines Choloepus,. Mit 24 Tafeln . ; ; : ; aus Heer Dr. phil. Oscar Böttger, Die ee und nen von Marocco II. Mit einer Tafel Dr. med. Otto Körner, Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Kehlkopfes der Säugethiere und des Menschen. Mit einer Tafel Dr. F. Leydig, Ueber die einheimischen Schlangen. Mit 2 Tafeln . N: Dr. Fritz Noll, Entwickelungsgeschichte der Veronica-Blüthe. Mit 3 Tafeln Dr. Joh. Chr. Gust. Lucae, Zur Sutura transversa squamae occipitis bei Thieren und Menschen. Mit 4 Tafeln are. a ee ee Rn 3 Dr. med. Otto Körner, Weitere Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Kehlkopfes. Mit einer Tafel . AR EEE Dr. J. Probst, Natürliche Warmwasserheizung als Princip der klimatischen Zustände der geologischen Formationen Bag Re & . Ferd. Richters, Beitrag zur Kenntniss der re lalne en Behrings- meeres. Mit einer Tafel u KL EE Sa 2 Kg Dr. H. Strahl, Ueber Wachsthumsvorgänge an Embryonen von lacerta agilis. Mit 5 Tafeln Seite 1— 92 93—146 147—165 167—221 223—246 247—260 261—276 277—400 401—407 409 —473 Die Statik und Mechanik der Quadrupeden an dem Skelet und den Muskeln eines Lemur und eines Choloepus. Erläutert von Dr. Johann Christian Gustav Lucae. Mit 24 Tafeln. Wohl kein System des thierischen Körpers ist seit früher Zeit so bekannt gewesen und hat so lange Zeit die Forscher beschäftigt, als das Skelet. Besonders war es der Schädel, der bis in die neueste Zeit in Wirbel zerlegt wurde, über deren Zahl und Deutung sich jedoch keine Einigung fand. Aber auch das ganze Skelet wurde in Wirbel zerlegt und der ganze Körper in geometrische und mathematische Figuren gebracht und so Symmetrie und Analogie zwischen vorn und hinten, zwischen oben und unten nicht nur gesucht, sondern auch gefunden. Ebenso wurde die Frage über die Parallele zwischen Radius und Tibia sowie Ulna und Fibula, oder umgekehrt schon seit Vicq d’Azyr von den angesehensten Gelehrten Englands, Frankreichs und Deutschlands mit vielem Aufwand von Phantasie und Studium, natürlich ohne allen Erfolg, behandelt. Selbst bis in die Gegenwart schleppt sich diese Frage fort, steht aber immer noch auf derselben Stelle. Denn selbst Henle,!) einer der beliebtesten Lehrer deutscher Hochschulen, spricht noch heute von einer Störung der Gleichsinnigkeit in der Lagerung zwischen Hand und Fuss, Elienbogen und Knie, und schon bald ein Menschenalter figuriren seine Holz- schnitte, diese Störung betreffend, in den sich folgenden Auflagen seines berühmten Handbuchs. Und so sehen wir denn auch in dem neuesten Lehrbuch der vergleichenden Anatomie von Nuhn?) die Ansicht über die in der Entwicklungszeit vorkommende Torsion des Humerus (welche durch Retorsion erst deutlich werden soll — Martin), mit Berufung auf unseren ver- gleichenden Anatom Gegenbauer, wiederholt. Da nun aber Ansichten der Meister, wie bisher geschehen, als Dogmen von den Epigonen vielleicht noch ausgebaut weiter getragen werden, so fühle ich mich genöthigt, nochmals !) Handbuch der systematischen Anatomie. Band I. Knochenlehre. 1855, pag. 204—206. *) Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. 1378, pag. 413—414. Abbandl, d. Senekenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 1 mit kurzen Worten zu sagen: dass weder eine verschiedene Lagerung zwischen Daumen und grosser Zehe, noch eine Torsion des Humerus vorkommt. Dass ersteres falsch, zeigen uns die kleinen Kinder, wenn sie auf Händen und Knieen auf dem Boden rutschen; hier ist der Vorderarm wie bei den Thieren in Pronation; zeigt uns die Leiche auf dem Secirtische; zeigt uns endlich jeder auf der Strasse Vorübergehende. Immer liegt der Daumen median und die pronate Stellung ist, wie auch C. Langer!) nachweist, die mechanisch nothwendige. Die Supination aber setzt Muskelthätjgkeit voraus. Aber auch die Torsion des Humerus existirt nicht. Nur die obere Epiphyse ändert nach und nach ihre Gelenkfläche, indem sie sich dem, wegen Schmalheit des jugend- lichen Thorax sagittal stehenden Schulterblatt anschliesst, bei dem Breiterwerden der Brust des Erwachsenen aber dem frontal gelagerten Schulterblatt sich adaptirt. Wir sehen also hier den Menschen dem Thiere näher gerückt und (ohne dass wir es suchten) sogar ein Stückchen Ontogenie mit Phylogenie in Verbindung gebracht! Nach solchen resultatlosen naturphilosophischen Bestrebungen ist man denn doch berechtigt, das Verständniss der Formen auf physiologischem Wege zu suchen und die funetionelle Be- deutung der einzelnen Theile und des Ganzen von dem Standpunkt der Statik und Mechanik zu betrachten. Ein Standpunkt, der doch so sehr nahe liegt! Mein Freund und Frankfurter Landsmann H. v. Meyer war der erste, der vom Jahr 1853 an in einer Reihe von Arbeiten die Mechanik und Statik des menschlichen Skelettes lehrte und durch diese seine Studien nicht allein für die menschliche Osteologie das grössere Interesse hervorrief, sondern auch die Syndesmologie, für Lehrer und Lernende bisher eine Qual, fast zum interessantesten Capitel der menschlichen Anatomie machte. Will man Einsicht in das Säugethierskelet haben, so kann man sie nur durch Berück- sichtigung der Muskeln finden, und dann ist es nöthig, dass man die Untersuchung von Seiten der Mechanik beginne. Nur hier darf man festen Boden erwarten und ist vor Analogieen und Täuschungen bewahrt. Hat man aber noch Gelegenheit, die Bewegungen verschiedenartiger Thiere im Leben zu beobachten und zu vergleichen, so wird die Aufgabe um so mehr erleichtert. Durch Kennenlernen der mechanischen Verhältnisse dürfte aber auch die vergleichende Morphologie gewinnen und neue Anknüpfungen finden. !) Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Wien 1868, pag. 121—122., I. Zur Mechanik und Statik der Felinen und Lemuren. In meiner vorigen Arbeit!) habe ich auseinandergesetzt, wie die Wirbelsäule bei den Säuge- thieren nicht eine doppelte Krümmung in Lenden und Hals, wie bei dem Menschen zeigt, sondern von dem ersten Brustwirbel an in einem Bogen über Brust, Lenden und Becken steigt und gleichsam wie die Bogenspannung einer eisernen Brücke Brust und Bauch schwebend trägt; wie diese Bogensäule mit ihrem Rumpf vorn zwischen den Schulterblättern hängt, hinten aber zwischen den schräg nach vorn aufsteigenden Hüftbeinen eingeklemmt ist; und ferner, wie dieser Bogen aus Wirbeln zusammengesetzt ist, die, gleich den Wagen eines Eisenbahnzuges durch Puffer, so durch Ligamenta intervertebralia und longitudinalia beweglich mit einander verbunden sind. Hier wird es nun aber nöthig sein, dass wir statt allgemeiner Vergleichungen zunächst die Wirbelsäule und das Skelet in Bezug auf Statik und Mechanik doch etwas genauer betrachten. Zur Skeletbildung. Zusammengesetzt ist die Wirbelsäule durch Körper, die in der hinteren Lenden- und der vorderen Halsgegend in sagittaler Richtung am längsten sind, in frontaler jedoch am breitesten. Die Bogenstücke sind in der vorderen Lenden- und der hinteren Brustgegend sagittal etwas länger als ihre Körper. In allen Halswirbeln und in den vorderen Brustwirbeln findet das Umgekehrte statt. Hier sind die Körper länger, Diese Eigenschaft der Wirbel steht in Uebereinstimmung mit der Biegung der Wirbelsäule, im Uebergang von Hals und Brust nach unten und im Rücken und Lenden nach oben. Am breitesten sind die Bogenstücke des Halses. Gehen wir zu den Gelenkflächen. In den »Lenden« bilden sie in ihrer gegenseitigen Verlängerung nach unten einen spitzen Winkel, welcher nach oben offen. In dem »Rücken« ist ‘) Robbe und Otter, Abhandl. der Senekenb. naturf. Ges. Band S und 9. ER Ar der Winkel stumpf und öffnet sich nach unten. Ebenso ist er stumpf in dem »Hals«. Hier öffnet er sich aber nach hinten und oben. Die frontal liegenden Gelenkflächen des »Rückens« liegen ganz unter den Bogen verborgen und zwar die hintere des vorhergehenden Wirbels liegt über der vorderen des hinteren. Deutlicher ragen die Gelenke am Hals und deren Bogen hervor. In den Lendenwirbeln dagegen bilden sie wahrhafte schräg nach vorn und oben hervortretende Fortsätze, prächtige Hebelarme für die Fasern des Erector dorsi bildend. Hier kommen auch Seitendornen vor, welche aus der Seitenwand des vorderen Bogenstückes über die Anfänge des folgenden Bogens sagittal nach hinten treten. Sie scheinen als Schutz für das Gelenk gegen seitliche Ausrenkung zu dienen, erhalten aber auch Easern des Lumbo- costalis. Kommen wir nun zu den Fortsätzen, so sind die Querfortsätze in den »Lenden« breit und lang nach vorn und aussen absteigend. Gegen den Wirbel nehmen sie an Stärke zu. In den »Rückenwirbeln« sind sie kurz, stumpf und dick, nach oben knopfförmig umgekrempt. In der »Halsgegend« dagegen sind sie in sagittaler Richtung lang und durch zwei Wurzeln ventral geneigt an dem Körper ansitzend. Besonderes Interesse bieten aber die Dornfortsätze. Diese stellen in den »Lenden« einen seitlich compressen, breit von der Basis aufsteigenden, nach oben und vorn geneigten Dornfortsatz dar, während sie in den »Rückenwirbeln« nach hinten gerichtet sind. Tafel 23 u. 24. Letztere kommen breit aus dem Bogen und steigen hinten an der Spitze schmäler, in der Mitte kräftiger nach oben und hinten. Die »Halswirbel« haben mehr spitze Dornen, die jedoch auch nach vorn gerichtet aufsteigen. — Wenn wir nun auch noch die Substantia reticularis und die An- ordnung ihres Balkennetzes betrachten, so finden wir, dass bei den Rückendornen die com- pacte Substanz am hinteren Rande angehäuft ist und von ihr aus die Balken, besonders stark, nach vorn aufsteigen. Bei den Lendendornen findet das Umgekehrte statt. Hier ist die com- pacte Masse am vorderen Rande und von ihr aus laufen die Balken von vorn oben nach hinten und unten. Alle diese angegebenen Eigenschaften deuten darauf hin, dass hier zu Gunsten der Festigkeit dem Zuge der Muskeln an den Lendenwirbeln nach hinten, sowie dem verstärkten Zug an den Rückenwirbeln nach vorn die Richtung der Dornen, sowie die Lagerung der Balkennetze entgegengestellt sind. Es bleiben nun noch zwei Wirbel zu besprechen übrig. Der eine liegt im hintersten Theil der Brust und ist einer der letzten Brustwirbel. Es ist der Wirbel, welcher frontal- liegende vordere und sagittalliegende hintere Gelenkflächen hat und der erste, welcher selbst- ständig seine Rippe trägt. Ausgezeichnet ist er immer durch einen‘ mehr senkrecht ne stehenden verkümmerten Dornfortsatz, welcher die Scheide zwischen den nach hinten gerich- teten Dornen des Rückens und den nach vorn gerichteten der Lendenwirbel bildet. Dieser Wirbel, den ich Vertebra intermedia nenne, ist das Analogon des 12. Wirbels des Menschen. — Der andere ist der 7. Halswirbel mit seinem etwas schmaleren und kürzeren Körper, ebensolchem Bogenstücke und kürzerem Querfortsatz und Dorn, welcher letztere von dem Dornfortsatz des ersten Brustwirbels weit überragt wird. Die Kreuzbeinwirbel sind 3 an Zahl und kürzer und schmäler als die Lendenwirbel. Der erste Kreuzbein- und letzte Lendenwirbel wird überragt von einem senkrecht und sagittal mit seiner Fläche gelagerten Hüftbein. (Taf. I.) Der Raum zwischen diesen Hüftbeinschaufeln und jenen Wirbeln ist tief und lang, und gibt dem Lumbo-costalis viel Raum für Muskelfasern. Das Becken ist schmal, und die Lage der Pfanne liegt weit näher dem Sitzbein als dem Hüftbein- kamm, also ist, wenn wir die Pfanne als Hypomochlion für einen zweiarmigen Hebel annehmen, der vordere Hebelarm länger (beim Löwen 2 cm) als der hintere. Ebenso ist die Entfernung des hinteren Endes des letzten Lendenwirbels bis zur Vertebra intermedia beim Löwen um 8 cm länger, als von dieser zum Anfang des ersten Brustwirbels. Es muss ferner erwähnt werden, dass nicht nur die Lendenwirbelkörper, sondern auch die Lig. inter- vertebralia zwischen ihnen am längsten sind, und vorn in dem Rücken nach und nach kürzer ® werden.!) Rücksichtlich der Bewegung ist zu bemerken, dass in den Lendenwirbeln die ventrale Beugung die dorsale um das Zweifache (Felinen) übertrifft. (Bei Zemur überschreitet sogar die dorsale Beugung kaum eine gerade Linie) In den Rückenwirbeln ist die laterale am stärksten, in den Lenden kommt diese gar nicht vor. In dem Hals ist die Bewegung nach allen Richtungen fast gleich. Dass die stärkere seitliche Beugung und die Torsion in der Brust gross ist, wird natürlich nur durch das schmale, aus einer Menge von Knochenstücken und durch knorpelhaft verbundene Brustbein und lange schmale Rippenknorpel ermöglicht. Dabei ist der Thorax mehr tief als breit. Alles, was hier im Einzelnen von den Katzen gesagt ist, gilt auch für die Fuchsaffen, zu erwähnen wäre nur, dass der Thorax etwas breiter und die Pfanne näher dem Ischium liest, als z. B. bei dem Löwen. 1) Welche Bedeutung übrigens die Länge der Lendenwirbelsäule für die Bewegung der Thiere haben möge, kann man schon daraus entnehmen, dass während bei dem trägen hülflosen Choloepus die Lenden 40 mm und die Brustwirbel 268 mm betragen, bei Zemwr erstere 110 und letztere 154 mm zeigen. Ebenso Cercopithecus 92 und 108, Felis catus ferus aber 170 und 170. Taf. I und I. BE on ar Während nun aber das Becken durch eine fest geschlossene Pfanne auf der Hinterextre- mität ruht, wird der Vorderrumpf an dem Schulterblatt nur durch Muskeln getragen. Das Schulterblatt, sagittal an dem schmalen Rumpf aufgerichtet, hat seine längste Ausdehnung (in der Ruhe) von oben nach unten und etwas schräg nach vorn. In der Bewegung steht es aber senkrecht. Es zeigt vorn an der grösseren Fossa supraspinata einen mehr oder weniger ab- gerundeten Rand, der an der Stelle, wo die Crista ausläuft, am dicksten ist. Im weiteren Ver- lauf geht er in den hinteren Schulterblattwinkel und ist mehr gerade. Von hier aus steigt der Schulterrand stark verdickt herab zu der Pfanne. Ebenso läuft die nach der Fossa infraspinata geneigte Crista, dem flachen Schulterblatt Stärke gebend, senkrecht herab gegen die verdickte Pfanne. Die Pfanne selbst ist halbmondförmig geschwungen und läuft in eine Schniepe aus, welche beim aufrechten Stehen des Thieres in die Vertiefung zwischen Humeruskopf und Tubereulum majus hineintritt. Ein Schlüsselbein findet sich bei den Felinen in dem Fleisch des Cucullaris ete. verborgen, und ist nur durch sehnenartige Verbindung an das Sternum und die Schulter befestigt, während es bei den Lemuren vollkommen entwickelt ist. Die im Schultergelenk gefundenen sagittalen Excursionen betragen bei Felis 85°, bei Lemur 100° — Das Ellenbogengelenk verbindet (bei den Katzen mehr zur Charnierbewegung als zur Rotation geeignet) die sich kreuzenden Vorderarmknochen mit dem langen Humerus. Der Radius Täuft von oben und aussen nach vorn und innen, umgekehrt die Ulna. Die Supination ist bei dem Raubthiere unvollkommen, bei dem Lemur weit ergiebiger. Auch ist zu bemerken, dass wie beim Kniegelenk des Menschen die Queraxe excentrisch liegt, daher auch hier eine Ginglymo-Arthrodie (Meyer) vorhanden ist. Auch in. der Verbindung des Carpus ist vorherrschend Charnierbewegung und zwar sehr ausgiebig in der Flexion, kaum in der Extension. Die Metacarpalen jedoch stehen fest. So wie aber das Ellenbogengelenk im Olecranon seinen kürzeren Arm hat, so stellt am Carpus das Pisiforme eine ähnliche Bildung dar, indem es mit der hinter dem Radius liegenden Ulna sich verbindet. Gehen wir nun zur Hinterextremität, so ist auch hier in dem Hüftgelenk mehr noch als bei der Schulter die Charnierbewegung die vorherrschende. Trochanter major und minor sind stärkere Hebel als das Tuberculum majus. Auch das Kniegelenk, noch mehr aber das Sprung- gelenk sind scharf ausgeprägte Charniergelenke. Letzteres verbindet in starkem Winkel den Fuss mit dem Unterschenkel und hat gleich der Hand eine grössere plantare als dor- sale Beugung. Rücksichtlich der Excursionen der Gelenke sei erwähnt, dass das Ellenbogen- gelenk bei der Katze 115°, bei Lemur 125° und die Rotation bei letzterem 81° beträgt. Das A Hüftgelenk des Lemur zeigt 105°, eines alten Löwen nur 96°. Das Kniegelenk bei Felis catus 100°, bei Lemur 150° und das Sprunggelenk bei Felis leo 64, bei Lemur 150°. Uebrigens glaube ich, dass im Leben jene Excursionen weniger gross sind. Betrachten wir nun noch die Extremitäten im Ganzen, so ist die Hinterextremität höher und mit Ausnahme des Löwen, schwerer als der Vorderarm.!) Ausserdem zeigt die starke Befestigung in der Pfanne sowie die stärkere Abzweigung der verschiedenen Gelenke und das schärfere Ineinandergreifen ihrer Flächen, endlich die Patella und die Calx das Uebergewicht der Hinterextremität. Feiner gibt die entgegengesetzte Richtung beider Extremitäten uns ein Bild vom Parallelogramm der Kräfte, indem der in Ge- danken verlängerte Unterarm und Unterschenkel gegen die Mitte der Wirbelsäule zusammen- treffen, der verlängerte Oberarm und Oberschenkel aber in den Boden zwischen die Beine fallen. Diese Stellung der Knochen gewährt nun aber nicht allein den Vortheil, dass der Rumpf wie in einem Schaukelstuhl liegt und vor jedem Stoss durch die Elasticität der Gelenke gesichert ist, sondern sie gewährt auch, durch ein scherenartiges Oeffnen und Zusammenlegen der Theile, eine Verlängerung und Verkürzung der Extremität sowie günstige Ansätze für die Muskeln an langen und kräftigen Hebeln. Einiges zu den Muskeln. Zunächst haben wir uns zu erinnern, dass die Muskeln die Fähigkeit haben gedehnt zu werden, und hierauf durch ihre Elasticität zu ihrer normalen Länge zurückzukehren, dass aber beide Vorgänge im Anfang rasch und später langsamer verlaufen; dann dass die Muskeln in der Ruhe wenig über das Normale ausgedehnt sind; ferner dass die Muskeln die Fähigkeit sich zu contrahiren besitzen und nachher wieder in die gewöhnliche Dehnung zurückgehen ; 0 !) Längs-Messungen in Millimetern. Ober- Vorder- Vorderextremität. Ober- Unter- Hinterextremität. arm. arm. Hand. Summa. schenkel. schenkel. Fuss. Summa. mm mm mm mm mm mm mm mm SHIeRSELEOR ER 0) 260 150 710 301 270 200 771 Felis catus ferus . . 110 115 40 265 140 140 80 360 Lemur macaco . . . 100 93 40 233 137 120 60 317 Gewichte in Grammen. Vorderextremität. Hinterextremität. Tower an a LINE 573 8 sRelise catussferusa. nn. 0 el 24 >» IDemursmacacon a. re 5 27 >» et endlich dass die Muskeln sowohl nach dem Centrum als auch nach der Peripherie wirken können, je nachdem dort oder hier das Punctum fixum sich befindet. Noch sei bemerkt, dass die Muskeln gleich den Knochen an der Hinterextremität schwerer sind, d. h. diese mehr Kraft besitzt, und dass an der Hinterextremität die Strecker, an der Vorderextremität aber die Beuger überwiegen.) ‚Ich habe in einer Reihe von Thieren (VYulpes, Felis cat., Inuus cynomolg., Chiromys madg., Lemur macaco und Choloepus) die Gewichte der Strecker und Beuger der verschiedenen Gelenke gegenübergestellt und kam bei fast allen, mit der alleinigen Ausnahme des Choloepus didactylus, zu folgenden übereinstimmenden Resultaten: 1. Im Carpusgelenk überwiegen die Beuger über die Strecker: bei Vulpes B. 25, St. 9. Felis B. 33, St. 14. Inuus B. 49, St. 15. Lemur B. 16, St. 8. 2. Im Ellenbogengelenk überwiegen die Strecker: bei Vulpes B. 14, St. 74. Felis B. 17, St. 36. Inuus B. 62, St. 78. Lemur B. 15, St. 36. 3. Im Schultergelenk überwiegen die Beuger: bei Yulpes B. 136, St. 44. Felis B. 105, St. 28. Inuus B. 155, St. 36. Lemur B. 39, St. 9. 4. Im Sprunggelenk “überwiegen die Muskeln der plantaren Flexion über die dorsale: bei Yulpes P. 47, D. 11. Hehs PB» 59, D. 24. mus, B2719,2D228 Lemur P. 20, D. 8. . Im Kniegelenk sind Beuger und Strecker mehr oder weniger gleich: ?) bei Vulpes B. 147, St. 102. Felis B. 113, St. 97. Inuus B. 139, St. 137. Lemur B. 28, St. 29. or 6. Im Hüftgelenk herrschen überall die Strecker vor: bei Vulpes B. 55, St. 219. Felis B. 57, St. 145. Inuus B. 67, St. 238. Lemur B. 22, St. 55 @. 1) Bei einer Katze wogen die Muskeln der Hinterextremität 347 g, der Vorderextremität 288 g; bei dem Lemur erste 131 g, letzte 103 g. Das Verhältniss der Beuger und der Strecker (Beuger =1) ist an der Hinterextremität der Katze 1,62, an der Vorderextremität 0,44. Bei Lemur für erste 1,86 und die zweite 0,46. 2) Wenn man freilich Biceps femoris, Semitendinosus und Semimembranosus als Strecker mit aufführen will, wozu man bei Lage des Punetum fixum im Fuss berechtigt ist, so sind die Strecker in hohem Grade über- wiegend und statt obiger Zahlen erhalten wir für die Strecker: Vulpes 204, Felis 177, Inuus 240, Lemur 49. er BT Indem ich als Ergebniss aus vorstehender Zusammenstellung anfüge: dass die grössere Masse der Muskeln an den hinteren Seiten, sowohl der Vorder- als auch der Hinter- extremität sich finden, gehe ich noch kurz zu den zwei- und mehrgelenkigen Muskeln über. Ich verstehe unter diesen nicht blos die Muskeln, die von der Scapula zum Vorderarm und von den Becken zum Ober- und Unterschenkel gehen, denen C. Langer eine besondere Berücksichtigung schenkt, sondern auch die Muskeln, welche vom Humerus oder Femur, zu den Metacarpen und Metatarsen und den Zehen gehen. Die Zahl dieser Muskeln beträgt, wie ich fand, für die Vorder- sowie für die Hinterextremität 10, während die Gewichtsverhältnisse bei letzteren erstere (Lemur ausgenommen) meist überwiegen. !) Diese doppelgelenkigen Muskeln haben die Aufgabe, nicht blos die Knochen, an die sie geheftet, in Bewegung zu bringen, sondern auch mehrere Gelenke in ihrer Thätigkeit mit einander zu verknüpfen, zu »verkoppeln«, wie der geistreiche Wiener Anatom sagt, der dieser Sache besoders Erwähnung thut.?) Mit der sich streckenden oder beugenden Schulter streckt und beugt sich nicht allein der Ellenbogen, sondern streckt sich auch das Carpusgelenk. Ebenso ist es mit der Hüfte. Bei der Streckung der Hüfte durch den Glutaeus streckt der Rectus das Knie und die Gastrocnemii das Sprunggelenk. Wird das Hüftgelenk flectirt, so wird die Entfernung zwischen Tuber ischii und Tibia vergrössert und das Knie wird durch den Semimembranosus gebeugt. Das Sprunggelenk bleibt unbetheiligt. Doch noch einer Wirkung zweigelenkiger Muskeln, welche in der Lagerung des Extensor und Flex. carpi sich kund gibt, muss ich Erwähnung thun. Während nämlich der Flex. carp. ulnaris sowie der Extensor carpi rad. an Ulna und Radius zu ihren Metacarpen gerade herab- steigen, kreuzen sich der Flex. carp. rad. und der Extensor ulnaris an der hinteren und vorderen Fläche des Vorderarmes. Waren vorher die Muskeln in ihren Bewegungen aneinander gebunden und hier- durch eine Uebereinstimmung und Sicherheit in der Bewegung gewonnen, so ist diese letzte Einrichtung geeignet, Oberarm, Vorderarm und Carpus, sowie Radius und Ulna, bei !) Hinterextremität bei Vulpes 266, Vorderextremität 159. > > » Felis 206, » 131. > » Imuus 2831, > 155. » » Lemur 58, > 72. ®) Prof. C. Langer. Die Muskulatur der Extremitäten d. Orang., pag. 40, 41. Sitzungsberichte d. Wiener Akademie. März 1849. Abhandl. d. Seuickenb. naturf. Ges, Bd. XIII. y 2 —- 10 — Streckung der Öberarmmuskeln aufeinander zu pressen und so die ganze Extremität in sich in gerader Richtung festzustellen. Bei der Beugung der oberen Gelenke bleibt jedoch der Carpus unbetheiligt. So wäre denn nur noch zu erwähnen, dass bei den Lemuren mit dem vollkommen aus- gebildeten Schultergürtel und dem nicht ovalen (wie bei den Katzen und Hunden), sondern den drehrunden Radiusköpfchen auch Veränderungen in den Muskeln vorgehen. Die Verknüpfung des Cucullaris mit dem Deltoideus clavicularis, sowie: mit Pectoralis Cleidomastoideus und Sternomastoideus bei dem Raubthier wird durch die Clavicula gelöst, dafür tritt aber ein um so entwickelterer selbstständiger Deltoideus auf. Durch das Einschieben der Clavicula wird die Wirkung des Cucullaris (beim Stehen) auf den Humerus nicht verändert. Unter anderem fehlt auch bei Hunden und Katzen der Supinator. Nach dieser vorläufigen Mittheilung dürfte es an der Zeit sein, jetzt die mechanischen Vorgänge beim Stehen, Gehen und beim Sprung aufzusuchen. 1. Das Stehen. H. v. Meyer hat uns in seiner »Statik und Mechanik des menschlichen Knochen- gerüstes« gezeigt, wie schon allein durch die Lage der Schwerlinie innerhalb des Skelettes das Stehen ohne Einwirkung der Muskeln ermöglicht werde. Hier bei den Thieren ist es anders. Hier reicht der Bau des Skelettes durchaus nicht hin allein den Rumpf schwebend zu erhalten. Hier müssen die Muskeln das Ihrige thun. In meiner Schrift über »die Robbe und Otter« habe ich schon auseinandergesetzt, wie der Schwerpunkt des Säugethierkörpers beim Stehen aus der Mitte der Wirbelsäule und zwar aus der Gegend der Vertebra intermedia herabfällt und wie die aus der Fascia Jumbodorsalis hervortretenden Muskeln Cucullaris und Glutaeus sich vorn an das untere Ende des Humerus und das hintere des Femur ansetzen. Indem nun der Cucullaris aus der Fascia dorsalis über das Schulterblatt und der Glutaeus über das Becken an das untere Ende beider Knochen herabsteigen, die Wirbelsäule aber das Bestreben hat, durch die Schwere einzubrechen, so wird die Elastieität beider Muskeln wachgerufen und der Oberarm an seinem unteren Ende nach vorn, der Oberschenkel aber nach hinten gezogen, wodurch Ellenbogen und Knie gestreckt und ‘der Rumpf getragen wird. Der Kniehebel, wie er bei der Buchdruckerpresse gebräuchlich ist, wird dieses veranschaulichen. N filu Die Buchstaben «a, b, c, d sollen Oberarm, Oberschenkel ete. etc. vorstellen. Beim Druck von oben wird der Winkel 1 grösser und damit der Winkel 2 und 3 kleiner, der Winkel 4 und 5 aber grösser und so die Vorderextremität a b und die Hinterextremität c d in den Gelenken 4 und 5 gestreckt.!) Wir haben vorhin gesehen, dass nicht allein die Hinterextremitäten höher sind als die vorderen, sondern wir wissen auch, dass nur diese durch ein kräftiges Gelenk unmittelbar verbunden sind, während die Vorderextremität nur vermittelst der Muskeln den Rumpf trägt. Die Folge ist, dass nun nicht allein durch die niedere Vorderextremität, sondern auch durch das Liegen des Rumpfes in elastischen dehnbaren Muskeln sein Vordertheil tiefer liegt als die hintere Gruppe. Der Rumpf hat daher die Neigung nach vorn zu rutschen. Betrachten wir nun hier die Vorderextremität. Das Schulterblatt mit einer schlaffen Kapsel und kleiner Gelenkfläche wird auf dem stärkeren Gelenkkopf durch die drei Schulter- muskeln von allen Seiten, innen, vorn und aussen befestigt, denn da hier in der That nur eine schwächere Verschiebung beider Knochen vorkommt, so scheinen diese Muskeln weniger zur ausgreifenden Bewegung, als vielmehr zur Befestigung beider Knochen aufeinander zu dienen. Ausser diesen Muskeln bindet der Cucullaris, an der Crista von aussen angreifend, die Schulter an die Rückendornen, Ein gleiches geschieht unter ihm von den Rhomboideen, welche von den Rücken- und untern Halsdornen kommen und sich an den oberen Rand des Schulterblattes ansetzen. Von eben dem Schulterrand steigt nun aber der Serratus ab, welcher mit seinen Zacken von den hinteren kippen bis zu den Querfortsätzen der vorderen Halswirbel sich aus- breitet, durch die grösseren Sägemuskeln wird jedoch Hals und Brustkorb wie in einer Hänge- matte getragen. Indem nun der Rumpf nach vornen herabzurutschen strebt und der Schwerpunkt dadurch nach vornen rückt, werden diese letzten Muskeln in Spannung versetzt und durch diese, sowie en a Muhr ‘ !) Aus diesem einfachen Schema ist ersichtlich, wie unmöglich es für den thierischen Körper sein würde, den Rumpf auf den Extremitäten zu tragen, wenn beide Gelenke, Ellenbogen und Knie sich nach einer Richtung öffnen würden. Wir sehen aber auch, wie fehlerhaft es sein muss, der Analogie zu Gunsten nach einer Drehung der Vorderextremität zu suchen. Doch auch in dem Ruhezustand bei dem Liegen des Thieres sehen wir jene Muskeln jedoch in entgegen- gesetzter Richtung betheilist. Der Schwerpunkt wirkt jetzt nicht mehr auf den Rücken, sondern die Katze liegt auf dem Boden mit unter den Rumpf eingelegten Extremitäten. Da nun hier von letzteren ein Zug gegen die Rückenmuskeln ausgeht, so entsteht der stark gebogene Rücken, der sogenannte »Katzenbuckel«. a durch die Schwere des Kopfes das Schulterblatt, welches in der Ruhe nach hinten etwas geneigt liegt, aufgerichtet und zwar so, dass die Crista senkrecht zu stehen und der dickere Schulter- blattrand oben zu liegen kommt. Eine kurze Verschiebung des Schulterblattes nach vorn bringt die schniepenförmige Spitze der Gelenkfläche in die Vertiefung zwischen Humerus- kopf und Tubereulum majus, die Spinati und Subscapularis werden gespannt. In Folge dessen sieht man bei dem stehenden Thiere die Ränder beider Schulter- blätter die Dornen des Rückens überragend unter dem Felle in die Höhe stehen. Mit dem Aufrichten des Schulterblattes wird durch den Serratus der Hals gehoben, aber auch der lange Kopf des Triceps gespannt, durch diesen das Olecranon angezogen und das Ellenbogengelenk gestreckt. Durch die Streckung des letzteren wird Biceps und Brachialis in Spannung versetzt, die Knochen des Schultergelenkes durch den langen Kopf des ersten noch mehr aufeinander gepresst und dadurch die hinteren Schulterblattwinkel noch höher aufgerichtet. Durch die Streckung des Ellenbogengelenks werden jetzt aber auch von dem Extensor radialis und ulnaris carpi die Metacarpen vorn auf die Gelenkfläche des Radius gedrückt (man denke hier an die excentrisch liegenden Axen in den Condylen des Humerus). Die Streckung und Spannung der Metatarsen zwingen nun aber auch die Flexoren an der Hinterseite, von unten: aufsteigend, sich zu contrahiren, während der Fuss durch die von oben herab sich stets steigernde Last noch mehr auf dem Boden befestigt wird. So ist denn die ganze Extremität von der Schulter bis zu den Metacarpusköpfen in einen festen Stab verwandelt und ganz geeignet, unter Assistenz von Pectoralis und Latissimus, durch den Serratus den Vorderrumpf zu tragen. Gehen wir nun zur Hinterextremität. Hier finden wir ausser einer sicheren Befestigung in der Beckenpfanne eine weit schärfere Abzweigung der einzelnen Gelenkstücke als bei der Vorderextremität. Dort lagen die Metacarpen fast in gleicher Richtung mit dem Vorderarm, hier dagegen sehen wir in sehr prägnanter Weise den Fuss vom Unterschenkel scharf abgesetzt, so dass ein Senkel, von der Pfanne in der Mittelstellung des Beines herabgelassen, Ober- und Unterschenkel und Tarsus durchschneidet. j Ferner begegnen wir hier zwei sehr charakteristischen grossen zweiarmigen Hebeln. Der eine liegt auf der Hüftpfanne und sein Wagebalken erstreckt sich von der Spina ilei bis zum Ischium, der zweite hat in dem Sprunggelenk sein Hypomochlion und geht von dem Calx zu dem Köpfchen der Metatarsen. Abgesehen davon, dass die scharfe Abknickung der Gelenke sehr günstige Hebel für den Zug der Muskeln darbietet, so haben wir durch diesen letzten a IR EN TE PER Doppelhebel gerade an der tiefsten Stelle der Extremität das wichtigste Moment zum Tragen und Fortbewegen der Körperlast. Der Kraftarm aber am Ischium ist von hoher Bedeutung zum Aufrichten des Beckens beim Sprung. So wie aber bei der Vorderextremität der Cucullaris es nicht allein war, der das Einsinken des Ellenbogengelenkes verhinderte, so genügt auch der Glutaeus maximus nicht, um allein, ohne die Hülfe anderer Muskeln, das Einbrechen des Hüftgelenkes zu verhindern. Namentlich ist es hier der am grossen Trochanter einen tüchtigen Hebelarm findende Glutaeus medius. Ferner werden durch Einsinken des Hüftgelenkes die vom hinteren Ende des Beckens und vom Sitzbein kommenden Muskeln, die hintere Gruppe der kräftigen Adductoren eine Ausdehnung bekommen, welcher die Rlastieität dieser Muskeln widerstehen muss. Wie das Körpergewicht aber das Hüftgelenk zu flectiren bestrebt ist, so sucht es auch das Sprunggelenk in eine dorsale Flexion zu bringen. Durch die Neigung des Sprunggelenkes aber, einzuknicken, werden die Muskeln’an der Hinterseite des Unterschenkels, Plantaris, Peronaeus, Tibialis post., der Soleus und Gastrocnemius in Spannung versetzt und die Flexoren genöthigt, die Zehen zu beugen und dadurch fester der Unterlage anzudrücken. Hierdurch ist das Einsinken des Sprunggelenkes »verhindert. Damit nun aber Hüft- und Sprunggelenk feststehen, so wird das Knie durch die herab- steigenden Muskeln Biventer, Semitendinosus, Semimembranosus, sowie die aufsteigenden Waden- muskeln und namentlich durch die Spannung des Quadriceps festgehalten. 2. Das Gehen. In dem vorhergehenden Abschnitt hatten wir es allein mit den Bedingungen der Kraft- erzeugung, die in den Muskeln selbst lag, nämlich mit der Elastieität, zu thun. Hier tritt uns auch noch die andere Seite der Krafterscheinungen, die specifische Erregbarkeit der Muskeln durch die Nerven, in bestimmter Reihenfolge geordnet, entgegen. Wir haben vorher schon erwähnt, wie mit der Streckung der Hüfte durch die Glutaei auch die Streckung des Knies durch den Rectus verbunden ist und wie dieser dann das Sprunggelenk, in gleicher Weise durch die Gastrocnemii gestreckt, sich anschliesst. Ob dieser Vorgang, der sich auf mechanischem Wege durch Contraction des Glutaeus, durch passive Dehnung des Rectus und der Gastrocnemii erklären lässt, sich nicht auch durch active Kraft- entwicklung des Nervus Glutaeus und Tibialis, ohne Betheiligung des N. Cruralis, erklären liesse, Se muss ich den Physiologen und dem Experiment überlassen. Soviel ist übrigens gewiss, dass auf dieser »Verkoppelung« der Gelenke, wie sie Langer nennt, und wie sie auch an der Vorderextremität sich findet, das wichtigste Moment der Gehbewegung beruht. Da wir für die Ortsbewegung nur die Hinterextremität als die durch Strecken, durch Anstämmen wirkende »active<, die Vorderextremität als die stützende, als die mehr »passive« ansehen müssen, so wollen wir zunächst die erste in Betracht ziehen. Hinterextremität. Beginnen wir mit dem Moment, wo das rechte Hinterbein nach vollendeter Streckung den Boden zu verlassen im Begriff ist und dem linken die Körperlast aufgebürdet wird. Letzteres hat nach vollendeter Schwingung bei erschlafften Gelenken und vollendeter Pendelung mit den Metatarsusköpfen den Boden erreicht. Die durch die gewonnene Stütze und die Körperlast in Thätigkeit versetzte Extremität ist zunächst durch die Elastieität der Muskeln vor dem Einsinken bewahrt. Durch den von hinten erhaltenen Stoss setzt die Elastieität in die Contraction um und nun beginnt diese auf die Gelenke in sich steigernder Progression zu wirken. Zuerst stemmen sich die Metatarsen und die Zehen, durch die Flexoren der Planta und der Hinterseite des Unterschenkels (N. tibialis) genöthigt, auf den Boden. Von hier ausgehend wird der Fuss hinten gehoben, wobei der Tibialis posterior und Peronaeus longus durch N. peronaeus angeregt wirken. Die auf der Dorsalseite des Fussrückens liegenden Zehenstrecker, durch das Beugen ihrer Zehen gespannt, helfen den Unterschenkel nach vorn neigen, wobei das Knie sich biegt. Durch das Streben des Knies einzusinken, erwacht die Contraction der Vasti und des Cruralis, diesen folgt der Rectus (N. Cruralis). Der Oberschenkel wird aufgerichtet, noch mehr geschieht das durch die jetzt folgende Contraction der Glutaei. Zum Schluss der Be- wegung aber treten von oben Biventer, Semimembranosus, Semitendinosus (Ischiaticus) ein und tragen die Pfanne über den Unterstützungspunkt der Metatarsen hinaus, während von unten die Gastroenemii, die Streckung des Kniees und damit die Streckung der ganzen Gliedmaasse vollenden. So dreht sich denn auf dem Metatarsusköpfchen die Extremität in einem senk- rechten Bogen, wie die Radspeiche um ihre Axe, und trägt ihr Becken nach vorn. Letzteres hat sich auf der rechten Seite durch die Muskeln der linken Hüfte und des lig. teres gehoben. Jetzt aber treten, durch den letzten Angriff der vom Sitzbein kommenden Muskeln stark ausgedehnt, der Sartorius und der Tensor fasciae in Action, schnellen zusammen, verkürzen die Extremität und leiten die Pendelschwingung des linken jetzt erschlafften Beines ein. Nach kurzer Erholung und vollendeter Schwingung beginnt die frühere Arbeit. TR ae Auf diese Weise tragen also die Hinterextremitäten in stetem Wechsel das nach der einen und dann nach der andern Seite schwankende Becken voran. Es begegnet uns nun zunächst die Frage, wie verhält sich hierzu die Wirbelsäule? Die Lendenwirbel, die, wie erwähnt, nur eine ausgiebigere ventrale, aber kaum eine dorsale Beugung zulassen, werden bald von der einen, bald von der andern Seite geschoben und bewegen sich in der Diagonale beider Richtungen nach vorn. Doch bald begegnen sie an dem in Muskeln hängenden Vorderrumpf einem Hinder- niss. Ist auch der Widerstand der an den Schultern hängenden Muskeln bald überwunden, so ist er doch immer ein Hinderniss für das Vorrücken. Die Folge hiervon ist, dass die Lenden- und hintere Rückenwirbelsäule sich bei jedem Stosse etwas biegt und zwar in einem convexen Bogen nach oben. Da nun aber der Brustkorb nur in elastischen Muskeln und an einer niedern Extre- mität aufgehängt ist, so wird die niedergesunkene Wirbelsäule jene Biegung weiter fortführen (das leichte Wippen der Lendenwirbel kann man bei gehenden Katzen zuweilen deutlich sehen). Dass nun die Beugung der Lenden- und hinteren Brustwirbel mit der Zeit constant geblieben, wie Herm. von Meyer an der Wirbelsäule des Menschen anführt, und dass daher an der Höhe der Biegung die Bogenstücke der Wirbel höher als die Körper sich zeigen, wäre zu vermutben. Die entgegengesetzte Richtung der Halswirbelsäule aber begründe ich auf, die eigene Gestalt des letzten Halswirbels, auf die grössere Höhe der Wirbelkörper im Vergleich zu den Bogen, die dachziegelartig übereinander liegenden Gelenkflächen und besonders auf die von dem Schulterrand und den vordern hohen Dornfortsätzen herabsteigenden Muskeln, den Trägern des Halses, Vorderextremität. Indem der Rumpf nach vorn geschoben wird, leitet der Cucullaris an der Crista die Scapula ') kreisförmig um das Gelenk nach vorn. Ein Gleiches thun die Rhomboidei capitis et cervicis an dem Rand angreifend. Der Rand vor der Crista, der in der Ruhe nach oben gerichtet war, kommt jetzt nach vorn und neigt dann etwas abwärts. Der hinter der Crista befindliche Rand steigt nach oben. Die Spinati und der Subscapularis befestigen das Schultergelenk und die vordere Schniepe der Gelenkfläche stemmt sich in die Grube hinter dem Tuberc. majus humeri. Schulter und Humeruskopf wandern nach vorn und abwärts. Durch das Aufsteigen der Schulter wird der Triceps I genöthigt den Ellenbogen zu strecken, und hierdurch wird der Biceps genöthigt die Schulter durch jenen langen Kopf vorn fest zu halten und mit dem Brachialis das Ellenbogengelenk festzustellen. Durch die Streckung des Ellenbogens wird auch der !) Hier ist es jetzt die rechte Schulter. Bee Extensor carpi radialis Bent und die Metacarpen in gleiche Richtung mit dem Radius gebracht. Sehen wir hier die Gruppen für den Nervus perforans und ganz besonders den N. radialis in Thätigkeit, so werden doch auch die Gruppen des Ulnaris und Medianus in An- spruch genommen, denn auch diese werden durch die excentrische Stellung der Axen der Humerus- condylen, sowie durch den gestreckten Carpus und die gebogenen Phalangen in Mithülfe gezogen. So ist denn auch die Vorderextremität von unten bis oben gestreckt und wandert auf den Metatarsusköpfen in einer Raddrehung nach vorn. Pectoralis und Latissimus am Rumpf ausgebreitet, ziehen den Rumpf nach, und nun überträgt sich die Last auf die andere Seite, während das aufgerichtete Schulterblatt des nun nach vorn schwingenden Beines durch den hinteren Theil des Cucullaris nach hinten folgt. Schwingt nun aber das Bein gleich einem Pendel, so gilt auch das Gesetz des Pendels: Je länger der Pendel, um so langsamer ist die Schwingung und umgekehrt. Da nun aber unsere Extremitäten gebrochene Pendel sind, bei welchen das Stück vom Humeruskopf zum Carpus, oder vom Acetabulum zum Talus der kürzeste Pendel, dann aber vom Humerus etc. zum Carpus, vom Acetabulum zum Metacarpus, und so weiter bis zur dritten Phalanx immer länger werden, so werden beim Schwingen die dritten Phalangen, dann die zweiten, die erste und zuletzt der Carpus nach und nach zurückbleiben, dann aber, wenn die Schwingung des Beins beendet ist, jetzt als die kürzesten vorschnellen und so die Extremität mit der hintern Fuss- fläche auf dem Boden ankommen. Während dieser Zeit hatte das andere Vorderbein die Last übernommen und trug die- selbe allein, der Rumpf, der im aufrechten Stehen in den beiden Serratis wie in einer Hänge- matte liegt, hängt beim Gehen abwechselnd an der einen oder der andern Schulter, getragen durch den Serratus und Pectoralis. Die Folge davon ist, dass der Thorax einmal auf der einen, dann wieder auf der andern Seite gehoben wird, und so in frontalen Schwingungen weiter gelangt, während in den Lenden der Rumpf sagittal voranschreitet. Diese Bewegungen des Thorax sind durch das frontale Niederliegen der Gelenkfortsätze der Rückenwirbel bedingt, und können sich nicht weiter nach hinten als bis zu den vordern Gelenkfortsätzen der Vertebra media erstrecken. Ich habe vorher erwähnt, dass bei der Hinterextremität die Beckenseite des schwingenden Beines sich in die Höhe hebt. Da nun aber in der Bewegung die stützenden und schwebenden Beine kreuzweise zwischen hinten und vorn alterniren, so findet auch alternirend ein frontales Schwanken zwischen dem Thorax und Becken statt. Tritt das rechte Schulterblatt über den Rumpf hervor, so werden wir auch die linke Beckenseite erhöhet finden. eher 3. Der Sprung. Es bleibt, nachdem wir das Spiel der Muskeln beim Gehen betrachtet, jetzt noch übrig, auch zu der weit energischer ausgeführten Thätigkeit, dem Sprung, überzugehen. Die Ansprüche, die an die Thätigkeit der Muskeln bei dem Gang gemacht werden, scheinen ziemlich gering im Vergleich zum Sprung. Denn schon nach kurzer und mässiger Arbeit folgt für die meisten Muskeln ein Ruhen und Sammeln zu neuer Thätigkeit. Während dort abwechselnd Arbeit zwischen rechts und links und ebenso zwischen Hinter- und Vorderextremität vorkam, erstreckt sich dieselbe hier auf beide Seiten zugleich und wechselt in raschem Tempo zwischen vorn und hinten. Die Contraction der einzelnen Muskel ist hier vollständiger und rascher. Dort stemmte die Hinterextremität auf den Boden und schob den Rumpf voran, die Vorderextremität führte sie, jedoch mehr passiv thätig, weiter. Hier dagegen ist ein Zusammenraffen aller Kräfte. Die Wirbelsäule, die dort ziemlich theilnahmlos war, wird hier im höchsten Grad in Anspruch genommen. Zunächst wird dieselbe durch die Bauchmuskeln gekrümmt, wodurch vor dem Sprung der convexe Bogen gesteigert wird, dann werden durch das verstärkte Anstemmen der Hinterextremitäten an den Boden und das Strecken des Femur die Lendenwirbel durch den Psoas aufeinander gepresst. Denkbar wäre es auch, dass ein Gleiches an den fünf oberen Brustwirbeln und dem untersten Halswirbel durch den Longus colli geschieht, wodurch der Hals gestreckt wird. So scheint denn die Wirbelsäule in der richtigen Verfassung, um von dem Extensor dorsi vom Becken aus mit dem Rumpf in die Höhe gehoben zu werden. Wie sehr nun aber im übrigen die Wirbelsäule der Raubthiere gerade für den Sprung eingerichtet ist, haben wir oben bei der genaueren osteologischen Betrachtung gesehen. In der langen Lendengegend, den langgezogenen, nach vorn gerichteten Dornen, den langen, schräg nach abwärts und nach aussen gerichteten Querfortsätzen und den nach vorn ansteigenden kräftigen Gelenkfortsätzen, ferner in den scharf ausgezogenen Seitendornen und den tiefen Gruben seitlich dem Kreuzbein sehen wir die prächtigsten Ausgangs- und Angriffspunkte für den kräftigen, zwischen den hohen Knochenfortsätzen tief eingebetteten Rückenstrecker.!) Nehmen wir nun noch hinzu, dass die dorsale Streckung der Lenden gerade sehr be- schränkt ist und der gewölbte Rücken dem über ihn hinwegsteigenden Extensor dorsi die Arbeit, den Vorderrumpf zu erheben, bedeutend erleichtern muss, so haben wir die Momente aufgeführt, die bei Katzen, Mardern, Füchsen, Lemuren etc. gerade für den Sprung diese Thiere ‘) Man vergleiche die in Rede stehenden Skelettheile der flüchtigen Fuchsaffen und des torpiden Faul- thier auf Tafel 23 und 24. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII 3 N besonders befähigen. Hierfür sprechen auch die verschiedenen Gewichtsverhältnisse der Bauch- und Rückenmuskeln. Bei Lemur wiegt der Extensor dorsi 39 g, die Bauchmuskeln 25 g. Bei Choloepus jedoch der Rückenstrecker 34 g, die Bauchmuskeln aber 48 g. Die von dem Becken, dem Hüft- und Sitzbein kommenden, an den Oberschenkel sich befestigenden Muskeln, noch mehr aber die Ober- und Unterschenkel angreifenden Biventeren, ferner der Semimembranosus und Semitendinosus, sowie die zu gleicher Zeit rasch erfolgenden Contractionen der Hüfte, des Knie- und des Sprunggelenkes werfen den vorn in die Höhe gehobenen Rumpf vorwärts, wobei der lange und meist buschige oder mit einer Quaste versehene ausgestreckte Schwanz, theils als Balancirstange, theils zum erleichterten Schweben durch die Luft oder zur Steuerung der Richtung dient. Das Schulterblatt aber, durch den hinteren QCucullaris und den Serratus nach hinten und abwärts gezogen, der Oberarm durch Deltoideus und vorderen Cucullaris, sowie durch Supraspinatus nach vorn gestreckt, der Vorderarm durch Biceps und Brachialis und endlich die Metacarpen und die Hand in eine horizontale Lage gebracht, machen es den Köpfen der Metacarpen möglich den voran schwingen- den Rumpf auf dem Boden aufzunehmen. Der auf diese Weise dem Rumpf begegnende Stoss wird durch die Elastieität der mantel- artig um den Vorderrumpf und Humerus gelagerten Cucullaris, Pectoralis etc. aufgenommen und beseitigt, dieselben Muskeln, aber namentlich Pectoralis, Latissimus, Deltoideus sind es, welche an der in senkrechtem Schwung um die Köpfchen der Metacarpen sich bewegenden Vorderextremität den Rumpf sich nachziehen. Was hier über die Sprungbewegung im allgemeinen gesagt ist, gilt aber ganz besonders für die Lemuren, die bekanntlich meist nur auf Bäumen leben, in mächtigen Sätzen und mit einer Schnelligkeit, der oft das Auge kaum zu folgen vermag, von Ast zu Ast springen und nur wenig den Erdboden besuchen. Möge vorstehende Studie vorläufig genügen, in das so wenig beachtete interessante Muskelspiel des sich bewegenden Säugethieres einiges Licht verbreitet zu haben. Möge aber auch dieser erste Versuch bei den Zoologen ein Interesse für solche Fragen, welche das Verständniss der Formen und der functionellen Bedeutung der Gebilde des Wirbelthierkörpers suchen, wachrufen. — Ob dieser Wunsch freilich bei vielen, bei welchen die Kenntniss der topo- graphischen menschlichen Anatomie, sowie die der Wirbelthiere und das Interesse für letztere seltener ist, in Erfüllung gehen wird, muss die Zeit lehren. II. Lemur macaco und Choloepus didactylus. Erst seit Darwin’s epochemachenden Werken über »Die Entstehung der Arten«, über die »Domestication der Thiere« und endlich über die »Abstammung des Menschen« hat die ver- gleichende Anatomie der höheren Wirbelthiere einen neuen Aufschwung genommen. Vor Darwin suchten die Zoologen ihre Aufgabe darin, die Zahl der Arten zu vermehren, und die kleinste Abänderung begründete eine neue Species. Doch seit Darwin's »natürlicher Auswahl« betraten die jüngeren Forscher einen ganz entgegengesetzten Weg. Statt näm- lich, wie jene, zu trennen, vereinigen sie und suchen jede Kleinigkeit, man könnte sagen osteologischen Nipp auf, um Uebergänge und Verwandtschaften herzustellen. Während wir aber bis dahin fast jeden Fortschritt in der Zoologie und Anatomie dem Mikroscop zu danken hatten, so fasste Darwin in weiter Umschau die gesamniten makroscopischen Grössenverhältnisse in’s Auge und erneuerte auf diese Weise wieder das Interesse für die höheren Thiere. Da waren es denn zuerst die Anthropoiden, an welchen Huxley (Evidence as to man's place in nature) nachzuweisen sich bemühete, dass: »der Mensch ein Glied derselben Ordnung sei, wie die Affen und Lemuren.« Weiter erstreckten sich dann auch die Untersuchungen auf andere Säugethiere und beschränkten sich nicht mehr auf das Skelet, sondern behandelten auch die Muskeln. Ausser den gründlichen Arbeiten unsers Th. Base off über Hylobates Gorilla und die Gehirnwindungen der Affen ete. dürften besonders die Arbeiten der Engländer: Owen über Chiromys, Humphry (Öbservations in Myologie), Macalister über die Muskeln des Gorilla, dann die Anatomie der Lemuriden von J.Murie und G. Mivart, sowie die schönen Arbeiten des ersten über Manatus australis, sowie Otaria jubata, in welchen die früher so vernachlässigte Myologie ihre volle Würdieung fand, erwähnt werden. NO. ie Auch ich habe mich seit Jahren mit der Myologie der Säugethiere beschäftigt und ohne Rücksicht auf Darwin's Hypothese, die Bedeutung der Muskeln für das Skelet und umgekehrt sowie für die Bewegung zu untersuchen, mich bemühet. In meiner Arbeit über »Die Robbe und Otter« habe ich zunächst Thiere behandelt, denen jede, oder fast jede Spur eines Schlüsselbeines fehlt und die zwischen Wasser- und Landthieren einen vermittelnden Uebergang bildeten. Mit der Robbe, der jede Spur eines Schlüsselbeines mangelt, verglich ich die, statt eines Schlüsselbeines nur einen Knochenkern besitzende Otter. Ich ging dann zu den mit einem rudimentären Schlüsselbein versehenen Raubthieren über und gelangte so zu den Vierhändern und dem Menschen. In vorliegender Arbeit habe ich zwei Thiere zu untersuchen unternommen, welche zwar beide einen entwickelten Schultergürtel haben, aber trotzdem, dass beide auf Bäumen leben, doch in ihrer Lebens- und Fortbewegungsweise so unendlich weit von einander verschieden sind. Ich meine den flüchtigen, raubthierartigen Fuchsaffen und den zur Trägheit verfluchten Unau. Da der Lemur rücksichtlich seiner Bildung zwischen Raubthier und Vierhänder steht, so war es aber doch auch meine Aufgabe, dieses Thier nach beiden Seiten zu vergleichen, Nachdem die osteologischen und myologischen Verhältnisse jener behandelt waren, ging ich zur Betrachtung der gleichen Systeme des Faulthiers über. Dann suchte ich die Unterschiede des Lemur mit dem Choloepus festzustellen und beide in mechanisch-physiologischer Hinsicht, nach morphologischer Bildung, Grösse und Gewicht der Knochen und Muskeln, Lagerung der Gelenkaxen, Excursionen der Glieder bei Bewegung gegenüber zu stellen, wobei näherstehende Thiere zur Vergleichung benutzt wurden. Dass die so ausgedehnten und mehrfach wiederholten Untersuchungen doch immer nur mehr allgemeine, im Einzelnen nicht stichhaltige Resultate geben können, liegt in der Sache selbst. Denn Thiere, die auf der Jagd erlegt und frisch in meine Hände kamen, zeigten andere Gewichtsverhältnisse als Thiere aus zoologischen Gärten und Menagerien, welche lang- sam hingeschmachtet waren. Dann hatte das eine Exemplar lange in Weingeist oder in chroms. Kali gelegen, ein anderes wurde frisch untersucht, war aber seeiert, oder auf Wunsch der Balgzoologen abgehäutet. Aus diesen Gründen musste ich mich, um eine Gleichmässigkeit zu erhalten, nur auf das Gewicht des Skelettes statt des ganzen Thieres beschränken. Wenn deshalb die Gewichtsverhältnisse der einzelnen Thiere zu einander keinen Werth haben können, so geben doch die einzelnen Theile ein und desselben Thieres zu einander massgebende Ver- OH hältnisse an, welche für die Mechanik schätzenswerthe Aufklärung liefern. — Wenn uns auch obige nieht zu beseitigende Schwierigkeiten entgegentreten, so müssen wir uns mit den Mikroscopikern trösten, welche mit ihren Reagentien, Titriren, Kochen und Brauen oft auf weit schiefere Wege gerathen. Rücksichtlich der Tafeln habe ich zu bemerken, dass alle Zeichnungen, mit Ausnahme der Tafel XV—XVI, geometrische Aufrisse sind und von mir in Contour, mittelst neben- Ist die Querstange von Stahl. Der Charnierkopf für die Zangenarme. Die Zangenarme, welche mit der Schraube D zum Festhalten der Objecte zusammengeschraubt werden. Schraube zum Festklemmen der Zange in ihrer vertikalen Stellung. Schraube zum Feststellen der horizontalen Drehung. Schraube zum Feststellen des Charnierkopfes auf der Stange A. Glastafeln mit der Achsenbestimmung. nuauohk stehendem Orthographen angefertigt wurden. Die oberen und unteren Gelenkaxen der Röhrenknochen wurden auf die obere und, nach Umdrehen des Apparates, auf die untere Glastafel gezeichnet und dann in einander gelest. 0} a E A. Knochen und Muskeln des Lemur macaco. 1. Der Schädel. Taf. XXII. Schädel. Wenngleich die Zoologen dem ZLemur den Namen »Fuchs-Affe« geben, so ist doch die Aehnlichkeit mit dem Fuchse nur eine sehr oberflächliche. Schon das Verhältniss des Cranium zum Gesicht ist ein anderes. Beim Zemur ist das Cranium breiter und gewölbter und die Lineae temporales steigen nicht zur Bildung einer Crista auf die Höhe des Schädels, Auch ist die crist. occipitalis transversa bei weitem weniger ausgebildet, und die Jochbogen haben nicht die in sagittaler Richtung verlaufende Schwingung. Besonders aber charakteristisch für den Lemur ist der Uebergang des Schädels auf das Gesicht. Hier die grossen, weiten, stark vorspringenden, knöchernen, bogenförmigen oberen Augenränder und die breite, dreieckige supraorbitale Fläche, an welche sich zum Jochbogen herabtretende Orbitalränder und eine breite Gesichtsbildung anschliesst. Die Augenhöhlen liegen dabei steil und sind mehr frontal gegen einander gelagert, während sie bei dem Fuchs in einem kleineren, nach hinten und unten ofinen Winkel zur Mediane liegen und dabei eine Richtung schräg nach aussen und oben zeigen. Das Gesicht macht den Eindruck, als wären die Oberkiefer nach der Seite etwas aufgetrieben. Durch die breiten Oberkiefer schliessen die oberen Zähne die untere Zahnreihe von beiden Seiten ein, und der Eckzahn des Unterkiefers hat das ganz Eigenthümliche, dass er hinter dem des Oberkiefers steht. Statt der sechs senkrechten Schneidezähne im Ober- und Unterkiefer des Fuchses kommen hier sechs horizontal liegende im Unterkiefer vor, der Oberkiefer hat jedoch nur vier kleine Zähne, welche durch eine mittlere Lücke getrennt sind. Von den sechs Back- zähnen haben nur die zwei vorderen schmale, dreieckige pyramidenförmige Spitzen, die vier hinteren jedoch innen eine breite ausgehöhlte Kaufläche und nur lateral mehr stumpfe Spitzen. Von einem Reisszahn ist hier keine Rede. Aehnlich so gestaltet sind auch die fünf Backzähne im Unterkiefer. Auch hier ist der Proc. coronoid. wie bei den Caninen hoch und in sagittaler Sl Richtung ausgedehnt, der Gelenkfortsatz jedoch sehr nieder gelagert und der Winkel in einen Fortsatz ausgezogen. War der Zemur in seiner Schädelbildung verschieden von dem Caninen, so ist kaum eine Aehnlichkeit mit Inuus zu finden. Hier zeigt der breite, runde Schädel, das kurze Gesicht, die hinten geschlossenen Orbitalhöhlen, die kurzen, engen Nasenbeine, die an einander gerückten, nach vorn gerichteten Augenhöhlen, die weit grössere Hinterhauptschuppe, das weit mehr hori- zontal liegende Hinterhauptloch, die von aussen kaum wahr zu nehmenden Trommelhöhlen den Inuus von dem Lemur sehr weit entfernt. Ferner zeigen die grossen mittleren Schneide- zähne des Oberkiefers, die stumpferen Eckzähne nebst fünf Backzähnen im Ober- und Unter- kiefer, die kürzeren Proc. coronoid., die fast in gleicher Höhe mit jenem stehenden Gelenk- fortsätze, sowie die abgerundeten Winkel am Unterkiefer gewaltige Verschiedenheiten. Auch steht hier der Eckzahn des Unterkiefers vor dem des oberen. Die Schädelhöhle zeigt uns beim Zemur eine ansteigende Schädelbasis, ein mehr geneigtes Hinterhauptloch und ebenfalls ein geneigtes Cribrum. — Beim Fuchs ist dagegen die Schädelbasis herabgesunken, das For. mag. und Cribrum steht steil. Ausserdem findet sich hier ein knöchernes Hirnzelt sowie ein Sinus frontalis, welche beide dem Zemur fehlen. -—— Bei Inuus dagegen ist die Schädelhöhle rund und geräumig, die Schädelbasis stark aufsteigend, das Cribrum und das For. mag. dagegen niedergelegt. Einige Messungen dürften dieses noch ausführlicher darthun. Führt man von dem unteren Ende des For. mag. eine Linie zum oberen Ende desselben, so bildet diese mit der Horizontale (for. mag. zur spina nasalis) bei Vulpes einen Winkel von 105°, bei Lemur 136° und bei Inuus 160°. Wir sehen also hier das Herabsinken des Hinterhauptloches. — Von eben jener Stelle zeigt ein Schenkel zur Wurzel des Vomer bei Yulpes 6°, bei Lemur 17° und bei Inuus 20° mit der Horizontale. Ein gleiches Verhältniss zeigt das Planum sphoenoidale zum’Horizont, bei Vulpes 15°, Lemur 24° und Inuus 49°. Aus diesen beiden Zahlenreihen überzeugen wir uns aufs deutlichste vom allmäligen Er- heben der Schädelbasis. — Verbinden wir nun endlich die beiden Endpunkte des Cribrum durch eine Linie und verlängern diese zur Horizontale, so erhalten wir auf der hinteren Seite einen Winkel von 101° bei Vulpes, bei Lemur 139°, bei Inuus aber legt sich das Cribrum so sehr darnieder, dass es mit der Horizontale fast parallel wird.!) — Noch sei bemerkt, dass die Länge der Horizontale bei Yulpes 133 mm, bei Lemur 88 mm und bei Innus 68 mm beträgt. !) Ganz die gleichen Abstufungen der Winkel, wie hier zwischen Vulpes, Lemur und Inuus, finden sich auch zwischen Orang, Gorilla und Mensch. 2. Rumpfskelet. Taf. XXIII und XXIV. Der Zemur hat im Ganzen in seinem Rumpfskelet grosse Aehnlichkeit mit dem Skelet des Fuchses, denn was das Verhältniss der Brust- zur Länge der Lendenwirbel- und der Länge der ganzen Wirbelsäule betrifft, so sind diese so ziemlich gleich, und während der Fuchs einen längeren Hals hat, schen wir bei Lemur einen längeren Schwanz. ') Die Zahl der Wirbel ist in den Lenden und dem Hals die gleiche (7), dagegen hat der Fuchs einen Brustwirbel mehr (13), der Zemur 12. Nun zeigt aber schon der Augenschein, dass alle Bogenstücke in Hals, Brust und den Lenden beim Lemur breiter sind. Ebenso ist der Thorax, namentlich in seinem vorderen Theil, breiter und weniger tief. Gehen wir mehr in’s Einzelne, so zeigt sich der Dorn des zweiten Halswirbels bei dem Fuchs viel länger, dagegen bleiben die Dornen der übrigen Halswirbel im Verhältniss zu den spitzen Dornen des Lemur zurück, andererseits sind die Dornen des Rückens bei dem Fuchs ungleich länger und stärker bis zur vertebra intermedia (der zehnte Rückenwirbel hier wie bei dem Zemur). — In den Lenden sind die hinten auf den Bogen breit aufsitzenden und nach vorn und oben geneigten, den Dornen der Rückenwirbel entgegen gerichteten Lenden- ‚lornen bei veiden verhältnissmässig gleich, Die nach vorn aufsteigenden Gelenkfortsätze sind jedoch bei Vulpes etwas länger. Dadurch wird der sulcus medianus zwischen Dorn- und Ge- lenkfortsätzen tiefer, obgleich schmäler. Die Querfortsätze sind dagegen in den Lenden bei dem Yulpes länger nach vorn und abwärts steigend. Bei Lemur etwas kürzer, aber in sagittaler Richtung mit breiterer Basis aufsitzend. Die Seitendornen der Lenden sind bei Lemur kräf- tiger. — Das Kreuzbein endlich besteht bei Yulpes aus drei kurzen, bei Lemur aber aus drei langen Wirbeln. Der Zemur hat 22 Schwanzwirbel, der Fuchs aber 17. — Die Rippen sind bei Zemur mehr seitlich geschweift und die vorderen Rippenknorpel länger als bei Vulpes. Lemur hat 9 wahre Rippen gleich dem Yulpes. Das Brustbein besteht bei Zemur wie bei Yulpes aus sechs Knochenstücken, welche jedoch bei letzterem länger aber schmäler als bei ersterem sind. Namentlich ist das Manubrium bei dem ZLemur breiter. — Rücksichtlich des Beckens ist zu bemerken, dass der sogenannte gerade Durchmesser des Beckens im Ganzen bei Lemur !) Die Länge der Wirbelsäule des getrockneten Skelettes ist bei Vulpus = 47 em, bei Lemur — 32 und der Schwanz des ersten ist 35 em lang und der des letztern 53. Der Quotient der Länge der Brust- zur Rumpfwirbelsäule ist bei Vulpes 2,6, bei Zemur 2,1. — Ebenso der Quotient der Lendenwirbel bei ersterem 3,1, bei letzterem 2,6, und für die Halslänge erhalten wir bei Vulpes 3,6 und bei Zemur 5,6. viel länger als beim Fuchs ist, und da die Schambeine im steileren Winkel zu einander stehen, so ist auch der untere Ausgang tiefer als beim Fuchs. Hier liegen die Schambeine ziemlich flach an einander, die Sitzbeintubera, die bei dem Zemur ähnlich denen des Menschen gelagert sind, sind bei dem Fuchs flügelförmig nach der Seite ausgezogen. — Wir kommen nun zum Ver- gleich des Zemur mit dem Inuus eynomolgus. Die Längenausdehnung der Wirbelsäule bei Zemur beträgt im trockenen Zustande 32 cm, ‚der Hals 6 cm, die Brust 13, die Lenden 11, Kreuzbein 3 cm. Bei Ins 26 cm, 4, 10, 9 cm und Kreuzbein 3 cm. Es sipd also keine grossen Veränderungen im Verhältniss der verschiedenen Regionen. Auch die Zahl der Wirbel des Rückens ist die gleiche, auch fällt die vertebra intermedia bei beiden in den zehnten Rückenwirbel; während jedoch der Lemur sieben Lendenwirbel besitzt, hat Inuus nur sechs. Beim Lemur sind die Wirbelkörper des Halses höher, die Dornfortsätze spitzer. Im Rücken sind Körper und Bogen länger, die Dornen stehen freier und sind nicht so auf einander gedrängt. Grösser sind die Verschiedenheiten in den Lenden. Diese sind nicht allein länger und auf der Ventralseite mit einer Längserista versehen, sondern zeigen auch in sagittaler Richtung längere Querfortsätze und höher aufsteigende vordere Gelenkfortsätze, endlich ungleich höher scharf aufsteigende, nach vorne gerichtete Dormfortsätze, ganz wie bei den Raubthieren. Bei Zmmus sind diese Lendendornen gerade aufsteigend, und statt scharf auszulaufen, schwellen sie meist an ihren oberen Enden in sagittaler und frontaler Richtung stumpf an. Der Dorn- fortsatz des ersten Kreuzbeinwirbels ist sagittal sehr lang und hoch. — Die 12 Rippen des Lemur sind schlanker und schmäler und befestigen sich in der Zahl 9 an das Brustbein, bei Inuus sind es nur sieben. Auch die Rippenknorpel sind länger. Das Brustbein ist bei beiden auf sieben schmalen Knochen zusammengesetzt. Uebrigens ist das Manubrium beim Inuus breiter. — Das Becken des Lemur ist schmäler und graciler. Die Hüftbeine sind schlank und ihre Kämme nach aussen geschweift und mit der Fläche nach abwärts gerichtet. Bei Inuus sind sie plump und liegen mehr frontal. Endlich sind die Tubera ischlatica bei Imuus breit angeschwollen und die Hüftlöcher sind enger als bei Zemur. — Kurz der ganze Rumpf ist bei Inuus gedrungener und die Vorderbrust breiter. Durch die grössere Länge der .Dorn- und Gelenkfortsätze der Lenden ist die Längs- furche zwischen diesen Fortsätzen tiefer und schmäler, als bei Inwus. Die Höhen-(Längen)verhältnisse der Lig. intervertebralia im frischen Zustande gemessen, geben bei Lemur folgende Zahlen. Zwischen Becken und Lendenwirbel 5 mm, der nächste 4 mm. An den hinteren Brustwirben 4 mm, der letzte Halswirbel 3 mm. Aehnlich Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 4 — 26 — diesen zeigen sich die Wirbelkörper. Der letzte Lendenwirbel ist 13 mm lang, der letzte Rückenwirbel 12 mm. Der erste Rückenwirbel ist gleich dem letzten Halswirbel 6 mm. Die Verhältnisse der Bänder sind die gewöhnlichen. Rücksichtlich der Beweglichkeit ist zu bemerken, dass die Lendengegend in dor- saler Richtung sich nur zu einer geraden Linie strecken lässt, während die yentrale Beugung weit grösser ist. In der Brustgegend herrscht die laterale Beugung vor. Im Hals ist Beugung nach allen Seiten gleich. — Ferner ist zu bemerken, dass, wenn bei dem Thier (im Wein- geist) der Atlas gegen den letzten Lendenwirbel ventral gebeugt wird, die grösste Beugung in die Lendenwirbel fällt. Hier ist die Pfeilhöhe 17 cm hoch und die Sehne des Bogens ist 23 cm. Im frischen Zustande beträgt die Wirbelsäule 40 cm. Die Rotation der Brustwirbel ergiebt fast 90°. 3. Knochen der Hinterextremität, Tafel XVII, XVII, XXI. Der Femur, dessen Gelenkkopf fast 34 einer Kugel (grösster Durchmesser von hinten nach vorn), ist sehr lang und vollkommen gerade. Er hat starke Trochanteren, in deren Be- reich seitliche Anfänge einer linea aspera sich befinden. Von den Condylen ist der innere grösser, zeigt eine frontale Schweifung nach der lateralen Seite und steht tiefer als jener. Die Axe der Condylen bildet mit der Längsaxe des Knochens einen grösseren Winkel auf der me- dianen, als der lateralen Seite. Die X-Axe des Gelenkkopfes (d. h. die Axe, die senkrecht auf der Mediane des Körpers steht) differirt mit der X-Axe der Condylen nur um I®, Bei dem Fuchs ist die Diaphysis nach vorn convex gebogen und ebenso bei Inuus.. Bei ersterem ist die Fovea patellaris eng und schmal, bei letzterem weiter. Bei Inuus steht der Condylus internus nicht tiefer und die X-Axe der Condylen (Taf. XVIII. c. d.) bildet mit der X-Axe des Humeruskopfes einen Winkel von 8°, Bezüglich des Hüftgelenkes ist für den Zemur zu erwähnen, dass die starke Kapsel den Hals umzieht, an der oberen und hinteren Seite frei in einem Bogen sich herüberspannt und nur an der unteren, vorderen Basis angewachsen ist. Ein li, teres ist vorhanden. Unterschenkel. Tibia und Fibula sind lang, gleich dem Oberschenkel. Erstere ist etwas convex nach vorn gebogen. Die beiden oberen Gelenkflächen fallen kaum nach hinten ab, die mediane ist tellerförmig vertieft, die laterale aber von vorn nach hinten gewölbt. Am unteren Gelenke findet sich ein grosser, hakenförmig gebogener Condylus internus, dem eine horizontale, von vorn nach hinten ausgehöhlte Gelenkfläche anliegt, welche durch eine OL sagittale Crista von einem lateral schräg aufsteigenden Felde getrennt ist. Dieses laterale Feld legt sich mit seinem vorderen Rand an die median schräg aufsteigende Gelenkfläche der Fibula an, dann aber laufen beide mit einander in einen nach hinten offenen Spalt aus einander. Inuus zeigt ähnliche Verhältnisse. Der Unterschenkel ist jedoch hier kleiner, die Tibia nach vorn und innen stark convex und durch einen grossen Raum von der gerade laufenden Fi- bula getrennt. Die oberen Gelenkflächen sind hier mehr nach hinten absteigend, als beim Lemur; die untere Gelenkfläche zeigt mehr menschliche Form und hat nicht jenen hinteren breiten Ausschnitt wie der Zemur. Der laterale Theil bildet hier mit der Fibula eine sagittal laufende, vorn und hinten jedoch geschlossene Grube. Bei dem Fuchs ist die Tibia statt in der Längsrichtung nach vorn convex, im Gegen- theil etwas concav, von einer Seite zur anderen aber vollkommen gerade. Die Tuberositas tibiae ist hier viel stärker, als bei den vorhergehenden Thieren. Die oberen Gelenkflächen verhalten sich wie bei Zemur. Die untere, durch Tibia und Fibula gebildete Gelenkfläche ist sehr verschieden von der vorigen. Sie ist eine scharf ausgeprägte Hohlrolle, die von vorn nach hinten durch einen Grat in zwei tiefe Gruben getheilt, von einem steilen Condylus internus und externus begränzt, vorn und hinten nur durch Vorsprünge eingefasst ist. Die Fibula liegt der Tibia wie bei Zemur mehr an. Sie ist oben durch einen dreieckigen Raum von jener getrennt, in der unteren Hälfte aber an jene angelötet. Die Patella, die dort breit, ist hier schmal und hoch. Das Kniegelenk des Lemur hat seine Verhältnisse ganz wie bei dem Menschen und den Vierhändern. Es findet sich ein breites lig. laterale internum und zwei sich kreuzende lig. lat. externa, lig. cruciata, halbmondförmige Bandscheiben ete., in Lagerung und Befestigung wie bei dem Menschen. Das Gelenk ist auch hier eine Ginglymo-Arthrodie, bei welcher die Seitenbänder nur in der Streckung gespannt, jede Rotation verhindern, in der Beugung aber erschlaffen, wo dann die Rotation des Femur nach Innen stärker ist, als die nach Aussen, Dieses wird durch die sehr verschiebbare Bandscheibe und den Ansatz der lig. externa weiter nach vorne am Femur, sowie auch die mehr nach hinten sich befestigende lig. laterale interna veranlasst. Ebenso spannt sich bei der Rotation nach Aussen das hintere Kreuz- band. Dasselbe ist bei der Streckung der Fall. Bei der Beugung und der Rotation des Femur nach Innen spannt sich das vordere Kreuzband. Bei der Beugung und Streckung ver- schiebt sich auch hier der Condylus internus des Femur auf seiner Bandscheibe, sowie der Condylus externus mit seiner Bandscheibe auf der Tibia. Zu bemerken ist noch, dass das Lig. eruciat. post. durch die sehr starken Bandlager in den Kniekehlen sehr verstärkt wird. Die Patella ist hoch und schmal, in der Mitte mit einem sagittal verlaufenden convexen Grat versehen. Die obere Gelenkaxe der Tibia (X-Axe, Taf. XVII. « 5) bildet mit der Axe des unteren Gelenkes bei Lemur einen Winkel von 15°, bei Inuus einen Winkel von 19°. Der Fuss hat eine fast vollkommene Uebereinstimmung mit dem Fuss des Inuus. Es sind die sieben Tarsalen in derselben Lage und Anordnung 'im Ganzen wie beim Menschen. Selbst die Grössenverhältnisse der einzelnen Knochen sind bei dem Inuus gleich, nur sind bei letzterem die Ecken und Kanten schärfer ausgeprägt. — Das Os cuneiforme primum hat eine breite, in der Mitte etwas vertiefte, von oben median nach unten lateral liegende Stelle, woran sich der Metatarsus des Daumens mit einer Hohlrolle anlegt. Die übrigen Metatarsen sind hier ganz wie bei Inwus; auch finden sich die Sesambeine im Metatarsophalangealgelenk. Die Phalangen selbst aber sind gebogen, welches bei /nuus nicht der Fall. Auch sind sie länger. Die Phalanx III steht stets in einem Winkel zur Phalanx secunda. Wir haben schon erwähnt, dass die Knochen des Vierhänders eine mehr scharfe Aus- prägung haben als die des Zemur. Nur habe ich noch rücksichtlich der Rolle des Talus zu bemerken, dass beim Lemur die obere Rollfläche weniger in ihrem mittleren Gang vertieft ist und dass ganz besonders die beiden Seitenflächen nicht so scharf von der oberen abgesetzt sind; ganz besonders die laterale Seitenfläche. Statt mehr als senkrecht von dem Rande herabzusteigen, und in der Mitte gleichsam einen vertieften Schraubengang zu bilden, wie bei, Inuus, steigt sie mehr als eine ebene Fläche in schräger Neigung nach aussen und vorn herab. Noch sei erwähnt, dass die Gelenkfläche am Unterschenkel, der Talusrolle gegenüber, sehr breit ist. Wenden wir uns nun noch zur Betrachtung des Fusses beim Fuchs, so sind auch hier die Tarsalen in gleicher Zahl und Anordnung wie bei jenen Thieren, allein der ganze Tarsus ist schmäler, die Fersenfortsätze länger, und die doch wenigstens theilweise bei jenen angedeutete Höhlung der Plantarfläche der Sohle fehlt hier.‘ Ja, im Gegentheil zeigt die zweite Reihe der Tarsalen eine nach abwärts etwas gewölbte Fläche. ‘Das Cuneiforme, welches dort so sehr ausgebildet erscheint, ist hier sehr klein und trägt den verkümmerten Metatarsus des Daumens, Die obere Gelenkfläche des Talus zeigt, entsprechend der Gelenkfläche der Tibia, eine. sehr starke, tief eingeschnittene Rinne. Die vier Metatarsen sind hier doppelt so lang, als der Tarsus, während die des Daumens ganz verkümmert ist. Den Metatarsen‘ gegenüber sind die vier Grundphalangen sehr kurz und dorsalwärts aufgerichtet, die zweiten neigen sich abwärts, wäh- rend die dritten wieder aufwärts stehen. Zu bemerken wäre noch, dass, während die eo Tarsalen jener plantaren Aushöhlung entbehren, die Metatarsalen jedoch eine frontale Aus- höhlung zeigen. Bewegung. Gehen wir zur Bewegung der Fussgelenke beim Lemur über, so steht bei dor- saler Beugung der äussere und innere Fussrand in einer horizontalen Ebene. Beim Uebergang aber in die plantare Beugung entsteht eine Adduction des Fusses und eine Drehung um seine Längs- axe. Der Daumen und der mediane Fussrand steht jetzt oben, der entgegengesetzte unten, es zeigt sich also eine starke Supination. — Diese auch bei Inuus vorkommende Bewegung wird dadurch bedingt, dass die obere Talusrolle hinten schmäler ist als vorne und dass der laterale Rand sowohl in senkrechter Richtung höher steht und auch in sagittaler länger ist, als der mediane. Wir haben also hier einen Kegel, dessen Axe horizontal und frontal liegt, und dessen Basis einen grösseren Weg bei der Drehung um die Axe zu machen hat und dabei einen Kreis um den Condylus internus beschreibt. Bei der plantären Flexion ist das Lig. laterale internum, bei der dorsalen das Lig. calcaneo fibulare gespannt. Zwischen der ersten und zweiten Reihe der Tarsalen kommt eine Rotation vor, deren Axe zwischen Cuboideum und Naviculare verläuft. Ferner findet sich eine Art Charnier- bewegung zwischen der zweiten Reihe der Tarsalen und der Basis der Metatarsalen. Die Axe liegt in der Verbindungslinie beider. Die Charnierbewegung des Daumens steht fast in einem rechten Winkel zu dem der übrigen Tarso-Metatarsal-Gelenke. Diese haben eine plantare dorsale Excursion. In dem gestreckten Zustande findet auch eine Rotation zwischen Meta- tarsus und Phalanx statt, welche in der Flexion verschwindet. Endlich aber ist zu erwähnen, dass die Phalangen im Leben stets eine gebogene Stellung zu einander haben und dass die Thiere auf ebenem Boden, neben der Sohle, immer mit der Spitze der dritten Phalanx den Boden berühren, Hält man das Thier schwebend, so zeigt sich das Hüftgelenk in Abduction, das Knie eirca 130° gebeugt, der Fuss steht aber in Supination. Verhalten sich die soeben besprochenen Verhältnisse im Fusse des Lemur fast ganz ebenso bei dem Vierhänder, so ist es natürlich bei dem Fuchs anders. Hier; ist wie in dem Unterschenkel keine Spur einer Rotation, hier ist nur strikte und kräftige Charnierbewegung. Rücksichtlich der ganzen Hinterextremität dieser Thiere sei noch erwähnt, dass sowohl bei Lemur als auch bei Inuus der Oberschenkel länger als der Unterschenkel ist, bei Vulpes aber beide Knochen in umgekehrtem Verhältniss stehen, bei Felis catus aber die Länge beider gleich ist, Der Fuss aber ist bei dem Fuchs bei weitem am längsten. il 4. Der Schultergürtel und die Vorderextremität. Tafel XIX bis XXI. Was zunächst das Schlüsselbein betrifft, so fehlt diesem an dem Akromialende jene S-förmige Krümmung, jene ventrale Concavität, wie sie noch bei Inuus zu finden und so deutlich bei dem Menschen ausgesprochen ist. Die Gelenkfläche für das Akromion ist ausge- höhlt und articulirt mit einer etwas gewölbten Fläche der Clavicula. Ausser der Kapsel, in welcher hier eine Rotation, sowie eine Charnierbewegung ermöglicht ist, findet sich, wie bei dem Menschen, ein Lig. trapezoideum und Conoideum zur Befestigung der Schulter und Clavicula. Das Sternalende zeigt eine dorso-ventrale, leichtgewölbte Gelenkfläche, welche mit der vertieften Fläche am Sternum articulirt. Hier ist eine Charnierbewegung. In der Kapsel findet sich der Zwischenknorpel, der zur Verstärkung derselben dient. Ausserdem das Lig. interclaviculare und claviculo-costale zur Beschränkung übertriebener Zerrungen. Bei dem Fuchs, dem der geschlossene Schultergürtel fehlt, findet man in der Vereini- gungsstelle von Cucullaris, Deltoideus, Pectoralis und Kleidomastoideus nur ein, ein halbes Centi- meter grosses, halbmondförmig gebildetes Knöchelchen eingebettet. Das Schulterblatt ist wie bei fast allen Quadrupeden in der Richtung der Crista, "also von dem Gelenktheil zum medialen Rande am längsten. Die Pfanne ist in sagittaler Richtung ausgehöhlt und an ihrem oberen, in eine Schniepe auslaufenden Ende, mit dem starken Rabenschnabel verschmolzen. Die Crista scapulae dreht sich in der Nähe ihres Akromialendes um ihre Längsaxe. Die Fossa supra spinata ist hier im Verhältniss zur infra spinata grösser. als bei Inuus, bei welchem sich schon mehr eine Verlängerung des hinteren Winkels zur längeren Fossa infra spinata ausspricht. Beim Fuchs hat das Schulterblatt eine lange Crista, die senkrecht auf der Knochenfläche, verläuft und an dem Gelenk in ein etwas gebogenes, dreieckiges, stumpfes Ende endet. (ver- kümmertes Akromion). Zum Unterschied vom Zemur beginnt die Crista von einem oberen, gebogenen und gerade vorlaufenden Schulterrand. Der vordere Rand bildet eine scharfe, halbmondförmige Begränzung der Fossa supra spinata. Von einem Rabenschnabel keine Spur. Der Oberarm des Lemur ist wie bei Inuus nach vorn stark convex gekrümmt. Der nach hinten gerichtete Gelenkkopf ist breit und hoch und läuft nach unten in eine Schniepe aus. Tub. minus und majus haben ihre Leisten, letzterer sogar zwei, eine vorn und eine lateral hinten. Die obere Hälfte des Humerus zeigt daher vier Flächen, während die untere gleich dem Humerus der Affen und Menschen ist, nur dass über dem Condylus internus sich ein foramen condyloideum Ne findet, Dann ist aber auch die untere Gelenkfläche breiter, und Trochlea und Rotula bei Lemur weit weniger ausgeprägt. Die X-Axe des oberen Gelenkes steht beim Zemur zur untern in einem Winkel von 19°, Bei Inuus 14°. Die Vorderarm-Knochen sind ganz wie bei Inuus. Der Radius ist nach vorn und aussen nur noch mehr als bei Inuus convex gekrümmt. In entgegengesetzter Richtung aber biegt sich die Ulna, wodurch ein grosser Raum zwischen den Diaphysen beider Knochen ent- steht. In seiner medianen Fläche hat er eine bis in die Hälfte seiner Höhe, unten breite, gegen oben schmaler werdende Rinne. — Die Ulna hat ein starkes Olekranon (bei Zemur und Inuus beträgt es Ys der Ulnalänge, bei dem Menschen "/). — Am unteren Ende der Ulna ist wie bei Inuus ein knopfförmiger Proc. spinosus. Dieser articulirt auf dem Os pisiforme und Triquetrum, ganz wie bei den Raubthieren. ö Ganz anders ist das Verhältniss bei dem Fuchs. Hier hat der Humeruskopf oben eine breite Fläche, welche auf das Tubereulum minus übergeht und dann ausgehöhlt zwischen letz- terem und dem breiten Tub. maj. abwärts steigt. Nur in seinem oberen Theile ist der Humerus nach vorn convex. Am unteren Gelenk ist von einer Trennung in Rotula und Trochlea keine Rede, sondern nur eine Trochlea, welche in ihrer lateralen Seite eine leichte Anschwellung für den tellerförmigen Kopf des Radius zeigt. Ferner ist die Fossa cubitalis durchbrochen und die Axe des Gelenkes bildet mit der Längsaxe des Knochens auf der medianen Seite einen grösseren Winkel. Das Ellenbogengelenk des Zemur hat die typischen Bänder wie der Mensch und gestattet Charnier- und Rotationsbewegung. Uebrigens lässt sich dieses Gelenk nicht über 132° strecken. Ebenso ist es bei /nuus. Nur steht bei diesem wie bei dem Menschen der Condyl. int. tiefer als der exter. In Folge dessen bildet in der Extension des Ellenbogengelenkes der Vorderarm mit Oberarm lateral einen stumpfen Winkel. In der Flexion jedoch legt sich der Vorderarm median vom Oberarm auf die Brust. Beim Zemur kann dieses wegen seiner horizontalen Axe nicht geschehen. Ferner steht die Axe des Ellenbogengelenkes zu der des Carpus in einem Winkel von 100° bei Lemur. Bei Inuus beträgt der Winkel 113°. Anders sind die Verhältnisse bei Yulpes. Hier liegen die langen Vorderarmknochen in stärkster Pronation dicht an einander und zeigen beide eine Convexität nach vorn. Für den Ellenbogen aber ist zu bemerken, dass der Fortsatz des Olekranon sehr stark ist und dass der Kopf des starken Radius nicht drehrund, sondern breit und auf jeder Seite zwei erhöhte Stellen zeigt. Der Hals dieses Knochens ist ebenfalls nicht drehrund, sondern breit und von vorn nach hinten platt gedrückt. Der in der Diaphysis an der Vorderseite frontal gewölbte, hinten aber platte N Has kräftige Radius zeigt an seinem unteren Gelenk eine breite ausgehöhlte Gelenkgrube mit einem etwas starken Processus an der Mediane, Die Ulna ist oben kräftiger, dann schwächer, schwillt unten wieder an in einen langen, kräftigen, knopfförmigen | Fortsatz, welcher mit dem Triquetrum und Pisiforme articulirt. Der Bau der Gelenke sowohl an der Schulter, wie an dem Ellenbogen deutet nur ‚auf Charnierbewegung. Von Rotation existirt keine Spur. Die Hand ist bei dem Zemur länger als bei /nuus, besonders bedingt durch die Finger. Bei ersterem ist 'sie 9 cm. lang, bei. letzterem aber nur 6'%. — Der Carpus ist statt aus 9 Knochen, wie bei. Inwus, aus 10 Knochen zusammengesetzt. Ausser den typisch gelagerten liegt zwischen 'Capitatum. (das freilich statt eines Knopfes ein nach oben 'zulaufendes spitzes Ende hat) Navieulare und Multangulum minus, das Centrale; ferner findet sich an der Daumen- seite des Multangulum majus, zwischen Naviculare und der Basis des Metacarpus I ein Knochenstück, welches dem /nuus fehlt. Hamatum, Os pisiforme und Triquetrum sind grösser, als. bei Inuus. Die beiden letzten haben ausgehöhlte Gelenkflächen für die Ulna. Was endlich. die Metacarpen betrifft, so sind diese gleich gross denen des Inuus. Die Phalangen I und II sind aber ‚hier grösser. und zwar gebogen.. Namentlich. ist der Daumen in der zweiten. Phalanx entwickelter. Hier wie bei den anderen ‚Metacarpophalangealgelenken finden sich Sehnenbeine gleich dem Inuus. Was nun die Bänder betrifft, so sind sie mit Ausnahme der Verbindung zwischen Vorder- arm und ersten Reihe der Carpalen ähnlich dem Menschen. Hier wie bei Inuus ist keine Capsula sacciformis und Cartilago triangularis, sondern hier finde ich das untere Ende beider Knochen mit Bandsubstanz beweglich mit einander verbunden, er! diese Bandsubstanz ‚setzt sich zwischen das Triquetrum und Lunatum fort und. trennt so das obere Carpusgelenk in zwei Abtheilungen. In Bezug auf Bewegung ist zu bemerken, dass zwischen Vorderarm und Carpus fast eine vollständige Arthrodie besteht, dass aber sowohl bei dorsaler wie bei volarer' Beugung stets eine Abduction der Hand in Combination. tritt... Es kommt nämlich hier immer eine Rotation um den Proc. spinosus der Ulna vor. Beim Laufen auf ebenem Boden steht die erste und zweite Phalange in einem Winkel, die dritte aber berührt mit der Spitze den Boden, die Capitula aber bilden den Stützpunkt. Bei Inuus legt sich die Hand platt auf. Berücksichtigen wir nun noch den Fuchs, so fehlt hier das os Lunatum in der oberen Reihe der Carpalknochen. Das sehr breite Naviculare aber articulirt fast allein mit dem Radius, Die übrigen Carpalen sind an Zahl die gleichen. Die gerade verlaufenden Metacarpen sind sehr lang, mit Ausnahme der ersten für. den Daumen, welcher mit seinen zwei Phalangen sehr BE NNGEN ae kurz ist. Die Grundphalangen der übrigen vier Finger sind halb so lang wie die Metacarpen und viel kürzer als die des Lemur. Sie steigen in die Höhe und bilden im Leben einen Winkel mit den folgenden Phalangen, während die Endphalangen wieder mehr aufgerichtet sind. Die dorsalen Gruben hinter den Köpfchen der Metacarpen, welche bei Zemur ganz fehlen, sind hier, wie bei allen Raubthieren, sehr ausgebildet. Endlich sei bemerkt, dass das ganze Gebilde lang und schmal im Vergleich zu Lemur ist. Die Bewegungen aller dieser Gelenke beruhen nur in der Charniergelenkbildung. Möge nun noch eine Tabelle über die Excursionen der Gelenke sowie die Grössen und - Gewichtsverhältnisse der Knochen von Vulpes, Lemur und Inuus folgen. 1) Grössenverhältnisse der Knochen in Metern. Ober- Unter- Oberarm. Unterarm. Hand. Bestell Kchönkel, Fuss. RUlDeSER ET SE Naar. 115 m. 110 m. 114 m. 125 m. 130 m. 151 m. EEE a ee 102 93 93 141 122 108 I ET 97 91 71 103 97 95 2) Gewichtsverhältnisse der getroekneten Knochen in &rammen. VUlDesN AN 15y0 150 9u 18° 249 24° TER a LEE 9 9 4 10%/a g!2 8 ROTE el: 5 5 5 11 9 7 3) Exeursionen in Streckung und Beugung, Schulter- Ellen- Hand- Hüft- Knie- Sprung- gelenk. bogen. gelenk. gelenk. gelenk. gelenk. VRWESS SD ee © 84° 92° 105 ° 80 ° 141° 103 ° Lemur macao .. .. 100 125 138 105 150 155 Cercopithecus mona . . - 145 144 165 147 180 140 Chmpance = zen. 100 135 200 107 105 90 Skeletmuskeln des Lemur. Indem ich jetzt zu den Muskeln des Lemur übergehe, nöthigt mich meine frühere Arbeit, über »Die Robbe und Otter«, zu einigen Bemerkungen. Bei der Robbe fand ich die oberflächliche, unter den Hautmuskeln liegende und mit letz- teren mehrfach verwebte Muskelschicht breit ausgedehnt und nicht blos den ganzen Rumpf, sondern von diesem ausgehend auch die Extremitäten bis zu ihren peripherischen Endtheilen, einhüllend. Diese Schicht bestand aus folgenden Muskeln: Pectoralis, Cucullaris, Latissimus Albhandl. d. Senckenberg. naturf Ges. Bd. XIII. 5 Di H= dors., Obliquus abd. ext., Sartorius, Tensor fasc, Biventer femoris, Gracilis und Semitendinosus. Die Muskeln, an ihren Gränzen in einander übergehend, dehnen ihre Wirkung auf weite Ge- biete und ganze Gelenkreihen aus, während die mehr in kleinerer Ausbreitung und auf ein- zelne Gelenke wirksamen Muskelkörper unter jenen Hüllen verborgen, nur an den peripheren Endtheilen der Extremitäten zum Vorschein kommen. Indem ich nun letztere von ersteren trennte und jenen einzelnen Muskelkörpern gegenüberstellte, behandelte ich diese unter der beson- deren Ueberschrift als »Muskelhüllene. Beim Uebergang zu der Otter zeigte es sich jedoch, dass diese Muskelhüllen sich mehr und mehr zu trennen anfingen. Schon hier beschränkte der Obliquus extr. abd. sein Ausbreitungsfeld und liess das Kniegelenk frei zu Tage kommen. Die Tren- nung wurde dann bei den höheren Raubthieren immer deutlicher.. Durch das Zurückziehen der Hüllen gegen den Rumpf hin werden die früber verhüllten Theile der Extremitäten von der Peripherie her immer freier und die Functionen der letzteren mannigfaltiger. Trug hierzu das Wachsen der Röhrenknochen in die Länge das Hauptsächlichste bei (sehr deutlich an der Unter- extremität menschlicher Embryonen, Neugeborenen und Erwachsenen, sowie an Vierhändern wahr- zunehmen), so waren doch auch noch unter den Hüllen andere Veränderungen vorgegangen. Nament- lich war die Ausbildung des Schlüsselbeines, sowie das Breiterwerden des Thorax hier von Belang. Bei der Robbe findet man keine Spur eines Schlüsselbeines, bei der Otter zeigte sich in der Fascie, welche zwischen Manubrium sterni und Tuberculum minus humeri sich ausbreitet, den Plexus brachialis einschliesst, und in die Fascia brachialis übergeht, an dem Tub. minus ein kleines festes Knötchen, welches als erste Anlage der Qlavicula zu erkennen war. In dem allmäligen Fortgang zu den höheren Raubthieren entstand nach und nach ein halbmondförmig gebogenes nach und nach grösser werdendes Knochenstück. Dieses war in der Muskelmasse verborgen und zwar an der Vereinigungsstelle dreier Muskeln. Bei den Felinen zeigte sich noch keine Spur von einer Verbindung des Sternum’s mit der Schulter durch die Clavicula. Erst bei den Lemuren und mehr noch bei den Vierhändern kommt die Clavicula zum Vor- schein. Mit der vollständigen Entwickelung dieser wird die Brust breit, die Scapula, die vorher sagittal stand, legt sich schräg, nach der Frontale geneigt und der Schultergürtel durchbricht die Muskeln (wie auf einer früheren Stufe die Muskeln der Schwanzlurchen durch die Rippen der Saurier durchbrochen wurden) und trennt die früheren Muskelgruppen. Cucullaris, Pecto- ralis, Kleidomastoideus und Deltoideus werden von einander getrennt und so entsteht der Schultergürtel mit der weiter entwickelten Vorderextremität in Ellenbogen und Hand. Wenn nun aber auch an dem Schultergerüste diese Veränderungen vorgehen, so bleiben doch mehr oder weniger die alten Hüllenmuskeln an den Hinterextremitäten bestehen, und ein Hinansteigen der Muskeln wird nur hier noch durch das vermehrte Wachsthum der Knochen wahrgenommen. Wenn ich daher trotz der Veränderungen in den oberflächlichen Muskellagen doch jene Abtheilung »Muskelhüllen« beibehalte und ihnen sogar den Deltoideus, der früher ein Theil des Cucullaris war, beifüge, so glaube ich es auch dadurch gerechtfertigt, dass auch hier bei den Muskeln der rothe Faden, der überhaupt die Bildungsverhältnisse durehzieht, gegenwärtig bleibe. | Die Reihenfolge, in welcher ich daher die Muskeln behandele, ist folgende: I. Hautmuskel. re Mieten Sen b. der Hinterextremität. III. Muskeln zwischen Rumpf und Schulter. IV. Muskeln der Vorderextremität. V. Rumpfmuskeln. 1. Spinale. a) Rücken. b) Schwanz. c) Rumpfkopfmuskel. 2. Viscerale. VI. Muskeln der Hinteretremität. 1. Hautmuskeln. Je nach der Körperregion kennen wir drei Hautmuskeln, der Musc. cutaneus ventralis, Cutaneus dorsi und Cutan. cervieis. Cutaneus ventralis. Die Fascie, welche vom Becken an der Bauchseite heraufsteigt, bekommt seitlich in der oberen Hälfte des Thorax Muskelstreifen, welche, anfangs auszebreitet und zerstreut, immer mehr zusammentreten und unter dem Pectoralis und über dem Coracobrachialis weggehend, mit dem folgenden vereinigt, nahe unter den Kopf des Humerus bedeckt vom Deltoideus sich ansetzt. Cutaneus dorsalis. Die Muskelfasern beginnen in der Fascia superf., in der Gegend der Lendenwirbel, steigen über den Rücken, gehen iiber den Latissimus, verbinden sich in diesem Verlauf mit den Fasern des Ventralis und treten in die Axelhöhle. Von diesen Muskeln gehen nun aber auch Fasern nach hinten auf die Hinterextremität und laufen auf der Vorder- seite des Schenkels abwärts. Die Fascie, welche vom Becken mit ihren Muskeln tiefer herab- geht, und eine sehr starke sagittale Falte bildet, umhüllt lateral den Vastus externus und setzt sich an die Linea aspera. Median hüllt sie der Sartorius ein, geht an die Fascia vaso- rum und überzieht den Gracilis. Auch am Oberarm und der Axelhöhle entsteht eine Falte, welche sich mit der Fascia vasorum in Verbindung setzt. Cutaneus cervicis entspringt stark und muskulös von der Crista scapulae. Zieht über die Wangengegend, über die Seite und den ventralen Halstheil und verliert sich im Gesicht. il — 2) 3 — 5) 2. Hüllenmuskeln. Pectoralis (Taf. II. Fig. 11) hat zwei Abtheilungen. Die vordere schmale geht vom Knorpel der Costa I. vom Manubrium und der medianen Ecke der pars. sternal. clavieul. mit dem Deltoideus verbunden über das obere Drittel des Humerus herab. Der hintere grössere Theil kommt von dem Brustbein in ganzer Länge und den Knorpeln der vorderen Rippen und endigt unter dem vorigen am Kopf des Humerus und des Proc. coracoid. Deltoideus (Taf. I. 12, Taf. II. 10) geht von der lateralen Hälfte der Clavicula, vom Akromion und Crista scapul. mit dem Pectoralis an den Humerus. Cueullaris (Taf. I. 3) kommt von den Dornen der oberen Halswirbel und allen Rücken- wirbeln und dem Fasc. dorsal. und setzt sich an die Crista und Akromion scapulae, jedoch nicht an die Clavicula. Latissimus dorsi (Taf. I. 4 bis II. 15) entspringt von den Dornen des vierten Rückenwirbels an, von der Fasc. lumbodorsalis aller Rücken- und Lendenwirbel, sowie von den letzten Rippen, tritt über den hinteren Wirbel des Schulterblattes und heftet sich mit breiter Sehne an die Spina tuberc. min. Humeri. Aus ihm tritt ferner ein starker Muskelfortsatz, welcher, an der medianen Seite des Humerus herablaufend, an die Spitze des Olekranon geht. Mit den Sehnen des teres hat der Latis. keine Verbindung. Obliquus externus abd. (Taf. I. 7, II. 21, V. 5) beginnt mit der vierten Rippe und der Fasc. lumb. dors. ete. ganz wie beim Menschen. Die Muskelhüllen der Hinterextremitäten entspringen alle ringsum an den Rändern des Beckens und des Kreuzbeines, ziehen vielfach in ihrer Fascion verbunden über den Oberschenkel herab, heften sich theilweise an diesen und dessen untere Epiphyse, mei- stens aber an den Unterschenkel, tleischig an und laufen nun fascienartig median und lateral am Unterschenkel bis zu den Condylen desselben herab. m Sl — 6) Sartorius (Taf. V. 4) kommt von der Spina ant. sup. und infer., heftet sich an die innere Seite der Tibia und verbindet sich mit den Sehnen-Fascien der folgenden Muskeln. 7) Gracilis (Taf. V. 5) kommt von der Symphyse und setzt sich mit dem folgenden an die mediane Seite der Tibia. 8) Semitendinosus (Taf. V. 6) vom Tuber ischii an die mediane Seite der Tibia. 9) Biventer (Taf. V. 15, VI.5 Fig. 2) kommt mit dem vorigen vereinigt vom Ischium, läuft an dem Femur herab ohne sich mit seinen Muskelfasern an ihn zu befestigen, geht an die Fascie des Knie’s und die äussere Seite des Unterschenkels. — Seine hinteren Muskelfasern laufen in eine sehnige Platte aus, welche bis zum Malleolus externus geht. 10) Glutaeus max. und Tensor fasc. lutae. (Taf. VII. 3,4). Die Fascia lumbo dorsalis, über die Lenden herabsteigend, befestigt sich an der Crista, an der Spina anter. super, und von diesen aus eine Falte bildend, an den letzten Dorn des Kreuzbeines. Beson- ders aus diesem Raume, also von der Crista, der äusseren Fläche des Ilium, und von der inneren Seite des äusseren Blattes, sowie aus der äusseren Seite der aus der Fascia lumbo dorsalis sich fortsetzenden Fascia Glutaea entspringen vereinigt beide Muskeln und steigen frei über den Trochanter major herab. Der vordere Theil heftet sich an einen kleinen Knorren unter und hinter dem Trochanter; die übrige Muskelmasse aber befestigt sich, zwischen Cruralis und Adductor III. herabsteigend, an die hintere unp ° äussere Fläche des Femur in dessen ganzer Länge bis in die Gegend des Condylus ex- ternus. Dieser Muskel wirkt iu hohem Grade als Strecker. — Vergleichen wir nun die Hüllenmuskeln des Zemur mit denen des Inwuis cynomolgus etc. Rücksichtlich des Peetoralis ist keine Verschiedenheit vorhanden. Dagegen finden wir Pectoralis major und minor bei Macacus niger getrennt, Jener bekommt keine Fasern von der Clavicula, entspringt in der ganzen Länge des Brustbeines und geht an den Humerus bis zum zweiten Viertel herab. Dieser dagegen geht von der Fascia des Rectus aus und geht an das Proc. coracoideus und an den Humerus in die Nähe des Gelenkkopfes. Ganz anderen Verhältnissen begegnen wir bei Vulpes, bei welchem nur ein kleines Schlüsselbeinrudiment in einer Fascia coraco brachialis und den hier zusammen sich vereinigenden Muskeln Cucullares, Deltoideus, Kleidomastoideus und Pectoralis verborgen liegt. Hier sind vier Abtheilungen für den Pectoralis zu unterscheiden. 1) Die oberflächlichste, welche sich ganz wie bei Zemur verhält und in die Mitte des Oberarmes geht. 2) Es folgt eine breite, a diekere Schicht, welche von dem vorderen Drittel des Brustbeines entspringt und an der Cla- vicula mit obigen Muskeln verwächst, die Fasc. coraco clavicularis (des Menschen) bei Ver- bindung der Schulter mit dem Brustbein unterstützt und nun vom Tub. maj. an der Spina desselben bis zum Ellenbogenbug herabläuft. 3) Folgt, bedeckt von dieser, eine Lage, welche von dem ganzen Brustbein entspringt, sich an jene Fascie heftet und nur an den Humeruskopf geht. 4) Endlich entspringt der äusserste schwächste Theil des Pectoralis vom Proc. Xyphoideus, läuft nach vorne, verbindet sich mit dem Latissimus dorsi, sowie dem Cutaneus, schlägt sich wie 1 um den Biceps und geht dann an die sp. tub. majoris in die Mitte des Humerus. Cucullaris. Auch dieser Muskel zeigt durch mangelhafte Entwickelung des Schlüssel- beines mancherlei Verschiedenheiten von dem des Lemur. Diese bestehen darin, dass der Kleido- mastoideus an das Schlüsselbeinrudiment geht, und unter dem Cucullaris mit diesem verwächst. Die Fortsetzung der vereinigten Muskelfasern verwachsen als Deltoideus clavicularis mit dem vorderen Theil des Pectoralis und setzen sich tief unten an den Humerus. So findet also eine Trennung zwischen pars clavicularis von der pars scapularis und acromialis des Deltoideus statt, indem ersterer ein Theil des Cucullaris wird. Latissimus. Auch dieser Muskel zeigt Abweichungen von dem Zemur. Es hat näm- lich hier der Latissimus auch keine Verbindung mit der Sehne des Teres major, dagegen ist er mit dem Theil des Pectoralis, welcher vom Proc. xyphoideus kommt, verwachsen. Da nun der vorderste Theil des Latissimus median dem Biceps sich ansetzt, dieser hintere aber, welcher mit dem Pectoralis verbunden ist, lateral dem Biceps sich an den Humerus heftet, so bildet die Sehne dieser Muskeln eine Schlinge um den Plexus brachialis und den Musculus Biceps. Der Muskelstrang, der an das Olekranon geht, findet sich hier wie dort. Die übrigen Hüllenmuskeln betreffend, sind keine bemerkenswerthen Unterschiede in Ansatz, Verlauf und Gestalt zu erwähnen. (Für letztere Muskeln vergleiche man meine Tafeln über die Otter in »Die Robbe und Otter«.) 3. Muskeln zwischen Rumpf und Schulter. Ausser dem Cucullaris befinden sich noch folgende Muskeln an dem Schulterblatt thätig: l) Levator scapulae (Taf.I, 10). Ein langer schmaler Muskel, welcher vom Proc. transversus. des Atlas entspringt, über den Cucullaris hinweggeht und an der Crista scapulae neben dem Akromion sich anheftet. 2) Rhomboideus dorsi et cervicis (Taf. Ill. 1,2). Er entspringt von dem Dorn der vier hinteren Hals- und drei vorderen Rückenwirbel und heftet sich an den dorsalen Rand —. 398 — der Scapula. An seiner vorderen Seite isolirt sich ein Muskelstreif und verschwindet in der Höhe des Atlas in dem Splenius. Die Fasern’ verlaufen am Hals nach hinten, am Rücken nach aussen. 3) Serratus anticus major (Taf. III, 4) kommt von den Querfortsätzen des zweiten bis sie- benten Halswirbels und von den Seitenflächen der sieben vorderen Rippen. Seine Muskelfasern heften sich oben an die innere Fläche des Schulterblattes unter dem Rhomboideus. 4) Omohyoideus (Taf. II, 6). Von der Basis des Zungenbeines kommend, geht dieser Muskel an den Rand (Winkel) der fossa supra spinata. Rücksichtlich dieser Muskel ist zu bemerken, dass bei Yulpes der Musc. omohyoideus fehlt, der Rhomboideus aber bis an das Hinterhaupt geht. 4. Muskeln der Schulter und des Oberarmes. (Taf. I, II und IV.) Bezüglich der Bildungsverhältnisse dieser Muskeln wäre nur Weniges zu bemerken, indem sie fast ganz dem Menschen und den Vierhändern analog gebildet sind. Es gilt dieses sowohl für. den Supra- und Infraspinatus, für den Subscapularis, Deltoideus, Biceps, Triceps etc. etc. Nur für den Caracobrachialis ist zu bemerken, dass er am ganzen Humerus bis zum Üon- dylus internus herabläuft und längs dem Lig. intermusculare internum an den Knochen ansitzt, zugleich aber auch mit dem Brachialis internus verwebt ist. Dieser letzte beginnt aber oben am Humerus unter dem Gelenkkopf, der dann muskulös herabsteigend, mit Muskelfasern, die Spitze des Deltoideus umgehend, mit diesem verwachsen ist. Auch setzt sich der lange Kopf des Triceps in breiter Fläche an das Schulterblatt. Endlich rückt der Teres major, in seiner Sehne von der des Latissimus völlig getrennt, an dem Humerus weiter herab. Auch über die Muskeln des Vorderarmes wäre nur Weniges zu sagen. (Taf. IV. Fig. 3—4, 2-6.) Der Supinator long., welcher seinen Ursprung schon in der Hälfte des Hu- merus nimmt, und hier mit dem Brachialis oberflächlich verwachsen ist, heftet sich unten an die volare Fläche des Radius. (Taf. IV. Fig. 2—9.) Der Pronator teres ist sehr stark und steigt fast bis zur Handwurzel am Radius herab. Auch ist er, näher seinem Ursprung, mit dem Extensor carpi radialis und dem Flex. quat. dig. profundus verwachsen. (Taf. IV. Fi Fascia ist sehr dick und fest. In letzterem liegt ein Knochenkern, an welchem der Abducto. . 2—10.) Der Palmaris longus auch gut entwickelt. Das Lig. carp. volar. und dessen [0 [e} pollicis brevis seinen Ursprung nimmt. — Der Flex. pollicis longus fehlt als selbstän- diger Muskel, er wird wie bei Inuus durch eine vom Flex. quat. dig. prof. abgehende Sehne ersetzt. — 40° — Ferner ist zu erwähnen, dass Opponens, Flex. brevis, Adductor obliquus und Transversus pollieis etc, ete. ganz wie bei /nuus vorhanden sind. Ebenso liegt auf der Randseite ein Extensor dig. V. prop., Extens. indicis, pollicis longus und brevis, Interossei int.. externi ganz wie bei dem Menschen. Gehen wir nun wieder zum Fuchs über, so wäre folgendes zu bemerken. Der Biceps besitzt hier nur einen Kopf. — Supinator longus fehlt und brevis ist sehr verkümmert. Der Extensor carp. radialis ist nur einfach vorhanden, läuft aber in zwei Sehnen aus, welche an den Metacarpus II. und III. ansetzen. Es kommt ein Extensor quat. dig. vom Condylus externus und geht an die zweite bis fünfte Zehe, neben diesem aber liegt der Abduct. digit. lateral; dieser geht an die dritte, ‘vierte und fünfte Zehe. Ein sehr starker Extensor ulneris kommt vom Condylus externus und setzt sich an die äussere Seite des Metacarpus V. Auch ein Abductor pollicis longus kommt vom Radius der Ulna und lig. interosseum, schlägt sich über ersteren und die Sehnen des Ext. rad. und geht an den Metacarpus des Daumens. An der hinteren Seite des Vorderarmes erscheint eine starke Sehnenhaut, welche vom Olekranon kommend, mit dem lig. carpi volare com. und prop. verwächst und an dem Navi- culare und Pisiforme ihren Stützpunkt findet; in diese begiebt sich der Palmaris longus. Der Flex. dig. subl. geht bei seinem Durchtritt eine Verwachsung mit jenen Bändern ein. Von den aus ihm hervortretenden Sehnen für die zweite Phalanx entspringt noch der grosse Sehnen- apparat für die Sohlenballen. Ausser dem Flex. carpi ulneris kommt noch ein Muskel vor, welcher von der medianen Seite des Olekranon entspringt, neben jenem liegt und an die Spitze des Pisiforme geht. Sehr stark und kräftig sind die Sehnen für den Flexor dig. pro- fundus, doch nicht minder sein Muskelfleisch. Noch ist der Pronator quadratus zu er- wähnen, welcher in der ganzen Länge des Radius und der Ulna mit seinen Fleischfasern angeheftet ist. 5. Rumpfmuskeln. 1) Spinale Muskeln. a. An der dorsalen Seite der Wirbel. Extensor dorsi. Zum Verständniss dieser Muskelgruppe ist vor allem nöthig, das Verhältniss der Rückenwirbel zu der Faseia lumbo dorsalis zu betrachten. — Wenn wir vom Kreuzbein ausgehen, finden wir in der Lendengegend beiderseits der Dornfortsätze zwei Furchen. Die mediane, von den Dornen und den steil aufgerichteten Gelenkfortsätzen gebildet, (fulcu ER VL TA medianus lumborum) ist schmal und tief, die laterale (S. lateralis) ist aber weit und wird von den Gelenk- und Querfortsätzen gebildet. Diese beiden Furchen finden ihr Ende an der Vertebra intermedia und zwar an deren frontal liegenden vorderen Gelenkflächen. Von hier aus wird aus diesen beiden Furchen durch Niederliegen der Gelenkfortsätze Eine Furche, welche zwischen den Dornen und den Querfortsätzen über den Rücken nach vorn läuft. Erst an den Halswirbeln entstehen wieder zwei Furchen, ebenso sind an dem Kreuzbein und den sich zunächst anschliessenden Caudalwirbeln wieder zwei Furchen wie bei den Lendenwirbeln. Da nun aber weiter hinten bei diesen zunächst die Dornen schwinden, sehr bald die Gelenkfläche nach- folgen und auch die Querfortsätze verkümmern, so bleibt endlich nichts mehr, als der Wirbel- körper von der Fascia caudalis überzogen übrig. Hier beginnt also die Fascia caudalis. Indem sie von hier aus nach vorne steigt, ist sie an die verschiedenen Fortsätze angeheftet und sendet Sehnen und Muskelfasern an die Skelet- theile. Zwischen den Fortsätzen ziehen nun aber die von oben kommenden oder nach oben aufsteigenden Muskeln hin. An dem Becken angelangt, verbreitert sich die Fascia, geht an das Sitzbein, dann an die Spina post sup., bildet hier mit dem letzten Dorn des Kreuz- beines eine Falte und schreitet weiter an der Crista hin zur sp. ant. sup., worauf sie sich auf die Lenden und den Thorax fortsetzt. Zwischen Hüft- und Kreuzbein steigen nun von den Schwanzwirbeln kommend oder zu diesen hinlaufend die Muskelstränge ganz frei unter der Fascia weg. Hier ist es, wo letztere in zwei Schichten sich theilt. Eine dünne ober- flächlichere und eine dicke untere. — Von der ersten entspringt der Glutaeus maximus, der Latissimus ete. Diese ist das hintere Blatt der Fascia lumbodors. der Autoren, die andere, die starke Fortsetzung der Fascia caudalis, ist die Ursprungsstelle des Erector. dorsi. Während erstere, über den Rücken weggehend, eine äussere Hülle bildend, sich an die Tubercul. costarum ansetzt, läuft letztere an den Dornen der Lenden- und Rückenwirbel fort, sendet eine Lage von Bindegeweben an den Dorn- und Gelenkfortsätzen in die Tiefe, und löst sich, endlich sich verschmälert endend, in der vorderen Brustgegend in Muskelfasern auf. Wenden wir uns jetzt zu den Muskeln selbst, so sehen wir, wie sowohl an Schwanz, Becken und Lenden die Fasern in Stränge getheilt, in jenen Furchen, zwischen Dorn- und Gelenkfortsätzen, sowie zwischen letzteren und den Querfortsätzen, nach vorn zu den Rücken- wirbeln laufen. Der Spinalis entsteht als einfacher Muskelstrang zwischen den Querfortsätzen der oberen Schwanzwirbel. An den letzten Dornfortsatz des Schwanzes gelangt, theilt er sich und läuft in zwei Strängen an den Seiten der Dornfortsätze, begrenzt von den Gelenkfortsätzen, Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII, 6 ae und überdeckt von der Fascia, bis zu den hinteren Rückenwirbeln. Die Muskelfasern laufen von der Seitenwand des Proc. oblig. an die Dornen. Zugleich kommen in diesem ganzen Bereich kurze Fleischfasern von der Fasc. Jumbo dorsalis und gehen, steil absteigend, an die Knochen. In der Gegend des zweiten bis dritten Rückenwirbels entspringen von dem letzten steil gestell- ten Gelenkfortsatz Sehnenfasern, deren Muskelfleisch in langen Zügen an die Seite der Dornen bis zu den vordersten Rückendornen sich ansetzt. In der vorderen Rückengegend, woselbst die Gelenkfortsätze flach liegen, entspringen die Muskelfasern, an der Oberfläche lang gestreckt, in der Tiefe jedoch kürzer und steiler ansteigend, von den horizontal liegenden Gelenkfort- sätzen, sowie von der inneren Seite der Querfortsätze des Rückens und setzen sich an die Dornen. Der Longissimus dorsi entspringt hinten an den letzten Querfortsätzen der‘Schwanz- wirbel und läuft, sich vergrössernd, zwischen den später aufstrebenden Gelenkfortsätzen und den Querfortsätzen hin. In die Beckenregion eingetreten, zeigt er sich als ein dicker, runder Muskelstrang, der in die Lenden sich fortsetzt. Während dieser platte, runde Muskelkörper frei unter der über ihm liegenden festen Fascie fortläuft und daher von dieser gar keine Fasern erhält, giebt er an die Seite der, durch Bindesubstanz verbundenen Wand zwischen den Gelenkfortsätzen, Muskelfasern in der ganzen Lendenregion ab. An der lateralen Seite der Fasc. dorsalis aber, also an der Fascienschicht, die von den Querfortsätzen kommt, treten Massen von Muskelfasern auf. Diese steigen median und nach vorn, verbinden sich mit den lateral abtretenden Fasern jenes Muskelkörpers, bilden mit ihnen Sehnen, welche an jeden vorderen Gelenkfortsatz der Lendenwirbel (bis zum zweitletzten Rückenwirbel) sich anheften. Ausser jener lateralen Fascienwand treten aber auch Muskelfasern, die abwärts zu den Querfortsätzen und der diese unter einander verbindenden Fascie gehen. Im Bereiche der Rückenwirbel hat sich durch das Niederlegen der Gelenkfortsätze das Verhältniss geändert. Jetzt gehen nur noch Fleischfasern von der oberen äusseren Fläche an die Tubercula der Rippen, von der inneren unteren Fläche gehen sie an die Querfortsätze. Lumbocostalis. Dieser entspringt mit seinen Fasern nur von der äusseren Oberfläche der Fascia lumbalis. Sehnenfasern steigen voran und gehen, getrennt vom Longissimus, über die Rippen in typischer Weise. Rücksichtlich der Muskeln am Nacken ist nichts Besonderes zu bemerken. Splenius capitis (Taf. III, 3) kommt von den Dornen aller Halswirbel und einiger Rückenwirbel und geht an die Crista oceipitis in ganzer Breite. Neben ihm liegt Splenius colli (Taf. I, 9), welcher von den Dornen der vier vorderen Brustwirbel kommt und an die Querfortsätze des Halses bis zu dem des zweiten geht. Median vom Longissimus ist der Transversalis cervicis, welcher von den Querfortsätzen des vierten bis fünften Brustwirbels ausgeht aber mehrfach mit dem Splenius colli verwachsen ist. Neben diesem nun ist median gelagert der Tragelomastoideus und der kräftige Complexus, welcher letztere von den Querfortsätzen der fünf ersten Brustwirbel zu den Ge- lenkfortsätzen der Halswirbel und an die Crista oceipitis geht. Recti und Obliqui capitis zeigen ihre typischen Verhältnisse, Für den Fuchs dürfte nur zu bemerken sein, dass ein sehr starkes Lig. nuchae, welches bei den Katzenarten gänzlich fehlt, hier sich findet. Es läuft vom Dornfortsatz des ersten Brust- wirbels zum Dorn der Epistrophaeus. An dieses Ligament heftet sich, verdeckt vom Complexus seitlich der an die Querfortsätze des Halses (bis dritten Halswirbel) sich ansetzenden starken Sehnen des Longissimus (Transversalis) die von den Dornen sowie von den Gelenkfortsätzen entspringenden letzten Muskelfasern des Spinalis. Die Muskeln am Schwanz zeigen folgende Verhältnisse. Die Fascia Jumbo dorsalis, welche sich über die Dorsalseite des Beckens fortsetzt, ist besonders fest an den Dornen des Kreuzbeins und an dem Hüftbein befestigt. Von der Spina post. super. springt sie in starker Längsfalte auf die Querfortsätze des Schwanzes und breitet sich nun weiter über die obere und untere Seite des Schwanzes aus. Hier zeigen sich folgende Gruppen. 1) Ein Zug von Muskelfasern setzt sich als Fortsetzung von Spinalis zwischen den, wie oben erwähnt, schon sehr bald endigenden Dornfortsätzen und den Querfortsätzen fort. 2) Mit dem Longissimus dorsi zusammenhängende Muskelfasern laufen zwischen Gelenk- und Querfortsätzen nach hinten und senden, ausser Fleischfasern an die Querfortsätze, starke Sehnen nach hinten, welche dann mehr und mehr, in medianer Richtung laufend, sich an die hinteren Gelenkfortsätze anheften. Die beiden Muskelgruppen flectiren den Schwanz dorsalwärts. 3) Die vorigen Muskeln waren von der Faseia eingehüllt und ihr Muskelfleisch entsprang theilweise von ihrer inneren Seite. Diese dritte Abtheilung entspringt jedoch in der Gegend des Sitzbeines von der äusseren Seite der Fascia und ihre Muskelfasern ver- lieren sich an den Querfortsätzen des Schwanzes. Sie ziehen den Schwanz lateral und abwärts. b) Muskeln der ventralen Seite der Wirbel. 4) Kommen aus dem Innern des Beckens von den Kreuzbeinwirbeln und deren Querfort- sätzen vom Scham- und Sitzbein Muskelfasern, welche, in zwei symmetrisch liegenden AN: Bündeln, den Anus zwischen sich lassend, an die untere Seite der Schwanzwirbel und deren Dorne sich ansetzen und den Schwanz nach unten und der Seite bewegen. Ferner ist hier noch der Psoas minor zu erwähnen, welcher von den zwei letzten Rücken- und von allen Lendenwirbeln entspringt und sich an die Tub. ilio-pectinea heftet. Ebenso Ilio Jlumbalis, welcher hier jedoch sehr schwach. Zu diesen Muskeln wäre nur zu bemerken, dass der Psoas minor beim Fuchs stark und nicht von den zwei, son- dern von vier untersten Rückenwirbeln entspringt. | Auch die an der ventralen Seite des Halses liegenden Muskeln, der Rectus antie major, Logus colli etc. haben ihre typischen Verhältnisse. Dieser letzte kommt vom fünften Brustwirbel herauf. 2) Viscerale Muskeln. Auch bei den visceralen Muskeln des Zemur kann ich kaum, in Betreff der Lagerung und der Ansätze dieser Muskeln bei den Affen oder dem Menschen, eine Abweichung finden, So ist es mit Temporalis (Taf. I, 1), Masseter (Taf. I, 2), Pterygoideus und Biventer etc. (Taf. II, 4); Sternokleidomastoideus (Taf. I, 9) entspringt breit von dem Sternaltheil der Clavicula und von der Spitze des Brustbeins und setzt sich hinter das Tympanum an die Ecke der Linea semicircul. oceipitis. — Bei dem Fuchs sind beide Muskeln getrennt. — Bei ihm ist, wie schon bemerkt, der Kleidomastoideus mit dem Cucullaris und Deltoideus verwachsen, der Sternomastoideus aber vom Sternum aufwärts eine Strecke weit mit dem der andern Seite. Subclavius (Taf. II, 17) ist ein sehr starker Muskel. Er geht von der ersten Rippe zur unteren Fläche der Clavicula. Natürlich fehlt er dem Fuchs. Scalenus minor ist ein breiter, starker Muskel, welcher von der ersten Rippe ent- springt und an die Querfortsätze der sechs unteren Halswirbel geht. (Zwischen diesen und dem folgenden Muskel tritt der Plexus brachialis hervor.) Scalenus major (Taf. II, 19) ist oben mit dem minor verwachsen und steigt als schlanker Muskel an der Seite des Thorax lateral vom Rectus bis zur vierten Rippe herab, Die Intercostales, Sternohyoideus (Taf. U, 7) und Sternothyrioideus (Tf. II, 8), Stylo pharingeus, Hyo-, Stylo- und Genioglossus (Taf. II, 3), sowie die Bauchmuskeln Obliquus externus (Taf. II, 21), internus und transversus zeigen gar nichts Eigenthüm- liches. Nur vom Rectus (Taf. II, 18) ist zu erwähnen, dass er sehr stark an der ersten Rippe entspringt und zur Symphyse geht. 6. Muskeln der Hinterextremität. a) Zwischen Becken und Oberschenkel. Glutaeus medius. Von der äusseren Fläche des Hüftbeines und von der äusseren Fläche der Fascia, welche von den Querfortsätzen der Schwanzwirbel zur Spina superior post. eine Falte bildet, entspringend, heftet sich mit starker Sehne an den Trochanter major. Unter ihm liegt der Glutaeus minimus und Pyriformis, welch letzterer verhält- nissmässig sehr stark ist, an den typischen Ansatzstellen sich befestigend. Der Pyriformis abducirt den Schenkel. Glutaeus min. aber, der sich vorn an den Trochanter ansetzt, rotirt den Schenkel nach Aussen und vorne. Ebenso zeigen der Quadratus femoris, der Obturator internus und externus die typischen Ansatzstellen. Der erste rotirt den Schenkel nach hinten, der O. externus rotirt ihn nach innen und vorn und der OÖ. internus rotirt ihn nach aussen. Alle diese Muskeln dienen wie überall zur Verstärkung des Hüftgelenkes. Gehen wir von dem Glutaeus aus auf der hinteren Seite des Beckens von Aussen nach Innen und Vorne, so begegnen wir zunächst der Gruppe der Adductoren, 1) Adductor II (Taf. VII, Fig. 2—4) ist ein breiter, starker Muskel, welcher die hintere und obere Hälfte des Femur einnimmt und sich an der Linea aspera median dem Glu- taeus maximus ansetzt. Er entspringt neben dem Tuber. ischii und dem aufsteigenden Aste desselben bis zum Schambein. — Dieser Muskel ist vorherrschend ein Strecker des Hüftgelenkes. 2) Adductor II (Taf. VII, Fig. I, 3 und Fig. II, 5) median dem vorigen. Er entspringt an dem absteigenden Schambeinast. Er steigt, median dem vorigen, weit am Schenkel herab, woselbst er unter und neben jenem zwei Centimeter über dem Condylus endet. Er ist wohl vorherrschend Adductor. 3 — Adductor I(Taf. VII, Fig. I, 2, und Fig. II, 6) liegt wieder median vor dem vorigen. Er entspringt vom Winkel des aufsteigenden und horizontalen Schambeines und heftet sich in die Mitte der Diaphyse des Femur. 4 — Pectinaeus (Taf. VII, Fig. I, 1) liegt vor jenem, ihn theilweise bedeckend, neben dem Iliopsoas. Er ist ziemlich stark und heftet sich an die Linea aspera interna im oberen Drittel des Femur. Die letzten beiden Muskein adduciren und beugen das Hüftgelenk. Iliopsoas (Taf. VII, Fig. I, 8), von dem Hüftbein und den vier hinteren Lendenwirbeln kommend, ist ein sehr starker Muskel und nimmt seinen Ansatz am Trochanter minor. Man sagt gewöhnlich, der beugt das Hüftgelenk. Aber er wird auch beim Sprung durch Erlangen einer festen Basis für die Rückenstrecker die Lendenwirbel auf einander pressen. Psoas minor (Taf. VI, Fig. I, 7). Kommt von den sieben Lendenwirbeln und heftet sich an die Tuberositas Iliopectinea. Er drückt Becken- und Lendenwirbel zusammen. Semimenbranosus (Taf. V, Fig. 3). Vom Sitzbein und dem absteigenden Schambein kommend, setzt sich an die Epiphyse der Tibia unter dem Kniegelenk. Er biegt und rotirt den Unterschenkel. Quatriceps (Taf. VII, Fig. I, 4—6) ist ganz wie bei dem Menschen. b) Muskeln am Unterschenkel. (Taf. VII, Fig. 2. Taf. VIII, Fig 2.) Gastrocnemii setzten sich über die Condylen des Oberschenkels, woselbst Sehnen- beine liegen. Soleus (Taf. VIII, Fig. 2), mit einer langen Sehne nach oben steigend, heftet sich an die Fibula. Plantaris ist mit dem lateralen Kopf des Gastrocnemius verwachsen und verläuft über die Fersengegend in die Fascia plantaris (wie bei dem Mandrill). : Tibialis anticus (Taf. VIII, Fig. 1) entspringt von der Tibia (?/ der Länge), vom Lig. interosseum, aber auch von Fascia eruris und endigt mit zwei Sehnen, von welchen die stärkere an das Os cuneiforme I. und die kleinere (Abduct. Hallucis long.) an den Metatarsus Hallueis sich anheftet. Er beugt den medianen Fussrand gegen die Tibia. Extensor Hallucis longus (Taf. VIII, Fig. 1) von Tibia und Fibula und dem Lig. interosseum; er liegt durch den vorigen verdeckt und geht mit der Sehne jenes unter dem Lig. cruciatum an die zweite Phalanx. Extensor quatuor. digitor, (Taf. VII, Fig. 2) verhält sich wie bei dem Menschen. Peronaeus longus (Taf. VIII, Fig. 1) verwachsen in seinen Fleischfasern mit dem Peronaeus II. und dem Ext. quat. dig. Er entspringt, oben von der Fibula und dem oberen äusseren Ende der Tibia, wird in seiner halben Länge sehnig, geht um den unteren Condylus der Fibula herum durch die Rinne im Cuboideum in die Planta und heftet sich an den haken- .förmigen Gelenkfortsatz des Metatarsus Hallueis. Er ist Flexor und Opponens. Peronaeus I. (Taf. VIII, Fig. 2). Auch ganz wie bei dem Menschen. a Flex. quat. digit. longus (Taf. VIII, Fig. 2). Ist im Muskelfleisch mit dem Popli- taeus verschmolzen und giebt, ehe er sich in die Sehnen für die Zehen theilt und nachdem er sich mit den Sehnen des Flex. Hallueis verbunden hat, zwei Muskelansätze, als Flex. brevis, an die zweite Phalanx der dritten und vierten Zehe. Seine vier Sehnen gehen an das dritte Glied und die aus letzterem entspringenden Lumbricales an die Grundphalanx. ; Flex. Hallucis longus (Taf. VII, Fig. 2). Entspringt von der Fibula fast in ganzer Länge und geht an das zweite Glied des Hallux. Der grössere Theil seiner Sehne verbindet sich mit der Sehne des Flex. quat. dig. Tibialis post. (Taf. VIII, Fig. 2) liegt mit seinem Muskelkörper ganz wie bei dem Men- schen zwischen beiden vorhergehenden, tritt aber mit seiner Sehne median der Sehne des Flex. quat. dig. in die Fusssohle und setzt sich an die untere Seite des Cuneiforme. ec) Muskeln am Fuss. Flex. quat. dig. brevis (Taf. VIII, Fig. II, 7). Ursprung von der Calx und giebt einen Fleischfortsatz an den Adduct. Hallucis brevis und an das zweite Glied der zweiten und fünften Zehe, während die dritte und vierte von dem Flex. long. versorgt werden. Extensor digit. brevis (Taf. VIII, Fig. I, 8) geht an der lateralen Seite der Sehnen des Extens. longus, an die zweite, dritte und vierte Zehe. Abductor Hallucis brevis (Taf. VII, Fig. I). Entspringt von der Ferse und mit einer zweiten Portion von dem Cuneiforme und ist mit dem Flex. brevis quatur digit. ver- wachsen. Er setzt sich an das mediane Sehnenbein und an den Phl. I. — Flex. brevis aber an das laterale. Adductor brevis Hallucis (Taf. VIII, Fig. I und II). Obliquus und Transversus sind nicht zu trennen. Er kommt von der tiefen Fascia der Planta, sowie von der Basis bis zur oberen Hälfte des Metatarsus III., sowie von dem Köpfchen des Metatarsus II. Er setzt sich an den Metatarsus des lateralen Sehnenbeines und die Phl. I. und II. des Hallux. Er flectirt und addueirt. Interossei (Taf. VIII, Fig. II, 8). Es sind externi und interni. Erstere abduciren von der Axe des Mittelfingers aus. Der Mittelfinger hat zwei externi wie bei den Anthropoiden. Vergleichen wir nun die Muskeln der Hinterextremität beim Zemur mit denen des Inwus cynomolgus und Maccus niger, so ist nur Weniges zu bemerken. Imuus besitzt eine Caro qua- drata, welche dem Lemur fehlt. Auch bei diesen beiden Affen hat der Tibialis anticus zwei Sehnen, von denen die stärkere an das Cuneiforme I., die schwächere an den Metatarsus I. re — 48 geht. Erstere supinirt den Fuss, letztere hebt und abducirt den Hallux. Für den Inuus wäre noch weiter zu bemerken, dass der Plantaris in die Fascia plantaris übergeht. Anders ist es freilich bei den Caninen; hier bilden die Muskeln in der Planta durch viel- fache Verschmelzung ihrer Sehnen wirkliche Platten, bei welcher Bildung der Flex. quat. digitor. der Tibialis post., Flex. dig. brevis, sowie der Plantaris sich betheiligen. Dieser letzte übersteigt die Calx. Ein Flex. Hallueis, sowie ein Extensor fehlen natürlich. Dagegen scheint eine Andeutung von einem Extensor Hallueis vorzukommen, welcher, gemeinsam mit dem Extensor quat. digit. mit den Sehnen des Extensor brevis verwächst. Noch wäre zu erwähnen, dass bei dem Fuchs der Poplitaeus sehr stark ist und der Peronaeus III. fehlt. Auch einiges über den lebenden Lemur. Nachdem wir den Knochen- und Muskelbau des Lemur macaco betrachtet, ist es nöthig, von der Lebensweise desselben einiges zu erfahren. Der Direktor des Zoologischen Gartens, Herr Dr. Max Schmidt, schreibt (Zoologischer Garten, Jahrgang XVII pag. 49): Der schwarz-weisse Maki ist ruhigen, fast phlegmatischen Temperamentes; er sitzt in der Regel Vormittags, den Kopf auf die Brust gesenkt, den Schwanz von vorn über Schulter und Rücken geschlagen, stundenlang unbeweglich auf seinem Laufbrett. — Gegen Mittag beginnt er etwas unruhig zu werden, richtet sich schliesslich auf, gähnt wohl einmal und streckt fast regelmässig einen Hinterfuss nach dem andern behaglich aus. Nun geht er auf dem Laufbrett hin und her und scheint zu überlegen, wie er wohl auf den Boden herabgelangen könne: er misst die Entfernung bis zum nächsten Aste mit prü- fendem Blicke, duckt sich wie eine Katze einigemal zum Sprung nieder und wagt schliesslich auf den Baum zu springen. Hier wiederholt sich dasselbe Spiel: es wird der richtige Platz zum Sprunge gesucht, nach einigem Probieren auch gefunden und endlich, nach ziemlich schwerem Entschluss, der Boden erreicht. Hierbei ist nur auffallend, dass dieser Weg von dem Thiere seit mehreren Monaten und ganz gleichen Aeusserungen des Suchens und der Ungewissheit zurückgelegt wird. — Der Gang auf dem Boden ist humpelnd, breitspurig und schwer, indem auf das Thier beim Niedersetzen der Füsse stets mit dem ganzen Gewicht des Körpers sich die betreffende Extremität fallen lässt. lg = Der Gang des Mougaz ist weit elastsicher, als der des Macaco. Zuweilen macht der übermüthige Bursche einen Katzenbuekel, springt auf allen Vieren hoch empor, womöglich einem Kameraden auf den Rücken, worauf er in mächtigen Sätzen und mit solcher Ge- schwindigkeit im Käfig umherfährt, dass das Auge ihm fast nicht mehr zu folgen vermag. — Aehnliche Schilderungen macht Buffon vom Vari im siebten Bande seiner Allgemeinen Naturgeschichte. — Doch auch über das Thier in der Freiheit noch Einiges. Brehm schreibt in seinem Thierleben Bnd. I. pag. 247: Erst durch Pollen’s treffliche Beobachtungen haben wir ein ausführliches Bild über die frei lebenden. Maki’s erhalten. Alle Arten bewohnen die Waldungen von Madagascar und der Nachbarlande, am Tage im tiefsten Dickicht der Waldungen sich aufhaltend, Nachts unter lebhaften Bewegungen und lautem Geschrei ihrer Nahrung nach- gehend. — Die Thiere leben in Banden von 6—12 Stück in den Urwaldungen der Insel, hauptsächlich von den Früchten wilder Dattelbäume sich nährend und ihnen zu Liebe von einem Theile des Waldes zum andern wandernd. Kaum ist die Sonne niedergegangen, so vernimmt man ihr klägliches Geschrei. Ihre Bewegungen sind ausserordentlich leicht, behend und ge- wandt. Einmal munter geworden, durchfliegen sie förmlich die Baumkronen und führen dabei von einem Zweige zum andern Sätze von überraschender Weite aus. — Die Schnelligkeit und Beweglichkeit, welche diese Maki’s (Lemur macaco) beim Springen von einem Stamm zum andern zeigen, grenzt an’s Unglaubliche. Man kann ihnen buchstäblich kaum mit dem Auge folgen, und es ist viel leichter, einen Vogel im Fluge als sie im Sprunge zu erlegen. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XITI. 7 B. Choloepus didactylus Knochen und Muskeln und Einiges über das lebende Thier. Knochengerüst. Die Faulthiere mahnen unwillkürlich an die Vierhänder und Manche dachten an verwandt- schaftliche Verhältnisse. Veranlassung hierfür giebt das kurze Gesicht, die nach vorn gerich- teten Augen, eine scheinbar breite Stirnbildung, ja selbst Lebensweise und manche ähnlichen Familienverhältnisse. Trotzdem stehen Faulthiere und Vierhänder himmelweit aus einander, 1. Der Schädel. Taf. XXI. Choloepus hat einen langgezogenen Schädel, dessen von vorn und hinten aufsteigende . Höhe in die Gegend der Jochbeinfortsätze des Stirnbeines fällt. Die Nähte sind früh ver- wachsen. Das Stirnbein ist sehr lang, die Scheitelbeine kurz, die Schläfengegend etwas gewölbt. Die Crista semicireularis, für den Temporalis, und die Crista transversa oceipitis ist sehr aus- geprägt. Die Fossa sphaenomaxillaris ist weit offen. Letztere, sowie for. opticum, fissura orbitalis, for. rotundum, ovale etc. etc. ganz wie bei den Raubthieren. Das Gesicht ist kurz, vorn breit und zeigt eine stumpfe Schnauze und aus einander gerückte Augen, ohne geschlossene Orbita und ohne eine hintere Wand. Die Jochbogen, welche nach "hinten nur durch einen fibrösen Strang mit dem proc. zygomaticus des Schläfe- beines verbunden sind und denen die proc. front. ganz fehlen, zeigen dagegen einen starken Knochenfortsatz, der an der Wange herabsteigt. Die Nasenhöhle mit ihrer vorderen Oeffnung ist weit und der Oberkiefer gross. Derselbe trägt einen grossen scharfkantigen und spitzen Eckzahn und vier aussen und innen mit Spitzen versehene, runde Backenzähne. Auch der Unterkiefer hat einen dreiseitigen, scharf zugespitzten Eckzahn. Dieser spielt hinter dem Eckzahn des Oberkiefers. Es finden sich drei Backzähne im Unterkiefer, welche in der Mitte eine, den oberen Backenzähnen entsprechende, runde Grube, aber scharf nach vorn in eine Spitze aufsteigende Ränder haben. — Die Gelenkfläche des Unterkiefers liegt (frontal) zwischen den grossen sichelförmig nach hinten gebogenen Kronfortsätzen und dem nach hinten hervortretenden Winkel. Zwischen den Eckzähnen, woselbst gleich wie am Ober- kiefer Schneidezähne fehlen, endigt der Kiefer in einer schnabelartigen, zahnlosen Spitze. Noch sind aber die sinusartigen Zellenräume zu erwähnen, welche Schädel und Gesicht durchziehen. Diese beginnen in der Mitte der Nasenbeine, steigen über das Stirnbein, er- strecken sich gross und weit über das Schädeldach bis in das Hinterhaupt. Sie finden sich in den vorderen und hinteren Wurzeln der Jochbogen, durchbohren die ganze Schädelbasis von den Keilbeinhöhlen an, durch die flügelförmigen Fortsätze bis zum Hinterhauptsloch. Betrachten wir dagegen den Schädel des Bradypus tridactylus, so ist dieser im Allge- meinen ebenso gebaut, nur ist er kleiner, das Gesicht kürzer, erhebt sich bis zu der stark eingezogenen Schläfengrube. Von hier fällt das mehr lang gezogene Cranium nach hinten ab- wärts. Der Jochbogen wie bei Choloepus. — Auch der Unterkiefer ist kürzer, allein der Kronenfortsatz und der Unterkieferwinkel sind weit mehr entwickelt, der schnabelartige, nach. vorn endigende Unterkiefer fehlt. Endlich sind noch die verkümmerten Zähne (oben fünf und unten vier in jeder Reihe) zu erwähnen. Dagegen fehlen die grossen Eckzähne des Choloepus. 2. Rumpf. Tafel XIII und XV. Wie der Schädel, so zeigt auch die Wirbelsäule und der Thorax grosse Verschie- denheit vom Bradypus. Freilich bezieht sich diese mehr auf die Zahl, als auf die Form der Theile, denn während Bradypus tridactylus neun Halswirbel, zeigt Choloepus nur sechs. Dagegen hat der erste vierzehn Rückenwirbel, während Choloepus drei und zwanzig besitzt. Dieser letzte hat drei Lendenwirbel, jener aber vier. Ferner besitzt C’holoepus acht Kreuzbein- und vier Steissbeinwirbel, umgekehrt hat Bradypus sechs Kreuzbein- und neun Steissbeinwirbel. £ Was die Halswirb el betrifft, so wäre hier nur zu erwähnen, dass sowohl die Dorn- als auch die Querfortsätze im Gegensatz zum Bradypus stärker entwickelt sind und dass eine unvollkommene Rippe am letzten Halswirbel nicht vorhanden ist. An den Rückenwirbeln finden wir die sechs oberen mit gut gebildeten Dornfortsätzen versehen, während die neun folgenden Wirbel immer kleinere Dornen besitzen. Alle laufen nach hinten (der Beckenseite) stumpf aus. Die Querfortsätze sind wohl gut entwickelt, sind aber nicht mehr vortretend als die Dornen. Dass demnach die sule. longdt. dorsi zu beiden Seiten der Dornen dem Ex- NEON TEN tensor dorsi keine günstige Lagerstelle bereiten, ist denkbar. Die drei Lendenwirbelkörper sind kaum höher als die hinteren Rückenwirbel, ihre Dornen aber nicht grösser. Auch richten sie sich nach hinten und sind an der Spitze gespalten. Die Querfortsätze stehen flügel- artig zur Seite. Rücksichtlich der Gelenkfortsätze ist zu bemerken, dass deren Flächen und selbst die der Lendenwirbel mehr frontal, nach hinten etwas ansteigend gelagert sind. Nur in dem letzten zeigt sich eine Neigung zu einer sagittalen Stellung. Ebenso ist es zwischen dem letzten Lendenwirbel und dem Kreuzbein. Die Höhe der Wirbelkörper betreffend, so ist der erste Brustwirbelkörper 5 mm hoch, der dreizehnte aber 8 mm:und der letzte 12 mm. Ebenso hoch sind die Lendenwirbel. Die Bandscheiben sind zwischen erstem und zweitem Lendenwirbel 2 mm, am dritten Wirbel 5 mm, am zehnten Rückenwirbel 4 mm. Das Lig. longitud. anticum ist ganz besonders stark. Rippen. Die Zahl der Rippen entspricht den 23 Brustwirbeln. Es sind 11 wahre und 12 falsche Rippen. Die erste Rippe heftet sich an das grosse Manubrium. Die zweite bis zur sechsten Rippe entbehren der Rippenknorpel, sie heften sich direct an die Knorpelfugen des _ Brustbeines. Erst von der siebten bis zur elften Rippe finden sich Rippenknorpel, jedoch ver- knöchert. Die siebte Rippe läuft horizontal gegen das Brustbein, achte und neunte steigt in ihrem schon verlängerten Knorpel aufwärts. Die zehnte und elfte Rippe hat jedoch Knorpel, welche aus zwei Stücken bestehen, mit nach aufwärts eingeknickten Rippenknorpeln. Die nächsten Rippen (bis zur fünfzehnten) kann man, da sie ohne Knorpel an den vorhergehenden anliegen, falsche Rippen nennen. Die übrigen Rippen haben kurze Knorpelansätze, welche sich im Fleisch verlieren. Die zwei letzten Rippen, denen auch diese fehlen, verbinden sich nur mit einem Wirbelkörper und neigen so stark nach hinten, dass sie mit ihrer Spitze nur sehr wenig von der Crista ilii abstehen. Noch sei bemerkt, dass die elfte Rippe die längste ist. Von hier an nach hinten werden sie immer kürzer und von der vierzehnten an immer breiter, Das Brustbein ist sehr schmal und wird zusammen gesetzt aus zwölf 6 bs 8 mm langen und 5 mm breiten Knochenkernen, welche durch Zwischenknorpel verbunden sind. Nur an letztere heften sich die wahren Rippen, ausgenommen die erste, welche an das 2 cm enge und 1!’ cm breite Manubrium geheftet ist. Das Brustbein ist zwischen der ersten und zehnten Rippe gegen den Brustraum convex gebogen. Die Sehne dieses Bogens beträgt 40 mm, während die Länge des Sternums 135 mm beträgt. Durch die in dem oberen Thoraxtheil mangelnden Rippenknorpel ist der Brustkorb hier verengt, so dass der Brustraum zwischen Ang, nr den vierten Rippen nur sechs cm breit und tief ist, während er bei der zehnten und zwölften Rippe, wo die Rippenknorpel vorhanden, zwölf cm breit und elf cm tief ist. Das. Becken (Taf. XXIII.) scheint mit dem Schädel das Eigenthümliche zu haben, dass die Knochennähte und die Bandverbindungen frühzeitig verwachsen. Uebrigens ist das Becken von Choloepus gleich dem des Bradypus gebildet. — Das Kreuzbein ist in seinem oberen Theile sehr breit, wird jedoch unten, wo es zwischen die Ineisura ischiatica tritt, sehr schmal, dann aber durch die Verknöcherungen des Spinoso und Tuberoso sacrum wieder sehr breit. NB. Bei einem jugendlichen Individuum, welches ich der Gefälligkeit meines Collegen O. Bütschli verdanke, waren diese Bänder als solche noch vorhanden. Ebenso befanden sich die Knochen am Schädel sowie am Becken noch getrennt. Das Kreuzbein hat statt einzelner Dornen eine senkrecht aufsteigende breite Leiste. Eben solche findet sich an der Stelle der hier verwachsenen Symphysis sacroiliaca. Es ist voll- kommen gerade und zeigt keine Spur einer Krümmung. Der horizontale Ast des Schambeines ist in langer Strecke zur Tuberositas ilio pectinea ausgezogen und statt einer Symphyse läuft eine breite Knochenbrücke von einer zur anderen Seite. Der absteigende Ast des Schambeines zum Sitzbein ist gleichfalls sehr ausgezogen. Das Tuber. ist nicht sehr entwickelt, aber durch Verknöchern der Lig. tub. und spin. sacra mit dem Kreuzbein durch eine Knochenbrücke ver- bunden. Durch diese Verbindung entsteht ein Foramen ischiadicum statt einer Ieisura, welche in einem Winkel zu dem sehr grossen Foramen obturatorium steht. In der Mitte zwischen beiden liegt das Acetabulum. Die Hüftbeine endlich sind fast eben und liegen an der Seite des Kreuzbeines in frontaler Richtung wie ausgebreitete Flüge. — Dass das breite und gerade verlaufende Kreuzbein, sowie das seitlich lang ausgezogene Schambein und die breite Symphyse die Dimensionen des Beckens sehr erweitern, ist zu erwarten. NB. Die Entfernung beider Spin. ant. sup. von einander beträgt 111 mm, die der Pfanne 103 mm, der Sitz- knorren 60 und des vorderen Endes des Schambeines (Symphyse) 30 mm. Bewegungsthätigkeit im Rumpf. Bei dieser grossen Anzahl von.Wirbeln und diesen entsprechenden Zwischenplatten, bei frontaler Lagerung der Gelenke, endlich bei den zahlreichen Knochenkernen und Knorpelstücken im Brustbein ist die Bewegungsfähigkeit im Rumpf keine geringe. Neben der Rotation ist es die ventrale Beugung, welche sehr ausgiebig ist, während eine dorsale Beugung nur in der kurzen Lendenstrecke, in den hinteren 6—8 Rippen sowie in den Halswirbeln vorkommt. Die Torsion in den Brustwirbeln ist nun aber so gross, dass sie ohne Mühe zwischen dem ersten N A Brust- und letzten Lendenwirbel auf 180 Grade gebracht werden kann, Die ventrale Beu- gung ist eben so bedeutend, daher sie den Kopf in das weite Becken zu legen gestattet und so ein vollkommener Bogen gebildet wird. Die stärkste Beugung ist dann zwischen Atlas und dem sechsten Rückenwirbel, vom siebten bis dreizehnten Wirbel ist sie aber kaum merklich ; dann steigt sie bis zum letzten Rückenwirbel, in den Lendenwirbeln aber fehlt sie wieder. Die Beugung zwischen dem ersten Rücken- und letzten Lendenwirbel zeigt in der Gegend des fünfzehnten Rückenwirbels eine Pfeilhöhe von 160 mm und eine ebenso grosse Sehne, während doch die ganze Entfernung bei gestreckter Lage im frischen Zustande 400 mm beträgt. Eine laterale Beugung kommt sehr ausgiebig in den Hals- und in den Brustwirbeln vor. Sie zeigt zwischen Atlas und Becken einen sehr schönen Bogen, dessen Sehne 24 cm und dessen Pfeilhöhe in der Gegend der dreizehnten Rippe 140 mm beträgt. — Die Beugung und Streck- ung zwischen Kopf und Atlas beträgt 90°. In der Streckung steht der Kopf mit seiner Längsaxe in der der Wirbelsäule. Die Rotation zwischen Atlas und Epistrophaeus beträgt kaum 40°. Die Bewegung der sieben bis acht oberen Rippen geschieht ohne jede Ausdehnung nach der Seite, welche durch die hier vorhandene Knorpelhaft verhindert wird, nur in einer sagittalen Excursion. Von der neunten Rippe aber an, mit welcher das Vorwärts- steigen der Rippenknorpel eintritt, beginnt auch, mit ersterer Bewegung combinirt,: eine Aus- dehnung des Thorax nach der Seite. Ebenso in den folgenden hinteren Rippen. 3. Schultergürtel und Vorderextremität. Tafel XIX, XX, XXI. Das Schlüsselbein ist halbmondförmig gebogen, oben abgerundet, unten aber flach und uneben. Das Brustbeinende ist knopfförmig angeschwollen und durch ein längeres Knorpel- band mit dem Brustbein verbunden. Auch das Schulterblattende ist angeschwollen, hat eine ebene Gelenkfläche und begegnet einer eben solchen Fläche am Akromion. Das Schlüsselbein ist sehr beweglich, namentlich an dem Brustbein, wo die lange Knorpelhaft fast ein freies Gelenk darbietet. Am Akromialende ist ein Rotationsgelenk neben Charnierbewegung. Schulterblatt. Dieses Akromion erscheint als ein viereckig, längliches Knochenstück und ist durch Bandmasse mit dem zu einer Knochenbrücke vereinigten oberen Rand und der Crista scapulae beweglich vereinigt. An ihrem oberen Ende verbindet sich nämlich die Crista mit dem seitlich verlängerten und nach vorn gebogenen oberen Rand der Fossa supra spinata, a * eine Bildung, die auch beim Megatherium und Bradypus zu finden ist. Schräg läuft nun die Crista über das längs der Wirbelsäule verlängerte Schulterblatt herab und endet am unteren Drittel des dorsalen Randes. Ausser dieser schiefen Stellung der Crista auf der Schulterblatt- fläche unterscheidet sich Choloepus noch dadurch vom Orang, dass statt des oberen Winkels der Rand der Fossa supra spinata bogenförmig vorläuft und dann mit der Crista, wie oben erwähnt, sich vereinigt. Von den übrigen Vierhändern unterscheidet sich auch dieses Schulterblatt da- durch, dass sein hinterer Rand als der längste, parallel der Wirbelsäule steht, während bei jenen er einen grossen Theil an die foss. supra spinata abgiebt. Die Ausdehnung des Schulter- blattes ist daher mehr von vorn nach hinten und nicht von der ventralen in dorsaler Richtung. Die halbmondförmige Gelenkfläche liegt daher auch lateral neben der Crista und nicht im rechten Winkel auf deren Längsrichtung.!) Humerus (Taf. XIX.) ?) ist lang und vollkommen gerade. Der Humeruskopf ist ganz nach hinten gerichtet und bildet mit der Axe des Ellenbogen einen Winkel von 13°. Sein Knorpelüberzug bildet von vorn nach hinten die Hälfte eines Kreises, in der Richtung von Aussen nach Innen nur ein Viertel desselben. Tuberculum majus und minus sind beide durch eine Crista mit beiderseitigen Gruben getrennt. Diese Crista läuft bis in die Hälfte des Oberarmes herab. Alsdann finden sich an der lateralen und medianen Seite des Humerus Cristen, welche von jenen Tuberkeln ausgehen. Hierdurch wird aber der obere Theil des Knochens in drei Flächen getheilt. — Die Sp. tuberculi minoris läuft an der medianen Seite herab und geht in eine Crista über, welche durch einen von hinten und oben, nach vorn und unten ver- laufenden Kanal durchbohrt ist, und am Epicondylus internus endet. Die Sp. des tuberculum majus läuft auf der Mitte der Vorderwand herab. An der lateralen Seite aber liegt die stärkste Crista, welche bis zu Epicondylus ext. geht. Auf der Rückenseite ist die untere Hälfte der Knochen platt. — Der eigentliche Gelenktheil zeigt uns zwei Rollen für Radius und Ulna, welche durch eine Furche, die vorn schmal und hinten gegen die fossa eubitalis post. breit ausläuft, 1) Bei einem noch jungen Chl. Hoffmanni, den ich zu untersuchen der Freundlichkeit meines Collegen Bütschli verdanke, sehe ich Crista, Akromion und den oberen Sehulterrand getrennt. Die obere Hälfte der Gelenkfläche bildet hier ein ganz getrenntes Knochenstück, welches einen flachen Fortsatz gegen die fossa supra spinata aussendet. In späterer Zeit verwachsen diese Theile und bleibt nur ein rundes Loch in der Fossa supra spinata übrig. Jenes selbständige Knochenstück halte ich für den Proc. coracoid. der Vierhänder und jene Lücke für das Analoge der ineisura scapulae der Menschen. — Ich habe noch einen Fehler auf meiner Taf. XXII, Fig. 6 zu berichtigen. Jene Scapula, bei welcher die obere Brücke und das Akromion fehlt, ist von Bradypus und nicht von Choloepus. Uebrigens sind beide hier sehr übereinstimmend. » 2) Die Tafel XIX zeigt uns den Unterschied von Bradypus. getrennt werden. Die kleine Rolle dient der Ulna, die weit grössere dagegen ist für den Radius. Demnach liegt die Axe für die Charnierbewegung an der Radialseite tiefer als an der ulnaren. Ueber beiden liegt die kleinere fovea cubitalis anterior. Schultergelenk. Die nur zwei Drittel des senkrechten Kreisbogens der Gelenkfläche des Humeruskopfes einnehmende Gelenkfläche der Scapula wird durch eine derbe, starke, jedoch ziemlich weite Kapsel mit dem Oberarm verbunden, Sie heftet sich an die Tubercula, über- brückt den sule. intertubereularis, umkreist die Gelenkfläche und heftet sich an den Pfannen- rand und den Proc. coracoideus. Dieser Theil der Kapsel ist bei weitem der stärkste (Lig. coraco-humerale). In ihm läuft die Sehne des musc. biceps, welche sich an die obere Spitze der Pfanne anheftet. Radius und Ulna (Taf. XX.). Die tellerförmige Grube des ersteren ist sehr gross. Mit der Circumferentia articularis geht sie in einen engen Hals über, an welchen sich die Tubero- sitas anreihet. Das obere Drittel des Knochens ist abgerundet, dann wird er mehr und mehr breit und flach. Er höhlt sich auf der Volarseite eine Längsfurche aus, welche namentlich an der Daumenseite von einer sehr scharfen Crista begrenzt wird. Auf der Dorsalseite findet sich ebenfalls eine Längsfurche und an der Daumenseite eine Crista, welche sich unten nach der Volarseite umlegt. Unten, seitlich der Ulna, ist der Radius auch mit sehr scharfem Rande versehen. — Die Gelenkfläche, welche im Proc. styloid. radii verschmälert, aber in der ineisura semilunaris breit endet, liegt sehr schräg zur Axe des Knochens und steigt an der Daumenseite am tiefsten herab. — Die obere Gelenkfläche der Ulna ist unverhältnissmässig schmal und bildet einen flachen Kreisabschnitt zwischen Olekranon und Proc. coronoideus. Sie liegt lateral geneigt gegen die Längsaxe des Knochens. Die untere Gelenkfläche ist rund, und trifft mit dem Triquetrum des Carpus zusammen. Dem Gelenk zwischen Radius und Ulna fehlt die Cartilg. triangul. Noch ist zu erwähnen, dass die Diaphyse der Ulna gleichfalls eine dem Radius zugewendete Crista hat. Ellenbogengelenk. Wie schon erwähnt, sind die Gelenkflächen des Humerus da- durch bemerkenswerth, dass eine Trochlea und Rotula als besonders ausgeprägt nicht vor- kommt, sondern dass nur zwei knopfförmige Gelenkrollen vorhanden, welche vorn durch eine ein- fache Rinne getrennt sind, welche letztere nach hinten dann breiter werdend, zu einer schräg aufsteigenden Hohlrolle ausläuft. Der grosse Knopf dient dem Radius. Er endet nach hinten mit seinem Knorpelrand sehr früh. Der kleinere, mit seiner nach hinten erweiterten und nach der ulnaren Seite höher liegenden Rolle, dient der Ulna. — Sehen wir nun die Gelenkflächen des Vorderarmes an, 80 finden wir die tellerförmige Grube des Radiuskopfes sehr umfangreich, u EN dagegen die Fssao sigmoidea major der Ulna sehr schmal und gegen die Radialseite schief ge- neigt. Ausserdem ist die Curve vom Olekranon zum Proc. coronoideus flach und dieser Fortsatz kurz. — Bei der Beugung legt sich der Proc. coron. an das obere Ende des kleinen Roll- hügels, der Rand des breiten tellerförmigen Radius jedoch in die über seinem Rollhügel lie- gende fovea antica. In der Streckstellung schiebt sich die fossa sigmoidea über die schräg gelagerte, hintere Hohlrolle hinauf, In der Beugestellung sehen wir den Vorderarm lateral vom Oberarm und zwar in Folge der nach dem Radius sich neigenden Queraxe des Humerus.') Bei der Streckung aber wird durch jene beiden von der Ulnaseite zur Radialseite sich neigenden Gelenkflächen der Arm gerade gestellt. Rücksichtlich der Bänder des Ellenbogengelenkes wäre nur so viel zu sagen, dass sie die gewöhnlichen Verhältnisse kundgeben, jedoch im Vergleich zum Menschen stark erscheinen. Nur fehlt dem lig. saceiforme der cartilago triangularis. Knochen der Hand (Taf. XXI, Fig. 3 und 4). Die Handwurzel besteht aus sieben Knochen. In der ersten Reihe liegt das Naviculare, Lunatum und Triquetrum. Die beiden ersten stehen mit dem Radius durch radio-ulnare, sowie durch eine dorso-volare gewölbte Gelenk- rolle in Verbindung. Der letzte hat jedoch eine ganz ebene Fläche und verbindet sich mit der ebenen Fläche der Ulna, welcher der Griffelfortsatz mangelt, ohne Cartilago triangularis direkt. Das Naviculare besitzt einen hakenförmigen Auswuchs, welcher nach unten mit dem Daumenrudiment durch eine Gelenkbildung verbunden ist und ein Analogon für das Multan- gulum majus abgiebt. Das Triquetrum aber ist an seiner volaren Seite mit einem Pisiforme durch Bänder ver- bunden. Zwischen dem Daumenrudiment und dem Triquetrum liegen nun als zweite Reihe der Handwurzel die Analoga von Multangulum minus, Capitatum und Hamatum. Multangulum steht in Verbindung nach oben mit dem Naviculare, nach abwärts mit dem Matacarpus II und der Basis des Daumenrudimentes, Capitatum nach oben mit dem Lunatum, nach unten mit dem Metacarp. III und endlich das Hamatum artieulirt mit dem Triquetrum, Lunatum, Capitatum, mit dem Metacarp. III und dem verkümmerten Metacarp. IV. Mittelhand. Es finden sich nur zwei lange, gut ausgebildete Mittelhandknochen. Von diesen ist der ulnare breiter und dicker, als der radiale. Ihre Basis ist breit. Bei ersterem mit zwei Einschnitten versehen für das os capitatum und hamatum. Bei dem radialen ist nur ein Einschnitt für das os multang. minus und ein Vorsprung für Anlage des Daumenrudiments ı) Es ist also nicht wie beim Lemur, bei welchem beide Theile in der Beugung sich aufeinander legen, aber umgekehrt, wie bei dem Menschen, wo der Vorderarm bei der Beugung die Hand auf die Brust legt. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 8 Der ulnare besitzt an seiner Seite einen ganz verkümmerten Metacarp. quartus, weleher aber mit ihm verwachsen. Die Capitula beider Metacarpen haben schmale, stark gewölbte, nach der Volarseite scharf ausgezogene Rollen, an beiden Seiten eingedrückt, An diese beiden Metacarpen reihen sich die ersten Phalangen. Diese sind sehr kurz, zeigen auf ihrer dorsalen Fläche vorn sowie hinten einen scharfen Ausschnitt, welcher gegen die Vola hin in ebensolche „schmale Gelenkhöhle für den Kopf des Metacarpus als auch der zweiten Phalange übergeht. An der Vola liegen jederseits zwei grosse, nach hinten spitz zu- laufende Sehnenbeine, welche die Rollen der Metacarpen seitlich einschliessen. Die zweiten Phalangen der beiden Mittelfinger sind lang, dorsal von einer Seite zur anderen gewölbt und in der Vola an ihrem hinteren dickeren Ende durch eine breite Furche ausgehöhlt. Ihre hintere schmale Gelenkrolle legt sich in die schmale Gelenkhöhle der zweiten Phalanx. Ihr vorderer Theil verschmälert sich mehr und mehr und zeigt nun eine ähnliche schmale, rinnenförmige Gelenkhöhle für die kurze, hakenförmig gebogene Phalanx III mit ihrer gleichfalls schmalen Gelenkrolle. Handgelenk. Die Hand steht zum Vorderarm wegen der nach der radialen Seite tiefer stehenden Gelenkfläche des Radius und bei fehlender Cartilago triangularis und unmittel- barer Anticulution des Triquetrum mit der Ulna (in der Mittelstellung) schräg nach der Seite der Ulna (d. h. die Ulna bildet mit dem Metacarpus ihrerseits einen stumpfen Winkel). Bei der Abduction in ulna-radialer Richtung entfernt sich das Triquetrum von der Ulna, umgekehrt nähert es sich derselben. Ebenso bei der Rotation. Bei der Beugung und Streckung schieben sich beide Gelenkflächen auf einander hin und her. In beiden Fällen neigt sich die Hand gegen die Ulna. Zwischen erster und zweiter Reihe der Handwurzelknochen findet nur eine schwache Flexion und Extension statt. — Die Flexion und Extension ist ausgiebiger zwischen Metacarpus und Phalanx I und mehr-noch zwischen Phalanx II und III, als zwischen Pha- lanx I und N. 4. Hinterextremität. Der Femur (Taf. XVII.) ist etwas nach hinten geschweift. Der grosse Gelenkkopf ruhet auf einem nach vorn aufsteigenden, dem Bradypus gegenüber, gut entwickelten Hals und tritt schräg nach innen und oben, aber ganz besonders nach vorn. (Wir denken uns das Thier aufrecht hängend.) Er bildet mit der Längsaxe der Diaphyse einen Winkel von 120°. Die grösste Ausdehnung der Gelenkfläche ist von vorn und unten nach hinten und oben in einem Kreis von 180°. Eine Grube für ein lig. teres fehlt ganz und gar. Hg Die Trochanteren sind bei weitem mehr entwickelt als bei Bradypus. Beide von innen nach aussen aufsteigend, liegen zu einander, der T. minor etwas nach hinten. Hals und Kopf tritt zwischen beiden nach vorn hervor. Die Diaphyse ist rundlich und hat nur oben, von den Trochanteren aus, zwei schwache, bald abwärts verschwindende Leisten. An der unteren Epiphyse ist die Fovea patellaris sehr wenig vertieft, aber breit. Die Rolle des Con- dylus int. ist grösser aber schmäler, die des ext. ist nach der Fossa intercondyloidea abgeflacht. An der Aussenfläche besitzen beide tiefe Eindrücke, über welchen die Epicondylen. Das Hüftgelenk (Taf. XXII.). Das Acetabulum ist von vorn nach hinten länglich. Der vordere Rand ist weit höher, als der ventrale und dorsale. Die Fovea acetabuli ist herz- förmig, nach unten rund und breit, nach oben aber ist sie spitz zulaufend. Eine Incisura acetabuli liegt nach innen und hinten und die Cartilago semilunaris bildet einen Ring, der vorn sehr breit und hoch, nach hinten und innen allmälig schmäler wird. Die Gelenkkapsel geht vom Rande des Acetabulum rings herum an den Schenkelhals unmittelbar an die Trochanteren. Sie ist hinten weiter als vorn. Vorn, in der Mitte zwischen den beiden Trochanteren, steigt in ihr eine starke, an dem Schenkel sich zuspitzende Fasern- lage herab, welche eine Streckung des Schenkels bis zur Längsaxe des Rumpfes durch ihre Spannung über den vortretenden Schenkelkopf nicht zulässt. Hängt man das Thier am Kopf schwebend auf, so befindet sich der Femur in halber Flexion und Abduction. Der Schenkel- kopf ist nach vorn, innen und oben gerichtet. Eine Linie durch die Trochanteren der einen Seite gelegt, läuft von vorn und unten nach hinten und oben. Die Patella liegt nach aussen und vorn. Eine Rotation kommt bei gestreckter Stellung (die nie ausgiebig ist) weder nach aussen, noch nach innen vor. Beides hindert die obige Falte (lig. ileo femorale) nebst dem stark nach vorn gerichteten Gelenkkopfe. In jeder Beugestellung jedoch beträgt die Rotation aus der Mittelstellung 90%. — Ebenso ist eine Abduction in jeder Beugestellung möglich und steigert sich mit der letzteren bis zu 120—130°. Die Adduction jedoch ist in jeder Stellung durch die Aussenfläche des breiten Beckens und die seitliche Stellung der Pfanne so beschränkt, dass die Knie nur so weit, als die Breite des Beckens es erlaubt, genähert werden können. — Das Bein liegt sowohl in der Streckung, sowie in der Beugung in Abduction. Die Tibia (Taf. XVII.) ist etwas kürzer als der Femur. Jener ist 130 mm lang, dieser 120 mm. (Bei Bradypus sind beide Knochen gleich lang.) Die Tibia ist convex nach vorn und innen. Die beiden Gelenkflächen an der oberen Epiphyse sind getrennt durch, von hinten nach vorn laufende Furchen, und steigen von beiden Seiten gegen diese Furche in die Höhe, eine schwache Eminentia intermedia bildend. Die mediane Fläche ist kleiner und ist — 760 in frontaler Richtung ausgehöhlt und endigt hinten etwas geneigt und zugespitzt. Die laterale Gelenkfläche ist die grössere, ist in sagittaler Richtung gewölbt und geht weiter nach vorn und nach hinten. Auch ist sie breiter, fällt aber in ihrem hinteren Drittel plötzlich dreieckig ab und stösst an die Gelenkfläche des Caput fibulae. — Das Mittelstück ist umfangreicher oben und etwa dreieckig. Statt einer Tuberositas tibiae findet sich eine nach oben kleine Fläche. In der Mitte ist der Knochen rundlich, unten aber wird er breit, plattet sich hinten und vorne ab und bekommt lateral und median Ränder, Die untere Epiphyse ist durch ihre Gelenkbildung sehr charakteristisch. Der Malleolus internus ist ziemlich kurz und stumpf im Vergleich zum externus und ist auf seiner hinteren Seite durch eine grosse, senkrecht herab- steigende Furche begrenzt. Zwischen ihm und der eigentlichen Gelenkfläche ist eine, von vorn nach hinten schmale, aber frontal ziemlich breite Knochenbrücke. Durch diese ist die Gelenk- fläche ziemlich weit von dem Condylus internus getrennt. Diese Fläche, welche gewölbeartig von vorn und hinten, aber auch ebenso nach der Seite vorläuft, ist plötzlich abgeschnitten, indem sie in gleichem Sinne auf die Fibula übergeht und, hier absteigend, an einem knopf- förmigen Köpfchen endet (vd. Taf. XVII). Die Fibula ist dünn, nach aussen geschweift (man sieht hier in der Fibula wie Tibia die Spuren einer Infraction) und stösst oben an die Gelenkfläche des Condylus ext. tibiae. Gegen unten wird sie breit, ist vorn ausgehöhlt, hat hinten und aussen eine tiefe, von zwei Leisten be- grenzte Furche. Ihre untere nach vorn und hinten, sowie nach der lateralen Seite gewölbte Gelenk- fläche endet in jenem, gleichfalls überknorpelten Köpfchen, welches durch ein Band (lig. teres) mit einer Hohlrolle des Talus in Verbindung steht. — Noch sei bemerkt, dass die Knie- scheibe entsprechend der fovea patellaris breit ist. und einer senkrechten Crista ermangelt. Das Kniegelenk. Die Gelenkkapsel ist hinten (lig. poplitaeum) überaus stark und steigt weit an dem Femur herauf. Auf der medianen Seite befestigt sie sich an die obere Wurzel der hier über dem Condylus befindlichen kurzen Crista, an der lateralen aber geht sie nur wenig über den Condylus externus. Ein starker Fasernstrang zieht von jener Crista late- ral nach unten und über den Kopf der Fibula, hier einen Knochenkern einschliessend. Hat man die Kapsel entfernt, so zeigen sich zwei Lig. erueiata interna (postica). Das oberfläch- lichere ist sehr stark und dick, kommt hoch oben von der lateralen Seite des Condylus inter- nus und setzt sich an die Cartilago semilunaris interna fest, sowie an ein Sesambein über dem Kopf der Fibula. Dieses Sesambein ist an dem lig. lateral. externum befestigt und hat eine überknorpelte Fläche, welche in die Gelenkhöhle sieht. Median von diesem längeren Bande und unter ihm liegt, mehr geneigt, das eigentliche Lig. eruciat. intern, (posticum), welches sich, er wie gewöhnlich, in der hinteren Randgrube zwischen die beiden Condylen befestigt. — An der lateralen Seite des Knie’s liegt das einfache, aber starke Lig. lat. ext. (anticum) und wird hinten von dem eben erwähnten Sesambein, und vorn gleichfalls von einer knopfförmigen Er- höhung, welche als eine angeschwollene und verdickte Stelle der cartilago semilunaris externa sich herausstelt, eingefasst. Es setzt sich, abwärtslaufend, zugespitzt, an die Fibula. Vorn sieht man beim Ablösen der Patella eine sehr starke Bindgewebelage, welche sich vom Lie. patellae zur Fossa intercondiloidea begiebt (Lig. mucosum). Das Lig. eruciat. extern. (anticum), welches zwischen den vorderen Hörnern der Cart. semilunaris sich an die Tibia ansetzt, geht an die mediane Seite des Condyl. ext. des Femur, jedoch weiter nach hinten, als das Cruciat. intern. am Condylus fem. intern. Das Lig. laterale internum ist dünner und breiter, als das externum und steigt zur Tibia herab. Betrachten wir nun noch die Cartilagines semilunares. Der mediane Knorpel beschreibt einen weiten Bogen, der hinten, neben der Ansatzstelle des Lig. eruciat. post. entspringt und nur schmal, mit erhöhtem äusseren Rand und zugeschärftem inneren, nach vorn läuft, hier höher und steiler wird, vorn mit der Kapsel verwachsen ist und sich neben dem Lig. cruc. antic. an die Tibia heftet. — Der laterale Knorpel ist viel umfang- reicher, weit breiter, enspringt hinten von dem Lig. cruciat, post., ist dann mit dem Knochen- kern (Sesambein) und dem Lig. later. extern. verbunden, läuft dann am äusseren Rand, immer höher und dicker werdend, an die vordere Fläche der Tibia, neben das Lig. eruciat. ant. Der Knorpel ist namentlich vorne sehr hoch und steil zwischen dem Seitenband und dem Lig. patellae. Der innere, scharfe Rand bildet einen kleineren Kreis als die Cartilg. interna. Das Sesambein, welches an dem Kopf der Fibula und dem Lig. later. extern. verwachsen, ist mit einer Knorpel- oberfläche gegen die Cart. semil. gewendet und betheiligt sich bei Bildung der Gelenkhöhle. Die Bewegung zeigt in Streckung und Beugung eine Excursion von 140° Die Ro-® tation in gebogenem Knie beträgt circa 90%. Die Bewegung in erster Richtung ist immer mit einer kleinen Rotation verbunden. Bei der Streckung dreht sich die Tibia nach aussen, bei der Beugung nach innen. Durch die tiefere Stellung der lateralen Gelenkfläche an der Tibia und die grössere Ausdehnung der medianen Rolle am Femur, bildet Ober- und Unter- schenkel in der Streckung einen Winkel auf der lateralen Seite, bei der Beugung legt sich lezterer aber median von ersterem. — Bei der Streckung bewegen sich beide Condylen auf den Ringknorpel, bei der Rotation aber verschiebt sich die leichter bewegliche laterale Ring- knorpel auf der Tibia. Fuss (Taf. XXI, Fig. 1 und 2). Der Tarsus wird zusammengetzt aus sieben Knochen. Der Talus zeigt eine sagittal gelagerte, radförmige Rolle. Sie ist schmal, hat seitlich ab- gerundete Ränder. Während der Knorpelüberzug auf der medianen Seite scharf abgeschnitten ist und eine rauhe Seitenfläche herabsteigt, kommt auf der lateralen Seite eine runde Grube vor, in welche der Knorpelüberzug, einen halben Bogen bildend, hinabsteigt. Der vordere Rand dieser Grube ist hoch und endet in einem stumpfen Fortsatz. In der Mitte der Grube ist eine unebene Stelle, an welche sich der knopförmige Fortsatz des Fibula-Knöchels ansetzt. Nach unten wird die Grube begrenzt von einer, in sagittaler Richtung verlaufenden, aber fron- tal gewölbten kleinen Rolle, welche einer Hohlrolle am Calcaneus entspricht. Nach vorn geht der Knochen in einen Hals über, der in einem Kopf endigt, an welchem eine halbkreisförmige, median absteigende Hohlrolle ist. Diese Gelenkbildung artieulirt mit einer corespondirenden Gelenkbildung am Kahnbein. Der Calcaneus hat einen sehr langen, schmalen, nach abwärts und aussen verlau- fenden, dann nach innen geneigten Fersenfortsatz. Nun Kommt noch vorne der Sinus tars und dann endist der Calcaneus in einer dreieckigen, etwas ausgehöhlten Gelenkfläche für das Cuboideum. Bezüglich der Lagerungsverhältnisse der beiden hinteren Knochen (Calcaneus und Talus) zu den übrigen Tarsus und den Metatarsus etc. ist zu bemerken, dass letztere ungefähr in einem Winkel von 45°, aussen und abwärts gedreht, gegen erstere gelagert sind. Neben dem Cuboideum liegen Os cuneiforme III, H, I. Ersteres ist ziemlich schmal und hoch und oben wie unten gleich breit, das II. ist keilförmig, nach unten spitz und das I. zeigt einen langen, abwärts und rückwärts gerichteten Fortsatz (Taf. XXL, Fig. 1 und 2b). An dieses letzte stösst ein Rudiment als Metatarsus des Hallux, an das zweite ein gut entwickelter Metatarsus II, an das dritte ein Metatarsus III. An das letztere und das os cuboideum legt sich der Metatarsus IV. Seitlich an diesem Metatarsus liegt, ohne Verbindung mit dem Cu- -boideum, der verkümmerte Metatarsus V. Die drei mittleren Metat. haben vorn schmale Ca- pitula (welche nach der Planta hin zugespitzt auslaufen) mit seitlichen Eindrücken. Auf diesen spielt mit einer tiefen, aber schmalen Hohlrolle die sehr kurze Phalanx I, welche auf der dor- salen Seite zwei Fortsätze nach hinten schickt. Diese legen sich bei der Streckung in die seitlichen Grübchen am Capitulum an. Auf der plantaren Seite aber heften sich lateral und median Sehnenbeine an, welche verhält- nissmässig gross und gebogen, in eine Spitze nach hinten auslaufen. Nach vorn endet diese sehr kurze Phalanx nit einer tiefen Hohlrolle, auf beiden Seiten von zwei kammartigen Erhöhungen eingefasst. Entsprechend dieser Form ist nun die zweite, lange Phalanx mit einem mittleren Kamm und zwei seitlichen Furchen versehen, Das vordere Ende zeigt wieder eine sehr tiefe Furche mit hohen seitlichen Rändern. An der plantaren Seite haben die Phalangen tiefe Furchen ee für die Sehnen der Beuger. Endlich kommt die starke, hakenförmige, mit an der Basis in der Planta hervortretenden Auschwellung versehene Phal. III., deren Gelenkfläche der vorhergehen- den angepasst ist. Noch wäre die Verschiedenheit dieser eben beschriebenen Knochenbildung bei Choloepus und Bradypus zu erwähnen. Bei letzterem muss es vor allem auffallen, dass die vorderen Knochen im Tarsus mit den Metatarsalen fest verwachsen sich zeigen, was bei ersterem nicht der Fall. Auch zeigt Bradypus in seinen drei Zehen nur zwei Phalangen. Möglich, dass auch hier im ausgewachsenen Zustand ein Verwachsen der ersten, kleinen Phalanx mit dem Metatarsus vorkommt. - Die Gelenkbildung des Fusses und besonders die des Sprunggelenkes ist von hohem Interesse. Es ist schon erwähnt, dass der Raum für das Sprunggelenk, zwischen den Condylen der Tibia und Fibula, sehr breit im Vergleich zu der höchst schmalen und hohen Talusrolle sowie zur Gelenkfläche ist. Die schmale und hohe Talusrolle zeigt aber nun die Eigenthümlichkeit, dass sie nicht allein eine sagittale, hinten schmäler werdende Bogenfläche zeigt, sondern dass sie auch in frontaler Richtung gewölbt ist. Da nun aber die gewölbartige Gelenkfläche der Tibia seitlich in die der Fibula sich fortsetzt, welche letztere bis zu dem knopfförmigen, noch überknorpelten Fortsatz herabsteigt, so ist es möglich, dass die Rolle in dem weiten Raum aufgerichtet, an die obere, oder, umgelegt, sich an die seitliche Gewölbe- wand anlegen kann. Hierbei macht der Talus um die, in dem Kopf nach hinten und oben liegende Axe eine Rotation, sowohl in frontaler, als auch in sagittaler Richtung. Da hier fast eine arthrodische Bewegung vorkommt, so kann durch diese Rotation sowohl die gewöhnliche Supination des Fusses so sehr gesteigert werden, dass die Planta nach innen und vorn sich richtet, theils aber auch dem Fuss eine pronate Stellung gegeben wird. Zeigen sich diese Vorgänge an der lateralen Seite des Talus, so ist es an der medianen anders. Hier steigt in den Raum zwischen Talus, der oberen knöchernen Brücke und dem Knöchel der Tibia eine fibrose Knochenplatte herab zum Calcaneus, welche am langen Fortsatz des Cuneiforme I sich anheftet. Sie dient als Hemmungsband für extreme Stellung in der Pro- wie Supination des Fusses. Liegt der Talus mit seiner lateralen, hohlen Gelenkfläche auf dem knopfförmigen Fortsatz der Fibula, dann steht der Bogen der Rolle in gerader Richtung zum Unterschenkel. Der hackenförmige Fersenfortsatz zeigt sich dann nach der Medianseite umgelegt und der ganze Fuss steht in Supination. — Wenn nun auch die Kapsel in dem Sprunggelenk nach der hin- teren und vorderen Seite sehr dünn ist, so finden wir doch starke Seitenbänder, die man als Lig. talofibulare anticum post. und calcaneo fibulare mit Recht bezeichnen darf. Während BORN nun in dem Sprunggelenk eine sehr ausgiebige Bewegung um eine Queraxe als Flexion und Extension vorkommt, so ist aber auch zwischen Talus und Calcaneus eine Rotation um eine Längsaxe vorhanden, welche eine Pronation und Supinat. dieses Knochens und des Fusses bedingt. Wenn man das Bein in seinen Bändern schwebend hängen lässt, so befindet sich der Fuss in einer Supination zum Unterschenkel. Rechnet man nun auch die Rotation, die in dem weiten Sprunggelenk möglich ist dazu und die Verschiebung zwischen Talus und Calcaneus, so ist wohl einzusehen, dass hier eine Rotation des Fusses um fast 180° möglich ist. Endlich findet sich noch eine sehr deutliche Rotation zwischen den beiden hinteren und den vorderen Tarsalen. Skeletmuskeln des Choloepus. Schon bei den Muskeln des Lemur habe ich mich über die Gründe meiner Muskel- gruppirung und namentlich über das Beibehalten der Muskelhüllen ausgesprochen, daher erfolgt auch hier wieder die früher eingeschlagene Reihenfolge der Muskelgruppen. Sie ist folgende: I. Hautmuskeln. a) der Vorder- II. Muskelhüllen, } ce b) der Hinterextremität. III. Rumpfschultermuskeln. IV. Muskeln der Vorderextremität. V. Rumpfmuskeln. a) Rücken-, b) Rumpfschwanz- c) Rumpfkopfmuskeln. a. dorsale. ß. ventrale. VI. Muskeln der Hinterextremität. 1. Hautmuskeln. Ueber diese Muskeln kann ich nur wenig mittheilen, da das Thier abgebalgt und an mehreren Stellen die Muskeln, leider ganz besonders auch an den Phalangen, verletzt waren. Der Rest von Hautmuskeln, den ich noch vorfand, zieht sich an der Seite der Brust und des Bauches herunter und sammelt seine Fasern in der Höhe der untersten Rippe, von wo Pl) RE diese eine scharfe, "hochkantige Längsfalte über die Inguinalgegend bilden und in dieser über die vordere Seite des Oberschenkels zum Knie laufen. Ferner steigt von dem Seitentheil der Brust, aus der Gegend der zehnten Rippe, eine schmale Muskellage aufwärts und vereinigt sich mit dem Pectoralis an der Ansatzstelle desselben, am Halse des Humerus. 2. Hüllenmuskeln. a) Für die Vorderetrexmität. Pectoralis major (Taf. IX. Fig. 1, Taf. X. Fig. 3, Taf. XI. Fig. 5). Die Pectoralis- gruppe ist sehr gross und mächtig. Sie zerfällt in drei Abtheilungen. Die erste Abthei- lung (Fig. I. 82) ist oberflächlich und schmal. Sie kommt von dem vorderen Theil des Brust- beines und tritt, am unteren Theile des Oberarmes mit dem Biceps und der Sehne des Del- toideus vereinigt (Fig. V., 16 und 18, Fig. III., 15 und 16), an die Tuberositas radii. Endlich verlaufen ihre Muskelfasern in die Fascie des Vorderarmes. Die zweite Abtheilung ist sehr mächtig (Fig. I. 8ı). Sie kommt von dem Brustbein in dessen ganzer Länge und heftet sich mit breiter Sehne an die Spina tuberculi majoris Humeri (Fig. III. 13, Fig. V.15) und zwar von dessen Hals bis fast in die obere Hälfte der Diaphyse. Die dritte Abtheilung (Fig. V.7), welche man als Pectoralis minor bezeichnen kann, entspringt in der oberen Hälfte des Brustbeines und der Knorpeln der vier oberen Rippen und setzt sich, unter dem Deltoideus wegtretend, mit breiter Sehne an das Tub. minus des Humerus (Fig. III. 25). Zu dieser Sehne tritt der von der zehnten Rippe heraufkommende Hautmuskel (Fig. I.’ 83, Fig. V. 8). Die Wirkung dieser Muskelmasse ist nicht blos adducirend auf Arm und Rumpf, und rotirend auf das Schultergelenk, sondern erstreckt sich auch auf das Ellenbogengelenk, dieses beugend, sowie auf die Fascia des Vorderarmes, diese spannend. Cuecullaris (Fig. D. 5, Fig. IV. 12). Er ist ausgebreitet zwischen Hinterhaupt, den Dornen der Hals- und sieben bis acht oberen Rückenwirbeln, der Crista scapulae, dem Akromiön und dem lateralen Theil der Clavicula. In dem Bereiche der fossa infra spinata zeigt er einen grossen Sehnenfleck. Deltoideus (Taf. IX., Fig. 1 und 2, Taf. X., Fig. 3, Taf. XL, Fig. 5). Entspringt von der Pars akromialis claviculae, von dem Akromion und der Crista scapulae und zwar an letz- terer in ganzer Länge. Die Aponeurose, welche von diesem Knochen kommt und an deren innerer Seite die Muskelfasern entspringen, geht bis in die Hälfte des Humerus herab. Die Fasern zeigen folgende Verhältnisse: 1) Die von dem vorderen Theile der Fascie und der Clavicula kommenden Fasern setzen sich längs der Ansatzstelle des Peetoralis major 9 a WERE und gehen nach unten in den Brachialis okne Trennung über. 2) Die von dem Akromion (Fig. I. 7) und dem mittleren Theile der Aponeurose (welche sich am oberen Theile des Hu- merus, längs dem Lig. intern. musculare externum anheftet) ausgehenden Fasern laufen frei über den ganzen Oberarm herab, verbinden sich mit der Sehne des Biceps und des oberfläch- lichen Pectoralis (Fig. I. 82) und setzen sich an die Tuberositas radii. Die am weitesten nach unten vom lig. intermuse. exter. entspringenden Fasern setzen sich in die volare Fascie des Vorderarmes fort. 3) Die von der Crista scapulae kommende Abtheilung (Fig. II. 6) heftet sich an die obere, laterale Hälfte des Humerus, längs dem lig, interm. extern. an dessen vor- dere Seite, woselbst sie mit den Ursprüngen des Supinator longus sich verweben. Auch hier sehen wir ausser der Abduction des Armes vom Rumpf eine Flexion des Ellen- bogens und eine Spannung der Fascie des Vorderarmes ermöglicht. Latissimus dorsi (Taf. I, Fig. II. 8, I. 9). Entspringt von den Dornfortsätzen der Rückenwirbel sehnig, von der Fascia lumbodorsalis und von der sechszehnten Rippe an, zwi- schen den Zacken des obliquus externus fleischig. Seine Fasern laufen über den unteren Rand des Schulterblattes und setzen sich in breiter Sehne an die Spina tuberculi minoris (Fig. V. 14). Von dieser Sehne aus läuft nun eine breite Muskelmasse weiter am Arm herab und heftet sich an die Crista condyli interni des Ellenbogens neben der foram. condyl. inter. Zwischen obigem Sehnenansatz und Teres major findet keine Verbindung statt. b) Hüllenmuskeln für die Hinterextremität. Obliquus externus abdominis (Fig. III. 21, Fig. V. 10, Fig. VIII. 8) entspringt von der äusseren Fläche der siebenten bis dreiundzwanzigsten Rippe, sowie von der Fasc. lumbo- dorsalis des dritten Lendenwirbels. Er geht, mit seinen Muskelfasern den Rectus einhüllend, bis zur Lin. alba. (von der fünfzehnten Rippe aus). Erst in der Höhe des vorderen Endes der letzten’ Rippe entspringt seine Sehne, welche sich an das Becken heftet. Hier aber ist die Eigenthümlichkeit zu erwähnen, dass von der Spina ilii anterior und dann auch weiter gegen die Medriane hin, von dieser Sehnenausbreitung zwei Muskelkörper entspringen, welche ich mir, wie folgt, zu deuten erlaube. (Fig. VIII. 9.) Es sind dies folgende drei Muskeln: Sartorius, Graeilis und Pubo-fibularis. Sartorius (Fig. VII. 2, IX. 1 und XI. 4) entspringt in grosser Ausbreitung von der Sehne des Obliquus externus, wo diese zwischen Spina anterior superior und Symphyse liegt. Mit den lateralen Fasern beginnt er an der Spitze der Spina ilii ant. sup. Hier schlägt er sich aber nun um seine Längsaxe nach hinten und median als columa extr. des Obliq., erhält hier Fleischfasern von der Fasc. transversalis, mit welcher dieser an der Rückenwand des Beckens sich verbindet. Auf diese Weise bildet der Sartorius an seinem Ursprung eine Tasche (Taf. XII, Fig. 9). Der Muskel steigt nun an der medianen Seite des Femur herab und heftet sich, mit der Sehne des Pectinaeus vereinigt, an das untere Drittel des Femur. Neben und unter ihm liegt der Nerv. und Art. cruralis. Gracilis (Fig. VIII. 1, Fig. IX.5, (an seinen Ansatzstellen abgeschnitten). Entspringt gleichfalls von der Aussenfläche der Sehne des Obliquus, median von dem vorigen, zwischen diesem und der Symphyse. Gegen letztere läuft er in eine sichelförmige Falte aus. Der Muskel ist oben breit und endigt in einer starken Sehne, welche sich hinter dem starken Lig. lat. intern. des Knie’s an den Unterschenkel ansetzt. Er zeigt zwei Abtheilungen seines Ur- sprungs. Die eine, die laterale, entspringt höher an der Sehne des Obliquus; die andere, die mediane, tiefer (Fig. VIII. 11) und kommt zwar immer noch von der Sehne jenes Muskels, aber ganz nahe vom horizontalen Ast des os pubis. Beide Abtheilungen laufen, durch Bindegewebe verbunden, neben einander zu dem Unterschenkel herab. Zu der sich hier ansetzenden Sehne kommen Fleischfasern von Biventer II, welche sich über die hintere Fläche als eine dünne Muskelschicht ausbreitet. Pubo-fibularis (Fig. VIII. 3, XII. 5, IX. 4 abgeschnitten), ein schmaler, langer Muskel, der ganz auf der Grenze der Sehne des oblig. extern. und dem os pubis entspringt und, gegen den Unterschenkel herabsteigend, mit der fascienartigen Muskelhaut des Biventer I. an die Mitte der Fibula sich anheftet. Er wirkt als Beuger und Anzieher, dreht aber ganz besonders den Unterschenkel um seine Axe. Betrachten wir nun die äussere und hintere Seite des Schenkels, so finden wir lateral neben dem Sartorius: Musc. glutaeus max. und Tensor fasciae latae untrennbar mit einander ver- bunden (Fig. XII. 1 und XI. 23). Sie entspringen von der Crista ilii in ihrer ganzen Aus- dehnung von den Dornen des Kreuzbeines, von dem Ischium und der äusseren Fascia, und steigen, sich verschmälernd, an der Linea aspera des Femur herunter, nach hinten mit der fascienartigen Ausbreitung des Biventer vereinigt. Biventer I (Fig. XII. 9 und XII. 2). Ist lateral mit dem Glutaeus max. und median mit dem Adductor III und Semitendinosus am Becken verwachsen (XII. 2, 4). Er entspringt vom os ischii und ist rundlich, wird aber beim Herabsteigen an der äusseren Seite des Ober- schenkels breit, verdünnt sich sehr, läuft breit über die äussere Seite des Knie’s und die äussere Seite des Unterschenkels fascienartig. Hier ist er mit dem Pubofibularis vereinigt (XII. 2, 5). Median neben und unter ihm liegt Biventer I (Fig. X. 9x und Fig. XIII. 3). Dieser ganz eigenthümliche Muskel ist gross und stark, entspringt von der Linea aspera am Femur, unter dem Trochanter major, steigt in der ganzen Länge des Oberschenkels herab, wird unter dem Knie breit und dünn und überzieht die ganze hintere Seite des Unterschenkels, indem er zugleich an Tibia und Fibula in ganzer Länge angeheftet ist und bis zu den Condylen sich ausbreitet. Er hüllt die hinteren Unterschenkelmuskeln fascienartig ein und endigt hinten ganz dünn über dem Fuss- gelenk. Am Oberschenkel schickt er Muskelfasern an die Sehne des Semitendinosus und des Gracilis. — Er beugt das Knie und spannt die Schenkelbinde. Semitendinosus (Fig. IX. 10, XUI. 4, XI. 3) liegt hinter dem vorigen. Er ent- springt vom os ischii, verwachsen mit dem Biventer I und heftet sich, kreuzend mit dem Pubo-fibularis (XIII. 4, 5), an die Tibia unterhalb der Sehne des Gracilis. Er ist mit letzterem sehnig und mit dem Biventer II durch Muskelfasern verbunden (Fig. IX. 10, 11.). 3. Muskeln zwischen Kopf, Rumpf und Schultergürtel. Der Schultergürtel steht durch vier Muskeln mit dem Kopf in Verbindung, an der vor- deren oder ventralen Seite der Sterno- und Kleidomastoideus und ebenso zwei an der dorsalen Seite. Sterno- und Kleidomastoideus (Fig. I, 4, 5, Fig. II. 6, 7, Fig. IV. 2). Der’ erste kommt von der Spitze des Brustbeines, der andere von der langen und durch eine sehr schlaffe und bewegliche Gelenkverbindung mit dem Brustbein verbundenen Olavicula. Beide setzen sich unmittelbar neben den meatus auditorius externus. Von den beiden dorsalen Muskeln, welche beide ich als Levatores scapulae bezeichnen möchte, liegt der Levator scapulae anter. (Fig. IV. 3) zwischen der vorderen oder oberen Kante der Scapula und dem meatus auditorius exter. Gerade hinter diesem etwas dorsal und mit ihm verbunden, liegt am oberen Schulterrand der Rhomboideus capitis (Fig. IV. 6) und heftet sich ausgebreitet an die Linea semieircularis oceipitis. Rhomboideus minor (Fig. IV. 6) entspringt von den Dornen der unteren Halswirbel und heftet sich mit den nachfolgenden, unten verschmolzen, an den oberen Winkel des Schulter- blattes. a a Rhomboideus major (Fig. IV. 7) kommt von den Dornen der oberen Brustwirbel und heftet sich an den ganzen (hinteren) Rand der scapula bis zu dem unteren Wirbel. Serratus ant. major (Fig. III. 13, Fig. V. 11) geht ganz wie bei dem Zemur von den untersten Halswirbeln bis zur neunten Rippe. 4. Muskeln der Vorderextremitäten. Muskeln zwischen Schulter, Oberarm und Vorderarm. Musculus deltoideus. Siehe bei Hüllenmuskeln. Musculus supraspinatus (Fig. IV. 8), Infraspinatus (Fig. IV. 9) wie bei dem Menschen. Subscapularis (Fig. III. 9, Fig. V. 13) auf der inneren Fläche der Scapula, heftet sich mit seiner Sehne an die Spina tuberis minoris, jedoch eine Strecke unter dem Gelenkkopfe. Teres major (Fig. II., Fig. IV. 10, Fig. V. 12) ist ein grosser, starker Muskel. Er kommt von der äusseren unteren Ecke der Scapula und setzt sich in breiter Ausdehnung fleischig an die Linea tub. minoris, bis zur Mitte des Humerus herabsteigend. Die Sehne des Latissimus liegt ihın median, ohne dass er mit ihr in einer Verbindung stände. Coracabrachialis (Fig. III. 26), ein feiner Muskel, mit langer Sehne an der unteren Fläche der Clavicula befestigt. Zwischen den Sehnen des Pectoralis und Latissimus herab- tretend und sich an das obere Ende der Crista interna ansetzend.. Median von diesem finde ich noch einen kleinen Muskelkörper, der sich am oberen Ende des Teres major an den Humerus (Fig. III. 27) anheftet. Triceps (Fig. II. 7, Fig. III. 12, Fig. IV. 11) ist ganz wie bei dem Menschen. Seine untersten Fasern heften sich an die hintere Kapselwand des Ellenbogens. Biceps (Fig. III. 14, Fig. V. 18). Die starke und lange, in der Hälfte des Armes be- ginnende Sehne geht durch den Sulcus intertubercularis in die Kapsel und heftet sich an die Gelenkfläche der Scapula. Er läuft dann am Arm abwärts, in zwei kräftige Fleischbündel ge- theilt. Der eine geht mit dem Pectoralis und Deltoideus an die Tuberositas radii, der andere mit dem Brachialis an die Ulna. Am Vorderarm werden beide von Supinator und Pronator eingefasst. Brachialis (Fig. III. 28). Vorn und lateral am Humerus in der Tiefe gelegen, zwischen Biceps und Triceps. Er heftet sich mit dem einen Fleischbündel des Biceps vereinigt an den Proc. coronoideus der Ulna. TON Muskeln zwischen Oberarm, Vorderarm und Hand. Supinator longus (Fig. VI. 5), ein starker Muskel. Er entspringt an der äusseren vorderen Fläche längs der Crista condyl. externa aus der halben Höhe des Humerus, läuft an dem Radius, in seiner äusseren, vorderen Seite, bis zu deren Mitte fleischig angeheftet, herab, vereinigt sich alsdann mit der Sehne des Pranator und läuft jetzt, sehnig an die Crista radi geheftet, herab bis zum Carpus. An seinem oberen Ursprung verschmilzt er mit der dorsalen Spitze des Deltoideus. a) Muskeln auf der dorsalen Seite. Diese Muskeln füllen den Raum zwischen Condylus extern. humeri und dem äusseren oder hinteren Rand der Ulna. Auch hier sind die Muskeln an ihren Ursprüngen mit einander verwachsen. Extensorescarp.radiales, (Fig.Vl.s) An der rädialen Seite neben dem Supinator, entspringt vom Condylus extern. humeri und der dorsalen Seite des Radius ein Muskelkörper, welcher, in zwei Sehnen getrennt, an dem Vorderarm herabläuft. Die radial verlaufende Sehne geht an den Metacarpus II. Die ulnarwärts neben dieser liegende, stärkere geht an den Metacarpus III. Letztere extendirt einfach, die erstere aber extendirt und abducirt nach der Radialseite. Extensor digitor. longus (Fig. VL.s) liegt neben dem vorigen, ulnarwärts. Entspringt von dem Condylus extern. humeri. Die Sehne theilt sich unter dem Lig. carp. dorsal. in zwei Sehnen, welche sich an die Phalanx I, II und III der beiden Zehen anheften. Diese Muskeln extendiren einfach. Lateralwärts von dem extensor digitorum findet sich ein Muskelkörper, der sich nach abwärts in zwei lange Sehnen theilt und den ich für einen Abductor und Extensor ulnarie halten muss. Das Muskelfleisch ist nach oben mit dem Fleisch des vorigen Muskels verwachsen und kommt vom Condyl. extern. humeri und entspringt von dem hinteren Rand der Ulna in ganzer Länge. Die mehr radial liegende Sehne ist der Abductor (Fig. VI. 9), dieser setzt sich an den Rücken und die Basis der Phalanx I des ulnaren Gliedes. Er extendirt und abducirt lateral. Die laterale Sehne gehört dem Extensor ulnaris (Fig. VI. 10). Diese setzt sich an die laterale Seite des ulnaren Metacarpus. Sie ist stärker als die vorige. Sie abdueirt vorherrschend und extendirt etwas. Abductor pollieis longus (Fig. VI. 7) entspringt, bedeckt von dem vorigen, hoch oben beginnend, an den oberen zwei Dritteln der Ulna, kommt zwischen Extens. quat. digitor. und dem Extens. radialis zum Vorschein, überschreitet deren beide Sehnen und heftet sich an das BENKTH A Daumenrudiment und zwar mit sehr starker Sehne, Er abducirt den Carpus sehr energisch nach der Mediane. Nun finde ich an der dorsalen Seite des Vorderarmes unmittelbar unter dem Extens. ulnaris einen Muskelkörper, der von der dorsalen Seite der unteren Ulna entspringt und auf dem Carpus weiter läuft. Ferner zwei Muskelkörperchen, welche auf dem Carpus und Meta- carpus liegen. Der ulnare entspringt von dem unteren Ende der Ulna, liegt auf der dorsalen Seite des Carpus und des Metacarpus und geht an die Basis der Phl. I des lateralen Fingers, während ein zweiter Theil in eine Sehne, des Extensor communis sich begiebt. Ein radialer kommt aus der Lücke zwischen dem Metacarpus radialis und dem Daumenstummel hat aber seinen Ursprung am Os naviculare der Vola und sendet seine Sehne an die Pha- - lanx I des radialen Fingers und einen Theil in die Sehne (radiale) des Extens. dig. comm. Ein ähnliches, kleines Muskelchen kommt auf der lateralen Seite aus der Vola vom Os hamatum und setzt sich seitlich an die Phalanx I. Ferner kommt aus dem Spalt zwischen den beiden Metacarpen ein Muskel, welcher sich gleichfalls an die Sehnen des Flex. communis heftet. b. Die volare Seite des Vorderarmes. Pronator teres (Fig. VII. 6), ein grosser Muskel. Er kommt von dem Condylus intern. humeri und seiner Crista, ist mit dem Flex. carp. rad. verwachsen und läuft, mit der Sehne des Supinator longus gleichfalls verwachsen, an der Crista des Radius herab. Supinator brevis ist bedeckt von dem longus, kommt vom Condylus extern. humeri und schlingt sich um das oberste Drittel und die Tuberosität des Radius herum. Flex. carpi radialis (Fig. VII. 7) kommt von Condylus humeri intern. und geht an das os naviculare. Flex. digitor sublimis (Fig. VII. 8) tritt unter dem lig. volar. carp. mit seiner Sehne durch und heftet sich, nachdem jene sich getheilt, an die Phalanx II beider Finger. Er liegt lateral vom vorigen. Palmaris longus liegt lateral vom vorigen und geht in das lig. volare prop. Flex. carpi ulnaris (Fig. VII. 9), von der Ulna in ganzer Länge vom Epicondylus humeri und der Fascia des as kommend, geht als sehr starker Muskel an das os pisiforme., Flex. digitorum profundus (Fig. Vll. 10) ist der stärkste Muskel; kommt vom Humerus, wie der vorige, von der ganzen volaren Fläche des Radius, Ulna und lig. inteross. und geht an die dritte Phalanx. . Pronator quadratus nimmt mehr als das untere Drittel des Unterarmes ein. An- satz wie bei dem Menschen. Endlich finde ich in der Vola, unmittelbar auf den Metacarpen, zwei Musculi interossei, welche zwei anderen gegenüber als interni zu bezeichnen sind. Schliesslich sei bemerkt, dass von den grösseren Muskeln des Vorderarmes öfter Muskel- fasern in der Fascia Antibrachii ihr Ende finden, dass aber auch leider durch das Abbalgen mir die Deutung der verkümmerten Muskeln auf dem Rücken, sowie in der Vola sehr ver- kümmert wurde. 5. Rumpfmuskeln. a) An der dorsalen Seite der Wirbelsäule. Extensor dorsi. Bei der Betrachtung dieses Muskels ist es gut, noch einmal die Knochenbildung zu überblicken. Wir haben hier sechs Halswirbel mit gut entwickelten Dorn-, Gelenk- und Querfortsätzen. Es folgen dreiundzwanzig Rückenwirbel, deren Querfortsätze sich gut ausgebildet zeigen und deren Dornfortsätze, ungleich niederer als die des Halses, bis zum dreiundzwanzigsten wenig hervortreten und mit ihren Enden alle nach hinten gerichtet sind. Sie bleiben so ziemlich in gleicher Höhe mit den knopfförmigen Querfortsätzen. Die zahl- reichen, nach unten immer breiter werdenden Rippen zeigen von oben nach unten kleine Knochenvorsprünge, die aber weiter nach unten sich immer mehr von den Querfortsätzen ent- fernen. Sie bezeichnen die laterale Grenze für den Longissimus dorsi. Lateral von diesem kommen die Rippenwinkel als Begrenzung des lumbo-costalis. Der letzte Brustwirbel ist die Vertebra intermedia, mit ihren vorderen, gleich allen Rückenwirbeln, frontal niederliegenden, und ihren hinteren, gleich den Lendenwirbeln, mehr sagittal liegenden Gelenkfortsätzen. An den drei Lendenwirbeln mit ihren, von vorn nach hinten etwas langen, zur Seite frontal, aber kurzen Querfortsätzen, finden sich wenig steilstehende Gelenkflächen. Die Fortsätze dieser Gelenke sind auch, gleich den gespalten auslaufenden Dornen, wenig hervortretend. So sind denn auch hier, wie an den Rückenwirbeln, die Längsfurchen zwischen den Dorn-, Gelenk- und Quer- fortsätzen niedrig. Hieran schliesst sich nun das Becken mit seinen flachen, aber sehr weiten und breiten, seitlichen Längsfurchen an. Endlich kommt das Schwanzbein mit seinen vier Wirbeln, welche, wenn auch kurz und verkümmert, jedoch eine Beweglichkeit zeigen. Dass wir bei dieser Knochenbildung keine scharf ausgeprägten Rückenstrecker erwarten dürfen, versteht sich von selbst. Die Lagerstätten für solche sind zu wenig scharf begrenzt, ausgeprägt und zu wenig tief, als dass hier höhere Lagen von Muskelfasern Platz finden könnten. u > Sind aber auch die Längsfurchen in und seitlich der Wirbelsäule nicht tief, so liegen sie da- gegen breit auf der Rückenfläche und dem breiten Becken und so finden wir denn flache Muskellagen, welche sehr ausgebreitet, unter einander verfilzt und wenig scharf geschieden sind. Von dem Kreuzbein aus entspringen aus der Fascie Muskelfasern, welche, in Sehnen aus- laufend, als oberflächlichste an die Dornfortsätze der drei Lendenwirbel und der fünf hinteren Rückenwirbel gehen. Diese Sehnen sind durch rechtwinkelig aus ihnen heraustretende Fleischfasern mit einander verbunden. — In der Tiefe entspringen verhältnissmässig breite Sehnen von den vorderen Gelenkfortsätzen der drei Lendenwirbel, sowie von den Querfortsätzen der Rückenwirbel. Die Sehnen wenden sich alle nach vorn, theils lateral, theils median. Die lateral verlaufenden Sehnen, welche gleichfalls durch senkrecht aus ihnen hervortretende Muskel- fasern mit einander verbunden sind und so eine Lage entsteht, welche den Raum zwischen den Querfortsätzen und den Winkeln der Rippen bedeckt, setzen sich, in Muskelfasern endend, bis an die oberen Rippen, und zwar so, dass die Fleischfasern sich in breiter Lage an die Rücken- seite jeder einzelnen Rippe, bis zum Angalus, festsetzen. — Wie nach der lateralen, so gehen nun auch nach der medianen Seite Sehnen ab, welche sich mit Muskelfasern an die Dornfort- sätze heften. — Von dem sechsten hinteren Rückenwirbel an verbinden sich diese Muskelfasern mit der vorhin erwähnten oberflächlichen Lage. Aus der Vereinigung entstehen feine Sehnen, welche sich an die vorderen Dornfortsätze des Rückens und der Halswirbel ansetzen. Die Muskellagen zwischen Querfortsätzen und Dornen gehen am Hals in einen ächten Multi- fidus über und enden, sowie auch der Transversalis, an den vordersten Halswirbeln. Der Lumbo costalis aber findet sein Ende an den ersten Rippen. Complexus, vom zweiten Brustwirbel, sowie Tragelomastoideus, vom letzten Halswirbel entspringend, ebenso Rectus copitis post. major und minor, sowie Ser- ratus post. zeigen die typischen Verhältnisse. Endlich ist zu erwähnen Splenius copitis (Fig. IV. 5), welcher von den Dornen aller Halswirbel und den zwei oberen Rückenwirbeln kommt, eine starke Fascie unter sich hat und an die Crista oceipitis in ganzer Breite sich ansetzt. Von Schwanzmuskeln ist hier nichts zu erwähnen. b) Muskeln an der ventralen Seite der Wirbelsäule. Rectus capitis anticus major. Entspringt von dem proc. cost. aller Halswirbel und dem Seitentheil der drei oberen Brustwirbel und heftet sich neben der for. mag. an die Basis des Schädels. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 10 ER FE Longus colli. Von dem Körper der drei oberen Brustwirbel und unteren Halswirbel, sowie von den Querfortsätzen. Dieser Wirbel setzt sich an den Atlas. Psoas minor entspringt seitlich der Körper der vier untersten Rückenwirbel und heftet sich mit einer langen, breiten und starken Sehne an die äussere Seite des Beckens und die Linea arcuata. Von einem Musc. ilio Jumbalis findet sich keine Spur. Es wird das innerste Blatt der Fasc. lumb.-dors. unmittelbar von den Anfängen des Musc. lumbo- costalis bedeckt. Viscerale Muskeln. Muskeln des Kiefergelenkes. Musculus temporalis (Fig. IL, II. 1). Ein kräftiger, starker Muskel, welcher mit mächtigen Sehnen an den proc. coronoideus befestigt ist. Masseter (Fig. I., II., II. 2) entspringt an dem ganzen unteren Rande des Jochbogens an dem Lig. intermedium und an dem herabsteigenden Fortsatz. Er setzt sich an den Unterkiefer. Pterygoideus intern. aus der fossa pterygod. an die innere Seite des Unterkiefers. und an den Kiefer-Winkel. Buceinator (Fig. II. 3, V. 1). An den Rändern beider Kiefer bis zum proc. pterygoideus. Biventer (Fig. V.3) hat das Eigenthümliche, dass er mit einem Muskel in Verbindung steht, welcher, von der inneren Fläche des Brustbeines kommend, gleich einem Sternohyoideus nach vorn aufwärts steigt (Fig. V. 4). Der vordere Bauch wird durch diese Ergänzung beson- ders gross und setzt sich sehr ausgebreitet an den Unterkiefer. Der hintere Bauch aber be- festigt sich an das grosse Horn des Zungenbeines, mit seinem hinteren Ende aber unter den Gehörgang. Ferner zeigt sich noch eine Eigenthümlichkeit an dem Mylohyoideus (Fig. V.2). Dieser ist nämlich ohne alle Verbindung mit dem Zungenbein. Von der Mediane an läuft er quer nach der inneren Seite des Unterkiefers und heftet sich an denselben vom Winkel bis nach vorn. Geniohyoideus wie gewöhnlich. Brustmuskeln. Pectoralis vid. Hüllenmuskeln. Scalenus anticus (Fig. III. 19) entspringt vom oberen Rand der ersten Rippe bis zur achten Rippe. Ein kleiner Theil setzt sich aber am Hals hinauf fort und vereinigt sich mit dem Scalenus medius. Zwischen beiden verläuft der Plexus brachialis. ern Scalenus med. (Fig. III. 8) entspringt aussen an den zwei obersten Rippen und setzt sich an die Querfortsätze der Halswirbel. Scalenus post. entspringt an der obersten Rippe. Die Intercostales interni und externi sind sehr stark entwickelt. Bauchmuskeln. Obliquus externus. Siehe Hüllenmuskeln. Obliquus internus entspringt von der Crista ili und dem Rand der zwölf unteren Rippen. Der Fasernverlauf ist der gewöhnliche. Die Muskelfasern treten am vorderen Körper- theil weniger weit gegen die Mediane und nur der Sehnentheil geht hier über den Rectus. In der Nähe des Beckens aber treten die, von der inneren Wand der Fascia des Obliquus ent- springenden Muskelfasern, den Rectus einhüllend, zur Mendiane. Rectus (Taf. X., Fig. 3—20) entspringt von den Knorpeln der vierten und fünften bis zur neunten und zwölften Rippe und geht, ohne Inscription, neben die Spina pubis. Transversus. Kommt von der inneren Seite der Rippen und geht, vom Rectus bedeckt, zur Mediane. Nur in dem unteren Drittel, in der Höhe der letzten Rippe, wird er sehnig. 6. Muskeln der Hinterextremität. Als Hüllenmuskeln sind im Vorhergehenden schon folgende Muskeln ausführlich besprochen: Von "der Symphyse ausgehend, fanden wir neben einander gelagert: Pubofibularis, Gracilis, Sartorius, Tensor fasciae, Glutaeus maximus, Biventer I und II, Semitendinosus. — Nach Ent- fernung der drei, an der Vorderseite des Beckens liegenden Muskeln (des Sartorius, Gracilis und des Pubofibularis) kommen folgende Muskeln von der lateralen Seite der Symphyse, fast neben einander liegend, zu Tage: Iliacus, Psoas (Fig. 16 3, 22), Pectinaeus (Fig. 10, 13), Adductor I (AIX. 6), Adductor II (IX. 7), Adductor III. (IX. 9), Semimembranosus (IX. 8). Betrachten wir diese Muskeln in der «Reihenfolge an der Vorderseite, Iliacus (Fig. X. 3) ist ein sehr starker und sehr kräftiger Muskel, welcher sich nach abwärts mit dem Psoas major verbindet. Er liegt median vom Glut. med. und Rectus femoris. Er entspringt von der vorderen Kante und der ganzen inneren Fläche des Iliums, mit Aus- nahme der Crista, an welche sich die Fasc. illiaca allein anheftet. An der Spina ant. sup. ist er mit der Sehne des Obliquus abd. extr. in Verbindung. Er läuft als ein mächtiger Muskel über das Hüftgelenk, giebt der Kapsel Verstärkungsfasern und setzt sich in sehr starker SAT Sehne in weiter Ausbreitung an die mediane Seite der inneren Fläche des Femur, bis zu dessen Hälfte herabsteigend, lateral vom Pectinaeus. Er beugt das Hüftgelenk. Psoas major (Fig. X. 22) lateral von dem vorigen. Er entspringt vom Seitentheil der Lendenwirbel und von der inneren Seite des Hüftbeines und setzt sich an den Troch. minor. Er drückt den Schenkelkopf gegen das Becken, beugt Becken und Lenden gegen einander und rotirt den Schenkel. Seine Sehne ist fest vereinigt mit dem Iliacus. Psoas minor. Er ist ein langer, schmaler, strangartiger Muskel und entspringt von der Seite der vier unteren Rückenwirbel und heftet sich mit einer langen, breiten und festen Sehne an die äussere Seite des Beckens, an die Tuberositas ilio pectinea und linea arcuata. Er drückt das Becken und Rückenwirbel gegen einander. Pectinaeus (Fig. X. 13, Fig. IX. 3, Fig. VII. 6). Ein sehr starker Muskel. Er entspringt von der Tub. ilio pectinea, erhält aber auch Fasern von der Sehne des Oblig. abd. Er steigt median von dem Iliopsoas am Schenkel herab und breitet sich mit starker Sehne über die innere Seite der ganzen oberen Hälfte des Femur aus. Er addueirt und beugt den Femur. Adductor I. Median von diesem, sitzt breit an dem Horizontalast des Schambeines und steigt, sich abrundend, herab und heftet sich mit platter Sehne, median vom Sartorius, an das untere Drittel des Femur. Er adducirt noch mehr als der vorige und beugt den Schenkel. AdductorIl. (Fig. IX. 7,X. 14) liegt unter und neben dem vorigen. Er entspringt gleich- falls von der vorderen Fläche der pars horizontalis und im Winkel zwischen dieser und der Pars descendens. Ein grosser, starker Muskel. Er setzt sich hinter den Pectinaeus und Iliacus längs der oberen Hälfte des Femur, in breiter, schräg absteigender Fläche an dessen Hintere Seite. Er adducirt und streckt den Femur. Zwischen Pectinaeus und diesem Muskel läuft Art. und Nerv. craralis. Adductor IN. (Fig. IX. 9), lateral und nach hinten mit dem vorigen, an seinem Ursprung mit dem folgenden Semimembranosus und dem Biventer I verwachsen. Vom Ischium kommend, setzt sich dieser Muskel ganz unten und hinten (über dem Condylus internus, unterhalb dem Adductor I) an den Femur. Dieser Muskel ist ein Strecker des Hüftgelenkes. Semimembranosus (Fig. IX. 8) hinter dem vorigen, ist in grosser Ausdehnung an den ramus descendecus pubis bis zum Tuber Ischii angeheftet. Er setzt sich, schmäler werdend, mit runder Sehne an die innere Seite der Tibia über dem Gracilis. Er beugt das Knie und rotirt den Unterschenkel etwas. Zu den Muskeln der Hinterseite des Beckens übergehend, finden wir hier die schon be- trachteten Hüllenmuskeln, nämlich von der Mediane nach der Laterale fortschreitend, den Semi ee tendinosus, Biventer I und Biventer I. Der Nervus ischiadicus verläuft oben zwischen den beiden ersten, unten jedoch am Femur zwischen Semitendinosus und Biceps II. An der äusseren Seite des Beckens liegen nun gleichfalls die schon betrachteten Hüllen- muskeln, nämlich Glutaeus max. und Tensor fase. Es bleibt uns nun übrig, die tiefen Beckenmuskeln zu betrachten. Glutaeus medius (Fig. XI. 2), ein sehr starker Muskel. Er nimmt die vordere Hälfte des Hüftbeines ein und heftet sich mit starker Sehne an den Trochanter major und steigt vorn ein Stück weit an ihm herunter, Er abdueirt und rotirt den Schenkel. Pyriformis (Fig. XXI. 10), bedeckt von jenem, verhält sich wie bei dem Menschen. Er rotirt den Schenkel. Unter ihm tritt der Nerv. ischioticus aus dem Becken. Quadratus femoris kommt aussen von der äusseren Fläche des Sitzbeines und unter- halb dem Pyriformis an die obere hintere Seite des Trochanter. Er liegt mıt seiner Sehne hinter der Sehne des Glutaeus medius und neben und über der Sehne des Adductor II, sowie hinter dem Obturator externus. Er rotirt den Schenkel nach hinten. Er ist ein verhältniss- mässig grosser Muskel. Obturator externus. Kommt vom Lig. obturatorium und von dessen Knochen- rahmen und setzt sich innen an den Trochanter. Er ist ein starker Muskel und rotirt den Schenkel nach vorn. Rectus femuris (Fig. VII. 7, IX. 6,7) steigt zwischen Iliacus und Glutaeus medius von der Spina ant. infer. über die Pfanne des Becken herunter. Im Herabsteigen nimmt er die Vasti, welche, weniger getrennt, die vordere Fläche des Schenkels besetzt halten, auf und geht mit ihnen an die Patelle. Er beugt die Hüfte und streckt das Knie. Muskeln an der Hinterseite des Unterschenkels und der Fusssohle. Gastrocnemii (Fig. XIV. 1). Zwei dünne Muskeln, welche vom unteren Drittel beider- seits oberhalb der Condylen des Femur entspringen und getrennt mit langen Sehnen an die Calx gehen und zwar so, dass der mediane Muskel an die laterale, der laterale Muskel aber an die mediane Seite der Calx sich anheftet, so dass also eine Kreuzung stattfindet _ Soleus entspringt an der hinteren Kante und inneren Seite der Fibula in ihrer ganzen Länge von oben bis unten. Er ist ein langer, breiter Muskel. Seine median liegende Sehne verbindet sich über der Ferse mit der Sehne des Gastrocnemius, welche sich an die laterale Seite der Calx befestigt. Poplitaeus kommt von einem Knochenkern am Condylus extern. femor. und breitet sich fächerförmig am medianen Rand der Tibia aus. BE Flexor digitorum com. longus (Fig. XVII. 2) liegt unter dem vorigen und vor dem Soleus. Entspringt von der Fibula und dem lig. interosseum in ganzer Länge, sowie von der unteren Hälfte der Tibia. In der oberen Hälfte ist er vom Fleische des Tib. posticus nicht zu trennen. Er steigt unter einem Band, welches zwischen der Calx und dem proc. longus der Cuneiforme I liegt, hinter dem inneren Knorpel als eine breite Sehne in die Fusssohle. Mit der noch ungetrennten Sehne verbindet sich die Sehne des Tibialis anticus. Nun ent- springen nach der Vereinigung von dieser Sehne zwei Lumbricales, welche sich an die Phalanx I ansetzen. Dieser Muskel flectirt die Zehen, zieht aber auch das Sprunggelenk plantarwärts. Tibialis post. entspringt von der ganzen hinteren Länge der Tibia. Er geht in starken Sehnen hinter den langen Fortsatz der Cuneiforme I in die Fusssohle und heftet sich quer nach aussen gehend an die innere Seite des Calcaneus. Er flectirt und supinirt den Fuss. Flex. digit. brevis (Fig. XVI. 2). Es sind drei Muskelkörper, zwei von diesen ent- springen an der Ferse und gehen an die zweite Phalanx der zweiten und dritten Zehe, der dritte entspringt von dem langen Fortsatz am Cuneiforme I (b) und geht an die erste Zehe., Caro quadrata (Fig. XVII. 1.). Ein fleischiger, dicker Muskel; er geht an die vereinigten Sehnen des Flex. dig. longus und Tibialis anticus. Er entspringt von der unteren Fläche des Calcaneus. Interossei interni entspringen am Tarsus und Metatarsus und gehen an die erste Phalanx. Der eine liegt zwischen der zweiten und dritten Metatarsus und adducirt die zweite “ Zehe, der andere zwischen dem dritten und vierten Metatarsus und adducirt die vierte Zehe, Muskeln an der Vorderseite des Unterschenkels und des Fussrückens, Tibialis anticus (Fig. XV. 1, XVI. 2, XVII. 3) liegt auf der lateralen vorderen Fläche der Tibia. Er entspringt von der Tibia und Fibula, sowie vom Lig. interesseum in ganzer Länge. Er schlingt sich mit seiner Sehne um die innere Fusssohle und heftet sich an die Sehne des Flex. dig. longus. Seine untere Abtheilung (I*.) aber geht fleischig denselben Weg, heftet sich aber an den Daumenstummel. Dieses Gegenstück des Flex. digit. flectirt dorsal und supinirt. Extensor communis longus (Fig. XV. 2) liegt lateral von dem vorigen und ganz zur Seite gedrängt. Er entspringt, mit dem vorigen in ganzer Länge vereinigt, von der Fibula und vom Condylus ext. femor. Er heftet sich, mit dem Extens. brevis vereinigt, fan die Zehen, Extensores breves. (Fig. XV. 4) entspringen an dem Tarsus und den Metatarsen und heften sich an die Sehne des Extens. longus. Eee Peronaeus secundus entspringt mit dem Extensor longus in ganzer Länge von der Fibula und dem Condylus externus femoris und heftet sich an den Metatarsus quintus. Er beugt dorsal und pronirt. Peronaeus longus (Fig. XIV. 4). Liegt aussen neben ihm. Er hat dieselben Ursprungs- stellen, nur mehr lateral. Er geht durch die untere Rinne der Fibula, schlägt sich um den lateralen Fussrand in die Sohle und heftet sich an die mediane Seite des Tarsus, an Metatarsus II und III. Er pronirt. Interossei externi. Es giebt deren vier, welche, vom Tarsus und Metatarsus ent- springend, an die erste Phalanx gehen. Der Inteross. zwischen dem Metatarsusstummel des Daumens und seinem Nachbar abducirt die zweite Zehe. Zwischen zweitem und drittem Me- tatarsus abducirt die dritte Zehe; zwischen drittem und viertem die dritte Zehe und zwischen viertem und fünftem die vierte Zehe. Aus dem Leben des Choloepus. M. de Buffon sagt in seiner Schilderung über die Bewegung des Unau (Histoire naturelle 1765, Tom. 13, p. 49): Seine Beine scheinen weder zum Stehen noch zum Gehen gemacht zu sein, sondern nur zum Anhalten und sich etwa hier oder da anzuklammern. Wenn der Unau auf seinen Beinen ruhet, so liegen das Handgelenk und die Ferse auf der Erde, der Vorderarm ist schräg nach vorn geriehtet und der Ellenbogen ist nicht viel über die Erde erhaben; das eigentliche sogenannte Bein ist gebogen und macht nach den Schenkel einen geraden Winkel, so dass der Untertheil des Kreuzes allezeit niedriger als das Knie ist. Der Gang dieses Thieres ist ungemein gezwungen. Wenn es einen Schritt thun will, so setzt es das Vorderbein nicht vorwärts, sondern lässt blos den Fuss fortgleiten, ohne die Zehen auszustrecken; die Klauen bleiben hinterwärts gebogen und der Fuss stützt sich blos auf die Convexität und auf das Fuss- gelenk, ohne dass die Sohle die Erde berührt. Diese Bewegung geschieht nicht gerade nach vorn, sondern ein wenig nach aussen. Das Hinterbein und der Hinterfuss sind noch weiter ausgebreitet, so dass der Fuss einen Zirkelbogen beschreibt, wenn das Thier ihn vorwärts setzen will, und während dieser Bewegung bleiben die Klauen, sowie die an den Vorderfüssen, hinter- wärts gekehrt, indem der Fuss blos auf ihrer convexen Seite und auf der Ferse trägt, ohne . ZN dass die Sohle an die Erde kommt. Das Thier ging geschwinder als die Schildkröte und sein Gang kam mit dem Gehen der Fledermäuse überein. Es kommt dem Unau weit leichter an, zu klimmen und sich in der Höhe irgendwo an- zuhängen. Alsdann streckt er die Klauen von sich und bedient sich ihrer als Haken. Da seine Klauen lang, krummspitzig sind, so macht es ihm wenig Mühe, sich anzuhängen, daher er diese Stellung vorzüglich liebt. Um zu ruhen, hängt er sich zur Hälfte auf, indem er sich auf den Hintern setzt und sich mit den Vorder- und Hinterfüssen in einer kleinen Höhe anklammert, um dadurch seinen Leib in senkrechter Stellung zu erhalten. In dieser Stellung bringt er die Nacht zu. Hätte er keinen Gegenstand, an den er sich anklammern könnte, so wäre es ihm unmöglich, den Leib aufrecht zu halten. So leicht ihm das Klettern wird, so schwer wird ihm jede andere Ortsbewegung. Mit den Vorderfüssen packt der Unau, gleichwie mit einer Hand, an und bringt seine Nahrung zum Mund. Die zwei Finger und die zwei Klauen trennen sich nicht, sondern strecken und biegen sich zugleich. Die meiste Zeit hing sich das hier be- sprochene Thier an dreien seiner Füsse auf und frass mit dem vierten, so dass der Kopf ab- wärts hing (Taf. I, p. 58). Der Schilderung (Der Zoologische Garten, Jahrgang XIV, p. 126) des Dr, M. Schmidt, Director unseres Zoologischen Gartens, entnehme ich folgende Mittheilungen über- den Unau: Gewöhnlich hockt das Thier mit stark gegen die Brust gesenktem Kopfe bewegungslos in dem Heu, welches den Boden seines Käfigs bedeckt, so dass es einen unförmlichen Haar- ballen darstellt. Mit zwei Füssen, einem Hinter- und einem Vorderfusse einer und derselben Körperseite, klammert es sich an einen Ast seines Kletterbaumes. — Bei dem wiederholten Erwachen aus seinem langen Schlafe erhebt sich der Kopf, reckt sich ein Arm aus dem un- förmlichen Haarbündel hervor, fasst einen Ast des Baumes und zieht nun langsam den Körper nach, wobei nun allmählich auch die übrigen Extremitäten in Thätigkeit kommen; endlich hängt das Thier mit allen Vieren, den Rücken abwärts gewendet, an den Aesten seines Kletterbaumes. Höchst interessant ist die Richtung der Haare, weil sie beweist, dass hier nicht, wie bei anderen Thieren, der Rücken, sondern der Bauch meist oben zu sein pflegt. Es finden sich nämlich Haarwirbel in den Beugeseiten der Beine in der Gegend der Fuss- und Handwurzelgelenke, und von hier fallen die langen Haare in der Richtung gegen den Rumpf ab. In der Mittel- linie des Bauches ist ein förmlicher Scheitel der ganzen Länge nach, von welchem die Haare seitlich gegen den Rücken hinlaufen. Von dem Nacken, den Schultern und dem Kreuze her sind sie ebenfalls gegen die Mitte des Rückens gerichtet, während sie auf diesem selbst senkrecht stehen. — Bei dem Einhaken mit seinen langen Krallen an den Aesten lässt sich wahrnehmen, EEE) ER wie besonders beweglich die einzelnen Gelenke seiner Gliedmaassen sind, so dass die Beine an Ketten mit langen Gliedern erinnern. — Die Aufnahme der Nahrung, welche in einer Schüssel am Boden des Käfigs aufgestellt ist, giebt Gelegenheit, zu zeigen, dass die auffallende Fähigkeit zu Verdrehungen nicht nur den Extremitäten, sondern auch der Wirbelsäule eigen ist. Um sich zum Futtertopfe zu begeben, besteigt das Thier in der Regel zunächst seinen Baum und klettert an demselben wieder soweit herab, dass es mit beiden Hinterbeinen aufgehängt bleibt, mit den Vorderfüssen dagegen auf den Boden gelangt. Hier wendet es sich in der Weise um die Achse seines Körpers, dass der Bauch nach oben gerichtet ist, die Brust dagegen abwärts gekehrt wird. In anderen Fällen hängt es sich wohl auch ganz dicht über den Futtertopf auf, dreht nur den Hals um seine Achse und nimmt in dieser Stellung seine Nahrung. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 11 Zum Schluss. Lemur und Choloepus. Tabelle I—-IV. Ueberblicken wir den Bau der beiden Thiere, nachdem wir ihre Lebensweise kennen gelernt, so sehen wir bei Zemur einen kurzen, die Länge der Lenden nicht übertreffenden ” Brustkorb, dessen mit langen Rippenknorpeln versehenen fein gebauten Rippen ziemlich steil nach unten abfallen. Die 12 Brustwirbel sind im Körper und Bogen schmal, haben kräftige nach hinten aufsteigende Dornen. — Diesem gegenüber steht der Unau, dessen Brustkorb sehr lang ist und aus 23 breiten, flach von, der Wirbelsäule abgehenden kräftigen Rippen gebildet wird. Seine Länge übertrifft die der Lenden sechsmal und seine letzte Rippe endet bald an der Spina des Beckens. Der Thorax ist wegen mangelnden Rippenknorpeln vorn schmal, wird aber nach hinten von den falschen Rippen an nach und nach sehr breit. — Die Wirbelkörper sowie ihre Bogen sind breit und haben kurze nach hinten gerichtete Dornen. Der Lemur hat 7 Lendenwirbel mit langen Körpern und Bandstücken, mit langen kräf- tigen nach vorn aufsteigenden Dornen und ebensolchen Gelenkfortsätzen, sowie Querfortsätze, welche breit, aber nach vorn und unten geneigt sind. Zwischen diesen hohen Fortsätzen laufen in den Lenden zwei Furchen; eine laterale und eine mediane. Ebensolche Furche liegt auf dem Kreuzbein zwischen den hohen Dornen und dem Hüftbein. Das Becken ist lang und schmal. Das runde Acetabulum trägt ein lig. teres. — Ganz anders ist Choloepus gebaut. Hier sind nur drei Lendenwirbel mit etwas niederen Körpern und Bandscheiben. Die Dornen sind gleich denen der Rückenwirbel niedrig und nach hinten, nicht wie bei Zemur nach vorn gerichtet, die Gelenkfortsätze erheben sich auch nicht weit aus der Fläche, die zwischenliegenden Furchen sind daher flach. Ebenso ist es auf dem breiten, dornlosen, mit flach liegenden Hüftbeinen versehenen Becken. Die Tiefe des Beckens in gerader Richtung, von dem weit vorstehenden Schambein zu dem Schwanzbein, ist überaus gross. ZERREN Gehen wir zu den Bewegungen am frischen Skelet des Choloepus über. Die ven- trale Beugung ist sehr bedeutend. Die 40 cm lange Wirbelsäule bildet in der grössten Beugung einen Bogen, dessen Sehne 16 cm beträgt. Die Pfeilhöhe findet sich am 15. Rücken- wirbel und beträgt 16 cm. — Aber auch die laterale Beugung ist in den Rückenwirbeln stark. Hier lässt sich ein fast gleichmässiger Bogen bilden, dessen Sehne 26 cm und. dessen Pfeil- höhe 14 cm beträgt. Eine dorsale Beugung findet sich nur im Hals, dem hinteren Theil der Brustwirbel und den Lenden. — Am stärksten ist aber die Torsion. Zwischen dem ersten Brustwirbel und dem Becken lässt sieh die Wirbelsäule ohne Mühe auf 180° bringen. — Bei dem Lemur sind die Excursionen weniger ergiebig. Laterale Beugung ist nur in der Brust, nicht in den Lenden, dorsale mehr in der Brust aber durchaus keineinden Lenden. Beugung der Lendenwirbel in ventraler Richtung ist ziemlich ergiebig. Die Torsion, welche nur in dem Brustwirbel vorkommt, beträgt circa 90°. Der Schwerpunkt bei Choloepus (des abgebalgten Thieres) fiel in den 13. Rücken- wirbel, bei Zemur fällt er in die Gegend des 10.--11. Rückenwirbels. Nach Betrachtung des Rumpfskelettes beider Thiere, sehen wir in dem langen Thorax, den so sehr kurzen Lenden, den breiten zahlreichen Rückenwirbeln mit nach hinten gerichteten Dornen, mit den breiten Rippen, nicht blos Aehnlichkeit mit dem Bau des Megatherion, sondern auch in Obigem mit dem Pachydermen, Elephas, Mastodon, Rhinoceros, Hippopotamus ete. Uebereinstimmung. Doch aber zeigt Choloepus nach jeder Richtung die so sehr grossen Ex- eursionen innerhalb des Rumpfes, welche jenen Thieren jedenfalls abgehen. — Der Lemur dagegen, der in seinem Rumpfskelet sehr viel Aehnlichkeit mit den Raubthieren, den Marder, den Katzen hat, steht im den Excursionen der auf den Rumpf beschränkten Bewegungen dem Cho- loepus weit nach. Sehen wir uns nun nach den Muskeln um, die bei diesen Bewegungen besonders in An- spruch genommen werden, Bei Choloepus ist der Extensor dorsi breit und flach und zieht sich ziemlich gleichmässig von dem flachen Becken an, über den Rücken hin. Durch die mangelnden tiefen Sulei und die niederen Muskelfortsätze erhält der Extensor dorsi keineswegs günstige Hebelan- sätze. Er ist zwar im Stande in den Lenden und den hinteren Brustwirbeln den Rücken dorsal zu biegen, aber nicht im Stande, den ganzen Rumpf von hinten aus aufzurichten. Anders ist es mit den Bauchmuskeln. Diese sind weit kräftiger, als der Extensor dorsi, Denn während diese Muskeln 48 gr wiegen, hat der Extensor dorsi nur 34 gr. Hierbei haben wir noch zu berücksichtigen, dass der Rectus abdominis vom Knorpel der 4. bis zur 4 12. Rippe zum Becken herabsteigt und der Obliq. externus von der 7.—23. Rippe entspringt und mit seinen Muskelfasern, gleich dem internus den Rectus einhüllt. Endlich aber müssen wir die grosse Ausdehnung der Symphyse gegen die Bauchseite hervorheben, da durch dieselbe alle diese Muskeln die günstigsten Angriffspunkte an Brust- und Wirbelsäule erhalten. Hier also überwiegen die ventralen Muskeln. Ganz anders verhält es sich bei dem Zemur. Hier findet der Extensor an den langen nach vorn gerichteten Dornen, Gelenk- und Querfortsätzen günstige Hebel, während er aus tiefen Furchen kräftig am Bogen des Kreuzbeines und der Lendenwirbel entspringt. Die Lenden lassen keine dorsale Beugung zu, um so mehr bilden sie in ihrer Gesammthsait einen Stab, an welchem der Vorderrumpf in die Höhe gehoben werden kann. Hier wiegt der Extensor dorsi 39 gr., die Bauchmuskeln aber nur 25 gr., der Ilio. psoas aber 10 gr. Bei Vulpes wog der Ext. dors. 229 gr die Bauchmuskeln 81 gr » Meles taxus » » 155 gr » » 120 gr » Ohiromys » » 530or » » 31 er » Felis cat. » » 8 gr >» < 70 gr Wenn wir nunzu den Extremitäten übergehen, sehen wir, dass, wie der Rumpf des Choloepus plump war, die Extremitätenknochen sich ebenso verhalten. Die Diaphysen der Röhrenknochen sind gross und massig aber unförmlich und ebenso sind die Epiphysen, ich möchte sagen gleich- sam wie in Umrissen dargestellt, ohne eine Modellirung, ohne Ecken, Ränder und Kanten. Die Bandapparate und Gelenkkapseln sind wohl kräftig und gut entwickelt, aber das scharfe Gepräge fehlt, daher kommt es denn auch, dass die Excurse so vielseitig sind und an der Leiche mit leichter Mühe, fast gegen die ausgesprochene Form des Gelenkes, bewegt werden können, Alles dieses ist bei dem ZLemur anders. Das Skelet ist schon in allen seinen Theilen leichter und die Knochen und Fortsätze bestimmter ausgewirkt. Während nämlich das Rumpfskelett nebst Schädel bei Choloepus weit schwerer als bei Zemur ist (262 gr gegen 145 gr) und die Extremitäten im Verhältniss zu dem Rumpf (?°%ı12) den Quotienten 2,3 beim C%oloepus, bei dem Lemur aber (!*5/ss) 2,5 geben, so zeigt die Vorderextremität zum Rumpf bei Choloepus den Quotienten 4,3 und die Hinterextremität 5,0. Dagegen aber gibt die Division beim Lemur für die Vorderextremität den Quotienten 6,3, für die Hinterextremität aber 4,1. Hier sehen wir also, dass die Vorderextremität beim Choloepus schwerer, beim Lemur aber leichter als die Hinterextremität ist. Die Längenverhältnisse beider Extremitäten stimmen hiermit überein, denn aus den Tabellen II—IV ergiebt sich, dass die Vorderextremitäten des Choloepus 38 mm länger als die Hinterextremitäten und ebenso dass die Muskeln der ersten um 39 gr schwerer sind als die der letzteren. Bei dem Lemur ist dagegen die Vorderextremität um 65 mm kürzer . — eh) und ihre Muskeln sind um ca. 30 gr leichter als die der hinteren. Ein gleiches finden wir bei folgenden Thieren Inuus Vulpes Telis catus Chiromys Muskeln der Vorderextr. 303 gr 217 gr 283 gr 133 gr » » Hinterextr. 538 gr 427 gr 347 gr 206 gr Allein noch Eins müssen wir ganz besonders hervorheben. Wie wir aus der Schil- derung des lebenden Choloepus gesehen, so bewegt sich dieser gerade umgekehrt wie der Lemur. Bei letzterem tragen die Extremitäten den Rumpf, bei ersteremaber hängt derRumpf an denExtremitäten und ist immer nach unten gerichtet. — Die Schilderung der Reisenden über die Fortbewegungsart an horizontal oder schräg laufenden Aesten mit dem Körper nach unten wird auch, wie wir gesehen, schon durch den Strich der Haare bestätigt. Doch gehen wir zur Betrachtung der Extremitäten im Einzelnen bezüglich zu dieser verschiedenen Bewegungsart über. Die verschiedene Lage des Schulterblattes stimmt vor allem mit der so ganz ver- änderten Körperlage beider sich bewegenden Thiere überein. Beim ZLemur wird der Vorder- rumpf an dem oberen Rande des Schulterblattes durch die Muskeln getragen, wobei die Crista als der festeste Theil senkrecht steht. Der Unau dagegen hängt mit erhöhtem Vordertheil an Armen und Beinen. Hier haben die Muskeln des Schulterblattes für ihre Muskelfasern durch die schrägliegende Crista den günstigsten Angriff. — Auch das durch Bandsubstanz mit der Crista verbundene Akromion scheint für das Hängen des Thieres oder für eine aus- giebige Excursion des Armes nach oben von Bedeutung zu sein. Die Tabelle I zeigt uns auch, dass die Bewegungen in dem Schultergelenk in jeder Richtung freier sind als bei dem Lemur. Beginnen wir mit der Vorderextremität. Wir haben gesehen, dass das Schulterblatt des Lemur seine grösste Ausdehnung von der ventralen nach der dorsalen Seite hat, während bei Choloepus sie parallel der Wirbelsäule läuft; ferner dass die Crista scapulae nicht senkrecht wie bei Zemur auf die Gelenkfläche stösst, sondern schräg an ihr vorbei geht. Diese Gestalt der Scapula ermöglicht, dass, da der Rückentheil des Thorax bei C’holoepus gerundet, der des Zemur aber steiler absteigt, bei ersterem die Schulter sich mehr frontal legen kann und nicht sagittal liegen muss wie bei Zemur. Ferner scheint die Freiheit des Schulter- gelenkes durch die ziemlich lange Knorpelhaft am Manubrium erhöht zu werden. Das stete Hänger des Thieres an den Armen scheint aber auch, neben dem Mangel der Rippenknorpel, auf den vorn zugespitzten Thorax nicht ohne Einfluss. Da nun aber das Schulterblatt mehr frontal liegt, die Axe des Humeruskopfes aber zur — s6 Be - Axe des Ellenbogens nach aussen einen Winkel von 13,5° macht, so ist es erklärlich, warum der Unterarm nach aussen gewendet ist und da dieses Gelenk, dessen Axe lateral tiefer liegt sich nach vorn und aussen Öffnet, so wendet sich der gebogene Unterarm nach oben und aussen. — Ferner hat der Humeruskopf eine Gelenkfläche, welche schmal ist aber die beiden Tubera überragt, hier- durch wird die Extension in dem Umfang der Bewegung nach oben vielseitiger. — Bei dem Lemur aber, bei welchem der Kopf viel breiter und die Tubera in gleicher Höhe mit ihm stehen, wird dem senkrecht stehenden Schulterblatt nur eine weit grössere Stütze beim Stehen zu Theil. Auch das Ellenbogengelenk des Choloepus mit der kümmerlichen Ausbildung seines Proc. eubitalis und hinteren Grube, ebenso die Ulna mit der weiten und schmalen fossa sigmoidea und den dürftigen Fortsätzen kann, wiewohl mit starken Bändern umhüllt, auch nicht geeignet sein zum Tragen der Körperlast. Ganz anders ist es bei dem Zemur. Hier ist alles streng gefügt und scharf an einander gepasst, der proc. cubitalis steht hier mit seiner Queraxe in einem rechten Winkel zur Längsaxe des Humerus, und bildet also nicht wie bei Oholoepus mit der Längsaxe des Oberarms einen Winkel nach Aussen (19%). Daher liegt bei der Beugung der Vorderarm des Lemur auf dem Oberarm, und nicht lateral neben ihm. Während die Exceursionen der Flex. und Extens. bei beiden Thieren ziemlich gleich sind, präva- lirt der Choloepus in der Rotation mit 216° gegen 88° des Lemur. Kommen wir nun zur Hand. Dieses Organ beider Thiere ist so sehr verschieden, dass man, um es zu vergleichen, vorhergegangene Schilderung nur wiederholen müsste. Es möge daher Folgendes genügen: Bei Choloepus liegt die Axe des Carpalgelenkes tiefer auf der Radialseite als auf der Ulnaren, wodurch der Metacp. ulnaris sowohl in der dorsalen als auch volaren Flexion in einem Winkel zur Längsaxe des Vorderarmes steht. Ferner besitzt die Una statt eines proc, styloid. eine fast ebene Fläche, auf der, nur bei der Rotation, das wenig ge- wölbte Triquetrum unmittelbar sich bewegt. Die Kapsel und Bänder für den Carpus sind sehr dick und stark. Weiter wäre nun hier noch zu erwähnen, dass die ersten Phalangen allein durch ihre Kürze und ihre starken Sehnenknochen zu einer kräftigen und vollkommenen Beu- gung der Finger besonders geeignet sind. Dass aber diese auch hier stattfinden muss, beweisen die tiefen Furchen (die Spuren der Sehnen der Flexoren) an der volaren Seite der Phal. II. Die Schmalheit der ganzen Hand, die mangelnden Capitula der Metacarpen, sowie die langen Krallennägel sind Beweise genug für die Unfähigkeit, dem Körper geeignete Stützpunkte abgeben zu können. — Ganz anders ist es mit dem Lemur, der mit seinem senkrechtstehenden Schulterblatt, mit seinem scharfgeprägten Ellenbogengelenk und mit seiner breiten Hand sowohl zum Tragen des Körpers als auch zum Klettern geeignet ist. — u Dee Betrachten wir nun die Muskeln an Schulter und Oberarm, so zeigt sich die grösste Verschiedenheit zwischen beiden Thieren. Während Zemur die typischen Bildungen zeigt, finden wir bei Choloepus folgendes: Vor allem ist der Pectoralis gross und mächtig. Seine erste Abtheilung vereinigt sich an dem unteren Theil des Oberarmes, mit Biceps und Deltoideus, geht an den Radius und verläuft in der Fascie des Vorderarms. Die zweite Abtheilung von der ganzen Länge des Brustbeines kommend, tritt von oben bis in die Hälfte des Humerus. Die dritte Abtheilung geht oben an den Humerus. — Ebenso ist es mit dem Deltoideus, welcher bisan den Vorderarm herabsteigt und sich mit Biceps, Brachialis und Pectoralis in Verbindung setzt und an Ober- und Unterarm sich ausbreitet. Ferner der Latissimus dorsi, der über den ganzen langen Rumpf heraufsteigt und noch einen Fortsatz an den Arm giebt. Schon die Gewichtsverhältnisse der Muskeln zeigen uns, dass die Muskeln bei Lemur ganz verschieden von den vorhergehenden sein müssen. Während nämlich die Bäugemuskeln Latissimus, Pectoralis, Pronator teres dreimal, wie uns die Tabelle II zeigt, und der Supi- nator longus fünfmal schwerer sind, so übertrifft der dreiköpfige Strecker des kleinen Lemur den Trinceps des Choloepus und der Deltoideus des ersteren den des letzteren um das Dreifache. Auch der Biceps und der Brachialis ist bei dem Zemunr stärker. Die Extensoren des Carpus und der Finger wiegen bei Choloepus 12 gr, bei Lemur 7 gr, die Flexoren aber bei ersterem 31 gr und bei letzterem 8 gr. Diese sind also bei Choloepus mehr als doppelt so schwer als ihre Antagonisten, während bei Zemur sich beide gleich bleiben. Schliesslich muss noch rücksichtlich der Exeursionen der Gelenke bemerkt werden, dass nicht allein die Charnierbewegungen, sondern ganz besonders auch die der Rotation und Arthrodie der: Vorderextremität des Choloepus die des Lemur weit übertreffen. Was wir über die Knochen und Gelenkbildung des Choloepus bei der Vorderextremität gesagt haben, das gilt auch für die Hinterextremität. Die Bildung steht auch hier im grössten Contrast mit dem Lemur. Schon die Länge der Vorderextremität und das Gewicht ihrer Muskeln bei Choloepus spricht dafür, dass dieser die Hauptaufgabe bei dem Fortkommen zufällt. Anders ist es bei dem Lemur, hier ist es die Hinterextremität, welche mehr als die Vordere in Anspruch genommen wird und daher auch in der Länge und dem Gewicht der Muskeln der Vorder- extremität gegenüber prävalirt. Das Hüftgelenk des Choloepus zeichnet sich durch seinen stark nach vorn aufgerich- teten Gelenkkopf und das Analogon eines Lig. ilio femorale sowie durch den Mangel des 13 Wggrre Lig. teres aus. Jenes Ligament ist ein Hemmungsband für eine völlige Streckung. Hier steht dann das Knie nach aussen und lässt weder Rotation noch Ab- und Adduction zu, welche Bewe- gungen doch sehr ausgiebig in der Beugung stattfinden. Der Winkel zwischen Strecken und Beugen giebt 130°, wovon 90° auf letzteres fällt. Das Kniegelenk ist ausgezeichnet durch die ausführlich oben schon angegebenen Bildungsverhältnisse der kräftigen Kapsel. Der Winkel zwischen Beugung und Streckung beträgt 140°. Bei der Beugung liegt der Unterschenkel median vom Femur, bei der Streckung bildet er mit demselben einen Winkel auf der lateralen Seite. Noch sei vom Choloepus bemerkt, dass während die Flexions-Axe des Schenkelkopfes mit den Condylen einen Winkel von 20° macht, der Winkel zwischen dem Kniegelenk und dem oberen Sprunggelenk 5° beträgt. Bei dem Zemur zeigt jedoch der Winkel zwischen Hüft- und Kniegelenk 1° und zwischen Knie- und Sprunggelenk 15°. Was nun den Fuss des Choloepus betrifft, so sei nur erwähnt, dass der Tarsus und Metatarsus eine supinirte Stellung gegen die zwei hinteren Tarsusknochen hat, dass diese Su- pination nun aber noch vermehrt werden kann in dem oberen, bedeutender noch in dem unteren Sprunggelenk. Die Pronation ist weit geringer. Wenn die in sagittaler Richtung einen Halbkreis bildende, in frontaler Richtung aber schmale gleichmässig gewölbte Talusrolle sagittal gestellt ist und ihre Queraxe plantare und dorsale Flexionen macht, so geht der Fuss mit seinem inneren oder äusseren Rand auf und nieder. Wenn aber die Drehung in frontaler Richtung um die von hinten nach vorn liegende Axe geht, dann entsteht Pronation mit Abduction oder Supination mit Adduction. (Vid. Oben.) Diese Bewegungen sind bei dem Fusse des Zemur zwar auch vorhanden, allein, wie Tabelle I zeigt, weit weniger ausgiebig. Hier wie bei Inuus ist die supinirte Stellung der vorderen Tarsalen zu der Calx und Tarsus nicht in solchem Grade vorhanden, die Talusrolle ist vornen breit, nur nach hinten sich verschmälernd und nicht so radförmig, auch die Gelenkfläche zwischen Tibia und Fibula nicht so weit. Hier kann, wie ich oben bei der Bewegung im Sprunggelenk beim Zemur auseinander gesetzt, der Fuss sowohl sich in Supination, als auch mit der Planta horizontal stellen. Beim Orang, aber noch weniger beim Choloepus, kann letzteres geschehen. Wenn daher der C’holoepus durch die Supination und das seitliche Umgreifen der Aeste zum Klettern ganz besonders geeignet ist, und die’ Vierhänder durch ihren Daumen der Hinterhand entschädigt werden, so ist doch Choloepus durch die Form seines Sprunggelenkes gar nicht geeignet, auf dem Boden sich zu bewegen. Wenn nun auch RO der Fuss des Unau durch seine drei Metatarsen (von denen freilich keine die Dicke und Stärke des äusseren Metacarpen erreicht) eine breitere Basis als seine Hand erhält, so wissen wir jedoch aus der Schilderung des lebendigen Thieres, dass es sich zuweilen an den Beinen auf- hängt, um die Vorderextremität zur Aufnahme von Nahrung zu benutzen. Daher finden sich denn auch an dem Tarsus und den Phalangen dieselben Eigenthümlichkeiten, wie an den Metacarpen etc. Die auch hier kurze Phalanx I wird auch dem Fusse die Eigenschaft geben, einen enggeschlossenen Kreis zwichen den hakenförmigen Krallen und der Calx zum Umklammern der Aeste zu bilden. Betrachten wir nun die Muskeln, so finden wir die Verschiedenheit zwischen den beiden Thieren noch grösser als an der Vorderextremität. Da nimmt bei Unau der Sartorius und der Gracilis seinen Ursprung von dem Obliquus externus (eine Wahrnehmung, die ich schon bei der Robbe gemacht). Da ist der eigenthümliche Pubo-Fibularis, der von der Symphyse zur Fibula mit dem Semitendinosus sich kreuzend geht. Dann die getrennten und beim Ansatz an der Calx sich kreuzenden Gastrocnemii. Ferner die Verbindung des Flexor digitorum mit dem Tibialis anticus. Endlich aber ist, um nur noch eine Bildung eigenster Art hervorzu- heben: Der starke und mächtige Biventer II und seine fascienartige Ausbreitung über alle Muskeln an der Hinterseite des Unterschenkels zu erwähnen. Wie an der Vorderextremität des Choloepus durch ihre Gewichtsverhältnisse die Flexoren und Rotatoren prävalirten, so ist es auch hier. Das so sehr breite und so überaus _ tiefe Becken gibt dem an seinem unteren weiten Umfang entspringenden und‘ aus verschie- denen Richtungen in der Umgebung des Knies sich anhaftenden Muskeln die günstigsten Angriffspunkte. Namentlich ist der Sartorius und Gracilis durch ihren weit vorgeschobenen Ansatz aus Obliquus externus und der Beckensymphyse sehr günstig gelagert zum Aufziehen des hängenden Rumpfes. Ebenso verhält es sich mit dem von hinten kommenden Biventer und Semimembranosus etc. Dienen aber diese Muskeln der Flexion, so wirken sie auch als Rotatoren und namentlich ist dieses bei den sich kreuzenden Pubofibularis und Semitendinosus der Fall. Doch auch die überraschenden Torsionen im Sprunggelenk werden uns durch die eigenthümliche Bildung dieses Gelenkes durch die Kreuzung der Gastroenemii in ihren Sehnen und ganz besonders durch die Verknüpfung des mächtigen Tibialis anticus mit dem Flexor longus verständlich. Gehen wir nun zu dem Zemur über, so zeigt uns hier das lange, um die Hälfte in Breite und Tiefe kleinere Becken, die langen hinteren Extremitäten-Knochen im Vergleich zu den vorderen, die in sagittaler Richtung liegenden Ansatzpunkte für die Strecker des Abhandl. d. Senckenberg. naturf Ges. Bd. XIII 12 ER Hüft-, Knie- und Sprunggelenkes, dass hier für eine Bewegung in sagittaler Richtung und namentlich für den Sprung die günstigsten Eigenschaften vorliegen. So habe ich denn hier zwei Thiere zu schildern versucht, welche in ihrem Bau und ihrer Bewegung so sehr von einander abweichen, indem bei dem einen die Festig- keit der Extremitäten gegen Tension, gegen den Zug, in Anspruch ge- nommen wird, bei dem anderen, dem Lemur, die Festigkeit gegen den Druck zu wirken hat. Den Festigkeitsmodus der Knochen dieser Thiere nach beiden Richtungen zu bestimmen, muss ich jedoch der organischen Physik überlassen. Tabelle I. Excursionen der &elenke. Lutra Lemur Choloepus Cercopithee Chimpance vulgaris macaco didactylus mona jw. Schultergelenk ExtHlexsp us. nee 280 100° 129° 145° 100° AndrurAdduotee. nr 590 94° 107° 105° 216° Rolationgan nu Ren 88 115 132 122 160 Ellenbogengelenk ExIAHlexe nn, NMWERIRSNTGN 125 120 144 135 Rotation In. 0. #20. 2105 88 216 102 176 Handgelenk BixtiuBlexn nen ern u 195 138 189 165 200 4 Botationeune, curcc co 81? 124° 50° 95° Hüftgelenk ä Bstenlex se a. lo‘ 105 130 147 107 AdduetYAbd. . . .7...%.0108 96 113 85 100 ROLatOnan ee 95 95 157 50 90 Kniegelenk 10 1 SER 15 150 140 180 105 EI 105 90 54 55 Sprunggelenk Ext pDlexen ser. 100, 155 140 140 90 Rotation I. tert 15 75 175 40 40 91° — Muskeln der Vorderextremität in 6rammgewicht. Tabelle II. Canis Vulpes Batissimus ’ .. . =. ..40 Bectoralist,... . urn. 054 Subscapularis. . . . . 18 SOPLaSp- en er 08 Intraspesas re l7 Deltoid. . 15* Moresumal unge oe) N BICepSe ee 0 Caracobr. 1 Brachial. b Supinat. 1g. fehlt Pronat teres . 1 Supinat. brev. 0,5 Extens. carp. rad. 5 Extens. quat. dig. 2 Abd. degit. com. . 1 Extens. carp. uln. 2 Abduct. pollieis . 0,5 Extens. pollieis . 0,5 Pronat. quadrat. . 2 Palmaris long. 1 Flex. carp. ulnar. 5 Flex. dig. sup. u. prfd. . 18 Flex. carp. radial. . Tabelle III. C. Vulpes Sartor. et Tensor . 26 Glutaeus max. . 6 » med. . 22 Pyriform . — Quadratus fem. . — Obturat. int. et ext. . 10,6 Ilio psoas. 12 Adductores . 87 Gracilis 17 Semimembr. . 24 Semitendinos. 18 Bivent. fem. I u. I 62 Transport 284,6 Felis cat. fer. 50 46 280,5 F. catus. 209 Inuus cynomolgus 55 44 24 10 17 26 Chiromys madg. 16 20 wm | 16 144 Muskeln der Hinterextremität in Grammgewicht. Lemur macaco 12 12 Choloepus didactylus 32 27 9 6 5 Inuus eynom. Chiromys. Lemur macaco Choloepus 16 9 50 325 7 13 11 4 12 11 83 7 11 10 3 3 5 23 8 6 2 (Biv. I) 4 (Biv.I)12 111 ED C. Vulpes F. catus. Imuus cynom. Chiromys. Lemur macaco Choloepus Transport 284,6 209 325 122 83 111 Rectus fem. . 19 8 4 22 ( ) 2 Vastus & crural. | a 39 [97 30 18 | ı Poplitaeus SER 2 4 4 —_ 1 1 "ihIab2auUtIcH Er 6 10 21 6 4 12 Ext. Hallucise 2a. E 6 2,5 1 1 fehlt Ext. quat. dig. . { > 8 5 2 3 2 Peronslan.se ren 4 2 3 Peron Il. . > 3 I: 2 1 3 Plaptare mare _ u — — Flex. brevis . N { z 2 = 2 2 2 Blex. Hallueis 7. 2% 9 10 12 6 3 fehlt Flex. quat. dig. SE, | 5 Ti 6 3 11 Mihlal-sposty 22 en: 1 2 3 ; 1 1 3 Pubo fibularis . . . . 2 — _ _ 4 Soleus et Gastroc.. . . 22 39 40 15 7 b} 424,6 356 533,5 205 133 169 Tabelle IV. 1. Gewichtsverhältnisse der frischen Knochen in Grammen. 5 Der Rumpf Die Vorderextremit. Die Ganzes Skelet Der Schädel mit Schwanz mit Schultergürtel Hinterextremität Choloeg&us. .. .. . 620 73 190 60 52 Demur an ee. 267 33 112 23 35 2. Längsmessungen in Millimeter. Wirbelsäule en & des Kopfes des Halses der Brust der Lenden Kr ae ar A: Choloepus . . 368 96 53 270 45 73 19 Lemur . .. 348 97 68 141 135 38 545 3.. Längsmessungen der Extremitäten in Millimeter. : Ober- Unter- Vorder- Hinter- Humerus Radius Hand schenkel schenkel Fuss extremität extremität Choloepus . » . - 137 147 107 130 116 107 391 353 Demut ee 102 97 93 142 120 95 292 357 a er 1 an A REN, “emur Macao. & a.u.b. Glandul. par. u. submax. 1. Temporalis. 2. Masseter. 3. Queullaris. 4. Latissimus dorsi. 5. Pectoralis major. 6. Serratus antie. 7 8 9 . Obliguus abdominis. . Rectus abdominis. . Spien. cap. u. coll. 10. Levator (anguli) scapul. 11. Sternocleidomastoideus. 12. Deltoideus spinal. scap. 178 „ acromialis. 13. Teres major. 14. Triceps long. are extern. 15. Biceps. 16. Brachialis int. 17. Supinator long. f Geometrische Zeichnung. H= Lith. Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a, M. Find Een — j Run SO TtPpPOD- om Geometrische Zeichnung. Hyoideum. Claviceulare. Parotis. gland. Submawilaris gland. Masseter. Mylohyoideus. Gchiohyoideus. Biventer. Stylohyoideus. Omohyoideus. Sternohyoideus. ‚Sternothyrioideus. ‚Sternoclaidomastoideus. 10. 11. 12; 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. Deltoideus clavieularis. Pectoralis. Biceps. Coracobrachialis. Triceps. Latissimus dorsi. Subscapularis. Subelavieularis. Rectus abdominis. Scalenus. Serratus. Obliquus ext. Cutaneus. Werte 6 Lith. Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a. M. | Sa ae r Lemur mMaca0. '/, Grösse. Tafel II. Ihn, 3% . Rhomboid. capitis u. cervicis. S „ dorsi. | . Splenius capitis. Fig. 1. . Serratus antieus. . Supraspinatus. | 1 2 3 4 Infraspinatus. 7 5 6 Teres major. 8. Triceps. (cap. long.) 9 0 „ extern. RN 10. Deltoideus. Geometrische Zeichnung. Lith. Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a. M. Lemur macao. '/, Grösse. NEE Kr, Tafel IV. / Fig. 3. 1. Triceps. 1a. 9, long: 1b. ,„ _ eztern. 2. Brachialis. 3. Biceps. 4. Supinator long. 5. Eixtens. carp. rad. long. 6 00 en sebmens de 18; u. Abduct. pollie. 3.2 245 digitorum. 3 ut ulnarıs. x 10. Adductor pollicis. 11. Abductor indieis. Flexor ulnaris. Fig. 2008 . Deltoidenus. ea . Biceps. . Coracobrachialis. . Brachialis. Triceps. . Supinator long. . Extens. carp. rad. long. $ ; 5; 700 One . Pronator. Palmaris long. . Flexor carp. rad. „» digit. subl. 55 ulnaris. . Lumbricales. Adductor pollieis. Kerr LG Geometrische Zeichnung. Geometrische Zeichnung. 1. Hautmuskel. 2. Vastus intern. 2*, Rectus. ER 3. Semimembranosus. EI 4. Sartorius. rg 5. Gracilis (links abgeschn.) RE, 6. Semitendinosus.. 7. Samenstrang. er 7*, Zurückgeschlagen. r 8. Inguinalkanal. | 9. Obliquus extern abd. = f 10. Internus obliquus. 2 f 11. Penis. £ 12. Abductor II. 13. Dleopsoas. 14. Pectineus. 15. Biventer fem. WEL LH Lith. Anstalt v. Wercer & Winter, Frankfurt a, M, Big... 2: 1.u.2. Rectus fem. u. Vastus ext. 3.u. 4. Glutaeus max. u. Tensor. 5. Biventer I. u. II. 6. Semitendinosus. 8 7. Semimembranosus. 8. Gastrocnemius. Geometrische Zeichnung. Wan LG ir ae Se > le et Lemur macao. ' Grösse, Tafel VII. Fig. 2. Spina dei ant. b. Symphysis. Rom-descendens pubi, Cauda. . Pectinaeus. Bi . Adductor 1. P . Adducor I. a. Cauda. b. Nerv. ischiad. c. Poples. d Penis. e. Ramus pubis. 1. Vastus extern. Zu, . Vastus int. u. ext. 3. Glutaeus. Rene A 4. Adductor III. orale Be 5. Adductor LI. 6. Adductor I. 7. Gastroenemius. . Psoas minor. Ri . Jleopsoas. Bir . Tensor fasc. lat. = Geometrische Zeichnung. Lith. Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a. M. Lemur maca0. ', Grösse Tafel van. 2 BR 5 Big. 1. Fig. 2. : ; a. Patella. a. Kniescheibe. en t b. Lig. lateral. extr. . Lig. lateral. mt. c. Cal. c. Ferse. nn “ 1. Peronaeus I. - Gastrocemü. | 2. Peronaeus 1I. 2. Soleus. BR 3. Extens. quat. dig. 3. Flex. halluc. longs 4. » hallucis. 4. ae past. 5. Tibialis ant. 5. Flex. dig. long. 3 6. Abductor indieis. : 4 bauıctor Ro 7. Adductor pollieis. „ Elex. dig. brav 8. Extens. dig. brevis. 8. Lumbricales. 9. Adductor u. hallueis. Geometrische Zeichnung. 5 . u ‘ . ® » f rs wa 4 2 res, 7 = | Choloepns didactylus | 1 2. Masseter. =e 3. Bivnter. 4. Sterno- u. Kleidomastoideus. 5. Oueullaris. 6 7 8 9 Deltoideus pars scapul. . Triceps. . Latissimus dorsi. Fig. 1. ; 4 . Teres major. 1. Masseter. 8. Pectoralis major. 2.u.3. Biventer. 9. Latissimus dorsi. 4. Sternomastoideus. 10. Teres major. 5. Kleidomastoideus. 11. Serratus. 6. Sternohyoideus. 12. Cutaneus. 7. Deltoideus pars clavieularis. 13. Transversus costar. | I) + ” Geometrische Zeichnung. Wo 7 db. Lith, Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a, M, I # Br r EN % = h Grösse, TafelX. Choloepus didactylu Fig. 3. . Temporalis. . Masseter. . Buceinator. . Biventer. . Sternohyoideus. . Sternomastoideus. . Kleidomastoideus. . Scalenus med. . Subscapularis. . Teres major. . Sehne d. Latissimus. . Triceps brachi, . Sehne d. Pectoralis. . Biceps brachü. . Sehme d. Pectoralis. . Sehne d. Deltoideus. . Pronator teres. . Serratus. . Transversus costar. . Rectus abdominis. . Obliquus. extern. . Pectoralis major. . Latissimus dorsi. . Outaneus. 25. Sehne d. Pectoralis. 26. Coracobrachialis. „ SON DD — - m u rPom Dumm SO © oO Io DDDmı BoD — a. Orbita. 6. Rhomboideus minor (cervici.) 3 27. Coracobrachialis. ? b. Ohr. 7. Rhomboideus major (dorsi.) 28. Brachialis intern. 1. Temporalis. 8. Supraspinatus. * Latissimi pars brachialis. 2. Kleidomastoideus. 9. Infraspinatus. a. Ohr. 3. Levator scapal. 10. Teres major. r b. Olavieularis. 4. Rhomboideus capitis. 11. Triceps. c. Ubi proc. xyphoid. 5. Splenius capitis. 12. Oueullarıs. Warn db Geometrische Zeichnung. Lith. Anstalt v. Werner % Winter, Frankfurt a. M, -_ oO Pur m | Mm MM > Fig. 7. . Triceps brach. . Biceps. . Pectoralis (Fascie.) . Deltoideus (Fascie.) . Supinator long. . Pronator. . Flexor carpi rad. . Flexor dig. subl. . Flexor carpi ulnaris. . Flexor dig. prof. _ Choloepus 1 2 3 4 6) 6 7 8 g 0 . Deltoideus. . Faseia antibrachü. . Biceps. . Pectoralis. . Supinator. . Eixtensor rad. . Extensor pollieis. . Extensor digitorum. . Abductor, . Ext. carp. ulnaris. es va us idee Fig. 6. Geometrische Zeichnung. osaosıouPewDmHmAm 8 Fig. 5. . Kehlkopf. . Olavieula . Buccinator., . Mylohyoideus. . Biventer. . Sternohyoideus. . Scalenus. . Levator scapal. . Pectoralis. . Qutaneus. . Rectus abd. . Obliguus abd. . Serratus. . Teres major. . Subscapularis. . Latissimus. . Sehme d. Pectoralis. . Deltoideus. . OCoracobrachialis. . Biceps. . Pectoralis (zurückgeschlagen.) . Triceps. . Pronator. . Supinator, ER TRD Ware db. Tafel XI. ? >} Geometrische Zeichnung. Choloepus didactylus. '. Grösse. Tafel XI. a : a HTOSPESDU BP OD „HS LS 8 Lith. Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a. M. . Os coceygis. . Symphysis. . Rectus abdom. . Pubo-fibularis. abgeschnitten. . Sehne des Gracilis. abgeschnitten. . Adduct. 1. . Adduct. II. . Adduet. III. . Semitend. Fig. 9. (Schenkel in grösster Abduction.) Sehne des Obliquus ext. Os ischü. . Sartorius. er > Ansatz an der Fase. pelv. di . Jleopsoas. . Pectinaeus. Semimembranosus. Biventer 11. Fig. 8u.9. rechtes Bein. Fig. 8. 1. Gracilis. 8. Obliquus abd. 2. Sartorius. 9. Sehne d. Obliqu. 3. Pubo-fibularis. 10. Spina pubis. 4. Abduct. II. 11. Gracilis (sichelförm. Ansatz.) 9. Abduct. T. 12. Nerv. saph. 6. Pectinaeus. 13. Ileopsoas. 7. Rectus. 14. Glutaeus max. ah an na a Ze hal 2 at Sarah turn Krb che re Geometrische Zeichnung. Fig. IO. rechtes Bein von Innen. Lith. Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a. M, A Fig. 11 u.12. linkes Ban on Aussen. Fig. 10. 11. 12. 1. Glut. max. 2. Glut. med. 3. Iliacus. 4. Sartorius. 5. Gracilis. 6. Rectus femoris. 7. Vastus extern. 8. Pubo-fibularis. 9. Biventer TI. 9*. Biventer II. 10. Pyriformis. 11. Obliguus abd. 12. Vastus int. 13. Pectinaeus. 14. Abductor II. 15. Intercost. extern. 15*. Intercost. intern. 16. Stelle wo d. Sart. abgeschn. 17. Abgeschn. Sehne d. Gracilis. 18. Dessgl. d. Semitendinosus. 19. Dessgl. d. Semimembranosus. 20. Gastrocnemius. 21. Psoas minor. 22. „major. 23. Sehne d. Glut. maximus. a. Crista oder Spina lei. b. Os coceygis. d. Spina pubis. e. Lig. longitad. ant. f. Nerv. ischiadicas. ne ENT ’ Laut ” - Pa ” F ee linker Fuss. rechter Fuss. Geometrische Zeichnung. POUND ma NEN SS6e, Fig. 15. . Patella. . Tibia. Fibula. . Phlg. dig. II. . Tibialis. . Extens. digit. . Peron. III. . Extens. dig. brev. rechtes Bein. spepmwunnnR neomwmmo 9 . Peronaeus 1. . Sehne d. P Fig. 1 linker-Fuss. Eptr.-siniäire, . Calx. fl i . Os cuneifarme 4 . Phl. I. dig. IL . Tendo Achillis. . Tibialis antieus. Flex. dig. long. . Flex. dig. brevis. . Caro quadrata. | | | VE d, b. 1. 2. 3. 4. Fig. 13. . 08 coceygis. . Symphysis. . Tuber ischü. Patella. . Glutaeus max. . Biventer I. . Biventer II. . Semitendinosus. Pubo-fibularis. . Semimembranosus. . Gracilis. . Adductor secund. aa er Dans Sr} Fig. 17. rechter Fuss. Extr.-dextra. Calx. Os ceumeiforme I. Caro quadrata. Lumbricales. Tend. Tib. antie. „ Flexoris dig. long. Lith. Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a. M. Oholoepus didactylus. '. Grosse mm. II“ DR zer Lee: vo Lith. Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a.M. ei rische Zeichnung. Bradypus. ‚, Grösse. a. b. Axe der Tibia. c. d. Are der f. — Fibula. t. — Tibia. v.—=vorn. h.= hinten. 4 3 : L- 5 5 { bia & Fibula. Inuus cynomolgus. '/. Grösse. ; Wal 1 ö i ustalt v. Werner & Winter, Frankfurt a. M, M.- Zeichnung, Inuus c ynomo l US. '/, Grösse, a. b. Axe des caput femoris. c. d. Awe der Condylen. Lit. Austlt . Werner & Winter, Frankfurt v.— vorm. h.— hinten. u E u mins u Grösse, ie Tafel XIX a. b. Axe der oberen, ce. d. Axe der unteren Gelenkfläche. Rechter Humerus. Werd dG ı Geometrische Zeichnung, v.—vorn. h.— hinten. In uus © y nomo l gu 8. 'ı Grösse, Lith, Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a. M ab=obere Axe. cd=untere Axe. Geometrische Zeichnung. u 2 = 3 - BE ne PR ; Sa 7 Aa aco. u Grösse. 10-14. Choloepus didae 1 Grösse. SE ee emur mac ag N ee ee S _ Dre BEER ee 9. 7 RR | h v \ [ ) A El 7 ‘ un. (4 3.oberes- + unteres Gelenk. 7.8.0» 9. 2»» nu» b ar Er v.—vorn. h.— hinten. 59. Ceropothecus eynomolgus. '/, Grösse. Lith. Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurta. M. 5 r « ee Tafel XXI. Choloepus didaetylus. '/, er. Fig. 1 u. 2. Fuss. a. Metatars. II. b. Cimeiform. IT. Fig. 3 u. 4. Hand. a. Metatars. I. b. Nawieulare. e. Multangulum minus. d. Triquetrum. e. Hamatum. Lemur macaco. '/, Gr. Fig. 5. Fuss. a. Ouneiform. b. Nawieulare. Fig. 6. Hand. a. Centrale. Inuus eynomolgus. '/, Gr. Fig. 7. a. Ouneiform. I. Fuss. b. Navieulare. Fig. 8. a. Centrale. Hand. Geometrische Zeichnung Lith. Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a. M. S j g. Tafel XXI. Fig. 1—3. Lemur macaco '/, Gr. Fig. 4+—6. Choloepus didactylus. '/, Gr. Fig. 7. Bradypus didactylus. '/, Gr. Geometrische Zeichnung. ; Lith. Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a. M. ab a a ei hi en er ent ar Fig. 1. Choloepus didaetylus. ı Grösse. Fig. 4. Lemur ınacaco 'ı Grösse. Geometrische Zeichnung. £ IM Choloepus didactylus. PR Verner & Winter, Frankfi .M. Yı Grösse. Werner & Winter, Frankfurt a. M SE FINE TRIER SCHULE DRCLACHTN . Zunugaro 7, OyosL.\J9u10ax) Die Reptilien und Amphibien von Marocco II. Von Dr. phil. Oskar Boettger. (Mit einer Tafel.) Seit der Veröffentlichung meiner ersten Arbeit über diesen Gegenstand: »Reptilien von Marocco und von den Canarischen Inseln«, 4° mit einer Tafel in Abhandl. d. Senckenb. Naturf. Gesellsch., Bnd. 9, Frankfurt a. M. 1874 ist über die Reptilfauna dieses in seinem Innern noch nahezu unerforschten Landes nur Weniges erschienen, was von Belang wäre. Ausser L. Camerano’s fleissiger Abhandlung »Osservazioni intorno agli Anfibi Anuri: de Marocco« in Atti d. Accad. d. Scienze di Torino, Bnd. 13, 1878, p. 542 u.-f., welche unsere Kenntniss der Amphibien Marocco’s um mehrere Arten bereicherte, sind es nur drei kleine Nachträge zu meiner oben eitirten Arbeit, die sich im 15.—16. Bericht des Offenbacher Vereins für Naturkunde, Offenbach a. M. 1876, p. 63, in Reptilien u. Amphibien von Madagascar, Frankfurt a. M. 1877, p. 1 und in Reptilien u. Amphibien von Madagascar, Nachtrag II, Frankfurt a. M. 1879, p. 1 in Anmerkungen finden, und in denen ich die Namen von 10 weiteren Kriechthieren verzeichnet habe, die grossentheils in der Literatur zerstreut und deshalb früher von mir übersehen, oder die’ während der Zeit neu aufgefunden worden waren. Ein unerwartet reiches Material an maroccanischen Reptilien und Amphibien ist mir nun im Laufe dieses Sommers von zwei Seiten her zugegangen und veranlasst mich, den vorliegenden Gegenstand nochmals in Arbeit zu nehmen und die Liste der maroccanischen Kriechthiere zu vervollständigen. Herr Hans Simon in Stuttgart, der bekannte Coleopterologe, hatte den Herrn Premier-Lieutenant Quedenfeldt beauftragt, in Marocco während des Winters 1880 neben Käfern auch Reptilien und Amphibien in ausgiebiger Weise zu sammeln und ihm dieselben einzuschicken. Leider ist die Ausbeute, wenn auch quantitativ recht ansehnlich, an Arten doch relativ ziemlich arm geblieben, und auch der Erhaltungszustand der Sachen entsprach nicht den grossen Erwartungen, die Herr H. Simon und ich gerechter Weise hätten machen Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XTIT. 13 j Zu gah U dürfen. Gemeine Arten sind in Unzahl vertreten, die seltenen stets nur in einem oder in sehr wenigen Stücken gesammelt worden. So sind Vipera Latastei, Seps chaleides und Pseudopus nur je in einem einzigen Exemplare vertreten und gewissermassen nur zufällig in die Sammelgläser gekommen. Es ist sehr zu bedauern, dass der Sammler, so viel Mühe er sich mit dem Zusammenbringen der Objecte auch gegeben hat, doch zu wenig mit dem Gegenstande vertraut war, um sogleich an Ort und Stelle die Spreu von dem Weizen zu sichten und dem Neuen und Kostbaren mit mehr Ausdauer nachgehen zu können. Viel besser ist dagegen die Ausbeute meines Freundes, des Herrn Dr. med. W. Kobelt und seiner Frau von Tanger und Tetuan, die, wenn auch quantitativ sehr unbedeutend, qualitativ sich um so ausgezeichneter erwies, indem sich dabei z. B. drei Giftschlangenarten vorfanden, von denen zwei als für Marocco neue Species gelten dürfen, Während die grosse Collection des Herrn H. Simon auf seine und des Herrn Ehlers in Cartagena Kosten zusammengebracht wurde, geschah die Reise des Herrn Dr. med. Kobelt z. Th. auf Kosten der Rüppellstiftung, und es sind daher die von dem letzteren gesammelten Objecte zugleich als Resultat der von der Senckenbergischen Natwrforschenden Gesellschaft ausgerüsteten vierten Reise der Rüppellstiftung zu betrachten. Selbstverständlich sind alle von Herrn Dr. med. Kobelt und seiner Frau in Tanger und Tetuan gesammelten und gekauften Stücke Eigenthum der Senckenbergischen Sammlungen geworden; dass aber auch Herr Hans Simon, unser unermüdlich thätiges und für unser herpetologisches Museum wie ein Vater sorgendes correspondirendes Mitglied, die Gesammt- ausbeute der in Tanger, Tetuan, Casablanca, Mogador und Marocco gesammelten Reptilien und Amphibien unserer Gesellschaft zum Geschenk übergeben hat, ist noch besonders und gebührend hervorzuheben. Durch die Sammlung des Herrn Dr. Kobelt und durch die grossartige Schenkung des Herrn H. Simon erhalten wir somit ein Material aus Marocco zu dem bereits sehr ansehnlichen, das wir durch die von Fritsch-Rein’sche Schenkung besassen, welches das aller übrigen Museen der Welt und jedenfalls auch das des British Museum an Reichhaltigkeit der Arten und Individuen weit übertreffen dürfte. Die in der Literatur z. Th. sehr zerstreuten älteren und neueren Angaben über das Vorkommen der einen oder der anderen Art in Marocco werde ich bei den einzelnen Species jedesmal gewissenhaft anzugeben versuchen. In den folgenden Blättern gebe ich somit eine, soweit es bis jetzt möglich ist, vollständige Liste aller aus Marocco in der Literatur erwähnten Reptil- und Amphibienarten und eine lückenlose Aufzählung aller bis jetzt bekannten LEHAgE, Wscs maroccanischen Fundorte. Wo ich neue Beobachtungen machen konnte, schalte ich dieselben überall unmittelbar unter dem betreffenden Namen ein. Von allen aus Marocco in den folgenden Blättern namentlich aufgezählten Species, mit Ausnahme von Seps chaleides, den ich aber mit einigen anderen von Herrn Premier-Lieutenant Quedenfeldt bei Casablanca gesammelten Reptilarten am 8. Juli 1881 in lebendem Zustande unter Händen gehabt habe, und mit weiterer Ausnahme von Zamenis viridiflavus, Zam. Oliffordi, Eryx Thebaicus, Psammodromus Hispanicus und Bufo vulgaris, deren Vorkommen in Marocco theilweise noch der Bestätigung bedarf, liegen Stücke in den Sammlungen unserer Gesellschaft. Den Beschluss unserer Abhandlung bildet ein Kapitel über die geographische Verbreitung der aufgeführten Arten. Reptilia. Ordnung I. Ophidia. , Fum. I. Colubridae. Subfam. a. Coronellinae. Gen. I. Coronella Laur. 1. Coronella Girondica Daud. sp. 1803. Gervais, Ann. d. Sc. Nat. (2) Bnd. 6, Zool., Paris 1836, p. 308 (Coluber Austriacus) und (3) Bnd. 10, 1848, p. 204 (Coluber); Boettger, Marocco, p. 30. Aus Marocco von Tanger (Gervais) und von der Stadt Marocco.(Bttg.) bekannt. Sonst wird die Art aus Afrika nur noch von Algerien (D. B., Strauch, Bttg.) angegeben. In Europa ausserdem nachgewiesen auf der pyrenäischen Halbinsel (d’Oliveira, Bttg., Boscä), in Frankreich (D. B.), auf Corsika (Lichtenstein), in Italien (Bonaparte) bis in die Provinz Mantua und das Trentino (De Betta) und fraglich in Griechenland (D. B., De Betta). 2. Coronella ceucullata Geoffr. sp. 1827 var. brevis Günth. 1862. Günther, Catal. of Colubr. Snakes Brit. Mus., London 1858, p. 35 (typus). — Macroprotodon Mauritanieus Peters, Sitz.-Ber. d. Gesellsch. naturf. Freunde in Berlin 1882, p. 27. var. — textilis Dum. Bibr., Erp. gen., Bnd. 7, p. 931 (Zycognathus). var. — brevis Günth., Ann. a. Mag. Nat. Hist’ (3) Bnd. 9, London 1862, p. 58; Boettger, Marocco, p. 32. Während die südspanischen Exemplare dieser Art 21, die balearischen und algerischen Stücke aber gar für gewöhnlich nur 19, selten 21 Längsschuppenreihen aufzuweisen haben, zeigen die maroccanischen Formen dieser Art constant die Zahlen 21—25. Der "höheren Schuppenzahl entspricht dann auch eine mehr kurze, stämmige Tracht, und ich habe nichts dagegen, die maroccanisch -spanische Form als var. brevis Günther von der algerisch- balearischen Form abzutrennen. Es müssen dann aber alle maroccanischen und festländisch- spanischen Exemplare mit diesem Namen bezeichnet werden. In der übrigen Pholidose und NsRgn in der höchst variabeln Färbung und Zeichnung stimmen nämlich die Stücke beider benachbarten Continente vollkommen mit der typischen ©. eucullata überein. Neu liegen vor 2 bei Tanger und Tetuan, 44 bei Casablanca und 2 zwischen Mogador und Marocco gesammelte Exemplare, sämmtlich von Herrn H. Simon ein- geschickt. Drei von den Stücken von Casablanca erhielt ich lebend. Die Form von Tanger und Tetuan variürt von Squ. 21; G. 5—6, V. 166—187, A. 1/1, Se. 46/46 —48/48. In der Färbung nähert sie sich der Form (©. textilis D. B., die ich aber kaum als Varietät auffassen kann, da alle Uebergänge zwischen ihr und der typischen Form existiren. Sie ist grau bis schwarzgrau, weiss und schwarz gestrickt, mit einer aus zwei schwärzlichen Fleckchen auf der je dritten Schuppe gebildeten Medianlinie längs des Rückens. Die Kopfzeichnung ist matt, das Halsband unten offen. Ventralen in der Mitte ganz regelmässig eine um die andere abwechselnd schwarz gewürfelt. Die Form von Casablanca dagegen varürt von Squ. 21—25; G. 4—6, V. 163—184, A. 1/1, Sc. 38/38—51/51. Die Durchschnittsformel ist hier Squ. 23; G. 5, V. 173, A. ı/l, Sc. 43/43. Längsschuppenreihen finde ich 21 bei 10%, 23 bei 82°/o und 25 bei 8°/o der vor- liegenden Stücke. — Ein mässig grosses Exemplar von Casablanca zeigt Kopflänge bis zu den Parietalen 13, Rumpflänge bis zum After 342, Schwanzlänge 61, Totallänge 416 mm. — Die Supralabialen schwanken von 7—7 bis 9—9, die Temporalen von 1+2 zu ausnahmsweise 1+3. Sind, was selten genug vorkommt, nur 7 Supralabialen zu beobachten, so reicht das 3. und das 4. in den Augenkreis. Ein Stück hat 7—7, eins 8—7, zwei haben 7—8, 38 haben 8—8 und zwei 9—9 Supralabialen. Ein Stück zeigt links 3, rechts 2 Postocularen, bei einem bildet das 6. Supralabiale mit dem Parietale Sutur. — Die Färbung spielt immer stark ins Braunrothe oder Rothe. In seltenen Fällen (14°/o) finde ich die schwarze Kapuze der ächten C©. cucullata entwickelt, die entweder den ganzen Kopf bedeckt und nur einen längsgestellten hellen Streifen hinter dem Auge und den immer vorhandenen hell-weissgelben Umkreis der Supralabialen bis zum 6. Oberlippenschild freilässt, oder ausserdem auf dem 1. Temporale und auf dem 8. Supralabiale einen hellen Fleck der Grundfarbe freilässt, oder endlich über und unter dem dunklen Augenstreif, der immer vorhanden ist, einen breiten weissen Streifen zeigt. Bei solchen Stücken ist das schwarze Halsband unten stets geschlossen, Häufiger (in 86°) ist dagegen die Kopfzeichnung matter, bald sehr deutlich ankerförmig oder aus zwei bis drei Chevronzeichnungen bestehend, bald schwächer oder ganz verloschen. Das Halsband finde ich bei 20° unten geschlossen und dann die Kehlunterseite lebhafter schwarz tingirt; in 69% ist dasselbe unten mehr oder weniger geöffnet und in- 11°o in drei RR Longitudinalfllecke aufgelöst. Bei jüngeren Exemplaren stehen die Würfelmakeln des Bauches in der Mittellinie und alterniren ziemlich von Schild zu Schild, bei erwachsenen Stücken meist ebenfalls, aber in 16° entfernen sich dieselben etwas von der Mittellinie, werden kleiner, dreieckig oder undeutlich und verloschen und fehlen bei einzelnen Exemplaren nach hinten sogar manchmal ganz. Sie stehen in zwei, sehr selten in drei alternirenden Längsreihen. Der Schwanz hat unterseits fast immer eine grauliche oder schwärzliche Medianlinie. Die Körper- zeichnung ist oberseits bald deutlicher, bald nur als gestricktes Maschenwerk erkennbar, bald ganz fehlend. — Ganz alte Stücke nehmen eine dipsadenartige Form des Kopfes an; der auffallend gedrungene Körper zeigt oben meist gar keine Fleckung, und nur der dunkle Augenstreif und die helle Einfassung der Supralabialen bleibt von der Kopfzeichnung übrig. Ebenso ist für sie die schwache und oft kaum mehr erkennbare Würfelfleckung der Unterseite charakteristisch. Die beiden kleinen zwischen Mogador und Marocco gesammelten Stücke variiren zwischen Squ. 23; G. 5, V. 170—180, A. 1/1, Sc. 42/42—44/44. Sie gleichen den vorigen von Casablanca sehr, haben aber mehr graue, mit Schwarz reticulirte Färbung und entweder deutliches, unten unterbrochenes oder in drei Längsflecke aufgelöstes Halsband. Die Kopf- zeichnung ist A-förmig. Aus Marocco ist die Art somit bekannt von Tanger (Günther), Tetuan, Casa- blanca (Peters), aus der Umgebung von Mogador (Günther), aus dem Landstrich zwischen den Städten Mogador und Marocco und vom Tisi Tacherat, 8000‘ hoch im Reraja-Thal des hohen Atlas (Bttg.). Die Schlange dürfte somit in Marocco sehr häufig und sehr verbreitet sein. Aus Afrika ist sie sonst noch bekannt aus Algerien (D. B., Strauch u. a.), aus der Wüste südlich von Algerien und Tunis (Tristram), von der tunesischen Insel Galitone bei Galita (Doria) und aus Aegypten (Geoffr. St.-Hilaire). Aus Europa kennt man sie aus dem Süden der pyrenäischen Halbinsel (Schreiber, Boscä u. a.), von den Balearen (Boseä, Bttg.) und von der Insel Lampedusa (Giglioli). Irrthümlich wird sie von Griechenland (Exped. seientif. de Moree) aufgeführt. Subfam. b. Colubrinae. Gen. I. Rhinechis Michah. 3. Rhinechis Amaliae Boettger 18831. Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881, Nr. 96, p. 570. (Taf. 1, Fig. 1a—e.) Char. Aff. Rhin. scalari Schinz sp., sed seriebus longitudinalibus squamarum 21 nec 27—29 discrepans. — Rostrale aequa fere altitudine ac latitudine basali, apice praefrontalia By) fere attingente. Internasalia distincte triangularia. Praeoculare angustum, aequilatum, pileum haud attingens, a frontali spatio latissimo separatum. Parietalia postice angustatae. Infra- labialium par quintum nec sextum maximum. ' Squ. 21; G. 4, V. 198, A. 1/1, Sc. 52/52. Supra pallide olivaceo-fusca, zona longitudinali mediana lata strigaque singula laterali angusta macularum perparum distinetarum obscuriorum ornata, subtus flava, ventralibus ad latera nigro tesselatis. Striga nigra ab oculo usque ad commissuram oris. Long. total. 551, capitis + trunci 458, caudae 93 mm. Hab. Spec. unicum inter urbes Tetuan et Tanger. Herr Dr. med. W. Kobelt und.seine Frau, der zu Ehren ich mir die schöne Novität zu benennen erlaube, die zweite Art dieser specifisch palaearktischen Gattung, erwarben mit anderen zweifellos maroccanischen Reptilien diese Art in Tanger. Von der einzigen bis jetzt bekannten Species des Genus Rhinechis, der Rhinechis calaris Schinz sp. in Cuvier, Thierreich II, p. 123 (Coluber), Dumeril et Bibron, Erpet. gen., Bnd. 7, p. 227 und Jan, Iconogr. des Ophidiens, Lief. 20, Taf. 1, die an den Küsten von Italien, in Südfrankreich, auf der iberischen Halbinsel und auf den Balearen (Bosca) vorkommt und sich auch in Algerien (Gervais) finden soll, im Wesentlichen nur durch die oben gegebenen Kennzeichen, von denen die geringe Anzahl der Längsschuppenreihen, die kleinere Zahl der Ventralschilder, die Form und Stellung des durch das Supraorbitale von dem Frontale abgedrängten Praeoculare und die Gestalt der Internasalen namentlich charakteristisch sein dürften, unterschieden, aber wohl sicher speeifisch zu trennen. Ahin. scalaris Schinz sp. hat dagegen stets 27—29 Längsschuppenreihen, 206—216 Ventralschilder, ein in der Mitte winklig verbreitertes und das Frontale oben vollkommen oder nahezu berührendes, also stets auf den Pileus übergebogenes Praeoculare und immer viereckige Internasalen. Die Schuppen von ARh. Amaliae zeigen zwei deutliche Apicalporen. Die neue Art, die nur in einem einzigen Stücke vorliegt, ist für Marocco eigenthünlich, schliesst sich aber, wie gesagt, eng an die bekannte palaearktische zweite Species dieser Gattung an. Gen. II. Zamenis Wagl. 4. Zamenis viridiflavus Latr. 1802. Günther in Revised list vertebr. anim. liv. gard. Zool. Soc., London 1872, p. 349. Nach Günther erhielt die Zoologische Gesellschaft in London diese Schlange von Mogador, eine Angabe, die ebenso und wohl noch mehr der Bestätigung bedarf, wie die — 100 — gleiche in Günther, Catal. Colubr. Snakes Brit. Mus., p. 102, wo dieselbe Art von Algerien aufgeführt wird. Da sonst diese Schlange nirgends aus Afrika erwähnt wird, auch von der iberischen Halbinsel nur aus dem Norden von sicheren Fundorten bekannt ist und im ganzen Süden Spaniens notorisch fehlt, wäre ihr Vorkommen in Marocco jedenfalls in hohem Grade auffallend. Das Verbreitungsgebiet von Zam. viridiflavus ist ein sehr weites. In Europa geht sie von Nordost-Spanien (Boscä), Südfrankreich und Südtyrol über ganz Italien und alle italienischen Inseln, dann von Illyrien und Dalmatien aus über Ungarn und die Karpathenländer, Slavonien und Serbien bis Griechenland und dessen Inseln, sowie über ganz Südrussland und die Krim. In Asien kennt man sie aus Nordwest-Persien, aus Kleinasien, von den Inseln Rhodos und Cypern und aus Syrien und Palästina. 5. Zamenis (Periops) hippocrepis L. sp. 1754. Gervais in Ann. d. Sc. Nat. (2) Bnd. 6, 1836, p. 312 (Coluber); Günther in Revised list vert. anim. etc. Zool. Soc. London 1872, p. 250; Boettger, Marocco, p. 37. Neu liegen vor zwei Stücke von Tanger (Kobelt) und ein lebendes und 12 Spiritus- Exemplare von Casablanca (Simon). Die Exemplare von Tanger zeigen Squ. 27; G. 5—6, V. 218-223, A. 1 oder 1/1, Se. 94/94— 98/98. Ihre Körperunterseite ist gelb, reich mit Schwarz gefleckt. Die Stücke von Casablanca variren von Squ. 27—29; G. 5-7, V. 221-232, A. 1 oder 1/1, Se. 94/94—97/97. Die Zahl der Exemplare mit 27 Schuppenreihen verhält sich hier zu der mit 29 Längsreihen wie 3:4. Die Durchschnittsformel für Casablanca beträgt Squ. 29; G. 6, V. 224, A. 1/1, Sc. 95/95. Die Färbung ist dieselbe wie die der früher von mir aus Casablanca beschriebenen Stücke. Die Iris ist blau. Auf dem Rücken stehen 46 bis 64, im Mittel 53 Rautenflecke, die mitunter mit einander verfliessen und dann nach hinten undeutlich werden; auf dem Schwanze finde ich bei 75° der vorliegenden Exemplare gleichfalls 6—25, im Mittel aber 14 Rautenflecke, die nach hinten unmerklich in einen schwarzen Medianstreifen verlaufen, 25% zeigen auf dem Schwanz keine Rhombenflecke mehr und besitzen nur den Medianstreifen. Der Bauch zeigt in der Mitte gewöhnlich nur an den Hinterrändern der Ventralen hie und da schwarze Flecksäume; die an den Seiten der Ventralen je etwa auf dem 4. Schilde stehenden schwarzen Flecke sind dagegen immer scharf markirt. Aus Marocco kennt man die Art jetzt von Tanger (Gervais, Casablanca (Bttg.), Mogador (Günther), Marocco (Bttg.) und von Sus in Südmarocco (Bttg.). — 101 Aus Afrika wird die Art sonst noch von Algerien (Strauch) und aus der Umgebung von Tunis (Schlegel) erwähnt. In Europa kennt man sie aus den mittleren und südlichen Theilen der iberischen Halbinsel und von den Inseln Sardinien und Corsika (Lichtenstein). Die von den griechischen Inseln (Erhard) und speciell von Rhodos (Erber in Verh. Zool.-Bot. Ges., Wien 1868, Bnd. 18, p. 904) in der Literatur angegebenen Stücke dürften mit einer syrischen Species identisch sein, die ich schon als var. nummifera Reuss dem Zam. Ravergieri Menetr. zurechne und als die Stammart jener zwei Formenreihen betrachte, deren eine als typischer Zam. hippocrepis sich westwärts, deren andere als typischer Zam. Ravergieri sich ostwärts ausgebreitet hat. Auch die angeblich aus Aegypten stammenden Exemplare dürften nicht dem typischen Zam. hippocrepis L. sp. angehören; die von Dume£ril und Bibron eitirte Abbildung Taf. 4, Fig. 3 im Supplement des grossen aegyptischen Bilderwerks wenigstens ist sicher nicht auf Zam. hippocrepis zu beziehen, da bei ihr deutlich 2 Supralabralschilder direct an das Auge treten. Ä 6. Zamenis (Periops) Cliffordi Schleg. sp. 1837. Günther in Revised list vert. anim. liv. gard. Zool. Soc. London 1872, p. 350. Aus Marocco bis jetzt nur von Mogador (Günther) angegeben. Ich erhielt die Art noch nicht aus Marocco; die Stücke mit 29 Längsschuppenreihen und ungetheiltem Anale von Casablanca sind absolut nicht specifisch von der vorigen Species zu trennen. Im Uebrigen kennt man die Art aus ganz Nord-Afrika, und zwar von den Ufern des Rothen Meeres (Dum. Bibr.), aus Nubien (Lichtenstein), aus Aegypten (Brit. Mus., F. Müller u. a.), aus Tripoletanien (Schlegel, Peters), aus Tunis (D. B.), aus Algerien (Lallemant) und aus der algerischen Sahara (Strauch) und angeblich auch aus West-Afrika (Günther), was ich aber noch stark bezweifeln möchte. Aus Asien kennt man sie dagegen von Persien (Jan), aus den Euphratgegenden (Martin), von Trapezunt (Strauch) und aus den Gegenden am Ostufer des Caspisees (Strauch). Subfam. c. Natricinae. Gen. I. Tropidonotus Boie. 7. Tropidonotus viperinus Latr. sp. typ. 1802 und var. ocellata Wagl. 1824 und aurolineata Gerv. 1836. Gervaisin Ann. d. Sc. Nat. (2) Bad. 6, p.312 (var. aurolineata); Boettger, Marocco, p. 34. Es liegen von dieser Species 4 Stücke vor, die vom 5. bis zum 16. März 1881 zwischen Mogador und Marocco gesammelt wurden (Simon), 23 Exemplare, darunter einige Abhndl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd, XIII. 14 — 192 — lebende, von Casablanca (Simon), 5 Stücke, die zwischen Tetuan und Tanger erbeutet worden sind (Simon) und 3 Exemplare von Tanger (Kobelt). Von den Stücken der Route Mogador-Marocco gehören 3 zur typischen Form, eins zur var. ocellata Wagl. Die Schuppenformel variirt bei ihnen von Squ. 21—23; G. 4, V. 161—164, A. 1/1, Se. 67/67. Die Pholidose und Färbung der typischen Exemplare stimmt überein mit der unserer No. 2 (Marocco, p. 36); die Varietät zeigt lebhaft gefärbte helle Fleckchen in der Reihe der dunklen Seitenmakeln. Die Würfelflecke des Bauches bedecken 2—3 Ventralen, und diese dunkel gezeichneten Ventralschilder sind durch 1—2 helle Ventralen von einander getrennt. Von den 23 aus Casablanca vorliegenden Stücken gehören nur 3 zur typischen Form und 5 zur var. ocellata Wagl. Die sämmtlichen übrigen 15 Exemplare gehören zur var. aurolineata Gerv., zeigen aber gleichwohl die seitlichen Ocellenflecke der var. ocellata Wagl. Die Schuppenformel variirt von Squ. 21—23; G. 3—4, V. 154-158, A. 1/l, Se. 64/64—67/67 und zeigt im Durchschnitt Squ. 21; G. 4, V. 156, A. 1/1, Sc. 65/65. Nur eins von 23 Exemplaren hat 23 Schuppenreihen. Bei zweien der zur var. ocellata Wagl. gehörigen jungen Stücke ist die Fleckung der Bauchseite so reichlich, dass die Mitte der Ventralen ganz schwarz erscheint. Von den 5 zwischen Tetuan and Tanger gefundenen Exemplaren gehören zwei zum Typus, eins zur var. ocellata Wagl., die übrigen beiden zur var. aurolineata Gerv., doch zeigen die letzteren ebenfalls die Seitenocellen der var. ocellata. Praeocularen sind hier einmal 2—2, einmal 1—2, einmal 2—1 und zweimal 1—1 zu beobachten. Die Schuppenformel variirt von Squ. 21—23; G. 3—4, V. 151—156, A. 1/1, Se. 52/52—64/64 und beträgt im Mittel Squ. 21; G. 3, V. 153, A. 1/1, Sc. 60/60. Eins von den vorliegenden Stücken ist auf der Bauchseite besonders stark würfelfleckig. Unter den von Tanger vorliegenden Stücken endlich, von denen zwei zur var. ocellata Wagl., eines zur var. aurolineata Gerv. gehört, zeigt eines 8—7 Supralabialen. Die Schuppen- formel ist hier Squ. 21; G. 4, V. 159, A. 1/1, Sc. 63/63. Aus Marocco kennt man die Art jetzt von Tanger (Gervais), Tetuan, Casablanca, von der Route Mogador-Marocco und von Marocco selbst (Bttg.). In Afrika findet sich dieselbe sonst noch in Algerien (D. B., Str... Sonst wird die Art in der Literatur erwähnt aus Europa von der Südschweiz (Fatio), von Südfrankreich (Latr., D. B., Jan) und von der iberischen Halbinsel (D. B., Boscä) und den Balearen (Boscä, Bttg.) einerseits und von Piemont (De Betta) und von Sicilien (De Betta, Schreiber) andererseits. — 103 — Fam. II. Psammophidae. Gen. I. Coelopeltis Wagl. 8. Coelopeltis lacertina Wagl. 1824 und var. Neumayeri Fitz. 1826. Günther, Catal. Colubr. Snakes Brit. Mus. 1858, p. 139 und 251; Boettger, Marocco p. 41. Neu in 17 Stücken von Casablanca (Simon) und in einem Stück von Tanger (Kobelt) vorliegend. Von den in Casablanca gesammelten Exemplaren gehören 10 zur typischen Form, 4 zur var. Neumayeri Fitz.; 3 Stücke stehen geradezu in der Mitte zwischen beiden. Die Kopfpholidose ist normal, und nur einmal konnte ich 9—8 Supralabialen beobachten. Die Schuppenformel varirt von Squam. 19—21; G. 3—4, V. 170—177, A. 1/1, Sc. 82/82— 92/92, doch konnte ich Sqw 21 nur einmal nachweisen. Die Durchschnittsformel beträgt hier Squ. 19; G. 4, V. 173, A. 1/1, Sc. 89/89. Die Färbung ist im Allgemeinen sehr reich und glänzend; bei den Uebergangsformen zur var. Neumayeri Fitz. tritt die Fleckzeichnung mehr zurück und ist sowohl oberseits als auch unterseits meist nur noch sehr schwach angedeutet, oft auf der Kehle schon ganz verloschen und auf den Ventralen fehlend. Das einzige von Tanger vorliegende Stück gehört zur typischen Form, steht in der Färbung südspanischen Exemplaren dieser Art sehr nahe und zeigt die Schuppenformel Squ. 19; G. 5, V. 174, A. 1/1, Sc. 87/87. Aus Marocco ist diese Species jetzt bekannt von Tanger (Günther), Casablanca, Mogador (Günther) und der Landschaft Sus in Südmarocco (Bttg.). Sonst finde ich sie in der Literatur noch verzeichnet aus Afrika angeblich von West- afrika (Günther), was ich aber entschieden bezweifeln möchte, von Algerien (Strauch), Tunis (Günther), Tripoletanien (Schlegel, Peters) und Aegypten (Deser. d. l’Egypte). Aus Asien wird sie angegeben von Arabien, Palaestina und Syrien, Cypern, Chios, Kleinasien (hier von Smyrna: Bttg.), aus Persien und dem südlichen Transkaukasien. In Europa finden sie sich in der Umgebung von Constantinopel (Jan, Mus. Senckenberg), auf den griechischen Inseln (De Betta), namentlich auf Corfu (Jan), auf den dalmatinischen Inseln (Botteri) und in Dal- matien selbst (Erber), in Istrien (Fleischmann), Sieilien (Bonaparte), Südfrankreich (Ranzani, Schlegel) und auf nahezu der ganzen pyrenaeischen Halbinsel (Boscä). — 104 — Fam. III. Boidae. Subfam. a. Erycinae. Gen. I. Eryx Oppel. 9. Eryx Thebaicus Reuss 1834. Günther in Revis. list. vert. anim. etc. Zool. Soc. London 1872 p. 347. Aus Marocco bis jetzt nur von Mogador (Günther) angegeben. Man kennt Eryx Thebaicus von Afrika sonst noch aus dem Senegal (A. Dum.), aus Aegypten (Reuss, D. B., F. Müller u. a.) und aus Nubien (Lichtenstein. Günther gibt die Art aus Asien nur von Indien an. Fam. IV. Elapidae. Gen. I. Naja Laur. 10. Naja haje L. sp. 1767. Dume&ril et Bibron, Erp., gen. Bnd. 7 p. 1300. Ein prächtiges grosses Exemplar, das wahrscheinlich mehr aus dem Innern von Ma- rocco stammt, wurde von Herrn Dr. med. Kobelt mit anderen sicher maroccanischen Reptilien in Tanger erworben. Dasselbe zeigt die Schuppenformel : Squ. 21; G. 3, V. 198, A. 1, Sc. 61/61. Es gehört evident zu derselben Varietät, wie die in der Descript. de l’Egypte, Reptil. Suppl. Taf. 3 unübertrefflich in Lebensgrösse dargestellte Form aus Aegypten, welche gleichfalls vom Auge durch Schuppen abgedrängte Supralabialen zeigt. Das Auge ist ähnlich bei der maroccanischen Form von einem Kreise von 6 Schuppen vollkommen eingerahmt, nämlich vom Supraorbitale, vom Frenale und von 4 Infra- und Postocularen. Diese Eigen- thümlichkeit, die sich nach A. Dum&ril (Notes p. s. & l’hist. de l’Erp6t. de l’Afrique Oceid., Paris 1857 p. 28) auch bei dem Pariser Stück der N. haje von Mogador findet, aber nur bei einem Theile der aus Aegypten stammenden Exemplare nachzuweisen ist, dürfte es vielleicht rechtfertigen, diese nordafrikanische Rasse als besondere Varietät abzutrennen. — Kopflänge bis zur Mitte des Hinterrandes der Parietalen 35'/,, grösste Kopfbreite 42 mm; von der Schnauze bis zur Afterspalte 1,282, Schwanzlänge 271, Totallänge also 1,553 mm, Schwanzlänge zu Total- länge wie 1: 5,75. — Öberseits einfarbig dunkel kastanienbraun, nach den Seiten zu etwas heller, mehr gelbbraun, unten einfarbig braungrau mit einem Stich ins Bleifarbige, an den Seiten der Ventralschilder mit je einer kleinen, unbestimmt begränzten, helleren, gelbbraunen Makel. Aus Marocco kennen wir diese interessante Giftschlange bis jetzt erst in diesem und in einem zweiten, aus der Umgebung von Mogador stammenden Stücke. a Die Art scheint auf Afrika beschränkt zu sein, wo sie ausserdem noch von Aegypten (Exped. de l’Egyte, Peters), von Nubien (Lichtenstein), aus dem Sennär (Pet.), vom weissen Nil (D. B.), von Tette (Pet.), vom Caplande (Smith, F. Müller), von der Goldküste (Jan), von Gnadenthal in Südafrika (Jan) und aus Westafrika (Jan) und zwar namentlich von der Guinea- küste (A. Dum.), vom Gabon (Hallowell) und vom Senegal (D. B., Steindachner), sowie von der Insel S. Thom& (Barboza du Bocage) angegeben wird. In Algerien fehlt sie dagegen. Nach Lichtenstein soll sie auch in Asien und zwar in Arabien gefunden worden sein. Fam. V. Viperidae. Gen. I. Vipera L. 11. Vipera arietans Merr. 1820. Boettger, Marocco p. 43. Bis jetzt aus Marocco nur aus dem südlich des Atlas gelegenen Thal Sus bekannt. Sonst aus Afrika noch aufgezählt aus allen Theilen südlich des 17° n. Br. und zwar speciell aus Westafrika vom Senegal (D. B,, A. Dum., Steindachner), von Sierra Leone (Smith), von der Goldküste (Schlegel), von Angola, Benguella und Bihe in Unter-Guinea (Günther, Barboza), von ganz Südafrika (Smith) und hier namentlich vom Caplande (Schlegel, F. Müller), aus Ostafrika vom Zambese und Nyassa (Kirk) und überhaupt aus Mossambique (Pet., Bian- coni), von der Sansibarküste (Pet.) und von Kordofan (Rüppell) bis zum südlichen Theil der Bejudah-Steppe (Hartmann). 12. Vipera Euphratica Mart. 1838 var. Mauritanica D. B. 1850. Martin, Proceed. Zool. Soc. London 1838 p. 82; Dumeril et Bibron, Erp. gener. Bnd. 7 p. 1431 (Echidna mauritanica); Strauch, Synops. d. Viperiden, St. Petersburg 1869 p. 79 und Schlangen d. Russ. Reichs p. 221, Taf. VI. (mauritanica). Diese für Marocco neue Giftschlange wurde von Hrn. Dr. med. W. Kobelt mit anderen specifisch maroccanischen Reptilien in Tanger erworben und liegt mir in einem sehr schönen Stücke vor. Ich habe geglaubt, die nordafrikanische Form als Varietät von der asiatischen Art zu trennen, mit der sie im Uebrigen in Pholidose und Färbung sehr nahe ver- wandt ist. Bei dem vorliegenden Stücke bilden die Schuppen an den Rumpfseiten wie in der Rückenmitte regelmässige Längsreihen. Zwischen Auge und 3. Supralabiale stehen zwei, zwischen Auge und 4. Supralabiale drei Schuppenreihen. Der Interorbitalraum ist mit deutlich — 106 — gekielten Schuppen bekleidet. Die Supraorbitalgegend ist mit 3 Schildchen gedeckt, von denen das vorderste doppelt so gross ist, als jedes der hinteren, und das selbst wieder aus zwei Schuppen besteht, die nach aussen hin vollkommen mit einander verwachsen erscheinen, während sich im Interorbitalraum nach innen noch ein 3. grösseres Schüppchen zwischen dieselben ein- keilt. Der Vorderrand des Nasale ist in seiner oberen Hälfte vom Rostrale durch ein läng- liches Schild getrennt. Supralabialen zähle ich 10—10, Infralabialen 13—13. Die Schuppen- formel stellt sich auf Squ. 25; G. 2, V. 161, A. 1, Se. 43 (!/,, 3, ®°/ss). — Von der Schnauze bis zur. Afterspalte misst das Stück 459, der Schwanz 64, die Totallänge also 523 mm. — Die sonst gewöhnliche Längsbinde auf dem Hinterkopf fehlt, aber der dunkle Augenstreif ist deutlich. Im Uebrigen ist das Exemplar in der Färbung vollkommen mit algerischen Stücken dieser Art übereinstimmend. Aus Afrika kennt man sie ausserdem noch von Oran in Algerien (Wagner, Strauch) und aus Aegypten (Strauch), wo sie aber sehr selten sein muss. In Europa lebt sie auf der Insel Milo (v. Bedriaga). In Asien ist sie verbreitet von Cypern und ganz Syrien und Palästina an über das Euphratthal und Persien bis Transkaukasien. 13. Vipera Latastei Boscä 1878. Boscä in Bull. Soc. Zool. d. France 1878 p. 116, Taf. 4, Fig. 1, 1a und 4 und in Anal. d. l. Soc. Esp. d. Hist. Nat., Bd. 8, 1879 p. 76; De Betta, S. Vipera ammodite nell’ Italia, Venezia 1879 p. 26; A. Tourneville in Bull. Soc. Zool. d. France 1881 p. 19, Tat. 1, Rio 119270.2 1352. Ein junges (Simon) und ein erwachsenes Stück (Kobelt) dieser interessanten Art von Tanger. Abgesehen von der geringeren Anzahl der Ventralschilder (130 bis 141 gegen 139—158 bei V. aspis und 142—156 bei V. ammodytes) und von der Form und Beschuppung der kurzen, aufrecht gestellten und etwas nach rückwärts gerichteten Nasenwarze stimmen die vor- liegenden Stücke vollkommen mit A. Strauch’s Diagnose von Vipera ammodytes L. sp. in Synops. d. Viperiden, St, Petersburg 1869 p. 16 und namentlich mit der schönen Ab- bildung dieser Art in Jan’s Iconogr. d. Ophid. Lief. 45, Taf. 3, Fig. 1. Aber die Form und Beschuppung der Nasenwarze verweisen die vorliegende Form ebenso bestimmt zu der spanisch-algerischen Vipera Latastei Boscä, deren Beschreibung und Abbildung man an den oben eitirten Orten findet. u ee — 107 — Das Auge der maroccanischen Nasenviper ist vom 4. und 5. Supralabiale durch 2 Schuppen- reihen getrennt. Die Zabl der Supralabialen beträgt 9—9 und 9—10, die der Infralabialen 11—11 und 11—12. Die Schuppenformel variirt bei den vorliegenden Stücken von Squ. 21; G. 3—4, V. 130—135, A. 1, Se. °°ae—°°Jsg. — Die Färbung des einen Stückes ist ganz die bei Jan a. o. g. O. Fig. 1 für V. ammodytes dargestellte, oben bräunlichgrau, unten weissgelb, hier abgesehen vom Hinterrand der Ventralen mit schwarzen Pünktchen über und über besäet und überdies noch jedes Ventralschild sehr sauber mit 4—5 grösseren schwarzen Makeln geziert, so dass die ganze Unterseite dieses Stückes schachbrettartig gewürfelt er- scheint. Schwanzspitze schwefelgelb. Kopf mit einer nach vorn offenen, ringförmigen Zeichnung, die nach hinten in das dunkel graubraune, schwarzgerandete, zickzackförmige Mittel- band des Rückens übergeht. Augenstreif deutlich, normal. Das grössere Stück ist dem be- schriebenen sehr ähnlich, aber dunkler, mehr graubraun; die Unterseite ist bleigrau, und die Ventralen sind einfarbig bis auf einen seitlich am Hinterrand gelegenen, schmalen, gelben Saumifleck. Maasse: No. 1. No. 2. Von der Schnauze bis zur Afterspalte 168 356 mm. SChwanzlangesmns ne are 26 BI; Totallänge . VER EN ER ET oc u alle! AUT Schwanzlänge zu Totallänge also im Mittel wie 1: 7,02. Angesichts der constant geringeren Anzahl der Ventralen und der augenscheinlich sehr constanten Verschiedenheit in der Beschilderung der Nasenwarze glaube auch ich, dass die vorliegende spanisch-algerisch- maroccanische Viperform als eine distincte und als eine von V. ammodytes, wie von V. aspis gleich gut verschiedene, in der That ziemlich in der Mitte von beiden Arten stehende Species aufzufassen ist. In Afrika kennt man diese Species aus Algerien von Bona und Umgebung. In Marocco ist die Art bis jetzt meines Wissens nur von Tanger bekannt und somit als neue Acquisition für die dortige Fauna anzusehen. Sonst lebt V. Latastei in Europa nur noch auf der pyrenaeischen Halbinsel, wo sie “sich überall in den Gebirgen findet und namentlich in den centralen und südlichen Theilen häufig ist (Boscä). Auf den Balearen dagegen fehlt sie. — 108 — Ord. Il. Lacertilia. Fam. I. Amphisbaenidae. Gen. I. Trogonophis Kaup. 14. Trogonophis Wiegmanni Kaup 1830. Gervais, Bull. d. Scienc. Nat. France 1835 p. 135; Magaz. d. Zool. Gu6rin-M£neville 1836, class. III. Taf. 11 (Amphisbaena elegans) und Ann. d. Sciene. Nat. (3) Bnd. 10, 1848 p. 205; Dume6ril et Bibron, Erp. gener. Bnd. 5, 1839 p. 469; Steindachner, Rept. in Reise der Novara, Zool. Theil, Bnd. I, Wien 1869 p. 55 und Boettger, Marocco p. 28. Dieses in Marocco häufige Thier liegt in 3 Stücken von Tanger (Kobelt), in 4 Stücken aus der Gegend zwischen Tanger und Tetuan (Simon), in 11 Stücken von Casablanca (Simon) und in 2 zwischen dem 5. und 16. März 1881 gefangenen Stücken von der Route Mogador- Marocco (Simon) vor. Die Exemplare von Tanger (darunter No. 5 und 6) zeigen — auf der Bauchseite gezählt — bis zur Afterspalte 139—142 Schuppenquerreihen, eine Analreihe mit 8 bis 10 Praeanalschuppen und 12 Querreihen von Schuppen auf dem Schwanze. Von Seitenlinie zu Seitenlinie zähle ich oben 28—32, unten 30—32 Längsreihen von Schuppen. Im Mittel finde ich bis zum Anus 140 Querschuppenreihen, 9 Praeanalschuppen und 12 Querschuppen- reihen auf dem Schwanze; Längsreihen oben 30, unten 31. Die Exemplare, die zwischen Tanger und Tetuan gefangen wurden, zeigen beispiels- weise Schuppenquerreihen bis zum Anus 143, Analreihe mit 12 Praeanalschuppen und gleich- falls 12 Querschuppenreihen auf dem Schwanze. Oben quer über zähle ich 32, unten gleich- falls 32 Längsreihen von Schuppen von Seitenfalte zu Seitenfalte. Die neu erhaltenen Stücke von Casablanca (darunter No. 16 und 18) haben bis zum Anus 146—149 Schuppenquerreihen, die Analreihe mit 8S—10 Praeanalschuppen und 13—15 Querschuppenreihen auf dem Schwanze. Oben querüber zähle ich 28—30, unten 29—32 Längsschuppenreihen. Im Mittel finde ich hier bis zur Afterspalte 148 Querreihen, 9 Praeanalschuppen und 14 Querreihen auf dem Schwanze; Längsreihen sind oben 29, unten 30 vorhanden. Die Stücke (No. 3 und 4) endlich, die zwischen Mogador und Marocco erbeutet wurden, zeigen beispielsweise Schuppenquerreihen bis zum Anus 153, eine Analreihe mit 10 Praeanalschuppen und 14—15 Querreihen auf dem Schwanze. Oben querüber zähle ich 32. unten gleichfalls 32 Längsreihen von Schuppen von Seitenfalte zu Seitenfalte. — 01.097 Maasse: No.3 No.4 No.5 No.6 Nr. 16 No. 18 Von der Schnauze bis zum Anus 191 75 il er ne Schwanzlangees ur aaa 13 64a? 11 11 16!/2 » Totallänge .... auzeutslat Se BT Nr 1er Die Schwanzlänge verhält sich demnach zur Totallänge im Mittel von 8 Messungen wie 1: 13,97. Aus Marocco kennt man diese Art bis jetzt von den Zafaran-Inseln (D. B.), von Tanger (Gervais), von Tetuan, von Casablanca (Bttg.), von der Route Mogador- Marocco und von Koreina (Bttg.). Sonst in Africa findet sie sich nur noch in Algerien, wo sie überall die Küstengegenden bewohnt (Strauch). en. II, Amphisbaena L. 15. Amphisbaena cinerea Vand. 1780. Gervais, Ann. d. Scienc. Nat. (2) Bnd. 6, Paris 1836 p. 311. Von dieser in Marocco jedenfalls seltneren Art liegen nur 2 Stücke vor, eines (No. 2) von Tetuan (Kobelt) und ein zweites von der Route Mogador-Marocco (Simon), zwischen dem 6. und 15. März 1881 gesammelt. Die maroccanischen Stücke dieser Species zeigen bei normaler Färbung einen Kopf, der enger ist als breit; die Augen sind nicht durch das Oculare hindurch sichtbar. Vom Infra- maxillare bis zur Halsfurche zähle ich 9 Schuppenquerreihen, vor dem After 6 Praeanalschilder und oben sowohl wie unten 16 Längsreihen von Schuppen von Seitenfurche zu Seitenfurche. Das Stück von Tetuan hat von der Halsfurche bis zum Anus 119 Schuppenquerreihen, 6 sehr deutliche Praeanalporen, der Schwanz ist verletzt und verheilt. Das Exemplar von Mogador- Marocco dagegen zeigt 122 Schuppenquerreihen von der Halsfurche bis zum Anus, 9 deut- liche Praeanalporen und 23 Querreihen von Schuppen auf dem Schwanze. Das Tetuaner Stück No. 2 zeigt Koptlänge 7, Rumpflänge 155, Schwanzlänge 23 und Totallänge 185 mm. £ Aus Marocco kennt man die Art nun von Tanger (Gervais), Tetuan und vom Wege zwischen Mogador und Marocco. Sonst findet sich dieselbe in Africa nur noch in Algerien, von wo sie Lallemant (Erp6t. de l’Algerie p. 26) als in der Provinz Oran sowohl, wie auch in der Provinz Constan- tine, namentlich bei Tebessa vorkommend aufführt. Von Batna in Algerien kennt sie auch A. Strauch (briefl. Mittheil. an mich vom 21. Nov. 1880). Aus Europa wird sie nur von Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 15 -— 110° — der pyrenäischen Halbinsel angegeben, wo sie namentlich in den centralen Theilen und im Süden ziemlich überall angetroffen wird (Boscä); auf den Balearen fehlt sie dagegen. In Asien lebt sie auf den Inseln Cypern und Rhodos (von welch’ letzterer Insel ich erst neuerdings ein Stück erhielt) und vielleicht auch noch auf dem Festland von Kleinasien. Fam. II. Lacertidae. Gen. I. Lacerta L. 16. Lacerta muralis Laur. 1768 var. fusca v. Bedr. 1878, In einem Stück bei Tanger (Simon) erbeutet; neu für Marocco. Das vorliegende Exemplar stimmt fast genau in der Pholidose und Färbung mit süd- spanischen Stücken unserer Sammlung überein, und Niemand würde ihm seinen afrikanischen Ursprung ansehen. Es gehört wie seine spanische Verwandte zur subvar. e bei v. Bedriaga, Bull. Soc. Zool. de France pour l’ann. 1879, Paris 1880, S. A. p. 23. — Frenonasalen sind 1—1, vordere Supralabialen 4—4 vorhanden. Das Masseterschild ist deutlich. Halsband mit 9 Schildern, Ventralen in 28 Querreihen und in 6 Längsreihen, die jederseits von einer Reihe sehr kleiner Oberschildchen begränzt werden; Femoralporen 20—19. — Grüngrau mit jeder- seits zwei helleren, verloschenen Seitenstreifen, die von sehr dichtstehenden, schachbrettartig gestellten, eckigen schwarzen Makeln, die gleichfalls in Längsreihen stehen, eingefasst werden. Kopf oben und an den Seiten und Kehlseiten schwarz gepunktet. Schwanz an den Seiten mit je zwei Längsreihen weisser, schwarz umsäumter Augenflecke. Unterseite schmutzig gelbröthlich, äusserste Reihe der Ventralschilder mit je einem schwarzen Punktfleck. In Marocco bis jetzt nur von Tanger bekannt. In Africa ausserdem noch aus Algerien (var. fusca) und aus Tunis (var. Neapolitana v. Bedr.) aufgeführt. In Asien geht L. muralis von Palästina, Syrien und der Insel Cypern an durch Kleinasien, Türkisch-Armenien und Nordpersien bis Transkaukasien. In Europa bewohnt sie sämmtliche Mittelmeerländer und ist namentlich auch auf den Inseln überall zu Hause, geht aber hie und da ziemlich weit nach Norden. Die in Marocco auftretende var. fusca v. Bedr. findet sich in Europa namentlich auf der pyrenäischen Halbinsel, in Frankreich und auf Sardinien und Corsika. Selten ist sie in Süditalien und auf Sieilien, und nur auf den Liparen soll sie häufiger sein. In Norditalien scheint sie dagegen sehr verbreitet. zu sein, über- schreitet die Alpen und geht über Tyrol, das Tessin und die Westschweiz bis weit abwärts ins Rheinthal und einige benachbarte Flussthäler. Ausserdem findet sie sich von Niederösterreich — AZ an im ganzen Mittel- und Unterlauf der Donau bis zu deren Mündung, sowie in Dalmatien und auf den dalmatinischen Inseln, in Griechenland, der Türkei und an zahlreichen Punkten Süd- russlands und Ciskaukasiens. Gen. II. Algira Cuv. 17. Algira (Tropidosaura) AlgiraL. sp. Steindachner, Rept. in Reise d. Novara, Zool. Theil, Bnd. I, Wien 1869 p. 41; Böttger, Marocco p. 9. Von dieser Species, für die ich neben Zerzumia Lataste und Notopholis Wagler, welche ich gleichfalls als Subgenera von Algira Cuv. betrachte, die Untergattung Tropidosaura vor- schlage, liegt diesmal nur ein grosses und fünf kleinere Stücke von Casablanca (Simon) vor. Es stimmen dieselben mit den früher von mir beschriebenen Exemplaren dieser Art gut überein und zeigen sich nur etwas dunkler, mehr schwarzbraun gefärbt. Die schönen blauen Axillarflecken sind bei dem älteren Stück ebenfalls zu beobachten. Zwei der jüngeren Stücke besitzen ein grosses rechtwinkliges Interfrontonasale auf der medianen Frontonasalsutur. Quer über den Rücken zähle ich 28, über den Bauch 6 Schuppenreihen. Femoralporen sind 17—16 vorhanden; bei den jungen Exemplaren sind dieselben gleichfalls schon zahlreich, aber undeutlich und schwierig zu zählen. Aus Marocco kennt man die Art bis jetzt nur von Tanger (Steindachner), von Casa- blanca und aus der Umgebung der Stadt Marocco (Bttg.) selbst. In Africa findet sich dieselbe ausserdem nur noch in Algerien, wo sie die Küsten bevor- zugt (Strauch). In Europa lebt sie auf der pyrenäischen Halbinsel, wo sie gegen Süden hin immer häufiger wird, dann in den französischen Pyrenäen und in dem Litorale vom Dep. Pyrenees Orientales an bis ins Dep. Herault, sowie auf den Hyeres (Strauch). Nach Erhard (Fauna der Cykladen, Leipzig 1858 p. 81) lebt sie auch im griechischen Archipel und namentlich auf den Cykladen, doch weist dessen ziemlich eingehende Schilderung seiner vermeintlichen Tropidosaura Algira unzweifelhaft auf eine wesentlich verschiedene, bis zwei Fuss lange Eidechse mit gekörnten Rückenschuppen hin. 18. Algira (Zerzumia) microdactyla Bttg. Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881, No. 96, p. 571. (Taf. 1, Fig. 2a—1f). Char. Intermedia inter A. (Zerzumiam) Blanci Lataste (Le Naturaliste II, 1880 p. 299) et A. (Tropidosauram) Algiram L. sp. — Afl. A. Blanci Lat., sed jugulari nullo, collari multo obsoletiore, ad latera solum distincto, supraocularibus 3, postremo minimo, sublaterali, descen- — 4427 — dente, apertura auris antice granulis binis suberectis denticulata, brevitate digitorum discrepans. Differt ab A. Algira L. sp. juvenili praecipue serie mediana ventralium utriusque lateris trans- versim dilatata, squamis inter aperturam auris et axillam positis sat magnis, triangularibus, sed erassiusculis, convexis nec carinatis, squamulis axillaribus duplo majoribus quam A. Algirae, digitis multo brevioribus subtusque distinctius imbricatis et conulis validis biseriatis quasi sub- carinatis, cauda breviore. — Series longitudinales squamarum tergi 24—25, ventris 6. Pori femorales 11—12. Longitudo plantae pedis cum digito quarto longitudinem capitis scutati aut aequans aut vix superans. — Supra obscure olivaceo-viridis, dorso irregulariter triseriatim nigromaculata; per aurem strigae binae longitudinales viridi-albidae, nigrolimbatae, ad axillam evanescentes; in lateribus corporis maculae parvae pari modo coloratae. Subtus viridescens, abdomine laete sulphureo unicolore. Long. total. 112—116, cap. seutati 10—11, trunci 30—32, caudae 72—73, membr. anter. 14—14', poster, 20—23, plantae pedis cum digito quarto 111/g—12 mm. Hab. Spec. 5 prope urbes Tanger et Tetuan (comm. ill. Hans Simon, Stuttgartensis). Die 5 vorliegenden, von Tanger und Tetuan stammenden Exemplare haben im Mittel 24 Längsreihen von Rücken-, 6 Längsreihen von Ventralschuppen und links. 12, rechts 11 Femoralporen. Das Oceipitale fehlt ausnahmsweise bei einem der vorliegenden Stücke und ist, wie auch das Interparietale, stets schmäler, als bei gleichgrossen Exemplaren von A. Algira, während dagegen die Frontonasalen bei der neuen Art etwas mehr in die Länge gezogen zu sein pflegen. Die Färbung wechselt von einem schönen dunklen Olivengrün bis zu Oliven- braun; die schwarzen Rückenflecke, die stets den Raum einer ganzen Schuppe einnehmen, sind bald regelmässig in drei Längsreihen geordnet, bald unregelmässiger sparsam zerstreut, bald — namentlich bei mehr braun gefärbten Stücken — sind sie ziemlich matt und nur schwach ausgeprägt. F. Lataste hat a. a. O. bei einer verwandten, aus Algerien stammenden Art die Unter- schiede derselben von Algira (Tropidosaura) Algira L. sp., der sie in Körperform und Färbung in hohem Grade nahekommt, scharf hervorgehoben. Die Gestalt und Anordnung der Ventral- schilder scheint in der That ein ausreichendes Kennzeichen dieser merkwürdigen nordafrikani- schen, sich an Algira innig anschliessenden Formen zu sein. Auf die eigenthümliche Bildung der Zehen bei seiner Zerzumia hat Lataste aber keine Rücksicht genommen, und ich muss daher annehmen, dass der kurze und gedrungene Bau derselben, die Bekleidung ihrer Unter- seite mit weit mehr sparrig abstehenden, dachig gestellten Schüppchen, die unten beiderseits eine starke, stumpf konische, verhornte Erhebung tragen, also gewissermaassen unterbrochen doppelt gekielt sind und in der Seitenansicht viel gröber als bei Algira subgen. Tropidosaura — 113 — gezähnelt erscheinen, für unsere maroccanische Species besonders eigenthümlich sind. Der Fuss mitsammt der längsten Zehe gemessen ist nur so lang wie der beschilderte Theil des Kopfes oder wenig länger, während derselbe bei Tropidosaura immer viel länger ist als der Kopf. Die Schwanzlänge verhält sich bei A. microdactyla wie 1:1,57, bei maroccanischen Stücken von A. Algira aber wie 1:1,44, eine Zahl, die sich bei einer grösseren Auswahl intacter Exemplare von letzterer wahrscheinlich noch erheblich niedriger stellen dürfte. Von A. (Zerzumia) Blanci, ihrer anderen nächsten Verwandten, unterscheidet sich die Maroccanerin schon durch das complete Fehlen der Jugularfalte und durch die Form des hier nur an den Halsseiten deutlichen Halsbandes, beides ganz mit den analogen Theilen bei A. Algira über- einstimmend. Auch die ziemlich dreieckigen, zwischen Ohr und Achsel liegenden Halsschüpp- chen nähern sich schon mehr in der Form denen von A. Algira, sind aber dicker, körniger und ungekielt. Sehr auffallend ist schliesslich die bedeutende relative Grösse der in der Achselhöhle stehenden Schüppchen, die doppelt so gross sind, als die analogen, die Arminsertion umgebenden Körnerschüppchen bei weit grösseren Stücken von A. Algira, und endlich das Fehlen der ;blauen Ocellen in der Achselhöhle und die kleinere Zahl der Femoralporen bei unserer neuen Art. Die vorliegende Species ist somit ein vollständiges Mittelglied zwischen Algira und Zerzumia und lässt es sehr wahrscheinlich erscheinen, dass die Genera Tropidosaura Fitz. 1836, Zerzumia Lat. 1880 und Notopholis Wagl. 1830, wie schon Lataste vermuthete, nur extreme Glieder eines und desselben Genus sind, dem dann der älteste Name Algira Cuv. 1829 zu- kommen muss. Die drei ebengenannten Bezeichnungen könnten aber als Untergattungen aufrecht erhalten bleiben. Die neue maroccanische Art ist aber selbst dann noch schwierig in eine dieser ebengenannten Untergattungen einzureihen, da sie Charaktere von Tropidosaura mit solchen von Zerzumia vereinigt. Will man jedoch nach dem wesentlichsten Unterscheidungs- merkmal beider Gruppen gehen, nämlich nach der Form, Grösse und Anordnung der Ventral- schilder, so gehört die Art doch wohl eher noch zu Zerzumia als zu Tropidosaura. Man kennt A. microdactyla bis jetzt nur aus Marocco und zwar aus der Umgebung von Tanger und Tetuan. Gen. IH. Psammodromus Fitz. 19. Psammodromus’Hispanicus Fitz. 1826. Günther in Revised list vert. anim, in the gardens of the Zool. Soc. London, Suppl., London 1875 p. 44. Wird a. g. O. als ein Geschenk des Herrn E. Cavendish Taylor von Tanger in Marocco angegeben. Mir ist die schmucke Art aus Marocco noch nicht bekannt geworden, ihr Vorkom- — 14, — men aber wirklich nicht unwahrscheinlich, wenn auch eine Verwechselung mit der vorigen ‚Species nicht ausserhalb des Bereichs der Möglichkeit liegen dürfte. , Ps. Hispanicus lebt in Afrika noch in Algerien (F. Müller. In Europa ist er auf der pyrenaeischen Halbinsel verbreitet, wo er namentlich die Centralprovinzen und den Süden bewohnt (Boscä); von hier aus geht er über das südfranzösische Litorale (D. B.) bis in die angränzenden italienischen Küstenstriche (Bonaparte). Gen. IV. Acanthodaetylus Wiegm. 20. Acanthodactylus lineomaculatus D. B. 1839. Dumeril et Bibron, Erp. gen. Bnd. 5 p. 276; Boettger, Marocco p. 9. Von dieser in Marocco ungemein häufigen Eidechse liegen 4 Stücke vor, die zwischen Mogador und Marocco (Simon) vom 5. bis 16. März 1881 gefangen wurden, und mehr als 50 Exemplare, die von Casablanca stammen (Simon). Ein grosses Stück sammelte ausserdem Herr Dr. W. Kobelt bei Tanger. Bei dieser Art ist das Internasale (In) ungemein häufig in zwei neben einander liegende Schilder gespalten, die in der Schnauzenmitte Sutur bilden, und ebenso oft finden sich auch ein bis zwei accessorische Interfrontonasalen (If), die auf der mittleren Sutur der Frontona- salen gelegen sind und dieselben mehr oder weniger von einander abdrängen. In den folgen- den Notizen bezeichne ich ausserdem mit C die Schuppen des Halsbandes oder Collare, mit F die Zahl der Femoralporen. Die Anzahl der Ventrallängsreihen beträgt bei allen vorliegenden Stücken constant 10. Die Zähnelung der Zehen ist ziemlich gut entwickelt. Das Exemplar von Tanger (No. 61) hat mn 1, If +, C 11, F 25—26. Die Grund- farbe ist bei ihm mehr grau, die sechs hellen Längslinien, welche über den Rücken ziehen, sind in ziemlich regelmässigen Abständen durch weisse quadratische Punktfleckchen unterbrochen, die Zwischenräume zwischen den Längslinien aber schwarz und rothgrau gewürfelt. An der Seite des Körpers und an der Basis des Schwanzes, wie immer, blaue Ocellen. Bei den Stücken von Casablanca (No. 26, 38, 43 ete.) variiren die Internasalen von 1 bis 1—1, die Interfrontonasalen von O bis 1 bis 4 die Collaren von 7—11, die Femoral- poren von 18—21 bis 28—29. Von den vorliegenden Exemplaren haben 32,5°0 ungetheiltes Internasale, 67,5°%0 haben dasselbe in zwei neben einander gelegte Schildehen getrennt. Bei 13,5° fehlt ein accessorisches Interfrontonasale, bei 27°) ist ein einziges, bei 59,5°% sind zwei hinter einander gestellte Interfrontonasalen zu constatiren. Collaren zähle ich 7 bei 2%, 9 bei 51° und 11 bei 47° der Stücke von ‘Casablanca. Die Anzahl der Femoralporen — 15 .— ist im Durchschnitt von 54 Beobachtungen 24—24. Von abnormer Pholidose habe ich sonst nur noch bei einem Stücke 5—4 statt 4—4 vordere Supralabialen und bei einem anderen einzelnen Exemplare zwei hinter einander liegende Interparietalia gefunden. — Junge Stücke von Casablanca sind fast uniform schwarz mit 8 weissen Längslinien und scharf ausgeprägten weissen Rundfleckchen auf den Gliedmassen. Die schwarze Grundfarbe zwischen den weissen Rückenstreifen wird aber mit dem Alter nach und nach durch rothbraune Flecke, die inner- halb der mehr seitlich stehenden Streifen mit weisslichen und später bläulichen oder blauen Rundflecken abwechseln, verdrängt. Selten ist noch eine bis zur Schwanzbasis ziehende helle Mittellinie zu beobachten, so dass dann 9 weisse Längsstreifen zu sehen sind. Im Alter schwindet gelegentlich je der äusserste helle Längsstreif, und es sind dann nur noch 6 von den genannten hellen Streifen deutlicher sichtbar; doch scheint dies ein sehr seltener Fall zu sein. Von den 4 Stücken (No. 6, 7 etc.), welche zwischen Mogador und Marocco erbeutet wurden, zeigen drei das Internasale in zwei neben einander liegende Schildchen gespalten; eins hat ein normales unpaares Internasale; zwei zeigen ein doppeltes, zwei ein einfaches Interfronto- nasale. Das Collare trägt bei allen Stücken 11 Schuppen, die Ventralen sind 1Oreihig und als sehr ungewöhnliche Ausnahme bei einem Exemplar nur Sreihig. Femoralen zähle ich 20—21 bis 25—27 und im Mittel 23—24. Eines der jüngeren Stücke hat 7 deutliche helle Rücken- linien, indem hier noch eine Medianlinie hinzutritt; die blauen Ocelli liegen auf den Körper- seiten zwischen erstem und zweitem Seitenstreif. Die Schwanzunterseite zeigt sich lebhaft siegellackroth. Maasse: No.6 No.7 No.26 No.38 No.43 No. 61 Kopflänge bis zu den Parietalen 10 10 16! 16 16 151 mm. Rumprlängesseag ea nr al eh So Be le, Schwanzlänge, a a Tadel 157 a Tea > Fotallänge = Sur a 118,0 1264 2851,28 93119 Nach 20 Messungen maroccanischer Exemplare beträgt die durchschnittliche Kopflänge bis zum Hinterrand der Parietalen bei dieser Art 14,3, die Rumpflänge 48,5, die Schwanzlänge 127,5 und die Totallänge 190,3 mm, und das Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge stellt sich auf 1:1,5. Der Schwanz ist demnach genau doppelt so lang als der Körper. Aus Marocco kennt man die Art jetzt von Tanger, von Casablanca, von Mo- gador selbst (D. B., Bttg.) und von der Route Mogador-Marocco, sowie von der Sand- region des Plateaus von Schiodma (Bttg.). — 116 — Die Angabe Strauch’s, dass die Art sich in Spanien finde, hat sich als irrthümlich erwiesen; dagegen geben Gervais, Strauch, F. Müller und Boulenger dieselbe über- einstimmend auch aus Algerien an, wo sie auf dem Plateau von Sersu (F. Müller), in der algerischen Sahara, bei Oran u. a. a. O. angetroffen wurde (Strauch). Gen. V. Podarces Wagl. 31. Podarces (Mesalina) Simoni Bttg. 1881. Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881, No. 96, p. 571. (Taf. 1, Fig. 3a—c). Char. Peraff, Pod. (Mesalinae) pardali D. B., sed disco palpebrae inferioris distincte squamulato, opaco, nec fenestris pellueidis instructo, collari media parte prorsus deficiente et re vera in lateribus colli solum distineto, scuto frenali distinete altiore discrepans. Latera , capitis, corporis et caudae maris nigro maculata; subtus nigro pulverulenta. Es liegen von dieser Art ein Männchen von Casablanca (Simon) und ein Männchen und 6 Weibchen vor, die zwischen 5. und 16. März 1881 auf der Route Mogador-Marocco (Simon) gesammelt worden sind. Beschreibung. Unteres Augenlid wie bei P. (Mesalina) guttulata D. B. mit schup- pigem Diskus, Schuppen desselben in zwei Längsreihen gestellt, viereckig, klein, opak, nicht durchscheinend. Supraorbitaldiskus wie bei P. (Mesalina) pardalıs D. B. (= P. guttulata Licht. nach Prof. Peters), und abweichend von P. guttulata D. B. durch ein kleines, dreieckiges vorderes Supraorbitale vom Frontonasale abgedrängt. Frenale viel höher als bei beiden ge- nannten Arten, fast so breit wie hoch, dreieckig oder rhombisch, Nur 4 vordere Supralabialen jederseits (bei P. guttulata bald 4, bald 5). Halsband nur an den Seiten frei und hier als stark geschwungene Schulterfalte weit nach aufwärts ziehend, in der Mitte vollkommen ver- wischt, wenigstens 3, oft aber auch 5 Schuppen breit gänzlich ausgelöscht und von den übrigen benachbarten Schuppen des Halses und der Brust nicht unterschieden. Ueber seine Form lässt sich daher auch absolut nichts aussagen. Form der Rücken- und der Bauchschuppen ganz wie bei P. pardalis. Ich zähle 45—51 Schuppen oben quer über die Rückenmitte, bei pardalis ungefähr 45. Die Bauchschilder stehen ganz wie bei dieser Species in 10 deutlichen Längsreihen und ebenso auch bei beiden Arten (vom supponirten Halsband an gerechnet) beim Männchen in 29—32, beim Weibchen in 33—36 Querreihen, die regelmässig und rechtwinklig auf den Längsreihen stehen. Analplatte beim Männ- chen gross, beim Weibchen klein, vorn von zwei halbkreisförmig gestellten Schilderreihen — umrahmt. Schwanzbasis beim Männchen stark deprimirt und dann ziemlich plötzlich konisch zusammengezogen. Femoralporen 11 bis 13, während P. pardalis deren 13 bis 15 zeigt. Körper etwas schlanker, Fusszehen viel kürzer als bei P. guttulata. Schüppcehen der Planta des Fusses wenigstens 3—4 mal grösser als bei dieser Art, also ganz wie bei P. pardalis und wie bei dieser gekielt und am freien Ende stachelspitzig; Unterfläche der Zehen mit 4 starken Kielen versehen, die seitlichen Kiele wie bei P. pardalis etwas stachelspitzig, aber noch nicht gefranst zu nennen. Färbung sowohl an P. guttulata als namentlich an P. pardalis erinnernd. Oberseite rothbraun, ähnlich wie gewisse Acanthodactylus-Arten von 5 mehr oder weniger deutlichen, graublauen Längslinien durchzogen. Auf den rothbraunen Zwischenräumen stehen in Längs- linien geordnet schwarze, unregelmässige Pantherflecken, die ein weisses Auge einschliessen, oder jederseits von einem weissen Fleckchen begleitet werden. Die Unterseite ist weisslich goldgrün glänzend. Das Männchen zeigt im Allgemeinen dunklere, gesättigtere Farben und namentlich mehr Schwarz; die Seitentheile des Kopfes, des Körpers und des Schwanzes sind bei ihm schwarz gefleckt, die Unterseite des Körpers aber erscheint bei ihm bis auf die zwei mittelsten Ventralschilderreihen, sowie die Unterseite der Oberschenkel schwarz gepudert. No. 1 von Casablanca ist ein besonders dunkel gefärbtes, grosses Männchen mit 32 Querreihen von Ventralschuppen und 13—15 Femoralporen. No. 2—3 und 5—7 sind Weibchen von Mogador-Marocco mit 35, 34, 34, 36 und 33 Querreihen von Ventralen und 11—11, 11— 11, 13—13, 11—11 und 11-—11 Femoralporen. No. 4, ein Männchen von Casablanca zeigt 29 Querreihen von Ventralen und 12—11 Femoralporen, Maasse: No.1g No.229 No.39 Von der Schnauze bis zum Oceipitlle 12 10 91; mm. Rumpflänge N RR ERTL en ie eo Bin] 38 34 » Schwanzlänges. "22. 2.2 wa. .(a6) 79 72 » Totallänger er: 2.0 en nr allen HOT 115!e >» Länge der Vorderextremität . . . 16 14 13120 73 >25 Hinterextremitäte 2 2 23 22 » » » dritten Fusszehe 5lla 5 Aue» » » vierten » PR ur 9 7 7 » » >» fünften 5 4a Alk >» Abhandl. d. Senckenberg. naturf Ges. Bd. XIII 16 — 118 — Verhältniss von Kopflänge zu Rumpflänge im Mittel wie 1:3,52, von Schwanzlänge zu Totallänge wie 1:1,61, während Dum&ril-Bibron’s Angaben für P. pardalis die Verhält- nisszahlen 1: 3,25 und 1:1,57 ergeben, Die vorliegende Form dürfte nach alledem eine nahe Blutsverwandte von P. pardalis D. B. sein. Durch das opake Augenlid trennt sie sich aber jetzt scharf von derselben und nähert sich vielmehr der Gruppe der P. guttulata D. B. und der P. rubropunctata D. B., und das Collare ist zudem noch obsoleter geworden als bei P. pardalis und fast ganz geschwunden, so dass vielleicht Mancher auf den ersten Blick versucht sein möchte, der vorliegenden Species sogar eine eigene Untergattung zu vindieiren. Durch das auffallend hohe Frenale unterscheidet sie sich endlich von allen drei namhaft gemachten, ihr verwandten nordafrikanischen Formen.) Ich habe mir erlaubt, diese schöne Eidechse, die trotz ihrer nahen Verwandtschaft mit P. pardalis D. B. doch sicher als distinete Form anzuerkennen ist, und die jedenfalls ihrer Aehnlichkeiten und doch so auffallenden Verschiedenheiten wegen noch öfters in.der Literatur — ob Species ob Varietät? — erwähnt werden dürfte, nach Hrn. Hans Simon, dem gross- herzigen Gönner unserer herpetologischen Sammlung, meinem lieben Freunde, zu benennen. Bekannt ist dieselbe bis jetzt nur aus Marocco und zwar sowohl von Casablanca als von der Route Mogador-Marocco. Fam. III. Zonuridae. Gen. I. Pseudopus Merr. 22. Pseudopus apus Pall. sp. 1772 forma ornata Bttg. 1881. Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881, No. 96, p. 571. Char. Primis annis aetatis carneo-rufescens, capite fere unicolore, punctis paueis solum nigris adsperso, dorso taeniis numerosis (ca. 20) angustis transversis nigris, eleganter caeruleo- maculatis picta. ') Eremias lineolata Rüppell (Verzeichn. d. im Mus. Senckenberg. aufgestellt. Samml., III. Rept., Frankfurt a. M. 1845 p. 12) aus Abessynien gehört einer eigenen Gattung (Pseuderemias) an, die sich von Podarces durch die 4 um die Nasenöffnung herum gestellten Schildchen, durch den Mangel einer Jugularfalte und durch ein medianes, zwischen Interparietale und Oceipitale eingeschaltetes, längliches Schildchen — das als ein zweites Interparietale aufgefasst werden kann und sich ähnlich auch bei manchen Ophiops-Arten findet — auszeichnet. Die Species selbst ist ausserdem durch eine sehr zugespitzte Schnauze, durch 6 vordere -Supralabialen, durch die an Podarces dorsalis D. B. sp. erinnernde Pholidose des Supraorbitaldiskus, durch beschupptes Augenlidfenster, durch 8 Längsreihen von Ventralen, durch 16—18 Femoralporen und durch den den Körper fast dreimal an Länge übertreffenden Schwanz sehr gut charakterisirt. 2 Die Art wurde von Hrn. Premierleutn. Quedenfeldt nahe Casablanca in einem Stück erbeutet und mir anfangs in lebendem Zustande, dann nach dem bald erfolgten Tode als Spirituspräparat von Hrn. H. Simon in Stuttgart eingeschickt. Neu für Marocco. In der Beschuppung finde ich keinen wesentlichen Unterschied zwischen dieser Form und den mir vorliegenden syrischen und südrussischen Stücken. Oberseits zeigen sich 12, unterseits 10 Längsreihen von Schildern bis zur Seitenfalte. Die Färbung des vorliegenden Jugendzustandes der maroccanischen Schleiche aber ist höchst auffallend und von der gewöhn- lichen, wie es scheint, sehr abweichend. Das Thierchen ist nämlich oberseits fleischroth, längs des Rückens mehr grauroth, unterseits hell gelbröthlich. Auf dem sonst ganz einfarbigen Kopfe stehen wenige (6), unregelmässig gestellte, schwarze Punkte, .über den Rücken aber laufen etwa 20 schmale, ein bis zwei Schuppen breite, zackige Querbinden, die aus 10—12 hell himmelblauen, schwarzgerandeten Schuppen gebildet werden. Gegen die Schwanzbasis hin reichen dieselben weniger weit nach den Körperseiten hinunter und lösen sich schliesslich in einzelne Punktflecke auf. Die Jugendform der dalmatinischen Rasse hat dagegen eine asch- graue, unten weissliche Tracht. Der Kopf zeigt dabei stets einen scharfen, dunkelbraunen Frenalstreifen, einen Postorbitalstreifen und einen dritten Streifen, der von einem Auge zum andern quer über das Kinn zieht, sowie dunkelbraune Querbinden auf Hals und Rumpf. Die Jugendtracht der schwarzbraunen, über und über weissgefleckten syrisch-palästinischen Rasse dieser Art ist mir ebenso wenig bekannt, wie die der südrussischen Normalform. Maasse: Kopflänge bis zur hinteren Spitze des Occipitale 17, von der Schnauze bis zur Afterspalte 152 mm., Länge des (verletzten) Schwanzes (275), Totallänge (427) mm. Länge des Fussstummels 2", Breite desselben 1'/, mm. Von Marocco kennt man die Art bis jetzt nur von Casablanca. Sonst findet sich dieselbe noch in Africa aus Algerien (Gervais), aber nicht aus Aegypten angegeben. In Europa ist dieselbe von Istrien und Dalmatien an durch das ganze südöstliche Europa ver- breitet und geht einerseits über den Kaukasus nach Asien bis wahrscheinlich in das nord- westliche Persien (wenigstens besitzen wir ein Stück aus Lenkoran im Talyschgebiet, also ganz nahe der persischen Gränze), andererseits über die griechische Inselwelt, wo sie sich z. B. auf Naxos findet, bis zur Insel Cos und verbreitet sich über ganz Kleinasien und Armenien bis herunter nath Palästina. — 120 — Fam. IV. Sceineidae. Gen. I. Eumeces Wael. 23. Eumeces pavimentatus Geoffr. sp. 180? var. Algeriensis Pet. 1864. Boettger, Marocco p. 20; Peters in Mon. Ber. Berl. Acad. d. Wiss. 1864 p. 49 (var.). Die Art wurde in 5 Exemplaren aus Casablanca (Simon) eingeschickt, von denen ich eines in lebendem Zustande erhielt. Bei den neu vorliegenden Stücken finde ich Supraorbitalen 6—6, Supralabialen 10—10 und bei einem Stück 9—9, und zähle weiter 3—3, 4 —5, 4—4 und 3—4, im Mittel also 4—4 Ohrloben. Die Körpermitte ist mit 30 bis 32, im Durchschnitt bei 5 Exemplaren aber mit 31 Längsschuppenreihen gedeckt, während die syrisch-palästinische Varietät (var. Syriaca m.) im Mittel nur 24 Schuppenlängsreihen um die Bauchmitte besitzt. Die Färbung ist überein- stimmend mit der des früher von mir von demselben Fundort beschriebenen Stückes. Maasse: N0W2 No S3E No FAND, Kopflänge bis zum Ende d. Interparietale 26 29 31 32 mm. Rumpflangent. Sa 115 111 134 148 „ Schwanzlänger 2 7.0 su ee 159 165 222 224, Totallänger Sera ur ne ee 300 301 387 404 „, Die Kopflänge verhält sich demnach bei 4 von mir gemessenen normalen maroccanischen Stücken der var. Algeriensis Pet. zur Rumpflänge wie 1: 4,46, die Schwanzlänge zur Totallänge wie 1: 1,81, 'während letztere bei var. Syriaca m. aus Syrien und Palaestina 1:1,5 beträgt. Aus Marocco kennen wir diese Art bis jetzt nun von Casablanca. Sonst findet sie sich in Afrika noch in Algerien (Dum. Bibr., Westphal-Castelnau, F. Müller u. a.) und zwar bei Bona und Algier (D. B.), bei St.-Cloud und Le-Sig, Orten in der Provinz Oran und bei Arzew (Strauch), sowie an der Südostgränze von Algerien (A. Dum.) und in Aegypten (Descr. de ’Egypte, D. B., Westphal-Castelnau), In Asien findet sich die Art in Palästina, in Syrien, auf Cypern, in Beludschistan und Persien, sowie in Armenien und im südlichen und südöstlichen Transkaukasien. = Fam. V. Sepidae. @en. I. Seps Laur. 24. Seps (Gongylus) ocellatus Forsk. sp. 1775. Gervais, Ann. d. Sc. Nat. (2) Bnd. 6, 1836 p. 309; Boettger, Marocco p. 23. \,on dieser Art liegen ein Stück von Tanger (Kobelt), zwei lebende und 18 Spiritus- exemplare von Casablanca (Simon) und drei Stücke vom Wege zwischen Mogador und Marocco (Simon) vor, welche letztere zwischen dem 5. und 16. März 1881 gesammelt worden sind. Das genannte Stück von Tanger zeigt 34 Schuppenlängsreihen um die Körpermitte. Die Färbung ist sehr elegant,” den gewöhnlichen algerischen Formen ähnlicher, als denen des mittleren Maroccos. Die Rückenzone ist nämlich 5 Schuppen breit dunkel olivenbraun; daran schliesst sich ein 3 Schuppen breiter, hell isabellfarbener Seitenstreif und an ihn nach unten eine schwarzbraune, vorn 3, hinten 2 Schuppen breite Seitenlinie. Nirgends eine Spur von Fleckung. Die Stücke von Casablanca (No. 9, 11 und 14) zeigen 36 bis 38 und im Mittel 37 Schuppenlängsreihen. Alle stimmen _in Pholidose und Färbung nahezu mit einander überein. Der Kopf und die Schnauzenspitze sind gewöhnlich lebhafter rothbraun als der Rücken und oft ziemlich abstechend gefärbt; der Körper ist oberseits schwarzbraun mit vielen feinen, weissen oder gelb- lichen Rundfleckehen, die auf dem Rücken den Schuppenlängsreihen entsprechend zahlreiche Längsreihen, an den Seiten Querreihen bilden. Der Hals ist seitlich schön weiss und schwarz quer gebändert. Die Exemplare (No. 7 und 8) endlich, die zwischen Mogador und Marocco ge- sammelt wurden, zeigen 34 bis 36 und im Mittel 35 Schuppenlängsreihen. Sie zeichnen sich durch helle Grundfarbe und wenig deutliche Ocellenfleckchen aus. Vorn auf dem Rücken stehen zahlreiche schwärzliche Längsstreifchen, die je einer Schuppenlängsreihe entsprechen, hinten werden dieselben unregelmässiger und machen einer etwas undeutlichen Querbindenzeich- nung Platz. Bei einem der vorliegenden Stücke zeigt sich die Längsstreifung auf dem ganzen Rücken. Maasse: Nos7sN08878N0. INENoOS IIZENDO. 14 Von der Schnauze bis zum After 120 83 59 63 68 mm. Schwanzlanger ne 13702101 68 76 79 » Totallänge EN ERE ETEER DALTETENTE 257 184 127 139 147 » — 12 — Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge im Mittel bei 7 maroccanischen Stücken wie 1: 1,54, gegen 1: 1,82 bei syrischen Exemplaren. Aus Marocco kennt man die Art bis jetzt von Tanger (Gervais), von Casablanca (Bttgr.), von der Route Mogador-Marocco und aus der Stadt Marocco selbst (Btig.). In Afrika findet sich Seps (Gongylus) ocellatus weiter in einer Varietät auf den südlichen Canaren und speciell auf Tenerife und Ferro (Gravenhorst, Günther, Bttg.) und in der Normal- form auf Madeira (Günther), weiter in ganz Algerien (Strauch, F, Müller) und in der südlich an Algerien und Tunis angränzenden Sahara (Tristram), in Tripoletanien (Peters), und von Aegypten (D. B:, F. Müller) und Nubien an bis zum Sennär (A. Dum.) und Abessynien (Lichtenstein, Günther). In Asien lebt die Art in Arabien und Persien, in Syrien und Palaestina und auf den Inseln Cypern, Rhodos und Chios,. In Europa endlich findet sie sich in den Gebirgen von Mittel- und Süd-Spanien (Machado, Bttg., Bosca), auf Sardinien, Sieilien, Malta (D. B.) und auf den griechischen Inseln (De Betta), sowie in der Umgebung von Athen (Bttg.). 25. Seps (Gongyloseps) mionecton Bttg. 1874. — Seps (Gongylus) viridanus Günther part. in Proc. Zool. Soc. London 1871 p. 243, non Gravenhorst in Act. Nov. Acad. Caes. Leopold. Carol. Bnd. 23 p. 348, Taf, 35, Fig. 1 (Gongylus ocellatus var.). Boettger, Marocco p. 25, Taf. 1, Bio. 6. Von dieser in Marocco häufigen und verbreiteten Art liegen 2 Stücke aus der Um- gebung von Tanger (Kobelt), 5 lebende und 21 Spiritusexemplare von Casablanca (Simon) und 2 Stücke vom Wege zwischen Mogador und Marocco (Simon) vor, welche letztere zwischen dem 5. und 16. März 1881 gesammelt wurden, Diese an Hand und Fuss constant mit je 4 Zehen ausgerüstete Species bildet den Typus einer Untergattung, die den vollkommenen Uebergang zwischen Gongylus Wagl. und Seps Laur. bewerkstelligt. Ihre Aufstellung dürfte keiner Rechtfertigung bedürfen. Charakteristisch für die Art ist die häufige Verschmelzung der beiden Supranasalen in ein einziges queres Schildchen. Die vorliegenden Stücke von Tanger haben getrennte Supranasalen und 24 bis 26, im Mittel 25 Schuppenlängsreihen. Die mittlere, dunkle Rückenpartie zeigt zwei, der Schwanz oben vier Längsreihen hellerer Ocellen. Von den Exemplaren von Casablanca (No. 6 bis 21 ete.) zeigen dagegen 43° ver- schmolzene, 57° nicht verschmolzene Supranasalen. Schuppenlängsreihen zähle ich hier fast — 1233 — constant 24 und nur einmal 25. Der Schwanz ist ungewöhnlich oft verletzt: oder reprodueirt. — Die Färbung ist wie die der früher von mir beschriebenen Stücke mit zwei helleren Längsbinden — je einer an jeder Seite des Rückens —, bald ohne Spur von Ocellen (32°), bald mit schwachen Ocellen- flecken, die meist nur auf dem Schwanze deutlicher hervortreten (21°), bald mit nur je drei Ocellenreihen längs der hellen Seitenzonen (26°), oder mit zwei solchen längs der dunklen Rückenzone (16°) oder endlich überall mit zahlreichen Ocellenflecken, die, wie immer, auf Hinterrücken und Schwanzoberseite besonders deutlich hervortreten (5°o). Die Stücke endlich, welche zwischen Mogador und Marocco erbeutet wurden, haben getrennte Supranasalen und 24 und 25 Schuppenlängsreihen. Der Rücken trägt ein dunkles Längsband mit zwei oder vier Längsreihen weisser, schwarzgesäumter Ocellenfleckchen, das helle Seitenband trägt keine oder drei schwache Ocellenreihen. Maasse: No.6 No.7 No.15 No.17 No. 19. No. 20 No. 21 Kopflänge bis zum Hinterende.d. Parietalen 6! 71a 0) 8 Silk 9 10mm. Kumpflängen u a er 0 A0®, bb pn 6070704 er ı ud ee SCH wanzlange ee art 44 3) le 72716222 Wolallanceh te ee. ENTE ER BT TUST TEE elagıne 1115817160, #> Demnach Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge nach 8 Messungen guter Stücke wie: 1: 2,34. Diese Art ist bis jetzt nur aus Marocco bekannt und findet sich in der Umgebung von Tanger, bei Casablanca, auf dem Wege von Mogador nach Marocco und auf dem Plateau von Schiodma (Bttg.). 26. Seps (Seps) chaleides L. sp. 1758. Westphal-Castelnau, Catalogue d. Rept., Montpellier 1870 p. 24. Diese, wie es scheint, zuerst von Westphal-Castelnau aus Marocco erwähnte Art scheint daselbst nur recht einzeln vorzukommen. Ich selbst kenne auch nur ein einziges Exemplar von dort, das mir Herr H. Simon zur Bestimmung lebend einschickte, und das von Casablanca stammt. Es ist in der Pholidose ganz übereinstimmend mit algerischen Stücken “ dieser Art und zeigt ganz uniform olivenbraune Oberseite ohne Längsstreifung. Aus Marocco ist als sicherer Fundort dieser Eidechsenspecies somit nur Casablanca zu nennen. Sonst findet sich dieselbe in Afrika noch in der ganzen Algerie (Strauch, F. Müller), wo sie bis in die südlich von Algerien und Tunis gelegene Wüste, ja bis in die Südsahara RA (Tristram) hin vorkommt, sowie in Aegypten. Aus Asien kennt man die Art nur von der Insel Cypern (Unger u. Kotschy). In Europa lebt Seps in Italien und auf den italienischen Inseln, sowie in Süd-Frankreich und auf der pyrenaeischen Halbinsel, wo er ziemlich gleich- mässig über das ganze Festland verbreitet zu sein scheint (Seoane). Auf den Balearen ist derselbe dagegen noch nicht gefunden worden. Fam. VI. Geckonidae. Gen. I. Saurodaetylus Fitz. Fitzinger, Syst. Rept. I. Amblyglossae. Wien 1843, p. 18 und 91. Ich rechne zu dieser Gattung die von Fitzinger als typisch hingestellten afrikanischen Arten Saurodactylus desertorum Fitz., der mir übrigens unbekannt ist, und Gymnodactylus Mauritanieus D. B., schliesse aber die als Subgenus von Fitzinger mit eingezogene Gattung Pristiurus Rüpp. von Saurodactylus aus. Danach unterscheidet sich dieses Genus von der verwandten Gattung Gymnodactylus Spix durch homogene Rückenpholidose, durch den ein- fachen, stielrunden oder etwas von oben nach unten abgeplatteten Schwanz, der also nicht mit Dornringen gewirtelt ist, und durch den Mangel der Praeanalporen. Gemeinsam ist beiden Gattungen dagegen die spaltförmige Pupille. Zur Gattung Gymnodactylus rechne ich von den bekannten Arten G. geccoides Spix, Kotschyi Steind., Kachhensis Stol., brevipes Blanf,, heterocercus Blanf. und pipiens Pall., welch’ letzterer dadurch von den typischen Arten abweicht, dass die Tuberkel des Rückens weniger in Grösse von den sie umgebenden Schüppchen verschieden sind, und dass die Dornringe des Schwanzes fehlen. Praeanalporen sind aber beim Männchen gleichwohl vorhanden. Die der Praeanalporen entbehrende, durch lange schlanke Finger ausgezeichnete, sonst aber der Gattung Gymnodactylus ungemein nahe stehende Oubina fasciata D. B. sp., die von Martinique bis Australien (Mus. Senckenberg) verbreitet zu sein scheint, halte ich nur für eine Untergattung von Gymnodactylus Spix, ebenso wie die Gray’sche Gattung Heteronota. Von sonstigen Formen mit Spaltpupille halte ich dagegen COyrtodactylus Gray und Nyecteridium Günth. für gute Genera. Die Gattungen Pristiurus Rüpp. und Gonydactylus Kuhl endlich haben runde Pupille und entfernen sich daher schon weiter von den übrigen genannten Formen. Zur Gattung Saurodactylus Fitz. gehört im Grossen und Ganzen auch der nachstehend erwähnte -Gymn. trachyblepharus Bttg., wenigstens hat er die homogene Rückenpholidose und den ungedornten Schwanz mit diesem Genus gemein, aber die an der Basis stärker erweiterten und dann plötzlicher in ein zusammengedrücktes Endtheil zusammengezogenen, längeren u le Finger, der lange, an der Basis etwas deprimirte Schwanz und die Bildung des Augenlides entfernen die Art doch erheblich von Saurod. Mauritanicus D. B. sp., dem Typus der Gattung. Der Erhaltungszustand unseres etwas eingetrockneten einzigen Exemplars von @. trachyblepharus gestattet leider nicht einmal die Untersuchung der Pupille und erschwert auch die Kenntniss- nahme des feineren Baus der Zehen; ich kann mir aber trotzdem nicht versagen, da der Habitus dieser Art, den unsere Fig. 3 auf Tafel 1 in Boettger, Marocco etc. treffend wiedergibt, unzweifelhaft zur Abtrennung von Saurodactylus drängt, die Form vorläufig als Untergattung mit dem Namen @Quedenfeldtia zu bezeichnen. Späteren Entdeckungen muss es vorbehalten bleiben, nachzuweisen, ob ich im Rechte bin, wenn ich die seltsame Art nur als Untergattung von Saurodactylus Fitz. auffasse, oder ob Quedenfeldtia ein distinetes Genus neben Gymnodactylus und Saurodactylus zu bilden. hat. 27. Saurodactylus Mauritanicus D. B. sp. 1836. Dumeril et Bibron, Erp. gen. Bnd. 3 p. 414 (Gymnodaectylus); Boettger, Marocco, p. 17 (Gymnodactylus). Zwei schöne Exemplare wurden von Herrn Premier-Lieut. Quedenfeldt zwischen dem 5. und 16. März 1881 zwischen Mogador und Marocco gesammelt. Sie stimmen mit den früher von mir beschriebenen beiden Stücken in Pholidose und Färbung überein, sind aber etwas kleiner. Abweichend von Dum6ril-Bibron’s Beschreibung ist nur die bei allen unsern 4 Exemplaren deutliche, senkrecht spaltförmige Pupille gegenüber dem Ausdruck : »Ouverture pupillaire arrondie« der Erp6tologie generale. Hinter dem Mentale liegen jederseits 2 Sub- mentalschilder, deren erstes relativ sehr gross ist. Zwischen den Nasalen liegen zwei grössere, an das hinten gefurchte Rostrale anstossende Internasalschüppchen. — Ein weisser Längsstreii zieht vom Nasenloch durch das Auge bis zu den Schläfen, und ein zweiter heller, breiterer “ Längsstreif vom Mundwinkel bis zur Ohröffnung. Oben braungrau mit 4—6 etwas unregel- mässigen Längsreihen von weissen, dunkel eingefassten Tigerfleckchen längs des Rückens; Schwanz lehmgelb, oben mit Grauschwarz anfangs quer gebändert, dann unregelmässig zickzack- förmig gefleckt. Unterseite einfarbig graulich. Maasse: No. 3 No. 4 Von der Schnauze bis zur Afterspalte 27! 27", mm. Schwanzlänge u. 4.202 sh. 82a 33 » Botallänges. hr sg Mr nr 60 60! » Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. rg — 121206 — Schwanzlänge zu Totallänge im Mittel von 2 bis jetzt gemessenen, intacten Exemplaren wie 1:1,84; bei dem einzigen von Dum&6ril-Bibron beschriebenen Stücke war der Schwanz verletzt. Von der Gattung Gonydactylus Kuhl ex rec. Gray unterscheidet sich die vorliegende Art wesentlich durch distinet spaltförmige Pupille, von Gymnodactylus Spix, zu welchem Genus Dumeril und Bibron die Species gestellt haben und mit welchem sie zweifellos auch eine grosse Aehnlichkeit besitzt, trennt sie die ganz gleichförmige Beschuppung des Körpers, der unbewehrte Schwanz und der Mangel von Praeanalporen. Ich gebrauche daher für unsere Art den schon von Fitzinger für diese und für eine anscheinend verwandte Species vor- geschlagenen Namen Saurodactylus und rechne dazu vorläufig auch die folgende mit depri- mirtem Schwanz ausgestattete Species. Man kennt diesen kleinen Gecko aus Marocco vom Djebel Hadid bei Mogador (Bttg.), vom Wege zwischen Mogador und Marocco und vom Plateau von Schiodma im maroccanischen Atlas (Bttg.). In Afrika lebt die Art ausserdem noch in Algerien (D. B.), von wo sie Strauch speciell aus der algerischen Sahara und F. Müller vom Plateau von Sersu erwähnen. 28. Saurodactylus (Quedenfeldtia) trachyblepharus Bttg. 1874. Boettger, Marocco, p. 18, Taf. 1, Fig. 3 (Gymnodactylus). Schon oben unter Saurodactylus habe ich auseinandergesetzt, warum ich diese Art zu Saurodactylus und nicht mehr zu Gymnodactylus stelle und aus welchem Grunde ich mich veranlasst sah, für dieselbe einen neuen Sectionsnamen zu wählen. Zu dem im Senckenberg’schen Museum aufbewahrten Originalexemplar ist seitdem kein neues Stück mehr hinzugekommen, und ich muss somit auf die frühere Beschreibung desselben verweisen. Die Schwanzlänge verhält sich bei ihm zur Totallänge wie 1: 1,7. Bis jetzt kennt man die Art nur vom Djebel Hadid bei Mogador in Marocco (Bttg.). Gen. II. Tarentola Gray. 29. Tarentola Mauritanica L. sp. 1767. P.Gervais, Ann. d. Science. Nat. (2) Bnd. 6, Zoologie, p. 309 (Platydactylus muralis) ; Boettger, Marocco, p- 16 (Platydactylus). Es liegen von dieser Art 10 Stücke vor, welche zwischen Tanger und Tetuan (Simon) gesammelt worden sind, 7 Stücke (No. 4, 6 etc.) von Casablanca (Simon), und ne 2 Stücke, welche von der Route Mogador -Marocco stammen und zwischen dem 5. und 16. März 1881 erbeutet wurden (Simon), Bei allen den genannten‘ Exemplaren stehen die Rückentuberkel in Querreihen und sind stark gekielt; das Nasale erscheint bald typisch hemmschuhförmig, wie bei südeuropaeischen Stücken dieser Art, bald nur schwach hemmschuhförmig und erinnert dann an die gleiche Schuppe bei 7. Delalandei D. B. sp., oder es ist geradezu ganz wie bei 7. Delalandei gebildet. Ich muss daher zurücknehmen, was ich in »Reptilien von Marocco und von den Canarischen Inseln« p. 60 hinsichtlich der sicheren Unterscheidung der beiden genannten Arten durch die Form des Nasale gesagt und gezeichnet habe. Auch dieser Unterschied erweist sich demnach als nicht in allen Fällen ausreichend und constant. Die Färbung ist bei allen vorliegenden Exemplaren die normale. Maasse: No. 4 No. 6 Von der Schnauzenspitze bis zum After 32! 48 mm. Schwanzlangeusd 2 2 a 0 arte 52 :>» Totallängenaen. 50 3 222 es 100 » Schwanzlänge zu Totallänge bei maroccanischen Stücken von 7. Mauritanica im Durchschnitt wie 1:1,96, während dies Verhältniss bei 7. Delalandei D. B. sp. im Mittel wie 1:1,9 2 ist. Aus Marocco kennt man diesen Gecko bis jetzt von Tanger (Gervais, Bttg.), von der Gegend zwischen Tanger und Tetuan, von Casablanca und von der Route Mogador-Marocco. Sonst lebt derselbe in Afrika noch in ganz Algerien (Strauch) und in der algerischen Wüste (Tristram), ja bis in die Süd-Sahara (Günther), in Tunis, Tripoletanien (Peters), Aegypten (Olivier) und Abessynien (Lichtenstein). Aus Asien ist er bekannt von Arabien und Syrien (Buck) und von der Insel Cypern (Unger u. Kotschy). In Europa lebt derselbe von Griechenland und den griechischen Inseln an über fast ganz Italien und dessen Inseln bis Südfrankreich und die pyrenaeische Halbinsel; hier namentlich von den Centralprovinzen aus gegen den Süden häufiger werdend und gemein auf den Balearen (Boscä). Fam. VII. Agamidae. Gen. I. Agama Daud. 30. Agama Bibroni A. Dum. 1851. A. Dumeril, Catal. methodique coll. d. rept., Paris p. 101; Boettger, Marocco p. 12 (colonorum var. impalearis). Von, dieser früher von mir zu Ag. colonorum Daud. gezogenen Species liegen 6 Stücke ® —, 128 — (No. 10—13 ete.) vor, die zwischen Tanger und Tetua,n gesammelt sind (Simon), 4 Exemplare (No. 7—9 etc.) von Casablanca (Simon) und ein Stück (No. 5), das auf der Route Mogador -Marocco (Simon) zwischen dem 5. und 16. März 1881 erbeutet wurde. Von Ag. colonorum Daud. ist diese Art unterschieden durch den konischen, hinten nicht eomprimirten Schwanz, durch die fehlende longitudinale Halswamme, durch die wesentlich andere Beschuppung der Medianlinie vorn auf ‚der Schnauze und durch die constant grössere Anzahl der Supra- und Infralabialen. Auch hat die maroccanische Art beim erwachsenen Männchen 1 bis 3 Querreihen von Praeanalporen, nicht blos eine einzige wie Ag. colonorum und einen constant kürzeren Schwanz (Verhältniss wie 1: 1,71 gegen 1: 1,62 bei Ag. colonorum). Von der feinen Ausrandung oder Ausbuchtung des Hinterrandes der Kehl- und Bauchschuppen, die A. Dume6ril als besonders charakteristisch bei dieser Art hervorhebt, findet man in der That fast an jeder Schuppe eine Andeutung;; sie wird durch eine Apicalpore bewirkt. Die 3. und die 4. Zehe des Fusses sind von nahezu gleicher Länge. Supralabialen zeigt die Art 11 bis 14 jederseits, im Mittel aber 13—13 gegen 9—-10 bei Ag. ceolonorum, Infralabialen ebenfalls 11 bis 14 und im Mittel 12—12 gegen 8—9 bei Ag. colonorum. Die diesmal vor- liegenden erwachsenen Männchen zeigen nur eine Reihe von 11—13, im Mittel von 12 Praeanalporen, nicht 10 bis 12 wie Ag. colonorum. Junge Exemplare sind oben schwarzbraun mit hellen, schwarz umrandeten, sehr zerstreut stehenden Spritzflecken und zeigen eine kurze helle Medianlinie auf dem Kreuz. Die Beine sind schmal, der Schwanz aber sehr deutlich und breit hell und dunkel gebändert, Die Unterseite des Kinns zeigt vorn 3 mehr oder weniger stark markirte, quere, an den Seiten je 4—5 längsgestellte schwarze wellige Streifen; der Bauch ist einfarbig. Ein schwarzer Streif zieht vom Auge bis zum Ohr. Oft sind auch die Dornfascikel in der Nackengegend hell, und es ziehen dann zwei helle Querbinden über die Schnauze. Bei manchen Exemplaren zeigt sich keine Querbänderung der Gliedmaassen, sondern dieselben sind hell gefleckt. Beim Männchen ist der Rücken heller oder dunkler lehmfarbig mit meist sehr wenig markirten schwarzbraunen oder schwärzlichen Querbinden, die höchstens gegen die Schwanzbasis hin deutlicher werden. Der Färbung der Oberseite mischen sich weiter einzelne grüngraue und zahlreichere braunrothe Schuppen ein, welche letztere namentlich auf den Körperseiten an Menge zunehmen und die grüngrauen isolirten Schüppchen fleckartig deutlicher hervortreten lassen. Die Umgebung des Auges ist braunroth, die Kehlzeichnung meist verloschen. Den Schwanz zieren etwa 15 schwärzliche Halbbinden. Das Weibchen zeigt entweder eine der eben beschriebenen Tracht des Männchens — 129 — ähnliche Färbung mit 4 meist wenig dunkleren, M-förmigen Querbinden, aber gewöhnlich mit lebhaft schwarzgestreifter Kehle, oder die Rückenmitte zeigt einen etwa 3 Schuppenreihen breiten, bleischwarzen Längsstreifen und überdiess jedevseits 4 undeutlich begrenzte, etwas alternirende rothbraune Querbinden oder Makeln. Mitunter ist der ganze Hinterkopf und namentlich die Umgebung der Ohröffnung stahlblau angelaufen, oder der Hals zeigt seitlich über der Achsel eine grosse schwarze Fleckmakel. ' Maasse: g No.7 JNo.9 JNo.5 ZNo.13 QNo.11 2 No.10 QNo. 8. Kopf unten bis zur 2. Querfalte . . 19 23 21 34 32 31! 31 mm. Rumpflänge . . 441 451 50 67 69 70!a garıuh Schwanzlänge. . 87!e 100 100 156 134 145 _ Totallänge . . 151 168'e 171 257 235 247 eg Kopflänge zu Rumpflänge beim Männchen wie 1:2,13, beim Weibchen wie 1: 2,35; Schwanzlänge zu Totallänge im Mittel wie 1: 1,71. Aus Marocco kennt man diese Art jetzt von Tanger-Tetuan, von Casablanca, von Mogador (A. Dum.) und von der Route Mogador-Marocco, wo sie namentlich auf dem Plateau zwischen Ain-Umest und Sidi-Moktar sehr häufig ist (Bttg.). Von anderen Punkten Afrikas finde ich Ag. Bibroni speciell nirgends angeführt, doch halte ich die von A. Strauch in Erpet. de l’Algerie 1862 p. 27 aus Algerien beschriebenen Exemplare von Ag. colonorum für bestimmt zu dieser Species gehörig. Dagegen lebt im Senegal, in Guinea und in Abessynien die echte Ag. colonorum Daud. ausschliesslich und in Algerien wahrscheinlich neben Ag. Bibroni A. Dum. VIII. Fam. Chamaeleontidae. I. Gen. Chamaeleo Laur. 31. Chamaeleo vulgaris Daud. 1803. Gervais, Ann. d. Science. Nat. (2), Bnd. 6, 1836 p. 309; Boettger, Marocco p. 12. Diesmal liegt nur ein einzelnes junges Stück der im Marocco, wie es scheint, doch nicht übermässig häufigen Art von Casablanca (Simon) vor, das im Spiritus eine einfarbig dunkel olivenbraune Tracht zeigt. Am Hinterrücken bemerkt man links und rechts einen gelblichen Anflug; der untere Kamm ist lebhaft weissgelb, die Handflächen sind dunkelgelb. = EZ Aus Marocco kennt man das Chamaeleon jetzt von Tanger (Gervais), von Casablanca . und von der Stadt Marocco selbst (Bttg.). Im Uebrigen lebt dasselbe in Europa in Südspanien, ohne jedoch den 37° Nordbreite in nördlicher Richtung zu überschreiten. |In Afrika findet es sich längs der ganzen Nord- küste in Algerien (D. B.), Tunis (D. B.), Tripoletanien (D. B., Peters) und Aegypten (D. B.) und geht von hier einerseits bis in den Süden der Sahara (Tristram), andererseits bis Nubien (Lichtenst.), Abessynien (Rüppell, A. Dum.) und in das Gebiet des weissen Nils (A. Dum.). In Asien wohnt dasselbe in Palaestina, Syrien und Kleinasien und auf den Inseln Öypern und Chios. Die Angabe seines Vorkommens auf Sicilien ist zweifellos irrthümlich; Persien als Vaterland bedarf noch der Bestätigung. Il. Ordnung. Chelonia. I. Fam. Testudinidae. I. Gen. Testudo L. 32. Testudo Ibera Pall. 1831. Boettger, Marocco p. 3 (pusilla). Ausser 2 ziemlich erwachsenen, lebend von dem Hrn. Premierlieut. Quedenfeldt einge- sandten Stücken von Casablanca liegen noch drei ganz junge Exemplare von demselben Fundorte in Spiritus vor (Simon). Schon in der Jugend zeigt die Art immer die Charaktere des nagellosen Schwanzes, des ungefurchten Supracaudalschildes und der gut entwickelten Tuberkel auf den Oberschenkeln und lässt sich hierdurch immer leicht von der nahe verwandten T. graeca L. unterscheiden. Maasse: No. 6. Länge des Rüekenpanzers . . . ... 44 mm. Breite: desselben ur Hlau I a 38-7 5 Länge des Bauchpanzers in der Mittellinie SUN Aus Marocco kennt man die Art merkwürdigerweise, trotz ihrer Häufigkeit, bis jetzt speciell nur von Casablanca (Dar el beida). Aus Afrika wird sie sonst noch angegeben aus Algerien (D. B., Strauch), aus Tunis (Schlegel) und aus Aegypten (J. v. Fischer). Aus Asien kennt man dieselbe von Palaestina, Syrien, Kleinasien, Persien, Chiwa, Buchara und Transkaukasien. In Europa fehlt sie. — 1311 — IT. Fam. Emydidae. I. Gen. Clemmys Wagl. 33. Clemmys Caspia Gmel. sp. 1790 var. leprosa Schweigg. 1812. Steindachner, Rept. in Reise d. Novara, Zool. Theil, Bnd. I, Wien 1869 p. 5; Boettger, Marocco p. 6. Ausser 2 schönen lebenden, von Hrn. Premierlieutn. Quedenfeldt von Casablanca eingesandten Exemplaren (Simon) liegen noch je ein junges Stück von Casablanca (No. 4) und von der Route Mogador-Marocco (No. 3) vor (Simon), welches letztere zwischen dem 5. und 16. März 1881 gesammelt wurde. Die orangegelb gefärbten Flecke auf den Costalen sind gross, aber undeutlich begränzt; auch die Ränder der Marginalen sind schwarz und gelb. Das Ventralschild zeigt sich rothgelb, jede Platte erscheint an ihrer Innenseite etwa zur Hälfte tief schwarz gefärbt. Maasse: No. 3. No. 4. Länge des Rückenschildes 32 26’ mm. Breite desselben . . . 26 25 F Länge des Bauchpanzers 27 21 r Schwanzlänge . . . . — 20’ „ Aus Marocco kennt man diese Süsswasserschildkröte, die in allen Flüssen und Bächen daselbst zu finden sein soll, aus einem Bach zwischen Tanger und Tetuan (Kobelt in Nachr. Bl. d. d. Malakozool. Ges. 1881 p. 157), von Casablanca, aus einer Lache ausser- halb der Stadt Mogador (Steindachner), aus dem Bache Ued Ksib bei Mogador (Bttg.) und aus dem Landstrich zwischen Mogador und der Stadt Marocco. Die Varietät Zeprosa Schweigg. lebt ausserdem noch in Europa in allen Central- und südlichen Provinzen der pyrenäischen Halbinsel (Boscä) und in Afrika in allen Flüssen und Bächen Algeriens (D. B., Strauch). Sie fehlt den balearischen Inseln. Die typische, nur wenig von ihr abweichende Art lebt ausserdem in Afrika noch in Aegypten (Fitzinger), in Asien in Palästina, Syrien, Kleinasien, an den Euphratufern, in Persien, den Caspiländern und in Transkaukasien, in Europa endlich im ganzen Osten, auf dem Festlande wie auf den Inseln bis gegen Westen an das Adriatische Meer. — 132 — Amphibia. I. Ordn. Urodela. I. Fam. Salamandridae. I. Gen. Pleurodeles Mich. 1. Pleurodeles Waltli Michah. 1830. Gray, Catal. Spec. of Amph. II Batrach. Grad., London 1850 p. 18; Schreiber, Herpetologia europaea 1875 p. 62. Von dieser Art liegen 5 Exemplare vor, 2 (No. 4--5) von Tanger (Kobelt), 3 (No. 1—3) aus der Gegend zwischen Tanger und Tetuan (Simon). Bei allen vorliegenden Stücken überragen die Gaumenzahnreihen das Niveau der inneren Nasenöffnungen nach vorn hin deutlich, Die Exemplare von Tanger sind einfarbig schwarzbraun, unten etwas heller, gleichfalls einfarbig oder mit undeutlichen dunkleren Makeln gefleckt. Trotz der schon ansehnlichen Grösse zeigt das eine Stück No. 4 jederseits noch die Rudimente dreier äusserer Kiemenbüschel, wie das nach Schreiber bei dieser Art häufig genug vorkommt; das andere etwas ältere Exemplar No. 5 zeigt gleichfalls die Rippenspitzen an den Körperseiten noch nicht besonders deutlich markirt und nicht heraustretend. Die zwischen Tanger und Tetuan gesammelten Stücke sind noch jugendlicher, und ihr Schwanz ist blos etwa von Körperlänge. Die Wärzchen und Hautkörner der Oberseite sind aber bereits gut entwickelt, und die Unterseite des Körpers ist undeutlich mit kleinen, schwärzlichen Fleckchen besetzt. Maasse: NosIeNow3E Ne gina: Kopf bis zur Kehlfalte . . . . 183 13 14! 15 mm Rumpf bis zum Cloakenanfang . 331% 34 39 40! » Schwanzlänge -v..- x = 4 urn 50 52 64 » Motallänzer” 2.2.0 2 ehe 97 21052, 7119273 Danach haben die vorliegenden maroccanischen Exemplare dieser Art im Mittel das Ver- hältniss von Schwanzlänge zu Totallänge wie 1: 1,94. — 133. — Man kennt die Art aus Marocco bis jetzt nur von Tanger (Gray, Schreiber), Ceuta (Schreiber) und von der Route Tanger-Tetuan. In Europa lebt Pleurodeles von den centralen und westlichen Provinzen an über den ganzen Süden der pyrenäischen Halbinsel hin (Schreiber, Boscä). In Algerien scheint er zu fehlen. Il. Ordn. Anura. I. Fam. Bufonidae. I. Gen. Bufo Laur. 2. Bufo viridis Laur. 1768 var. Laurenti, Synops. Rept. p. 27 und 111, Taf. 1; Leydig, Anure Batrachier 1877 p. 29 (variabilis); Boulenger, Proc. Zool. Soc. London 1880 p. 553. Wurde in einem erwachsenen Exemplar bei Casablanca (Simon) und in acht jungen Stücken zwischen dem 5. und 16. März 1881 auf der Route Mogador-Marocco (Simon) gesammelt. Neu für Marocco. Die von Mogador-Marocco vorliegende Jugendform zeichnet sich aus durch zwei- reihige Subarticularhöcker an den Fingern der Hand und durch einreihige Subarticularhöcker an den Zehen des Fusses. Der zweite Finger ist etwas schmäler, aber kaum kürzer als der erste, Das sehr kleine Trommelfell beträgt nur etwa !Jı des Augendurchmessers, ist in hohem Grade undeutlich und ganz unter der Haut versteckt und seinen Umrissen nach nicht sicher zu erkennen. Die Körperhaut ist weich, die Parotiden sind breit oval oder fast dreieckig. Die Drüse auf der Wade ist deutlich, die Hautfalte längs der Innenseite des Tarsus aber ist nur schwach entwickelt. — Die Farbe ist oberseits weissgrau; eine weisse, sehr feine Rücken- linie wie bei B. calamita; Fleckzeichnung schwarzgrün, reichlich. Unterseite rein weiss; höchstens ein paar schwarze Rundfleckchen quer über den vorderen Theil des Bauches. Bei einem der vorliegenden Stücke ist auch eine unregelmässige, breite, hellere, nach unten mit tiefem Schwarz abschliessende Seitenzone zu beobachten. Das einzelne, grosse Männchen von Casablanca zeigt Brunstschwielen an den beiden ersten Fingern. Sein Trommelfell ist oval, nicht ganz halb so gross wie der Augendurchmesser. Die Parotiden sind hier sehr verlängert. Die Hand zeigt undeutlich zweireihige Subarticular- tuberkel an den Fingern; die Fusszehen haben einreihige Subarticulartuberkel. Der erste Finger der Hand ist wenig grösser, aber auffallend viel dicker als der zweite. Die Drüse auf der Wade ist ziemlich gut entwickelt. — Farbe oberseits schmutzig dunkel olivengrün, in der Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII, 13 — 134 . — Vorderhälfte des Rückens mit heller, unregelmässiger Vertebrallinie, und mit unbestimmten dunkel schwarzgrünen Makeln und Bändern auf Kopf, Parotiden und Gliedmaassen. Nach alledem ist die maroccanische Form von B. viridis im Allgemeinen dem Bufo calamita Laur. sehr ähnlich, aber an den einreihigen Gelenktuberkeln der Zehenunterseite des Fusses und an den etwas längeren Hinterbeinen stets sicher zu erkennen. Aus Marocco bis jetzt nur bekannt von Casablanca und von der Route Mogador- Marocco. Sonst zeigt sich die Art in Afrika noch auf der ganzen Nordküste, von Algerien (Strauch) an über Tunis (Günther) und Tripolis (Boulenger) bis Aegypten (Bttg., F. Müller) und findet sich auch noch in den Oasen der Südsahara (Tristram). In Europa lebt sie in der ganzen Osthälfte von Südschweden und Dänemark an bis zum äussersten Süden, fehlt aber in Gross- britannien, Belgien und Niederland, Frankreich und auf dem Festland der iberischen Halbinsel ; in der Schweiz bewohnt sie nur die südlich der Alpen gelegenen Cantone (Boulenger). Dagegen findet sie sich auf Sicilien (Bttg.), auf Corsika (F. Müller) und Sardinien (v. Bedriaga) und häufig auf den Balearen (Böttg.). In Asien ist die Art von Arabien, Palaestina, Syrien, die Insel Cypern (Lichtenstein) und Kleinasien an über Persien und Beludschistan, den Himalaya und Sikkim durch das ganze gemässigte Asien bis ostwärts Thibet und China und nach Westphal- Castelnau, sogar bis Japan verbreitet. Auch in den Caspi- und Kaukasusländern ist die Species überall gefunden worden (Strauch bei Boulenger). 3. Bufo Mauritanicus Schleg. 1841. Günther, Catalogue of Batr. Sal. Brit. Mus., London 1858 p. 59 (pantherinus); Came- rano, Atti Accad. Torino Bnd. 13, 1877—78 p. 552 (pantherinus); Schlegel in Wagner’s Reise Algier Bnd. 3, 1841 p. 134; Boulenger, Proc. Zool. Soc. London 1880 p. 557, Taf. 51. Von dieser Art wurden zwei Stücke bei Tanger (Kobelt), vier Stücke zwischen Tanger und Tetuan (Simon) und vier Stücke von der Route Mogador-Marocco (Simon) ein- gesandt, welch’ letztere zwischen dem 5. und 16. März 1881 gesammelt worden waren. Die maroccanischen Exemplare dieser Species haben ganz normal zweireihige Subarticular- tuberkel an Fingern und Zehen, und der zweite Finger der Hand ist wesentlich kürzer als der erste. Die Tarsalfalte am Fusse ist stark entwickelt, und die Körperhaut ist warzenspitzig. Die Färbung ist im Allgemeinen die der algerischen Stücke, aber die Rückenflecke zeigen häufig tiefschwarze Säume und die Körperwarzen tragen oft eine röthliche Spitze. Bei den erwach- senen Männchen zeigen sich die Fingerspitzen und Fusstuberkel braun, verhornt. Junge Exem- — 13, 2 — plare sind auf dem Rücken meist fast ungefleckt, einfarbig grau und nur die Warzenspitzen etwas heller; höchstens sind die Seiten des Kopfes deutlicher gefleckt. Die Gliedmaassen sind jedoch auch in der Jugend stets mit Fleckbändern geziert. Ein etwas abweichend gefärbtes junges Stück von Tanger ist hell grünlichgrau mit zahlreichen, gelblichen Warzenkörnern und kleinen, schwarzen, dieselben umgebenden Fleckchen. Die Lippenränder und die Extremitäten zeigen grössere, schwarze Flecken und Binden. Man kennt diese speeifisch nordafricanische Art aus Marocco jetzt von folgenden zahl- reichen Fundorten: Tanger (Günther, Camerano), Tanger-Tetuan (Simon), Tetuan, Larache, Rebat, Mogador (Camerano), Mogador-Marocco (Simon, Mazagan und Saffi (Camerano). Sonst ist B. Mauritanicus nur noch bekannt aus Algerien (Schlegel, Boulenger u. a.), wo er sehr häufig zu sein scheint, und aus Tunis (Boulenger). 4. Bufo vulgaris Laur. 1768. Camerano, Atti Accad. Torino Bnd. 13, 1877—78 p. 551. Wird von Hrn. Camerano von Larache angeführt. Mir ist leider bis jetzt noch kein Stück dieser Art, die in Marocco nicht häufig sein dürfte, eingesandt worden. Abgesehen von Marocco findet sich B. vulgaris in Afrika noch in Algerien. In Europa ist er verbreitet über den ganzen Erdtheil, wird aber von den griechischen Inseln nur von Zante (?) erwähnt (v. Bedriaga). In Asien kennt man ihn von der Insel Cypern, dann von Persien, von wo aus er einer- seits durch Transkaukasien geht und sich an den südrussischen Verbreitungsbezirk der Art anschliesst, andererseits die ganze palaearktische Region ostwärts bis China und Japan (Stein- dachner, F. Müller, Boulenger) bewohnt. II. Fam. Hylidae. I. Gen. Hyla Laur. 5. Hyla viridis L. sp. 1761 var. meridionalis Bttg. 1874. v. Fritsch, Mittheil. des Ver. f. Erdkunde 1877 p. 22; Camerano, Atti Accad. Torino Bnd. 13, 1877—78 p. 557 (arborea). Es liegen vor von dieser Varietät, die ich in »Reptilien von Marocco und v. d. Cana- rischen Inseln, Frankfurt a. M. 1874 p. 66« zuerst von den Canarischen Inseln beschrieben —ı sl habe, 3 Stücke von Tanger (Kobelt), 11 Stücke von Tanger-Tetuan (Simon), 2 Stücke von Casablanca (Simon) und ein Stück von Mogador-Marocco (Simon), das zwischen dem 5. und 16. März 1881 gefangen wurde. Bei den Exemplaren von Tanger und Tanger-Tetuan (Nr. 7 ete.) ist die Postbrachial- falte meistens sehr stark entwickelt. Der Rücken ist hier entweder einfarbig grün (82°) oder mit wenigen — wenig mehr als einem Dutzend — deutlichen schwärzlichen Punktflecken ge- zeichnet (9°) oder endlich mit zahlreichen, sehr feinen, schwärzlichen Pünktchen überstreut (9%), die aber stets die Grundfarbe nur wenig alteriren. Die Schenkelinnenseite ist öfters satt goldgelb gefärbt. Der Frenal- und Ohrstreif erscheint immer sehr matt graulich, ist oft kaum angedeutet und geht stets nur bis in die Axillargegend; der Seitenstreif und die Hüft- schlinge fehlen vollständig; die Kehlseiten sind immer stark grün tingirt. Die beiden sehr grossen Stücke von ls: (Nr. 15 und 16) zeigen ebenfalls einen sehr feinen und nur bis in die Axillargegend reichenden Frenal- und OÖhrstreifen. Auch hier greift das Grün der Oberseite am Mundwinkel stark auf die Kehlseiten über. Das Exemplar von der Route Mogador-Marocco endlich besitzt einen schwarzen Längsstreifen, der vom Nasenloch durch das Auge und von hier an breiter werdend über das Trommelfell hin bis in die Gegend der Insertion der Vordergliedmaassen zieht, um hier mit einigen Pünktchen vor der Mitte der Körperseiten zu verschwinden. Der Seitenstreif und die Hüftschlingen fehlen auch hier. Der schwarze Augenstreif ist nach oben und unten von einer helleren, weisslichen Zone begränzt und gegen das Grün der Oberseite etwas abgesetzt. Der Bauch und die Schenkelinnenseite sind hochgelb. Maasse: Nora No 190 Nor 16: Körperlängen 2 ee 38 45 mm Länge der Hinterextremität . . 67 631), 72» Verhältniss von Körperlänge zur Länge der Hinterextremität im Mittel bei maroccanischen Exemplaren wie 1: 1,63. Aus Marocco kennt man die Art bis jetzt von Tanger, Tanger-Tetuan, Casa- blanca (v. Fritsch u. a.), wo dieselbe überaus häufig auftritt, von Mogador-Marocco und von Mazagan und Saffi (Camerano). Sonst ist die var. meridionalis verbreitet in Afrika auf den Canarischen Inseln (Barker- Webb, Bolle u. a.), auf Madeira (Boulenger), in Algerien (Strauch) und in Tunis (Boulenger). Sie findet sich ausserdem in Europa auf den Balearen, auf der pyrenäischen Halbinsel — ‚137. — (H. Perezi Boscä), auf den Hyeres in Südfrankreich (Bttg.) und bei Bologna in Oberitalien (Boulenger). Die typische Art lebt ausserdem noch in ganz Europa mit Ausschluss von Grossbritannien und Irland, sowie mit Ausnahme des hohen Nordens. Sie findet sich auch in der Krim (Retowski i. lit.) und in Kieinasien (Boulenger). Eine etwas in der Färbung abweichende Rasse (intermedia Boul.) findet sich auf Sieilien und Sardinien und bei Bologna (Boulenger), eine weitere Rasse (Savignyi Aud.) lebt auf Elba, in Aegypten, Palästina, Syrien, auf Cypern, in Kleinasien, in den Euphratgegenden und Mesopotamien, in Nordpersien und auf Hainan und eine letzte Rasse endlich (Japonica Schleg.) wird von Japan angegeben. III. Fam. Discoglossidae. I. Gen. Discoglossus Otth. 6. Discoglossus pietus Grav. sp. 1829 und var. Sardoa Gene 1839. Camerano, Atti Accad. Torino Bnd. 13, 1877—78 p. 548 (Scovazzü). Es liegen zahlreiche Stücke dieser Art aus Marocco vor. 11 wurden zwischen Tanger und Tetuan (Simon), 8 bei Casablanca (Simon) und 9 während des Zeitraums vom 5. bis zum 16. März 1881 zwischen Mogador und Marocco (Simon) gesammelt. Verglichen mit Exemplaren aus Nordwest-Spanien sind die vorliegenden Stücke etwas weniger stumpfschnäuziger — nicht spitzschnäuziger, wie Camerano für seinen D. Sco- vazzi will — ,„ das Trommelfell ist etwas deutlicher sichtbar, und der Rücken des Weibchens ist — namentlich bei den Stücken von Tanger und Tetuan, weniger bei den Exemplaren von Mogador und Marocco — noch mehr runzelig und längsfaltig als sonst gewöhnlich. In der Brunstzeit ist beim Männchen der ganze Umkreis der Kehle in einem an den Unterkiefer sich anlegenden, am Kinnwinkel sich verbreiternden Halbbogen, sowie die Säume der Schwimmhaut an den Hinterfüssen mit einer schwarzen, sammtartigen Bürste bedeckt, alles ganz wie bei der spanischen Form. Die Zeichnung besteht entweder in 6 — oder, wenn die beiden mittelsten in eine vereinigt sind, in 5 — Längsreihen schwarzer, hell gesäumter Flecken längs des Rückens und stellt dann die var. Sardoa Gene dar (82°), oder das oberseits hell grüngraue Thier zeigt einen lebhaften hellen Rückenstreifen, sowie zwei seitlich davon gelegene schwarze Rückenzonen (4°jo) und ausserdem noch den schwarzen Augenstreifen und einen grossen schwarzen Fleck über der Insertion der Vordergliedmaassen, oder es zeigt einen breiten hellen Rückenstreifen, die — 1382 — gewöhnliche schwarze Rückenfleckung und wenig deutlich markirte hellere Seitenstreifen (14°). Mitunter ist auch der helle Medianstreif in der Rückenmitte kurz unterbrochen. Die drei letzt- genannten Formen dürfen getrost der typischen Art zugezählt werden. Die Stücke von Tanger- Tetuan gehören in 27% zur typischen Form, in 73% zur var. Sardoa, die von Casablanca in 25° zur typischen Form, in 75° zur var. Sardoa, die von Mogador-Marocco aber sämmtlich zur Varietät. Auffallend ist ausserdem, dass, entgegen der gewöhnlichen Annahme, nach welcher die typische Färbung mit hellem Rückenstreif nur beim Männchen auftreten soll, hier diese Zeich- nung nur an Weibchen nachgewiesen werden konnte. Nach genauer Vergleichung unterscheidet sich der vorliegende Discoglossus Scovazzii Came- rano’s in keinen wesentlichen Punkte von der er und algerischen Form des D. pietus, und ich kann die maroccanische Form daher nicht einmal als Varietät gelten lassen. Form und Färbung ist wirklich geradezu identisch. Aus Marocco kennt man diesen schönen Frosch jetzt von Tanger (Camerano), Tanger-Tetuan, Tetuan (Camerano), Casablanca, Mogador und Mogador- Marocco. Sonst wird derselbe aus Afrika nur noch erwähnt von Algerien, wo er sehr gemein sein muss (Strauch) und von Tunis (Boulenger). In Europa findet er sich auf der pyrenaeischen Halbinsel namentlich im Centrum, sowie gegen den Westen und Süden hin, fehlt den Balearen und findet sich wieder auf Corsika und Sardinien und auf den umliegenden kleineren Inseln, sowie auf Sicilien, Malta und den’ionischen Inseln (v. Bedriaga). IV. Fam. Ranidae. I. Gen. Rana L. 7. Rana esculenta L. 1758 var. Hispanica Michah. 1830. Steindachner, Amphib. in Reise d. Novara Zool. Th., Bnd. 1, Wien 1869 p. 16; Boettger, Marocco p. 45; Camerano, Atti Accad. Torino Bnd. 15, 1877—78 p. 544. Es liegen von dieser in Marocco häufigen Species vor: Ein Stück von Tanger (Kobelt) 4 Stücke von Tanger-Tetuan (Simon), 5 Stücke von Casablanca (Simon) und 50 Stücke von der Route Mogador-Marocco (Simon), wo dieselben zwischen dem 5. und 16. März 1881 erbeutet wurden. Das einzige von Tanger vorliegende Stück ist ein Männchen mit breitem gelbem Rückenstreif. — A339 — Die Exemplare von Tanger-Tetuan stimmen in der Färbung merkwürdig mit Stücken der var. Hispanica Michah. aus Südspanien überein; eines der vorliegenden Weibchen zeigt einen feinen hellen Rückenstreifen. Vier von den 5 Exemplaren aus Casablanca, darunter drei Weibchen, haben längs des Rückens drei ganz schwache hellere Längsstreifen, und die Kehle und Vorderbrust ist bei denselben bald weiss, bald mit einzelnen schwarzen Fleckchen tingirt. Ein Männchen von hier zeigt vier Reihen grosser, weitläufig und etwas unregelmässig gestellter, quadratischer Flecken längs des Rückens und, wie die früher von mir aus Mogador erwähnten Stücke, lebhaft gefleckte Körperseiten und Hinterschenkel. Die Schwimmhaut der Hinterfüsse ist bei diesem einen Stücke auffallender Weise kürzer (nur °« und stark ausgebuchtet) als bei Exemplaren der var. Hispanica Michah. aus Nordwest-Spanien; sonst aber finde ich keinen nennenswerthen Unterschied. Die zahlreich von Mogador-Marocco vorliegenden, meist jüngeren Exemplare zeigen fast immer kleinere und unregelmässiger gestellte Rückenflecke und lebhafter grüne Färbung; bei einzelnen ist auch die Rückenfleckung und die Bänderung der Hinterschenkel ziemlich un- deutlich. Stets ist bei älteren Stücken der Hinterrücken ziemlich stark warzig und höckerig, ganz wie bei den algerischen Exemplaren dieser Art. Von den 50 vorliegenden Stücken besitzen 49 keine Spur von hellen Linien längs des Rückens, und nur ein einziges Männchen trägt die drei charakteristischen Längsstreifen der Art, die aber hier nur wenig heller als die Grundfarbe erscheinen. Aus Marocco kennt man den Wasserfrosch jetzt von Tanger (Camerano), Tanger- Tetuan, Tetuan, Larache, Rebat, Casablanca (Camerano), aus dem Ued Ksib bei Mogador (Bttg.), von Mogador selbst (Camerano) und von der Route Mogador-Marocco. Steindachner nennt ihn als ziemlich häufig im nördlichen und westlichen Maroceo. In Afrika lebt die Art sonst noch auf den Madeiren und Canaren (Barker-Webb), in ganz Algerien und Tunis, wo sie südlich bis in die Süd-Sahara geht (Tristram), in Tripoletanien (Peters) und in Aegypten (F. Müller). In Europa ist sie überall vom äussersten Osten bis zur pyrenaeischen Halbinsel und den Balearen verbreitet. In Asien geht R. esculenta von Palaestina Syrien, Cypern und Kleinasien über die Ebenen von Phoenizien und das Euphratthal bis Armenien, Persien und Transkaukasien, ja nach Steindachner, Hilgendorf u.a. (in der var. Japonica (Boulenger) bis China und Japan. — 140 — Schlussbetrachtungen: Indem ich das Marocco p. 46 Gesagte hier grossentheils wiederhole, füge ich zugleich die Neubeobachtungen ein und erweitere meine damaligen Resultate so nach mehreren Richtungen. Schon P. Gervais macht in seiner »Enumeration de quelques especes de Reptiles provenant de Barbarie« in Ann. d. sciences natur. (2) Bnd. 6, Zoologie 1836 p. 308 auf die grosse Aehnlichkeit der Reptilfauna von Algerien und Marocco mit der Fauna der übrigen Mittelmeerküsten aufmerksam und betont insbesondere, dass die Zahl der in Spanien und Süd- griechenland vorkommenden Arten, die sich in der Berberei wiederfinden, ohne Vergleich grösser sei, als die Zahl der mit Aegypten gemeinschaftlichen Arten. In seiner zweiten Arbeit »Animaux vertebres de lP’Algerie« ebenda (3) Bnd. 10, Zoologie 1848 p. 205 erwähnt derselbe, dass oben Gesagtes in vollstem Maasse für die Provinzen des kleinen Atlas gelten könne, fügt aber hinzu, dass die aus der algerischen Sahara stammenden Arten sich fast ganz den Formen von Senegambien und Nubien anschlössen und demnach zum afrikanischen Faunengebiete zu zählen seien. Eichwald sucht sich in Nouv. Mein. d. 1. Soc. Imp. d. Natur. d. Moscou, Bnd. 9, 1851 p. 374 die Thatsache, dass die Reptilien und Amphibien der nordafrikanischen Küste denen des südlichen Europas so überraschend ähnlich sind, dadurch zu erklären, dass analog dem Gebirgsbaue der eircummediterranen Länder auch die Reptilfauna derselben auf ein gleiches Alter zurückzuführen sei, und dass erst der Durchbruch des atlantischen Oceans durch die Strasse von Gibraltar Afrika von Spanien und Sieilien und Sicilien von Italien getrennt habe, Auch Boyd Dawkins nimmt in »Quarterly Journ. of the Geol. Soc. Bnd. 28, 1872 Nr. 112« zur Erklärung der Verbreitung mehrerer Säugethiere der quaternären Periode eine breite Land- verbindung zwischen Spanien, Griechenland und Afrika vor der europaeischen Eiszeit als sehr wahrscheinlich an. A. Günther führt in Proceed. Zool. Soc. London Bnd. 27, 1859 p. 473 aus, dass von den 12 von ihm aus der Wüste südlich von Algerien und Tunis angeführten Arten nicht weniger als 7 (also 58,33%) auch in Südeuropa angetroffen worden seien, und dass also die europaeische Reptil- und Amphibienfauna sich über den Atlas hinaus bis in das Innere der Sahara erstrecke. Wenn wir, fährt derselbe p. 474 fort, nach der Gränze fragen zwischen den Faunen der palaearktischen und der aethiopischen Region, so ist es ähnlich wie mit der — 141- — Wasserscheide zwischen zwei Flusssystemen: Zuflüsse des einen reichen weit in das Bereich des andern. Nichtsdestoweniger müssen wir eine solche Linie ziehen, und da die von Hrn. Tristram gesammelten Reptilien identisch mit solchen nördlich des Atlas vorkommenden sind, kann dieselbe nicht mit der Frstreckung dieses Gebirgszuges zusammenfallen, sondern muss in die Wüste selbst zurückverlegt werden. Wahrscheinlich dringt die aethiopische Fauna von Süden, ähnlich wie die europaeische Fauna von Norden her in die Wüste; und ein künftiger Versuch zu einer Gesammtaufzählung der Fauna der Sahara muss entsprechend folgenden drei Kategorien entworfen werden: 1) generisch und specifisch zur palaearktischen Fauna gehörige Thiere, 2) generisch und specifisch zur aethiopischen Fauna gehörige Thiere, und 3) der Wüste generisch eigenthümliche Thiere. ® Auch A. Strauch in seinem Essai d’une Erpetologie de l’Algerie in M&m. Acad. Imp. d. Sciences, St. Petersbourg (7) Bnd. 4 Nr. 7, 1862 p. 84 kommt nach eingehenden Unter- suchungen von 76 algerischen Reptil- und Amphibienarten, unter denen sich freilich noch eine grosse Anzahl zweifelhafter Species befinden, am Ende zu dem Schlusse, dass Algerien keine ihm eigenthümliche F auna, sondern eine Uebergangsfauna besitze, in der sich europaeische mit afrikanischen Formen vermischen. Reducire ich die bei Strauch angeführten Arten, indem ich die ungewissen — Sphargis coriacea, Platydactylus Delalandei, Lacerta viridis, Coronella Austriaca, Zamenis atrovirens, Euproctus Ruscomii — und eine Reihe von als Species auf- geführten Varietäten — Stenodactylus Mauritanieus, Lacerta deserti, Coronella taeniata und textilis, Psammophis punctatus — einziehe, auf 65, und füge ich dazu die seitdem in Algerien neu aufgefundenen 10 Species — Zamenis ater nach Günther, Amphisbaena einerea nach Lallemant, Ophiops elegans nach Lataste, Psammodromus Hispanieus nach F. Müller, Algira (Zerzumia) Blanei nach Lataste, Seincopus fasciatus nach Peters, Agama Tournevillei nach Lataste und Ag. Bibroni nach Boettger, Pfyodactylus Hasselquisti nach Jan (Oudrii Lat.) und Pleurodeles (Glossoliga) Hagenmülleri nach Lataste — so erhalte ich 75 in Algerien ein- heimische Reptil- und Amphibienarten. Unter diesen 75 Species finden sich von 5 Schildkröten vier, von 42 Eidechsen sechzehn, von 19 Schlangen zehn und von 9 Amphibien sechs auch in Europa, also in Summa »36«, d.h. 48°/o der ganzen algerischen Reptil- und Amphibien- fauna, ein Resultat, welches nahezu mit dem 1874 von mir (47,06°) und noch früher von A. Strauch gefundenen (51,32°/) übereinstimmt. A. R. Wallace endlich bemerkt in »Geogr. Verbreitung der Thiere, deutsch von A. B. Meyer, Bnd. 1, Dresden 1876 p. 137« folgendes: Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 19 —.142 — »Während einer langen Zeitfolge repraesentiren verschiedenartige Formen von Affen, Hyänen, Löwen, Pferden, Hipparions, Tapiren, Rhinocerossen, Hippopotamen, Elephanten, Mastodonten, Hirschen und Antilopen zusammen mit fast allen jetzt lebenden Formen eine reiche und bunte Fauna, wie wir sie jetzt nur in dem offenen Lande des tropischen Afrikas sehen. Wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass während dieser ganzen Periode das Klima oder andere physkalische Verhältnisse Europas der Existenz dieser Thiere günstiger waren als jetzt. Wir müssen daher auf sie ais auf die ächten Eingeborenen des Landes sehen, und wir müssen ihr verhältnissmässig neuerliches Aussterben oder ihre Verbannung als ein bemerkenswerthes Phaenomen betrachten, für welches irgend eine zureichende Ursache vorhanden sein muss. Welches diese Ursache gewesen, darüber haben wir nur Muthmaassungen, aber es ist höchst wahrscheinlich, dass es eine Folge der combinirten Thätigkeit der Eiszeit und der Unterwassersetzung grosser einst Europa mit Afrika verbindender Landes-Areale war. Die Existenz von nicht weniger als drei ausgestorbenen Arten von Elephanten — von denen zwei von sehr kleiner Statur waren —, eines gigantischen Siebenschläfers, eines ausgestorbenen Hippopotamus und anderer Säugethiere auf der kleinen Insel Malta, wie auch das Vorkommen von Ueberresten des Hippopotamus in den Höhlen Gibraltars, beweist sehr deutlich, dass während der Pliocaen-Periode und während eines sehr beträchtlichen Theils der Postpliocaen- Periode eine Verbindung zwischen Südeuropa und Nordafrika wenigstens an diesen zwei Orten vorhanden gewesen ist.« Und weiter p. 239: »Es scheint auf den ersten Blick sehr aussergewöhnlich, dass ein so grosses. und breites Meer, wie das mittelländische, nicht verschiedenartige Faunen von einander trennen sollte, und es ist dieses um so bemerkenswerther, als wir finden, dass das mittelländische Meer sehr tief ist, und dass wir es daher wol für sehr alt halten müssen. Sein östlicher Theil erreicht eine Tiefe von 2100 Faden oder 12600 Fuss, während sein westliches Becken ungefähr 1600 Faden oder 9600 Fuss grösste Tiefe hat, und ein beträchtliches Areal beider Becken ist mehr als 1000 Faden tief. Aber eine weitere Untersuchung zeigt, dass eine verhältnissmässig flache See oder eine versunkene Bank Malta und Sicilien einschliesst und dass an der entgegen- gesetzten Küste eine ähnliche Bank sich von der Küste von Tripolis aus erstreckt und nur einen engen Kanal übrig lässt, dessen grösste Tiefe 240 Faden ist. Hier befindet sich also ein breites Plateau, welches eine Hebung von ungefähr 1500 Fuss in eine weite Landstrecke verwandeln müsste, die Italien und Afrika verbindet; während dieselbe Erhebung ebenfalls Marocco mit Spanien verbände und zwei ausgedehnte Seen übrig liesse, welche das repraesentiren — 13 — würden, was jetzt das mittelländische Meer ist, so dass Landthiere frei zwischen Enropa und Nordafrika communiciren könnten. Dass dieser Zustand zu einer verhältnissmässig neueren Periode existirte, ist fast sicher, nicht nur weil eine beträchtliche Anzahl von identischen Arten von Säugethieren die gegenüberliegenden Ufer des mittelländischen Meeres bewohnt, sondern auch, weil zahlreiche Ueberreste von drei Arten von Elephanten in Höhlen auf Malta gefunden worden sind — jetzt eine kleine felsige Insel, auf welcher solche Thiere unmöglich leben könnten, selbst wenn sie sie erreichen würden. Ueberreste von Hippopotamus werden auch in Gibraltar gefunden, und viele andere Thiere afrikanischer Typen in Griechenland; alle beweisen eine Verbindung zwischen Süd-Europa und Nord-Afrika, welche jetzt nicht mehr existirt.< In meinen »Reptilien von Marocco, 1874 p. 48« war ich in der Lage, 21 in Marocco gefundene Reptilien und Amphibien aufzuzählen, unter denen Testudo Ibera, Saurodactylus Mauritanicus und trachyblepharus, Eumeces pavwimentatus, Seps mionecton und Vipera arietans, also 6 Species, zum ersten Male von dort angegeben wurden. Zu diesen 21 Species kamen in den oben citirten Nachträgen noch 8 Arten (eigentlich 10, von denen aber zwei der aufgezählten Formen als Synonyme zu betrachten sind), so dass also bis heute aus Marocco 29 Reptil- und Amphibienarten bekannt waren. Die vorliegende Arbeit fügt zu diesen 29 Species noch folgende 11 weitere: Rhinechis Amaliae, Zamenis viridiflavus (2), Eryz Thebaicus, Vipera Euphratica und Latastei, Lacerta muralis, Algira microdactYla, Psammodromus Hispanicus, Podarces Simoni, Pseudopus apus und Bufo viridis, von denen nur 3 von anderer Seite aus Marocco angeführt werden. Unsere jetzige Aufzählung ergibt demnach für Marocco 33 Arten Reptilien (82,5°%) und 7 Arten Amphibien (17,5°0), in Summa 40 Kriechthierspecies. Die 33 Reptilien vertheilen sich den Ordnungen nach auf Schlangen 13 —= 32,5°, Eidechsen 18 — 45 °, Schildkröten 2—= 5 %; die 7 Amphibien auf Urodelen 1= 235°, Anuren 6 — 15 % aller gefundenen Kriechthierspeecies. Unterscheiden wir die 40 Arten nach ihrem Verbreitungsbezirk, so sind Bewohner der eircummediterranen Region die folgenden 27 Species: — 144 — 1. Coronella Girondica. 33. Eumeces pavimentatus. 2. » eucullata. 24. Seps ocellatus. 4. Zamenis viridiflavus. 26. » chalcides. 5 » hippocrepis. 29. Tarentola Mauritanica. 6 » Oliffordi. 31. Chamaeleo vulgaris. 7. Tropidonotus viperinus. 32. Testudo Ibera. 8. Ooelopeltis lacertina. 33. Olemmys Caspia. 12. Vipera Euphratica. 1. Pleurodeles Waltli. ak » Latastei. 2. Bufo viridis. 15. Amphisbaena cinerea. 4. » vulgaris. 16. Lacerta muralis. 5. Hyla viridis. 17. Algira Algira. 6. Discoglossus Pictus. 19. Psammodromus Hispanicus. 7. Rana esculenta. 22. Pseudopus apus. Specifisch nordafrikanisch scheinen folgende 6 Arten zu sein: 9. Eryx Thebaicus. 27. Saurodactylus Mauritanicus. 14. Trogonophis Wiegmannı. 30. Agama Bibroni. 20. Acanthodactylus lineomaculatus. 3. Bufo Mauritanicus. Zum aethiopischen Faunengebiete gehören die 2 Giftschlangen : 10. Naja haje. 11. Vipera arietans. Marocco vorderhand eigenthümlich sind schliesslich noch die 5 folgenden Arten: 3. Rhinechis Amaliae. 25. Seps mionecton. 18. Algira microdactyla. 28. Saurodactylus trachyblepharus. 21. Podarces Simoni. « Nach Procenten wäre dies: Circummediterrane Formen 67,5% (1874: 61,9; 1877: 62,96; 1879: 64,52). Speeifisch nordafrikanische Formen 15% (1874: 14,29; 1877: 11,11; 1879: 9,68). Specifisch aethiopische Formen 5° (1874: 9,52; 1877: 14,82; 1879: 12,9). Marocco eigenthümliche Formen 12,5° (1874: 14,29; 1877: 11,11; 1879: 12,9). Nach den wichtigsten in Betracht kommenden Ländern vertheilt finden wir bezüglich der geographischen Verbreitung der einzelnen Arten folgende Verhältnisse : — 15 = Reptilien (33). Breenthüumlichrfurs Maroccol sind«#37 1er 21m 2m n 28 22 Se AA 5 od. 15,15 Gemeinsam mit Algerien: 1, 2, 4—8, 12—17, 19, 20, 22—24, 26, 27,29—33 — 25 75,75 » Gemeinsam mit der pyrenäischen Halbinsel einschliesslich der Balearen: ann 8 13, 15-17 1009, oRmognamasr, TRENNEN AR ABI Gemeinsam mit dem sonstigen Europa (Spanien excl.): 1, 2, 4, 5, 7, 8, TO 117. 1190. 99,.,94,, 26,,9985 330" Van an un ar OS TENEEN Gemeinsam mit Tunis und Tripoletanien: 2, 5, 6, 8, 16, 24, 26, 29, 31, 32 = 10 » 30,30 » Gemeinsam mit Aegypten, Nubien, dem Sennär und Abessynien: 2, 6, 8-19,.19% 931.241 ’96,, 9979312 330. AIR OS EI RS RD. 27950139 Gemeinsam mit Senegambien: 911... men nn 8,» 19,09 > Amphibien (7). BıeenthumlichsfürzMargeeo, sind 0.2 2. „1 ee a Ds 0» (Gemensamsmity Alcerien“2- 70 1.2.1 2.200.217 162037 285,110 Gemeinsam mit der pyrenäischen Halbinsel einschliesslich der Balearen: 1 a EB 2°. 6, Bl Gemeinsam mit dem sonstigen Europa (Spanien excl): 2, 4-7 ...— 5» 7143» Gemeinsam mit Tunis und Tripoletanien: 2, 3, 5-7... 2... 5 » 71,43 » Gemeinsam mit Aegypten, Nubien, dem Sennär und Abessynien: 2,5, 7 = 53 » 42,86 » (Gemeinsamamiıt»Senegambien 02.7 2.0.10. er en 2100 0 >» Die Reptil- und Amphibienfauna Maroccos besteht demnach, soweit sie bis jetzt bekannt ist, vorwiegend aus palaearktischen Formen und gleicht somit in hohem Grade der Reptil- und Amphibienfauna von Algerien, die uns Dank den Untersuchungen vor Allem der Herren M. Wagner, P. Gervais, A. Guichenot, E. Eichwald, A. Günther, A. Strauch und F. Lataste jetzt besser als die manches anderen an das Mittelmeer angränzenden Landes bekannt ist. Es finden sich nicht weniger als 31 von den 40 angeführten Arten, also volle 77,5%, (1874: 76,19%; 1877: 74,07°)) auch in Algerien. Aehnlich wie A. Strauch in M&m. Acad. Imp. d. Sciences, St.-Petersbourg (7) Bnd. 4 No. 7, 1862 p. 85 die Ansicht ausspricht und mit Zahlen belegt, dass die Reptilfauna von Algerien unter allen europäischen Faunen am meisten der von Italien nahekommt, müssen wir die Thatsache constatiren, dass von allen Ländern in Südeuropa die benachbarte pyrenäische Halbinsel es ist, welche das grösste Contingent mit Marocco übereinstimmender Arten auf- —uao, — zuweisen hat. Alle 27 oben als circummediterran angegebenen Species, die sich bis jetzt in Marocco gefunden haben, sind bis auf 5, nämlich mit Ausnahme von Zamenis Cliffordi, Vipera Euphratica, Pseudopus apus, Eumeces pavimentatus und Testudo Ibera zugleich auch Bewohner des südlichen Spaniens, also volle 55° (1874: 52,38%; 1877: 51,48%). Mit Europa über- haupt aber hat Marocco 24 von 40 Species oder 60° gemein, während Algerien, wie wir oben gehört haben, nur 36 von 75 oder 48° seiner Reptil- und Amphibienfauna mit Europa gemeinsam zeigt. Mit der senegambischen hat die Fauna von Maroceo nur eine ganz oberflächliche Ver- wandtschaft. Kein einziges der in Senegambien so zahlreich vertretenen Amphibien ist nördlich bis Marocco vorgedrungen, und der Procentsatz der gemeinsamen Kriechthierarten stellt sich bis jetzt auf nur 7,5°0, eine Illustration zu der scharfen Abgränzung von aethiopischem und palaearktischem Faunengebiet durch einen weiten Wüstengürtel, wie sie treffender kaum gedacht werden könnte., Soll ich zum Schluss noch der Arten gedenken, deren Vorkommen in Marocco mit ziem- licher Wahrscheinlichkeit zu vermuthen steht, die aber bis jetzt noch nicht daselbst nachgewiesen werden konnten, so wären in erster Linie etwa folgende 13 Species zu nennen: Tropidonotus natris L. Sp. Hemidactylus verruculatus Cu. Psammophis moniliger Daud. sp. Tarentola Delalandei D. B. sp. Echis arenicola Boie. Chelone viridis Schneid. Sp. Lacerta ocellata Daud. Thalassochelys caretta L. Sp. Acanthodactylus vulgaris D. B. Sphargis coriacea L. SP. » scutellatus Aud. sp. Salamandra maculosa Laur. Anguis fragilis L. Künftigen Forschungen muss es vorbehalten bleiben, diese und wohl noch andere meist von Spanien oder von Algerien, vielleicht auch die eine oder andre von Senegambien bekannte Arten für Marocco, von dessen Reptil- und Amphibienreichthum wir im Augenblick wohl erst zwei Dritttheile kennen dürften, zu constatiren. FrankfurtM Boettger. TEN, SEES $ vs a u IA [) i - Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Kehlkopfes der Säugethiere und des Menschen. Arbeit aus der Senckenberg’schen Anatomie von Dr. med. Otto Koerner. Mit einer Tafel. In den folgenden Zeilen suche ich durch Bearbeitung des mir .aus der Sammlung der Senckenberg’schen Anatomie zu Frankfurt am Main von Herrn Professor Dr. Lucae gütigst überlassenen Materials einen kleinen Beitrag zur vergleichenden Myologie und Physiologie des Kehlkopfes der Säugethiere und des Menschen zu liefern. Es dürfte dieses Unternehmen durch die sehr stiefmütterliche Behandlung unseres Gegenstandes in der Litteratur genügende Recht- fertigung finden, zumal bereits von anderer Seite !) diese Lücke empfunden und zu derartigen Arbeiten aufgefordert worden ist. Ich bin mir freilich bewusst, wie grosse Zurückhaltung bei der Verwerthung eines verhältnissmässig so geringen Materials, wie es mir zur Verfügung stand, geboten ist. Der Befund an einem Object — meist stand mir nur ein Kehlkopf einer Species zur Verfügung — ist noch nicht unbedingt für die Species charakteristisch ; es können individuelle und durch Alter und Geschlecht bedingte Verhältnisse vorliegen. Erst eine grosse Reihe genau untersuchter Objecte lehrt uns Regel und Ausnahme scheiden. Es erscheint deshalb wünschenswerth, eine derartige Arbeit auf möglichst breiter Basis aufzubauen. Das hat keine nennenswerthe Schwierigkeit bei Thieren, deren Kehlkopf leicht in grösserer Anzahl zu beschaffen ist, wie z. B. bei den Haussäugethieren. Wo es sich aber, wie in vorliegendem Falle, vorzugsweise um seltenere Objecte handelt, soll man, glaube ich, auch bei geringerem Material nicht mit der Bearbeitung zurückhalten. Sammeln und Aufstapeln desselben führt es schliesslich Einem Beobachter zu, während bei einem noch so wenig bekannten Gebiete, wie es die Anatomie des Säugethierkehlkopfes ist, zunächst Bearbeitungen von möglichst verschie- denen Seiten wünschenswerth erscheinen; denn nur so wird durch die verschiedene Individuali- ‘) M. Fürbringer, Beitrag zur Kenntniss der Kehlkopfmuskeln. Jena 1875, p. 1. — 148 — tät der Bearbeiter eine grössere Anzahl die Untersuchung belebender Gesichtspunkte gewonnen werden, auf deren Mangel Fürbringer die Unzulänglichkeit der meisten bisherigen myoto- mischen Arbeiten über den Säugethierkehlkopf mit Recht zurückführt. — Es versteht sich von selbst, dass die auf solche Weise erlangten Befunde zunächst nur auf die untersuchten Individuen zu beziehen sind. Nächst der rein anatomischen Vergleichung bietet eine mit Vorsicht angestellte physio- logische Betrachtung hier die fruchtbarsten und die anatomische Untersuchung am meisten belebenden Gesichtspunkte. Ich kann die hiergegen von Fürbringer geltend gemachten Bedenken nicht in ihrer ganzen Exclusivität theilen. Nachdem ich Anfangs lediglich descriptiv gearbeitet hatte, folgte ich der steten Mahnung Professor Lucae’s, an der Hand der gefun- denen Verhältnisse nach der Art ihrer functionellen Bedeutung zu suchen. Die viva vox des Lehrers und das Beispiel, das er selbst in seinen vergleichend-myologischen Arbeiten gegeben, regten lebhaft dazu an, und so beschritt ich diesen Weg in der Weise, wie es Rühlmann'') in Bezug auf die Kehlkopfmuskulatur angegeben hat. Jelenffy?) hatte hier sogar den umgekehrten Weg eingeschlagen, indem er eine manifeste Muskelwirkung rein physikalisch in Componenten zerlegte und dann zeigte, wie die einzelnen Faserrichtungen des Muskels im Sinne dieser Componenten wirken mussten. Mir diente die physiologische Betrachtung fast ausschliesslich als Leitfaden zum Verständniss complieirterer anatomischer Verhältnisse, Sie kam somit wesentlich der descriptiven Bearbeitung zu Gute und konnte, nachdem diese vollendet war, in Wegfall kommen. Im anatomischen Theil meiner Arbeit sind daher nur wenige physiologische Bemerkungen stehen geblieben und auch diese wurden meist als blosse Ver- muthungen bezeichnet. Die Kehlköpfe folgender Thiere wurden von mir untersucht und werden unten, besonders in Bezug auf ihre Muskulatur, genauer abgehandelt werden: Simia Satyrus, Cynocephalus Hamadryas, Inuus sinieus, Lemur mongoz, Halmaturus giganteus. 1) Sitzungsberichte d. Wiener Akad. d. W. XLIX. 2) Pflügers Archiv VII. —. 149 — Zu meiner ÖOrientirung präparirte ich noch und benutzte zu einer kleinen vergleichend physiologischen Betrachtung über den Musculus crico-thyreoideus (s. u.) ausser dem mensch- lichen die Kehlköpfe von: Felis catus dom., Canis vulpes, Phoca vitulina, Lepus timidus, Lepus cumiculus, S Bos taurus dom., Ovis aries, Sus scrofa dom., Equus caballus. Durch die Beschaffenheit des grösseren Theils meines Materials war ich genöthigt, mich im Wesentlichen auf die Untersuchung der eigentlichen Kehlkopfmuskulatur, d. h. der direct und indirect die Weite der Stimmritze beeinflussenden zu beschränken. Ich beschreibe zunächst die Kehlkopfmuskulatur der oben erwähnten Thiere, nachdem ich bei jedem einzelnen eine Skizze über den Bau des Kehlkopfgerüstes, soweit dasselbe für die Anordnung und Function der Muskeln von Wichtigkeit erscheint, vorausgeschickt habe. Den Schluss dieser Arbeit bildet die erwähnte vergleichend physiologische Betrachtung über den Musculus crico-thyreoideus. Die beigefügten Abbildungen sind nach der bekannten Lucae’schen Methode mit dem Lucae-Schroeder’schen Apparate in geometrischer Projection gezeichnet. !) Herr Professor Lucae, dem ich vielfache Anregung und Unterstützung während meiner Studienzeit verdanke, hat mir, wie schon oben angedeutet, auch bei dieser Arbeit in bekannter uneigennütziger Weise fördernd zur Seite gestanden, wofür ich ihm zu aufrichtigem Danke verpflichtet bin. !) Vgl. darüber die Abhandlung von Kinkelin in der Festschrift von der Versammlung der Deutschen anthropologischen Gesellschaft zu Frankfurt a. M. 1832. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XTIT. 20 ’ — 150 Simia Satyrus. Der untersuchte Larynx stammt von einem jungen Weibchen mit gut entwickelter Musku- latur und starkem Fettpolster, dessen Länge vom Scheitel bis zur Ferse bei möglichst gestreckter unterer-Extremität 61, von der Höhe des Foramen magnum bis zur Steissbeinspitze 31 cm betrug. Ich gebe diese Maasse genauer an, weil ich überzeugt bin, dass ein Theil der Ver- schiedenheiten, die die Larynxmuskulatur dieses Exemplars von der anderer seiner Species bietet, auf die Jugend und das Geschlecht des Thiers geschoben werden muss. Das Knorpelgerüst des Kehlkopfs zeigt keinerlei solche Abweichungen von dem menschlichen, die auf die Anordnung der Muskulatur von Einfluss wären. Der Ventriculus Morgagni (s. Fig. X.) ist sehr gross und communieirt mittels einer engen Oeffnung zwischen den Zungenbeinhörnern und dem oberen Schildknorpelrande mit. einem etwa kirschgrossen extralaryngealen Kehlsack. Musculus interarytaenoideus. Dieser unpaare Muskel bedeckt die hintere Fläche der Cartilagines arytaenoideae etwa in ihrer unteren Hälfte und inserirt beiderseits am lateralen Rande derselben. Sein oberer Rand verläuft parallel mit dem unteren. Auf dem Querschnitt ist er oval, an der hinteren Seite etwas abgeplattet. Der Faserverlauf ist ein durchweg paralleler wie bei dem Interarytaenoideus transversus des Menschen. Fasern, die man als Interarytaenoideus obliquus auffassen könnte, sind nicht vorhanden. : - Die obersten oberflächlichen Faserzüge dieses Muskels gehen über die Seitenränder des Giessbeckenknorpels hin in die Faserung des M. thyreo-arytaenoideus über. Dasselbe kommt beim Menschen vor, doch sind es hier häufiger Fasern des Interarytaenoideus obliquus, die diese Verbindung eingehen. z Musculus cerico-arytaenoideus lateralis. Er entspringt vom oberen Rande des Ringknorpels, und zwar erhält er seine Bündel von der Stelle an, wo der Ringknorpelbogen sich stark zur Platte zu verbreitern beginnt, bis fast zur Gelenkfläche für die Basis des Giessbeckenknorpels. Die am weitesten vorn ent- springenden Bündel kommen mehr von der innern, die hinten entspringenden auch von der äusseren Seite des oberen Ringknorpelrandes, so dass der Muskel erst nahe der Insertion den Be en Ringknorpelrand beiderseits gleichmässig umgreift. Er inserirt am seitlichen und vorderen Theil des Processus muscularis cartilaginis arytaenoideae. Der Muskel ist durchaus homogen. Mit dem M. thyreo-aryt. geht er keine Verbindung ein, auch sind keine aberrirende Fasern vorhanden. Musculus thyreo-arytaenoideus. Er entspringt an der vorderen Innenfläche des Schildknorpels in einer Bogenlinie, die am Stimmbandansatz beginnt, neben und parallel der sagittalen Medianlinie nach aufwärts steigt und ungefähr in der Mitte zwischen Incisura thyr. sup. und inf. die Medianlinie verlässt, um parallel dem Knorpelrande an der oberen Ineisur noch eine kleine Strecke nach oben und auswärts zu ziehen. Er bildet ein homogenes, breites Band, das an der vorderen Fläche und dem Seitenrand des Giessbeckenknorpels inserirt. Auf dem Querschnitt in der Mitte des Stimmbands (Fig. X) ist der Muskel unten breit und verjüngt sich nach oben und aussen allmählich. Er liegt reichlich der unteren Hälfte der Aussenwand des Ventriculus Morgagni dicht an. Mit seinen untersten und am meisten median gelegenen Fasern zieht er neben der Basis der sehr breiten Stimmbänder hin und keine seiner Fasern liegen in den die letzteren hauptsächlich bildenden Falten der elastischen Kehlkopfhaut. Dieses Verhalten des Muskels bildet den auffälligsten Unterschied zwischen der Kehlkopf- muskulatur des Orang und des Menschen, die sicherlich auch von physiologischer Bedeutung ist, da die im Stimmband verlaufenden Fasern des M. thyreo-aryt. die physikalischen Eigen- schaften des Stimmbands (Consistenz, Elastieität) ) je nach ihrem Contractionszustande beeinflussen müssen und somit bei complieirteren Schwingungsverhältnissen des Stimmbands in Betracht kommen. Von grossem Interesse scheint es mir auch zu sein, dass, wie weiter unten gezeigt werden soll, die untersuchten niederen Affen in Bezug auf das Verhalten des M. thyreo-aryt. zum Stimmband dem Menschen weit näher stehen, als der Orang. Schon dieser eine Umstand dürfte berechtigte Zweifel aufkommen lassen an der Allgemeingültigkeit des bekannten Huxley’schen Satzes, dass in anatomischer Beziehung die Anthropoiden dem Menschen näher ständen als ihren niederen Stammverwandten. ?) Die von Fürbringer (l. c. p. 80) beschriebene und als Differenzirung im Sinne des menschlichen M. thyreo-arytaenoideus superior und inferior angesprochene Trennung in einen grösseren von den unteren vier Siebentel der Cart. thyr. entspringenden und einen kleineren !) cf. Rühlmann, Untersuchungen über das Zusammenwirken der Muskeln bei einigen, häufiger vorkommenden Kehlkopfstellungen. Sitzungsberichte der Wiener Akad. d. W. LXIX, p. 295. ?) Ein genaueres Eingehen auf diesen Satz in Bezug auf den Kehlkopf wäre sehr interessant, ist aber wegen des geringen bis jetzt verarbeiteten Materials noch nicht möglich. — 12 — von dem oberen Drittel derselben kommenden Abschnitt, von denen der obere den unteren quer- faserigen mit schrägen Zügen: deckt, ist bei dem von mir untersuchten Orang nicht vorhanden. Ary-epiglottische Fasern sind bei meinem Orang nicht vorhanden. Ueber den Zusammenhang des M. thyreo-arytaenoideus mit dem M. interarytaenoideus transversus S. 0. Musculus crico-thyreoideus. Er kommt von der Aussenseite des ganzen Ringknorpelbogens und von dessen oberem Rande an der kleinen Strecke, die etwas nach innen vom Beginn des Ursprungs des M. crico- arytaenoideus lateralis anfängt und sich bis dahin erstreckt, wo die am meisten medianwärts gelegenen, von der Aussenseite des Ringknorpels kommenden Faserzüge des Muskels den oberen Rand des Knorpels kreuzen. In der Medianlinie berührt der Muskel nur am unteren Rande des Ringknorpels den gleichnamigen Muskel der Gegenseite. Er zieht, homogen, mit nur wenig divergirenden Fasern nach oben und etwas nach aussen und setzt sich an den unteren Rand des Schildknorpels in dessen ganzer Ausdehnung mit alleiniger Verschonung der mittleren Ineisur. Die erwähnten, vom oberen Rande des Ringsknorpels kommenden Fasern entsprechen ihrem Ursprung nach dem von Fürbringer (l. c. p. 45) beschriebenen selbständigen tiefen Bündel, verlaufen aber nicht wie dieses mit convergirenden Fasern an die Mitte des unteren Schildknorpelrandes, sondern gehen parallel den entsprechenden von der Aussenseite des Ringknorpels kommenden und mit diesen innig verwachsen, divergirend an den unteren inneren Schildknorpelrand, und zwar nach hinten bis in den Winkel, den derselbe mit dem Vorderrande des unteren Horns bildet. Ich fasse dieses Verhältniss als den Ausdruck einer beginnenden Differenzirung des M. crico-thyreoideus in einen externus und internus auf. Es würde also, wenn diese Auffassung sich als die richtige erweisen sollte, in Bezug auf diesen Muskel der Orang dem Menschen näher stehen als den niederen Affen, die lediglich einen stark ausgeprägten internus aufzuweisen haben. Musculus crico-arytaenoideus posticus. Er kommt von den Seiten der schwachen Crista und der hinteren Kante des unteren Rands der Ringknorpelplatte und inserirt an der lateralen Wölbung des Processus muscularis des Giessbeekenknorpels. Er ist durchaus homogen und überall fast gleich’ dick. ° Muskeln der Epiglottis sind bei dem untersuchten Orang keine vorhanden. — 13 — Cynocephalus Hamadryas und Inuus sinieus. Die Kehlköpfe dieser beiden Affen zeigen so grosse Uebereinstimmung, dass einer gemeinsamen Betrachtung derselben nichts im Wege steht. Der Larynx des Hamadryas stammt von einem alten Männchen, der des Inuus sinicus von einem noch jungen, aber ausgewachsenen Weibchen. Von dem Knorpelgerüst beider Kehlköpfe gilt dasselbe, was von dem des Orang gesagt ist. Musculus interarytaenoideus transversus. Auch bei Hamadryas und Inuus sinicus ist kein M. interarytaenoideus obliquus vorhanden. Ihr M. interarytaenoideus transversus unterscheidet sich von dem des Orang durch seine verhältnissmässig geringere Breite (sie beträgt etwa !/s der Giessbeckenknorpel, beim Orang etwa die Hälfte derselben), durch das regelmässige Oval seines Querschnitts und durch den Mangel eines jeglichen Faserübergangs in den M. thyreo-arytaenoideus. Musculus cerico-arytaenoideus lateralis. Bei beiden Affen entspringt dieser Muskel in derselben Ausdehnung wie beim Orang, jedoch nur vom oberen Rande des Ringknorpels, so dass er denselben nicht nach innen und aussen umgreift. In Bezug auf Homogenität, Selbständigkeit und Insertion stimmt der Muskel vollkommen mit dem des Orang überein, Musculus thyreo-arytaenoideus, Er entspringt an der Innenfläche des Schildknorpels dicht neben der Medianlinie und parallel derselben mit länglich ovalem Ursprung, der bei Hamadryas das untere Drittel, bei Inuus sinicus die untere Hälfte der Höhe des Schildknorpels einnimmt, und zieht in etwas zunehmender Breite durchaus homogen an die vordere Fläche und den Seitenrand des Giessbeckenknorpels. Auch auf dem Querschnitt repräsentirt er sich überall oval, und zwar in besonders regelmässiger Form bei Inuus sinieus (Fig. XI — Hamadryas Fig. XII). Bei beiden Affen liegt er in den die wahren Stimmbänder bildenden Falten der elastischen Kehlkopfhaut und stösst nur mit seinem oberen Rande an den Boden des Ventriculus Morgagni. Die untersuchten niederen Affen stehen also in Bezug auf das Verhalten dieses Muskels zum Stimmband dem Menschen näher als der Orang (s. o.), Als anscheinend geringer, aber vielleicht physiologisch wichtiger Unterschied des Menschen von den niederen — 154 — Affen ist jedoch anzuführen, dass bei ihm der Querschnitt des Muskels, soweit er im Stimmband verläuft, nicht oval, sondern dreieckig ist, der Muskel also mit einer ziemlich scharfen Kante in der das Stimmband bildenden Falte liegt. Musculus crico-thyreoideus. Er entspringt am Ringknorpelbogen von der Aussenseite des unteren Rands und dem unteren Theil der Aussenfläche mit Verschonung eines kleinen medianen Stückchens, zieht in gleichbleibendem Abstand von dem Muskel der Gegenseite senkrecht aufwärts und inserirt mit seinen medianwärts gelegenen Fasern an der Innenkante des unteren Schildknorpelrandes mit Verschonung der Incisura inferior, mit seinen lateralen Fasern an dem unteren Theil der Innenfläche des Schildknorpels — und zwar erstreckt sich diese Insertion bei Hamadryas (Fig. XII) vom unteren Rande bis zur halben Höhe des Schildknorpels; bei Inuus sinicus nimmt sie das untere Viertel ein (Fig. XI).. Der Muskel ist demnach ein ausgesprochener crico-thyreoideus internus. Musculus crico-arytaenoideus posticus. Er kommt bei beiden Affen von der hinteren unteren Hälfte der Ringknorpelplatte und von der ziemlich starken Crista, nicht aber — wie das beim Orang der Fall ist — auch vom unteren Rande der Platte, und zieht als homogener Muskel (wie beim Orang) an die laterale Wölbung des Processus muscularis cartilaginis arytaenoideae. Muskeln der Epiglottis sind nicht vorhanden. Lemur mongoz. Das Knorpelgerüst des Kehlkopfs zeigt einige Abweichungen von dem der Affen, die auf die Anordnung der Muskulatur von Einfluss sind. Die Ringknorpelplatte zeigt den Beginn einer Differenzirung in einen oberen und einen unteren Theil. Auf dem sagittalen Medianschnitt erscheint sie nämlich als aus zwei direct über einander liegenden, durchaus getrennten Knorpeln zu bestehen, von welchen der obere etwa /s, der untere ?/s der Gesammthöhe einnimmt (Fig. IX). Diese Trennung besteht jedoch nur in der Medianlinie; unmittelbar neben derselben vereinigen sich die Theile des Knorpels wieder, so dass durch das Foramen im Knorpel eine gewöhnliche Stecknadel gerade — 155’ — noch durchgeführt werden kann. Die sehr starke Crista beginnt erst unmittelbar unter diesem Loch und geht bis zum unteren Rande des Knorpels. Der Processus vocalis cartilaginis arytaenoideae verläuft als eine fast 5 mm lange gerade Leiste, deren vorderer Rand ungefähr parallel dem sagittalen Medianschnitt der Ringknorpel- platte und deren innere Fläche parallel der durch den Larynx gelegten sagittalen Median- ebene steht (Fig. IX). Der Knorpel der Epiglottis sitzt nicht unmittelbar an der Cart. thyreoideae, sondern steht mit dieser nur in membranöser Verbindung. Dagegen ist die Epiglottis mit dem über ihre Mitte ziehenden Zungenbeinkörper bindegewebig verbunden (Fig. IX). !) Musculus interarytaenoideus. Auch hier ist nur der Interarytaenoideus transversus vorhanden. Die Ränder des homo- genen, auf dem Querschnitt ovalen Muskels laufen parallel. Die Insertion verhält sich wie beim Menschen und den Affen. Ein Uebergang von Fasern in den M. thyreo-arytaenoideus -ist nicht vorhanden. Musculus crico-arytaenoideus lateralis. Er kommt von den hinteren zwei Dritteln des oberen Ringknorpelbogenrandes und zieht als schwacher homogener Muskel, ohne eine Verbindung mit dem M. thyreo-arytaenoideus einzugehen, zum seitlichen und vorderen Theil des Processus muscularis cartilaginis arytaenoideae. Musculus thyreo-arytaenoideus. Er entspringt von den unteren zwei Dritten der vorderen Innenfläche der Cartilago thyreoidea neben und parallel der sagittalen Medianlinie und verläuft homogen als dünnes breites Band mit der Mehrzahl seiner Fasern zum äusseren Seitenrand nicht des Processus muscularis, sondern des Proc. vocalis cartilaginis arytaenoideae; nur die mittleren der äusseren Faserzüge gehen in den tiefen Sulcus zwischen Processus muscularis und vocalis. Die unteren Fasern des Muskels ziehen an der Basis des Stimmbands hin, ohne in diesem zu liegen, während sein oberer, etwas verdickter Rand geradezu das Taschenband bildet. Der Muskel liegt also in der äusseren und oberen Wand des Ventriculus Morgagni (Fig. IXa). ') Unter diesen Umständen und bei dem Mangel jeglicher an die Epiglottis gehenden Muskulatur muss die Bewegung der Epiglottis an die des Zungenbeins gebunden sein. Sie kann sich also beim Larynxschluss (Schlingaet) nicht activ, sondern nur passiv durch die gegenseitige Annäherung von Schildknorpel und Zungen- bein betheiligen. — II R— An seiner Insertion berührt der Muskel den Ansatz des Stimmbands in dessen ganzer Breite und überragt ihn, sowie den ganzen Rand des steilgestellten Stimmbands um etwa 1!e mm (Fig. IX). Ueber seinen Zusammenhang mit dem M. crico-arytaenoideus posticus siehe unten. In welchem Verhältniss er zu dem von Rüdinger‘) beschriebenen Taschenbandmuskel des Menschen steht, ist noch nicht zu entscheiden. Musculus crico-thyreoideus. Er kommt vom ganzen äusseren unteren Rande und dem unteren Theil der Aussenfläche des Ringknorpelbogens und zwar berühren sich die medialen Ränder der beiderseitigen Muskeln am unteren Rande des Ringknorpels. Der Muskel zieht von da wenig nach hinten, mehr steil nach oben und setzt sich an den ganzen unteren Rand des Schildknorpels. Die inneren hinteren Fasern ziehen, am Ringknorpel noch mit den äusseren verwachsen, sich aber etwas unter dem Schildknorpelrand von diesen trennend, als starker und breiter M. crico-thyreoideus internus an das hintere Drittel der Innenfläche der Cartilago thyreoidea bis hinauf zum Cornu superius. Musculus crico-arytaenoideus posticus. Er kommt von der Crista der Ringknorpelplatte und inserirt am Seitenrande der Cartilago arytaenoidea sowie an der hinteren Seite des Processus muscularis. Die obere Hälfte seiner oberflächlichen Fasern überschreitet den Seitenrand der Cartilago arytaenoidea und geht, den tiefen zwischen diesem und dem Processus vocalis gelegenen Suleus überbrückend, in den M. thyreo-arytaenoideus über. Muskeln der Epiglottis sind nicht vorhanden (cf. die Anm, auf S. 9.). Halmaturus giganteus. Der untersuchte Larynx stammt von einem alten Männchen. Da in der mir zugänglichen Litteratur der sehr merkwürdige Kehlkopf dieses aplacentalen Thieres nur einmal, nnd auch nur höchst unvollständig und vielfach meinen Befunden widersprechend beschrieben ist 2) werde !) Monatsschrift für Ohrenheilkunde, sowie für Nasen-, Rachen- und Luftröhrenkrankheiten Nr. 9, 1867. °) C. Mayer, Ueber den Bau des Organs der Stimme etc. Nova Acta Acad. Leop.-Carol. Vol. XXIII, p. 2,659 ff. —.157. — ich auf sen Knorpelgerüst genauer eingehen, als zum blossen Verständniss der Muskulatur nöthig ist, und die schwierigen Verhältnisse durch einige Abbildungen klar zu legen suchen. Schild- und Ringknorpel sind vornen so mit einander verwachsen, dass hier weder äusser- lich, noch auf dem sagittalen Medianschnitt eine Grenze zwischen ihnen zu finden ist. Mayer bildet dieses Verhältniss (allerdings sehr schlecht) ab, erwähnt es jedoch in der Beschreibung nicht. Erst an der seitlichen Partie differenziren sich die Knorpel, indem der obere Theil als breites und starkes Cornu inferius Cartilaginis thyreoideae die untere, den Ringknorpel repräsentirende Partie überschreitet, um dann am unteren Rande der letzteren mit ihr zu ver- wachsen, nicht aber ein Gelenk zu bilden (Fig. IV, V, VD. Der Ringknorpel bildet hinten keine Platte, sondern ist daselbst bis fast zu seinem oberen Rande breit ausgeschnitten. Wo die beiden verdickten Ränder dieser Incisur (Fig. IV) zusammenstossen, ist von oben her ein kleiner Zwischenknorpel (Fig. IV4b.) keilförmig zwischen sie eingeschoben. Ein weiterer kleiner Knorpel (Fig. IV4c.) deckt den Zwischenraum zwischen dem Ringknorpel und den hinteren Fortsätzen der Giessbeckenknorpel. Von diesen kleinen Knorpeln erwähnt Mayer nichts. Die Giessbeckenknorpel (Fig. IV, 5, VIII) haben einige Aehnlichkeit mit denen des Pferdes, sind aber in jeder Richtung excessiver entwickelt. Ihr oberer innerer Rand zieht als flaches Bogenstück quer fast durch das ganze Lumen des Kehlkopfs, so dass vom Processus vocalis bis zur vorderen Schildknorpelwand nur noch eine kleine Strecke, etwa '/ des geraden Durch- messers frei bleibt. (Fig. ID. Die Stimmritze wird ausschliesslich von der Spalte zwischen den Rändern der Giessbeckenknorpel gebildet. Die Processus vocales ragen frei in das Innere des Larynx hinein. Weder ein Stimmband, noch irgend eine Schleimhautfalte, die sich als solches deuten liesse, ist vorhanden. Es laufen sogar Schleimhautfältchen senkrecht zur Rich- tung eines eventuellen Stimmbands durch den zwischen den Processus vocales und der vorderen Larynxwand liegenden freien Raum, die Faserrichtung des Musculus thyreo-arytaenoideus kreuzend (Fig. II) ). Die Seitenkante des Giessbeckenknorpels und der Processus muscularis sind sehr stark entwickelt. Der untere Rand des Knorpels zieht als starkes Horn nach hinten bis fast zur Berührung mit dem der Gegenseite und erscheint hier fast wie gerade abgeschnitten. Diese beiderseitigen Enden sind von hinten durch einen breiten, niedrigen, schmetterlingsähnlichen Sesamknorpel bedeckt, den Mayer l. c. ebenfalls nicht erwähnt (Fig. IV, 6). 1) Mayer l. c. beschreibt ein Stimmband, jedoch so unklar, dass sich nicht ersehen lässt, was er dafür gehalten hat. Abhndl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 21 — 158 — Bei Betrachtung der Muskulatur fällt zunächst das gänzliche Fehlen eines Mus- culus crico-thyreoideus auf. Der Muskel, der Schild- und Ringknorpel gegen einander bewegt, ist eben bei der Unausführbarkeit dieser Bewegung überflüssig geworden. Musculus sphineter laryngis internus. Die bei den placentalen Säugethieren getrennten, beim Menschen aber in constante Be- ziehungen zu einander getretenen Mm. thyreo-arytaenoideus und crico-arytae- noideus lateralis finden sich bei Halmaturus zu einem einheitlichen Muskel vereinigt. Betrachten wir ihn von seiner Insertion zum Ursprung, so zieht er von der ganzen Crista lateralis und dem Processus mucularis Cartilaginis arytaenoidea, als sehr starker, breiter Muskel mit kaum divergirenden Fasern an den oberen, nach vorn etwas aufsteigenden Rand des Ring- knorpels, und zwar an die ganze Strecke, die zwischen der Gelenkfläche für den Giessbecken- knorpel und der Stelle, wo Ring- und Schildknorpel mit einander verwachsen, liest. Die obere Hälfte der Faserzüge jedoch zieht an der Innenwand des Schildknorpels hin und vereinigt sich in der Medianlinie sehnig mit den entsprechenden Zügen der Gegenseite. Der Muskel hat hier keinen eigentlichen Ursprung, sondern geht nur mit, dem Perichondrium des Schildknorpels eine verhältnissmässig lose Verbindung ein, die mittels des dazwischen geschobenen Skalpell- stiels ohne Schwierigkeit gelöst werden kann. Der Muskel bildet somit das ununterbrochene vordere Segment eines Sphincter laryngis internus. Leider war das Präparat, als dieses interessante Verhältniss aufgefunden wurde, zu einer mikroskopischen Untersuchung nicht mehr geeignet. (Fig. II, III, VII Sph. i.). Das hintere Segment des Sphincter wird vom Musculus interarytaenoideus gebildet. Derselbe inserirt am hinteren Rand der Crista lateralis und am Processus muscularis des Giessbeckenknorpels. Im oberen Theil dieser Insertion stösst er dicht an die gegenüber inserirende obere Partie des vorderen Sphincter-Segments an, ohne jedoch in dieselbe überzu- gehen. Das obere Drittel seiner Fasern geht unmittelbar in die der Gegenseite über, während sich die unteren zwei Drittel am oberen und seitlichen Rande des schmetterlingsförmigen Sesamknorpels befestigen (Fig. I, VII J. ar... Eine derartige Unterbrechung des Muskels findet sich in verschieden hohem Grade auch bei verschiedenen placentalen Säugethieren, z. B. Canis.!) !) cf. Fürbringer, l. c. ot An Stelle des M. cerico-arytaenoideus posticus der meisten placentalen Säugethiere findet sich bei Halmaturus ein Musculus kerato-crico-arytaenoideus. Er kommt vom ganzen Hinterrande des Cornu inferius Cartilaginis thyreoideae, von der Verwachsungsstelle desselben mit dem Ringknorpel und von dem unteren seitlichen Rande des letzteren nach hinten bis zur Incisur. Als starkes, breites, einheitliches Bündel zieht er mit convergirenden Fasern nach oben und etwas nach vorn zur unteren Hälfte der Crista lateralis, sowie zum seitlichen und hinteren Theil des Processus muscularis der Cartilago arytaenoidea. (Fig. I, VII K-cr-ar.). Ein M. kerato-crico-arytaenoideus ist bei einzelnen placentalen Säugethieren (Dasyprocta, Delphinus) beobachtet. !) Zur Verbindung zwischen dem Ring- und den Giessbeckenknorpeln dienen noch zwei Müskeln, für die ich bei den placentalen Säugethieren kein Homologon kenne. Den Einen nenne ich: Musculus cerico-sesamo-arytaenoideus. Er entspringt von der hinteren oberen Kante des verdickten Randes der Ringknorpelineisur und zieht nach oben zum unteren Rand (mit Ausnahme des mittelsten Theils) des schmetter- lingsförmigen Sesamknorpels, sowie mit einigen tieferen Fasern zum unteren Rand des hinteren Giessbeckenknorpelfortsatzes. Sein äusserer Rand stösst an den inneren des M, kerato-crico- arytaenoideus. Von dem gleichen Muskel der Gegenseite ist er am Ursprung durch den zwischen die beiden Ränder der unteren Ringknorpelineisur eingeschobenen Zwischenknorpel getrennt. (Fig. I Cr-s-ar). Der zweite hierher gehörige Muskel ist vom M. erico-sesamo-arytaenoideus und vom M. kerato-crico-arytaenoideus vollständig bedeckt und mag deshalb Musculus crico-arytaenoideus profundus heissen. Er entspringt von der ganzen Breite der hinteren Ringknorpelfläche mit unregel- mässiger Ursprungslinie und zieht als platter, homogener Muskel mit convergirenden Fasern an den ganzen hinteren unteren Rand des Giessbeckenknorpels. (Fig. I, Or.-ar. p.) Die Epiglottis steht mit dem Kehlkopf in keinerlei muskulöser Verbindung. !) Fürbringer, ]. c. p. 58. — 160 —. Betrachten wir die auffälligen Verhältnisse dieses Kehlkopfs vom physiologischen Stand- punkte, so befremdet uns am meisten der gänzliche Mangel des Stimmbandes mit dem gleichzeitigen Fehlen der Beweglichkeit zwischen Ring- und Schildknorpel, sowie des dadurch entbehrlich gewordenen Museulus crico-thyreoideus. Zugleich liegt die Vermuthung nahe, dass die langen Ränder der Giessbeckenknorpel, welche die eigentliche Rima glottidis bilden, in gewissem Sinne das fehlende Stimmband vertreten können. Die Stimme des Halmaturus ist nach Brehm ein nicht näher beschriebenes Meckern. Andere Forscher schweigen ganz darüber. Der Director des Frankfurter zoologischen Gartens, Dr. Max Schmidt, der seit beinahe zwei Decennien diese Thiere unter Augen gehabt hat, erinnert sich nach mündlicher Mittheilung nicht, jemals einen Ton von ihnen gehört zu haben. Soll nun das Thier überhaupt Töne hervorbringen können, so muss zunächst der merkwürdige, zwischen den Processus vocales und der vorderen Schildknorpelwand gelegene offene Raum , verschliessbar sein, wodurch erst vollständiger Glottisschluss erzielt würde. Dass dieser eintreten kann, ist zwar von vornherein anzunehmen, bedarf aber in Anbetracht des complicirten eigenthühmlichen Mechanismus einer genaueren Erläuterung. Wenn sich der starke Sphineter contrahirt, so wird der eben genannte kleine Raum durch die zu beiden Seiten und in geringerem Grade auch vorn eintretende, der Contraction proportionale Verdickung seiner muskulösen Wände bedeutend verkleinert. Zugleich werden die sehr beweglichen Giessbeckenknorpel stark nach vorn gezogen. Der hintere Theil des Sphincter, der Interarytaenoideus, drängt die Giessbeckenknorpel mit seinen oberen Fasern zusammen und fixirt mit seinem unteren den schmetterlingsförmigen Sesamknorpel wie eine Pelotte gegen die hinteren Fortsätze der Giessbeckenknorpel, wobei er durch den crico- sesamo-arytaenoideus unterstützt wird. Sollte das Alles nicht mehr wie genügend sein, das kleine, bei gegenseitiger Berührung der Giessbeckenknorpel noch freie Lumen des Kehlkopfs zu verschliessen ? Und ist das der Fall, so können die freien Ränder der Giessbeckenknorpel bei kräftiger Expiration gewiss in eine Vibration versetzt werden, mittels welcher meckernde Geräusche oder gar Töne hervor- gebracht werden dürften. — ll Zur Kenntniss des Musculus crico-thyreoideus und seiner Wirkung. Seit Jelenffy’s schöner Arbeit !) hat die Anatomie des Musculus crico-thyreoideus bedeutend an Interesse gewonnen. Der genannte Autor zerlegt die Wirkung des Muskels in drei Componenten, deren jede an die Existenz in bestimmter Richtung wirkender Faserzüge gebunden ist. Zweck der folgenden Zeilen ist es, auf Grund der von Jelenffy am M. crico-thyreoideus des Menschen gewonnenen Gesichtspunkte einige Betrachtungen über die Anatomie und Physiologie dieses Muskels bei den Säugethieren anzustellen. Die Gesammtwirkung des Muskels ist bekanntlich Spannung der Stimmbänder. Diese wird auf durchaus verschiedene Weise erreicht durch die Action der, die von Jelenffy angenommenen Componenten repräsentirenden Faserzüge. Jelenffy unterscheidet: A. Eine in verticaler Ebene wirkende Componente, welche den Ringknorpel dem Schild- knorpel nähert, wodurch 1) die Ringknorpelplatte nach hinten übergebeugt und somit die Insertionspunkte der Stimmbänder von einander entfernt werden; und wodurch 2) das Ligamentum conoideum erschlafit und aus der verticalen in eine mehr horizontale Lage gebracht wird. Die Function dieser Componente wird von den in annähernd verticaler Richtung verlaufenden Fasern verrichtet. B. Eine in horizontaler Ebene in sagittaler Richtung wirkende Componente, die den Schildknorpel vorwärts und den Ringknorpel rückwärts zieht, wodurch ebenfalls die Insertions- punkte der Stimmbänder von einander entfernt werden. Hier kommen die schräg verlaufenden Fasern vorzugsweise in Betracht. C. Eine in horizontaler Ebene in frontaler Richtung wirkende Componente, die haupt- sächlich aus dem M. crico-thyreoideus internus besteht. Sie flacht die von den Schildknorpel- platten gebildeten Bogen ab, nähert also diese dem Ringknorpel und einander und spannt so durch Verlängerung des geraden Larynxdurchmessers die Stimmbänder. Sie wirkt am kräf- tigsten, da sie an einarmigen Hebeln angreift, deren Hypomochlion sich in der Artieulatio erico-thyreoidea befindet. Hierbei ist die durch die Componente A. bewirkte Relaxation des Ligamentum conoideum von Wichtigkeit, da ohne dieselbe eine erheblichere Vergrösserung des geraden Larynxdurchmessers unmöglich wäre. !) Jelenffy, Der Musculus crico-thyreoideus, Archiv f. d. ges. Physiologie VII (1873), p- 77. — 162 — Bei gegenwärtiger Betrachtung wurden berücksichtigt die Kehlköpfe von Homo sapiens, Simia satyrus, Cynocephalus Hamadıryas, Innus sinicus, Lemur mongoz, Canis vulpes, Phoca vitulina, Felis catus dom., Lepus timidus, Lepus cuniculus, Sus scrofa dom., Ovis aries, Bos taurus dom. juv. et adult., Egquus caballus. \ Ueber den Musculus erico-thyreoideus der genannten Thiere ist Folgendes zu bemerken: Im Sinne aller drei Componenten wirkende Faseru finden sich in ungefähr gleichmässiger Ausbildung bei Homo und Sus. Die Componente A ist vertreten durch auffallend starke und fast allein entwickelte Fasern bei Felis und Zepus, ferner neben der meist stärker entwickelten Componente C bei allen untersuchten Affen und bei Zemur. Die im Sinne der Componente B wirkenden Fasern finden sich allein entwickelt bei Ovis und Bos, vor A vorwiegend bei Phoca, Canis vulpes und Equus, nicht entwickelt bei den Affen und bei Zemur. Die Componente C wird fast ausschliesslich durch den Musculus crico-thyreoideus inter- nus repräsentirt. Dieser ist am stärksten bei Zemur (s. o.), mittelstark bei Hamadryas und ' Innus sinicus, in gleicher Entwickelung mit den Fasern der beiden andern Componenten bei Sus, verhältnissmässig schwach bei Satyrus und schwach und inconstant beim Menschen. Ueberall wo sie vorkommt ist die Componente © nicht allein vorhanden, sondern stets in Verbindung mit stark entwickelten Faserzügen der Componente A. Hierdurch bestätigt die vergleichende Untersuchung in schönster Weise die für den Menschen von Jelenffy geltend gemachte Combination der Wirkung der Componenten C und A, indem A das Ligamentum conoideum erschlaffen muss, um eine ausgiebige Wirkung von C zu ermöglichen (s. 0.). — 163 — Jelenffy erklärt die Componente C aus einfachen mechanischen Gründen (s. 0.) für die kräftigste. Um wieviel stärker als beim Menschen, der meist keinen crico-thyreoideus internus hat, muss sie nun in Action treten können bei Thieren, bei denen der Muskel excessiv entwickelt ist! Diese werden nun in Folge der höchstmöglichen Spannung der Stimmbänder im Stande sein, die schrillsten, durchdringendsten Töne hervorzubringen. In der That trifft das bei den niederen Affen und den Lemuren zu. Die Stimme des Orang ist entsprechend der sehr geringen, vielleicht nicht einmal con- stanten, die menschlichen. Verhältnisse wenig übertreffenden Ausbildung des als Componente C funktionirenden Musculus crico-thyreoideus internus in ihrer Höhe und Stärke wenig von der menschlichen verschieden. Es ist hier nur vom jungen Orang (s. 0.) die Rede, bei dem der Kehlsack noch in sehr geringer Entwickelung ist und deshalb die Stimme nur wenig beein- flussen kann. Der untersuchte Kehlkopf stammt von einem solchen und die Angaben über die Stimme, die ich Herrn Dr, Max Schmidt verdanke, beziehen sich ebenfalls auf ein solches Exemplar. Dieser Beobachter schreibt mir: »Der lauteste Ton des Orangs war eine Art Geheul, wenn er die Zeit, wo ihm Abends die Milch gereicht wurde, gekommen glaubte und noch etwas warten musste. Er verzog dann den Mund wie ein schreiendes Kind und liess eine Art von Weinen hören, welches in den tieferen Tönen wie uh lautete, bei gesteigerter Erregung wohl in ein schneidendes üh überschlug. Im höchsten Affect schrie er mit ganz schrillem ih, genau wie ein recht ungezogenes Kind. Einer derartigen Leistung entsprach auch die Stärke des Tons. Als Zeichen des Erstaunens gab er in ganz vereinzelten Fällen einen tiefen rülpsenden Kehlton von sich.« Was die niederen Affen betrifft, so beziehe ich mich nur auf solche, die wie die beiden untersuchten keinerlei die Stimme verstärkenden, extralaryngealen Apparate besitzen. Die Fähigkeit dieser Thiere, eine schrille, kreischende Stimme erschallen zu lassen, ist bei der jetzt häufig gebotenen Gelegenheit, dieselben lebend zu beobachten, bekannt. Am Wichtigsten ist es, zu constatiren, dass bei Zemur, der ebenfalls keine extralaryngea- len, stimmverstärkenden Apparate hat, mit der excessiven Entwickelung des Musculus crico- thyreoideus internus eine auffallend hohe und starke Stimme Hand in Hand geht. Leider konnte ich über dieselbe bei Zemur mongoz nichts in Erfahrung bringen. Herr Dr. Max Schmidt hatte jedgeh die Freundlichkeit, mir seine diesbezüglichen Beobachtungen über Lemur macaco mitzutheilen. — . 164 — »Dieses Thier«, schreibt mir mein Gewährsmann, »hat eine ganz enorm starke Stimme, die ich oft gehört habe. Sie ist mir im Gedächtniss als ein rauher, gellender Ton, zwischen Bellen.und Heulen, den man durch unseren ganzen Garten hörte. Sclater (Seer. der Zool. Ges. London) sagt über die Stimme dieses Thieres: »..... the voice of Lemur varius (s. macaco) is very loud, harsh and powerful. Mr. Bartlett (der sog. Superintendant, d. h. technische Director des Londoner Zool. Gartens) tells me he has heard it at least a mille of«. Proc. zool. Soc. Lond. 1871, p. 230. Unser Exemplar hat sein Geschrei nicht gerade häufig und stets nur gegen Abend hören lassen. Brehm führt einen Bericht an, wonach das Schreien zahlreicher Makis dieser Art in den Wäldern von Madagaskar wie Löwengebrüll lauten soll, d. h. in grösserer Entfernung. Der Ton lässt sich annähernd durch ha oder hau wiedergeben und war bei unserem Thiere nicht länger, als dies beim Bellen eines Hundes der Fall ist. Er wurde nie rasch nacheinander, sondern stets nach längeren oder kürzeren Pausen ausgestossen. Dies ist Alles, was mir über die Stimme dieses Lemur bekannt ist; in meinem Aufsatz über unsere Makis habe ich sie nicht erwähnt, weil ich sie noch nicht gehört hatte, als ich diesen schrieb.« Nach diesen Betrachtungen erscheint es mir mindestens fragenswerth, ob nicht eine starke Entwickelung des im Sinne der Jelenffy’schen Componente C wirkenden Musculus crico- thyreoideus internus auch eine starke und hohe Stimme zur Folge habe. Dass, wie ich viel- fach angegeben finde, die Länge der Stimmbänder für die Höhe der Stimme vorzugsweise in Betracht komme, ist mir sehr zweifelhaft geworden, nachdem ich bei dem bekannten Kehlkopf- specialisten Herrn Dr. Moritz Schmidt in Frankfurt a. M. Gelegenheit hatte, die Stimm- bänder mehrerer Sänger von Profession zu sehen, wobei der Schluss, den wir aus der uns bekannten Stimme auf die Länge der Stimmbänder gezogen hatten, sich mehrfach als falsch erwies. Die Untersuchung kann freilich erst dann zu einem einigermassen sicheren Resultate führen, wenn Kehlkopf und Stimme vieler anderer Affen und Lemuren in ähnlicher Weise vergleichend betrachtet werden und auch menschliche Kehlköpfe, deren ehemalige stimmliche Leistungen bekannt sind, mit Rücksicht auf die Ausbildung der im Sinne der verschiedenen Componenten wirkenden Faserzüge des Musculus crieo-thyreoideus untersucht sind. Zur Lösung dieser interessanten Frage bedarf es jedoch der Beihülfe Anderer, die in Folge günstigerer Verhältnisse oder zufällig über geeignetes Material verfügen. Erklärung der Abbildungen. Die Figuren sind nach der Natur in geometrischer Projeetion mit dem Tucae-Schroeder’schen Apparate gezeichnet, und zwar Figur IXa in */ı, die übrigen in !/ı der natürlichen Grösse. In allen Figuren bedeutet: 1. Epiglottis. 5a. deren Crista lateralis. 2. Os hyoideum. 5b. » _ Processus muscularis, 3. Cartilago thyreoidea. a0. 2 » vocalis. 3a. deren Cornu superius. 5d. .» » posterior. 3b. » » inferius. 5e. » Gelenkfläche. 4. Cartilago cricoidea. 6. Cartilago sesamoidea sive papilionacea. 4a. deren Ineisura inferior. 7. Ligamentum vocale verum. 4b.&c.» Schaltknorpel. 8. » > spurium. 5. Cartilago arytaenoidea. . Cr-ar. . = Museulus crico-arytaenoideus lateralis. Grzars p — » » » profundus. Cı-s-ar. = » sesamo-arytaenoideus. Crthy. = » » thyreoideus. Cr-thy. i. = » » » internus. » I-ar. = » interarytaenoideus. K-er-ar. = » = kerato-crico-arytaenoideus. Spheıe— » sphincter laryngis internus. hy are — » thyreo-arytaenoideus. Fig. I1.—VIN. Kehlkopf von Halmaturus giganteus. I. Ansicht von hinten nach Präparation der Muskulatur. Auf der linken Seite ist der M. kerato-crico-arytaenoideus nahe seiner Insertion abgeschnitten. II. Sagittaler Mediansehnitt. Innenfläche IM. do. nach Entfernung der Schleimhaut. IV. Knorpelgerüst von hinten. v2 » » vornen. VI. » » der linken Seite. VII. Die Muskulatur von der Aussenseite nach theilweiser Entfernung des Schildknorpels. VIII. Giessbeckenknorpel von aussen. Fig. IX. Sagittaler Medianschnitt durch den Kehlkopf von Lemur mongo2. IXa. Frontalsehnitt durch die linke Hälfte desselben (?/ı d. nat. Gr.). RE ” Fa es » des Kehlkopfs von Simia satyrus. EXT, » » » » » » » » Imnus sinicus. » XI. » WENN » » » » » Cynocephalus Hamadryas. IT TARA II — — Abhandl. d. Senckenberg. naturf Ges. Bd. XIII, U lie a DEREN N Men; > eh? sa a k . RE ER arten We wu “ PrRIEN 9 era Ps aa 3; LT ER EEE 9 Si rue | des Br I PR | aut y ERPT b 5 7 a 4 TR PARAT Fre a) 5 R a n x, PIC ha, rare 4 A wu NL sea In > Wr Pr. 5 i “ PCR SARELIE 4 Imur u Burn mn Inn) UT" KIN, TE a RE, LIE By We U. Koerner. Kehlkopf. IEeran ---- (RAR. ------ , -Thy-ar gez Cr-Uuy t. Ieerran.---: erh. | Th:Demmer & U.Koermerfect. Lith.Anst.v. Werner & Winter, FranklürtM} Ueber die einheimischen Schlangen. Zoologische und anatomische Bemerkungen von Dr. F. Leydig in Bonn. Hierzu Tafel I und I. Die Schlangen mögen seit ältester Zeit durch die Gestalt, den eigenthümlichen Blick, durch das geheimnissvolle Etwas im ganzen Wesen den Antheil des Menschen in besonderem Grade erregt haben. Denn das Thier erscheint als Symbol verwendet nicht nur in den rohesten Kunst- anfängen alterthümlicher Mythologie, sondern kehrt fort und fort wieder in den verfeinerten Werken griechischer und römischer Plastik bis in die christliche Kunst herein. Aber auch ganz abgesehen von solchen Beziehungen der Ophidier zur Cultur des Menschen und seinen Vorstellungsweisen, wendet auch der Naturforscher sein Interesse Ge- schöpfen zu, welche, äusserlich und oberflächlich genommen, die Körperform eines grossen Wurmes haben, im Bau aber den höheren Wirbelthieren sich anreihen. Und so wurden auch von mir, als seiner Zeit ich mich mit dem Studium der Amphibien und Reptilien unsres Landes einlässlicher beschäftigte, die einheimischen Schlangen ebenfalls in den Kreis der Untersuchung gezogen. Anstatt nun den dazumal geplantenVorsatz auszuführen, die Schlangen der deutschen Fauna in ähnlichem Sinne zu behandeln, wie ich es bezüglich anderer Gruppen dieser Klasse ver- sucht hatte, brachten es Umstände mit sich, dass ich das in jener Zeit Gewonnene in vier Abhandlungen vertheilte und als solche im Archiv für mikroskopische Anatomie, Jahrgang 1872 und 1873, veröffentlichte. Manches wurde auch aufgenommen in die vor einem Jahr erschie- nene Arbeit über die Fauna fränkischer und rheinischer Gegenden !), Wenn ich mir jetzt erlaube, Mittheilungen, welche aus jener Zeit herrühren, hier als Nachtrag zu dem Früheren zu liefern, so geschieht es aus dem Grunde, weil die anato- 1) Ueber Verbreitung der Thiere im Rhöngebirge und Mainthal mit Hinblick auf Eifel und Rhein- thal. Verhandlungen d. nat. Vereins d. preuss. Rheinlande und Westfalen, 1881. Abhandl. d. Senckenberg. naturf Ges. Bd. XIII. 299% — 168 — mischen Bemerkungen, welche ich vorzulegen habe, noch kaum für veraltet anzusehen sind, sondern immer noch die Geltung von Beiträgen zur Kenntniss des Körperbaues der genannten Thiere haben können. Und auch die zoologischen Bemerkungen scheinen mir noch am Platze zu sein. Wer weiss nicht, dass die richtige Unterscheidung der wenigen einheimischen Schlangenarten keines- wegs für Jedermann eine leichte Sache ist, vielmehr Täuschungen und Verwechslungen so gerne unterlaufen. Wiederholt z. B. sind Sendungen mir eingehändigt worden, welche Vipera berus enthalten sollten. Der behutsam das Packet Lüftende sah aber nicht ohne Lächeln, statt der erwarteten und angekündigten Vipera berus, eine Coronella austriaca aus der Verpackung sich winden. Oder ist es nicht verwunderlich, dass die eben gedachte Coronella austriaca es gewesen ist, welche in nördlichen Strichen Deutschlands gesammelt, von einem namhaften Zoologen für die Aesculapsnatter, Blaphis flavescens, gehalten werden konnte, welcher Irrthum zur Veran- lassung würde, dass über die Verbreitung dieser südlichen Schlange ganz eigenthümliche An- sichten in Umlauf gekommen sind. So lange es ein Studium der Zoologie geben wird, bleiben daher die Nachforschungen nach den Linien der Ausbreitung einer Thierart von Werth. Und so darf im Augenblicke z. B. die Frage, ob Zamenis viridiflavus, eine ebenfalls südliche Schlange, innerhalb der Grenzen Deutschlands sich findet, unser Interesse in Anspruch nehmen; nicht minder die Frage, ob und wo, ausser der altbekannten Vipera berus, noch eine zweite Giftschlange, die Vipera aspis, auf deutschem Boden heimisch ist. Vielleicht regen gegenwärtige Blätter dazu an, auf die Ophidier unsres Landes noch acht- samer zu sein, als es schon bisher der Fall gewesen ist. Und um das Erkennen zu erleich- tern, habe ich unter Anderem auch die Köpfe der sieben in Betracht kommenden Arten, unter der Lupe gezeichnet, auf einer Tafel übersichtlich zusammengestellt. —. IR) I. Zoologische Bemerkungen. Familie: Colubrina. Gattung: Tropidonotus, Kuhl. 1. Art: Tropidonotus natrix, L. Ueber die Zähne der Ringelnatter gab ich seiner Zeit ausführlichere Mittheilungen '). Die Gaumenzähne scheint Schneider zuerst gesehen zu haben ?2). — Die Seulptur der Schuppen und den Bau der Hautdecke habe ich ebenfalls im Einzelnen verfolgt °). Zu den äusseren Kennzeichen *) gehört: Anwesenheit eines Zügelschildes, ein Praeo- eulare, drei Postocularia. Die Stirnschilder hinterwärts merklich gerandet und dadurch über- greifend. Hinterhauptsschilder stark ausgezogen. An jüngeren Thieren sah ich mehrmals zwischen dem Schnauzenschild rechts und dem Stirnschild rechts eine Verbindungsbrücke. Zur Seite der Hinterhauptsschilder noch ein grosses Temporalschild. Alle Schilder sehr glatt. — Zu den individuellen Abänderungen, die ich nicht erwähnt finde, ist auch zu rechnen, dass bei einem Thier die Bauchschienen in der Mittellinie einigemal getheilt waren, an der Stelle, wo man die Spalte für den Dottersack zu suchen hätte. — Länge des Schwanzes bei mittelgrossen Thieren ungefähr 14 cm. Der zu den Abzeichen in der Färbung gehörige gelbe oder gelbweisse Nackenfleck entsteht dadurch, dass das Gelbweiss der Kehlgegend seitlich heraufgreift und so eigentlich nur den grössten von den übrigen gelbweissen Flecken darstellt, welche vom Rande der ÖOber- kinnlade bis in die Ohrgegend ziehen. Manche Schriften sagen, dass sich die Farbe des hellen Nackenfleckes nach dem Geschlecht richte: Hochgelb zeichne das Männchen aus, Weissgelb das Weibchen. Man wird jedoch beim Vergleichen zahlreicherer Thiere gewahr, dass hierin grosser Wechsel herrscht, so z. B. an einer Anzahl von Thieren aus Oberitalien °), welche ich anatomisch prüfte, war gerade dem Männchen der weisse Nackenfleck eigen. !) Archiv f. mikrosk. Anat. 1872. 2) Leipziger Magazin, 1737, S. 222. ?) Archiv f. mikrosk. Anat. 1373. 4) Vergl. Figur 5. °) In der Rachenhöhle fast aller Stücke aus oben genannter Gegend fand sich gesellschaftlich ein kleines hübsches Distomum, wahrscheinlich D. colubri, Duges. (Ann. d. sc. nat. 1835.) — 10 — An einigen recht grossen, daher alten Thieren zeigten sich die Nackenflecken vom Rande her wie verwischt und übergraut; auch ein andermal so überdunkelt, dass sie nur noch in Spuren sichtbar waren. Die schwarze Einfassung des Nackenfleckes bietet ebenfalls Verschieden- heiten dar, welche, soweit meine Erfahrung geht, an den Ort des Vorkommens der Schlange sich hält. Bei Thieren deutscher Gegenden umgreift das Schwarz, welches oft sehr schön und scharf sich abhebt, den hellen Fleck vorn und hinten. An Ringelnattern hingegen von den Ufern der Etsch war das gelbweisse oder auch wohl blassgelbgrünliche Nackenband -- welche Bezeichnung es hier buchstäblich verdiente, da es von rechts und links zusammenfloss — nur rückwärts von dem sattschwarzen Fleck umsäumt. Bei jüngeren T'hieren erstreckt sich das Schwarz, wenn auch jenseits der Augengegend immer Jichter werdend, bis fast zur Schnauze. Bezüglich der dunkeln Flecken auf dem Graubraun oder Olivenbraun des Rückens zähle ich meist vier Reihen, von denen die inneren klein, matt und oft wie verloschen erscheinen, während die äusseren, mehr nach der Seite stehenden, grösser und schärfer sind; dabei senk- recht gestellt, gezacktrandig und oft zierlich gegabelt. Doch werden auch sie nach der Schnauze hin kürzer. Die eigentliche Grundfarbe des Bauches ist ein Weissgelb, welches häufig an der Kehle, bis auf einen dunklen Strich jederseits, rein bleibt; am eigentlichen Bauch wird es durch Schwarz oder Schwarzblau in verschiedenem Grade zurückgedrängt, indem entweder nur soviel Schwarz sich beimischt, dass Zeichnungen des Schachbrettes entstehen, oder es wird der Bauch fast gleichmässig dunkel und nur der Saum bleibt weisslich. Auch habe ich Thiere in Händen gehabt, bei welchen die Bauchfläche fast gleichmässig himmelblau überlaufen war. Die schwarze Abart scheint diesseits der Alpen sehr selten zu sein, und zuerst am Nordabhang der Alpen aufzutreten; wie ich denn auch vor Jahren am Starenberger See des bairischen Hochlandes ein solches Thier gefangen habe. Bereits Wyder '!) gedenkt der schwarzen Ringelnatter als schweizerischer Schlange. Jenseits der Alpen scheint sie häufiger zu werden: Jan und de Betta ?) führen sie als var. nigra auf. In wie weit die am Rücken schwarze, an den Seiten blaue var, minax, Schreibers, ebenfalls südlichen Vorkommens, mit gedachter var, nigra zusammenfällt, habe ich keine Erfahrung; noch weniger, in wie weit ı) Wyder, Essai sur l’histoire naturelle des serpens de la Suisse, Lausanne, 1823. Ein Vorläufer des Werkchens steht in Oken’s Isis, 1817, Th. II. S. 1049. 2) de Betta, Sui serpenti italiani del genere Tropidonotus. Atti dell’ Istituto veneto, Vol. X, Ser. III, 1865. | j ad ST Tropidonotus ater Eichw., — überall tief schwarz, nur an der Unterfläche des Kopfes und an den Seiten mit vereinzelten hellen Flecken — hierher gehört. !) Die Farbe der Iris wird von dem einen Zoologen als braun, von dem Andern als schwarz bezeichnet. Ich sehe an sehr jungen, vielleicht erst einige Wochen alten Thieren an den vor- gequollenen Augen des noch dicklichen, kurzen Kopfes eine fast ganz schwarze Iris, an deren Pupillenrand nur ein schmaler gelber Ring herumzieht. Auch später bleibt der grösste Theil der Regenbogenhaut dunkel, nur wird gern der zu innerst um die Pupille herumziehende, gelbliche Ring etwas breiter; öfters auch entwickelte sich noch am oberen Rande der Iris ein bogiger’ weissgelber Streifen. Das Hell oder Dunkel der Grundfarbe hängt sehr ab von dem Stand der beweglichen Farbzellen oder’Chromatophoren. Letztere scheinen in jüngeren Thieren besonders em- pfindlich zu sein: einjährige Ringelnattern, bei rauhem Nordostwinde im Verstecke gefunden, waren von dunklem Aussehen, hellten sich aber auf bei Erwärmung im Sonnenschein; in der Kühle der Nacht konnte sich die lichtgraue Färbung wieder in Stahlgrau umsetzen. Schon früher habe ich auf entsprechende Veränderungen an erwachsenen Thieren hingewiesen ?). Es wird angegeben, dass die Ringelnatter auch bei uns eine Länge von 4 Fuss, ja Gloger°) sagt »bis über 6 Fuss« erreichen könne, während mir selber ein derartig grosses Thier noch nicht vorgekommen ist. Mit Verwunderung habe ich immer die Abbildung von Kopf und Hals eines Riesenexemplars betrachtet, welches Bonaparte !) darstellen liess, nach seinen eigenen Worten: »il capo d’un esemplare vecchio straordinariamente grande.< Ob wohl Blumenbach °) aus eigener Erfahrung sprechen mag, wenn er bemerkt: man hat Ringelnattern von 10 und mehr Fuss gefunden ? Die Eier sind schon zu vielen Hunderten, ja nach einer Schätzung in der Zahl von Dreitausend, nesterweise beisammen getroffen worden ®), was beweist, dass die Natter gesell- schaftlich ihre Eier absetzt. Woraus denn auch weiter gefolgert werden darf, dass ein ähn- liches, allgemeines Sichversammeln zum Zwecke der Fortpflanzung, auch bei dieser Schlange !) Ueber Tropidonotus ater Eichw. sehe man Strauch, Schlangen des russischen Reiches, Petersburg 1873 *) Die äusseren Bedeckungen einheimischer Schlangen. Archiv f. mikrosk. Anat. 1873, S. 25. ®) Gloger, Schlesiens Wirbelthierfauna, Breslau, 1833. *) Bonaparte, Fauna italica, Tav. Natrix torquata, fig. 2. °), Blumenbach, Handbuch der Naturgeschichte, 1825. °) F. Krauss, Beiträge zur Fauna Württembergs. Jahreshefte d. Vereins f. vaterländische Naturkunde in Württemberg, 1879, S. 316. — 12 — stattfinden möge, wie es bei Coronella austriaca beobachtet wurde. Doch ist mir nicht bekannt, dass irgend ein Naturfreund Zeuge von derartigen Zusammenkünften bisher gewesen ist. Die Eier werden für gewöhnlich im Sommer, in den Monaten Juli und August abgesetzt. Nach den Wahrnehmungen des französischen Herpetologen Lataste !) verlassen die Jungen das Ei nicht im Herbst, sondern im darauf folgenden Frühjahr, da erst dann die Zeit gekommen ist, wo ihnen die richtige Nahrung — Larven der Batrachier — zu Gebote steht. Diese Er- fahrung macht gewisse andere Angaben verständlich, welche darauf hindeuten, dass auch bei der Ringelnatter die »Oviparität« und die »Viviparität« individuell ineinander übergehen können. Bekanntlich beginnt die Entwickelung des Embryo noch im Ei, welches im Mutterleibe zurück- gehalten ist, und kann hier schon weit vorgeschritten sein, bevor das Ei gelegt wird. Unter Umständen bleiben die Eier bis zur völligen Reife des Embryo im Uterus und das etwa in Gefangenschaft befindliche Thier gebärt lebendige Jungen. Obschon die Ringelnatter, was das Vorkommen anbetrifft, auch in Deutschland eine weit verbreitete Thierart ist, so gibt es doch auch Strecken in denen sie fehlt, oder selten auf- tritt. So bekamen, was ich anderwärts schon erwähnte, z, B. im Rhöngebirge weder Geheeb noch ich selber Tropidonotus natrix je zu Gesichte ?). Indem ich bei derselben Gelegenheit aussprach, dass die Ringelnatter in früherer Zeit auch an manchen Punkten Frankens sehr häufig war, während sie jetzt nur einzeln sich findet, so dachte ich unter Anderem an Rothen- burg a. d. T. Dort konnte man vor vierzig Jahren und noch später in warmen Stunden des Vormittags ganze Gesellschaften der Natter im »Thurmseelein« beobachten und sich an den schönen Bewegungen des schwimmenden und tauchenden Thieres erfreuen. Stieg die Sonne höher, so sammelten sie sich- an der Schattenseite der über das Wasser gespannten alten Stein- brücke. Und jetzt bezeichne ich es mir als eine Merkwürdigkeit, wenn ich in der Umgebung der genannten Stadt wieder einmal ein lebendes oder ein am Wege erschlagenes Thier auf- zuheben in die Lage komme. Auch im Hinblick auf die Umgebung von Tübingen muss ich nach meiner Erfahrung ein Abnehmen im Vorkommen der Ringelnatter aussprechen. In der ersteren Zeit meines dortigen Aufenthaltes — in den 1850er Jahren — war sie gemein und konnte fast auf jeder Exeursion gesehen werden, dann wurde sie nach und nach seltener, und in den letzteren Jahren meines dortigen Verweilens — in den 1870er Jahren, verging mancher Sommer, ohne dass mir auch nur ein einziges Thier aufgestossen wäre. Den Mittheilungen über die Verbreitung der Ringelnatter in Franken und rheinischen 1) Lataste, Les oeufs de Couleuvre ä collier. Bull. de la Soc. zool. de France, 1877. 2) Verhandl. d, nat. Vereins der Rheinlande und Westfalen, 1881. — als — Gegenden füge ich noch bei, dass mir Herr O. Böttger brieflich angibt: »im Taunus und in der Ebene überall, aber vereinzelt, nur bei Mommelsheim häufig.«. Eine Zusammenstellung der bekannt gewordenen Fundorte im Grossen verdankt man Strauch in dessen Schrift: »Die Schlangen des russischen Reiches, 1873.« Da dort der Verfasser bezüglich Dänemarks erwähnt, dass seit der Zeit ©. F. Müller’s, der die Art für jenes Land angezeigt hat, keine näheren Nachrichten bekannt geworden seien, so mag auf den »Zoologischen Garten, 1872« verwiesen werden, allwo es heisst, dass Tropidonotus natrix die gemeinste Schlange in Dänemark sei. Vonälteren Abbildungen verdienen die nach dem Leben gemalten Figuren des Nürnberger Künstlers Meyer '), dass man sie im Gedenken behält, schon des charakteristischen Hand- colorites wegen, wenn sie auch sonst in den feineren Einzelheiten etwas ungenau erscheinen, z. B. auf den Schuppen des Rückens nirgends der Kiel angegeben wird. Auch ist die Farbe des Nackenfleckes allzusehr sattorange gehalten, wenigstens an dem von mir benutzten Exemplar des Werkes. Das Buch van Lier’s ?) über holländische Schlangen, welches auch die Ringelnatter in farbiger Darstellung vorführt, kennzeichnet die Zeit und vielleicht auch das Land in welchem es erschienen ist. Es blickt aus der ganzen Ausstattung der heitere Formensinn jener Tage, aber die Tafeln, voran- das gestochene Titelblatt mit dem Bildniss des Verfassers, haben auch eine Beimischung von kleinlicher, beinahe geschmackloser Zierlichkeit. Eine sehr schöne und naturgetreue farbige Abbildung von Kopf und Hals der Ringel- natter in natürlicher Grösse, ebenso des Kopfes mit aufgesperrtem Rachen, eines Halsstücks von der Unterseite, endlich zweier Eier, Alles gemalt und gestochen von J. Sturm findet sich in der Schrift: Wolf, Abbildung und Beschreibung der Kreuzotter, Nürnberg 1815 °). !) Meyer, Vorstellungen allerley Thiere und ihrer Gerippen. Nürnberg 1748. Tab. XC, Skelet; Tab. LXXXIX, Thier mit schön fleckiger Unterseite, daneben zwei Eier, eines im Durchschnitt; Tab. LXXXVIII, wieder das Skelet; Tab. LXXXVII, ein Thbier mit dunklem Bauch. 2) Van Lier, Verhandeling over de Drentsche Slangen en Adders, Amsterdam 1781. (Der Verfasser nennt sich »Docteur en Droit, Receveur general et Membre de la Cour de Justice du Pays de Drenthe«). ®) Mein vor Jahren antiquarisch erworbenes Exemplar der obigen Schrift scheint das Handexemplar Sturm’s gewesen zu sein. Es enthält die »illuminirte Kupfertafel« nicht nur doppelt, beidemal in vortreff- lichem Colorit, sondern es ist auch noch eingelegt das Blatt der Handzeichnung zu den vier Figuren über die Ringelnatter. Die Umrisse sind mit der Feder in grosser Schärfe und Reinheit gezogen, alles Uebrige ist mit dem Pinsel ausgeführt; erst der Kupferstich hat manche Farbentöne in Strichlagen umgesetzt. Das Ganze verräth in ansprechender Weise die Schule der früheren Nürnberger Kupferstecher, sowie Erfahrung und Kenntniss des Gegenstandes. — 194 — 2. Art: Tropidonotus tessellatus, Laur. Ueber Form. der Schuppen und deren Sculptur habe ich ebenfalls nähere Nachrichten gegeben und das Verwandtschaftliche sowie Abweichende zu Tropidonotus matrix in Wort und Bild hervorgehoben '). ’ Die Würfelnatter ist ohne Schwierigkeit von 7. natrix zu unterscheiden, weniger leicht aber von der dem deutschen Boden fremden und daher hier nicht in Betracht kommenden 7. viperinus ?). Der Kopf °), an sich gestreckter, walzig und schmäler als der flache Kopf von T. natriz erhält noch ein charakteristisches Aussehen durch die stark vorquellenden, lebhaften Augen, ein Punkt, auf den schon Wyder aufmerksam gemacht hat: »Sa tete est beaucoup plus 6troite, mais les yeux plus saillants et plus vifs que dans la Couleuvre & collier.c Bei manchen Individuen erscheint der Kopf ganz besonders verschmälert, was vielleicht mit der geschlecht- lichen Sonderung zusammenhängen mag. Die Zahl der Oberlippenschilder beträgt an den mir durch die Hände gegangenen Thieren » acht (bei 7. natrix sieben). Das Praeoculare war bei den einen in’ der Zahl zwei, bei andern, indem sich unten noch ein kleines abgelöst hatte, in der Zahl drei zugegen. Fünf grössere Schilder zwischen den Supralabialia und den Oceipitalia. Auf dem Wirbelschild und den Hinter- hauptsschildern gerne eine kurze Furche, entweder auf allen drei, oder nur an den Oceipitalia. Schwanz bei mittelgrossen Thieren 13 cm lang. Schwanzende mit hornartiger Zuspitzung *). Grundfarbe des Rückens an Thieren, welche ich im frischen Zustande besass, ein Olivengrau mit verwaschenen schwärzlichen Fleckenreihen, oder vielmehr mit quer unterbrochenen, schrägen Binden; manchmal auch mit Reihen leicht gelblicher, verwaschener Flecken, welche gleichsam von der Bauchseite herauf streichen. In der Hinterhauptsgegend, wo bei der Ringel- natter die zwei grossen scharfgezeichneten schwarzen Flecken stehen, ist bei 7‘ tessellatus eine nur sehr schwache Andeutung des dunklen Fleckes zu erkennen. Bauchseite mit mittlerer dunkler (schwärzlicher) Zone; verschieden breit, je nachdem die zwei hellen Seitenfelder aus- gedehnt oder verschmälert sind. Letztere (ob nach dem Geschlecht verschieden?) entweder weiss- DE2270: 2) Die Unterschiede der genannten Species sind gut dargestellt in der Abhandlung: de Betta, Sui ser- penti italiani del genere Tropidonotus. Istituto veneto, Vol. X, Ser. III, 1865. 3) Fig. 6. *#) Fig. 7. — Diese Bildung ist wohl dasselbe, was Heusinger, System der Histologie S. 223, als »nagel- artige Schuppe des Schwanzes« bezeichnet. — 15 — gelblich oder orangfarbig. Bauchseite des Schwanzes einfach schwärzlich, da sich die helle Seitenzone nur bis zur Afterklappe erstreckt. Iris mit gelbem Pupillarrand und einem zweiten äusseren gelben Ring, da wo Cho- roidea und Iris ineinander übergehen. Letztere kann auch fast völlig mit dunklem Pigmente übersprenkelt sein. Die Würfelnatter ist ein echtes Wasserthier und wie in der ganzen Tracht schlanker als die Ringelnatter, so auch noch beweglicher. Die bei mir in Gefangenschaft lebenden, ver- zehrten Fische und Larven von Molchen. Auf Fische stiessen sie mit solcher Gier, dass wie- derholt zwei Schlangen an einem Fisch sich verbissen. Die Beute wurde von vorne, am Kopf gepackt; im Freien und unbehindert scheinen sie sich nach Beobachtungen Brehm’s anders zu benehmen !). Gegen Abend wurden sie in dem geräumigen Wassergefäss besonders munter und vielleicht deuten auch die vorgequollenen Augen das Nachtthier an. An warmen Regentagen waren sie auch bei Tage sehr lebendig. Die Würfelnatter zischt wie die Ringelnatter, ohne zu beissen. Vorkommen. Während 7. natrix seit alter Zeit als ein auch in Deutschland weit verbreitetes Thier bekannt ist, wurde 7. tessellatus erst im Jahre 1819 durch C. v. Heyden und zwar im Rheingebiet bei dem Bade Ems nachgewiesen. Der Entdecker war dazumal der Ansicht, dass die Schlange durch die Römer eingeführt sein möge. Unterdessen ist die Schlange im mittleren Rheingebiet noch weiter aufgefunden worden, so von Kirschbaum an der Lahn, durch Noll bei St. Goar am Rhein, von Geisenheyner im Nahethal bei Kreuznach. Die Exemplare von letzterem Fundort sind in der naturhistorischen Sammlung des hiesigen rheinisch- westfälischen Vereins aufgestellt. Im Moselthal und Gegenden der Eifel, wo man das Vorkommen von T. tessellatus ebenfalls vermuthen könnte, habe ich bisher, wie anderwärts berichtet wurde, vergeblich nach dem Thiere mich umgesehen ?). Die Würfelnatter ist im Allgemeinen als ein dem Mittelmeerbecken zugehöriges Thier anzusprechen, das seine Verbreitung bis zum südlichen Fusse der Alpen ausdehnt, wo ich selber z. B. in der Umgegend Bozens, an den Nebenwassern der Etsch und der Eisack, es häufig antraf, öfters auch ziemlich entfernt vom Wasser. Zu den nördlichen Punkten ihres Vorkommens zählt noch Genf, das mittlere Böhmen, — wo sie schon im Jahre 1805 durch Mikan aus der Umgebung Prags beschrieben wurde —; ferner österreichisch Schlesien und !) Zool. Garten, 1869, S. 301. 2) Ueber Verbreitung der Thiere im Rhöngebirge und Mainthal, mit Hinblick auf Eifel und Rheinthal. Naturh. Ver. f. Rheinland, Westf. 1831. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 23 a endlich Niederösterreich. Das noch gegenwärtige Vorkommen bei Wien wird in neuerer Zeit bestätigt !). Bemerkenswerth ist, dass sie nicht im Donaugebiet aufwärts gedrungen ist, wo- hin ja bis in die Gegend von Passau, ausser Lacerta viridis, auch die südliche Schlange Elaphis flavescens sich ausgebreitet hat und heimisch geworden ist ?). Gattung: Elaphis, Bibr. Dum. Art: Elaphis flavescens, Gmel. Eine südeuropäische Schlange, deren Verbreitung sich von Spanien durch Frankreich nach Italien, Dalmatien, Ungarn und weiter östlich bis zum kaspischen Meer erstreckt und in diesen Ländern zu den besonders häufigen Arten zu gehören scheint ®). Doch mag sie auch manchen Theilen des Mittelmeergebietes fehlen: sie wird z. B. nicht erwähnt in den Aufzäh- lungen der Reptilien Griechenlands *); auch nicht unter denen der Insel Corfu. Von Italien geht die Schlange bis in die südlichen Thäler von Tyrol und findet sich auch in der südlichen und westlichen Schweiz °). In Nordtyrol glaubt Gredler °) die gelbliche Natter bloss im Zillerthal beobachtet zu haben, ohne es jedoch keineswegs verbürgen zu wollen. Von Ungarn geht sie die Donau herauf, ist häufig in der Umgegend von Wien und hat ihren Endpunkt bei Passau °). Hier bewohnte sie noch vor zehn Jahren »nicht eben selten die steilen, wal- digen buschigen und felsigen Hänge des linken Donauufers bis hinab nach Oberzell« ®). Auch ins westliche und südwestliche Deutschland ist die Natter vorgedrungen und nur um zum Nachforschen über die Verbreitung in diesen Strichen vielleicht etwas anzuregen, möchte ich in erweiterter Form auf die Mittheilungen zurückkommen, welche ich vor einiger Zeit über die Sache vorlegte. 1) Zool. Garten, Jahrg. 1871. 2) In der Schrift: Das Königreich Württemberg, 1882, lässt der sonst genaue Prof. v. Krauss Tro- pidonotus tessellatus in »Norddeutschland« vorkommen. Hierbei kann es sich doch kaum um andere Oert- lichkeiten handeln als diejenigen sind, welche ich oben bezeichnet habe. 3) Bei Verona z. B. »abbondantissimo per ogni dove e nelle stesse campagne affatto attigue alla cittä,« de Betta, Materiali per una Fauna Veronese, 1863. *) Auch die neueste Schrift: v. Bedriaga, die Amphibien und Reptilien Griechenlands, Moskau, 1882 enthält das Thier nicht. 5) Wyder, a. a. O. Seite 20. — Schinz, Naturgeschichte d. Reptilien. 6) Fauna der Kriechthiere und Lurche Tyrols, S. 120. °) Frühere Mittheilungen über das Vorkommen der Schlange bei Passau geben Reuss und Hahn, letzterer in der Fauna boiea; spätere Angaben enthält das Correspondenzblatt des zool. mineralog. Vereins in Regensburg, 1865, dort als C. Aesculapii bezeichnet. (In der Aufzählung der Amphibien und Reptilien von Südbaiern durch Fahrer steht durch einen Schreibfehler: Coluber flavescens s. aselepiadea). ®) Correspondenzblatt d. zool. mineralog. Vereins in Regensburg, 1871, S. 87. — MT — Nachdem Scopoli !) im Jahre 1767 die Schlange, ohne ihr einen Namen zu geben, kurz charakterisirt hatte, wurde sie von Gmelin als Coluber flavescens in der von ihm be- sorgten 13. Ausgabe von Linn&’s Systema naturae, Lipsiae 1788, eingereiht, doch nur als gefunden »in comitatu Tyrolensi.«e Indessen schon vor dem Erscheinen des eben gedachten Werkes ist das Thier in Süddeutschland und zwar im Gebiete des Schwarzwaldes beobachtet, wenn auch nicht systematisch bestimmt worden. Ich verweise nämlich auf Sander’s, Pro- fessor in Carlsruhe, »Nachricht von einer unbekannten Schlangenart in St. Blasien« 2). Aus dem was dort über zwei Exemplare von »Baumschlangen« gesagt wird, die er im Naturalien- cabinet des Stiftes aufbewahrt findet, geht mit grösster Wahrscheinlichkeit hervor, dass es sich um gegenwärtige Natter handelt. Es wird ausdrücklich erklärt, dass sie auf Bäumen sich auf- halte, was unter den hier in Betracht kommenden Schlangen mit Sicherheit nur E. flavescens thut, welche leicht und mit Vorliebe junge Bäume erklettert ?).. Wenn sie Sanders »als gar nicht selten auf dem Schwarzwald« bezeichnet, so möchte dies in unserer Zeit schwerlich mehr der Fall sein; ich selber bin auf den Ausflügen, die ich von Tübingen wiederholt auch in die wärmeren Striche des Schwarzwaldes unternommen habe, niemals auf E. flavescens gestossen. Für das wenigstens frühere Vorkommen bei Baden-Baden lässt sich auch ein sicherer Gewährsmann nennen, C. v. Heyden, der sie dort wahrnahm, nachdem er sie bereits 1817 im Gebiet des Taunus bei Schlangenbad entdeckt hatte *). Darauf hin konnte bereits Merrem in dem System der Amphibien im Jahre 1820 sagen: »habitat in Germania meridionali.« Dass sich die Schlange im südlichen Baden, wenn schon wie es scheint, als Seltenheit erhalten hat, geht aus der Abhandlung Weber’s über die im Grossherzogthum Baden vorkommenden Schlangen hervor 5). Dort heisst es in einer Anmerkung: »Nach einer mir soeben gewor- denen gütigen Mittheilung des Herrn praktischen Arztes Stocker findet sich die gelbliche !) Annus hist. nat. II. (Iter tyrolense.). 2) Der Naturforscher. Siebzehntes Stück, Halle, 1782. —- Den Aufsatz von C. Chr. Gmelin im 28. Stück des Naturforschers 1799 kann ich leider nicht vergleichen, da dieser Band meinem Exemplar der Zeitschrift fehlt. ®) In den »Naturhistorischen Heften des Ungarischen Nationalmuseums, 1877, S. 126, wird zwar auch Tropidonotus natrix als Bäume erkletternde Schlange und Plünderer von Vogelnestern beschrieben. Allein es steht zu vermuthen, dass die Schlange, welche in genannter Schrift besprochen wird, ebenfalls E. flavescens und keineswegs T. natrix war; worauf schon hinweist, dass das als Nesträuber ertappte Thier »von mehr als Meter Länge, diek und überhaupt von ungewöhnlicher Grösse war.e *) Umsonst habe ich mich bemüht die Schrift Nau’s »Nachtrag zur Naturgeschichte der Fische nebst Amphibien und Vögeln des Mainzer Landes, 1788, mir zugänglich zu machen; sie könnte vielleicht etwas auch über die obige Schlange enthalten. °) Jahresbericht des Mannheimer Vereins für Naturkunde, 1855. — 178 — Natter, Ooluber flavescens Gm., auch auf den sonnigen Höhen des juraischen Randengebirges unsres Seekreises.« Die letzte Mittheilung über das Vorkommen der genannten Schlange in Baden rührt ebenfalls von Weber her und lautet: »Im vergangenen Sommer wurde nach Zeitungs- bericht in dem Hofe der Domainenverwaltung in Pforzheim ein grosses Exemplar der im Badischen überhaupt sehr seltenen gelblichen Natter (Ooluber flavescens), oder Aeskulapsschlange, erlegt«'). Auch ins Moselthal ist die gedachte Thierart vorgedrungen. In der hiesigen Sammlung des naturhistorischen Vereins der Rheinlande und Westfalen steht ein Exemplar, welches bei Trier erbeutet wurde; es darf mit Zuversicht angenommen werden, dass die Schlange, welche Schäfer in der »Moselfauna« aus den dortigen grossen Gebirgswäldern schon in den 1840er Jahren angezeigt hat, ebenfalls Zlaphis flavescens gewesen ist. Von dem verstorbenen Professor der Zoologie Giebel in Halle ging die höchst auf- fallende Angabe aus, dass sich unsere Natter auch in Thüringen und am Harz vorfände ?). Meinem Misstrauen über die Richtigkeit dieser Mittheilung habe ich in der mehrmals erwähnten Arbeit über die Fauna der Rhön, des Mainthales, der Eifel und des Rheinthales, Ausdruck gegeben. Da ich übrigens in die Richtigkeit der Determinirung keinen Zweifel gesetzt, so hatte ich mir das Vorkommen bei Blankenheim und am Mägdesprung mit der Annahme zu erklären gesucht, dass es sich um Exemplare handeln möge, welche aus der Gefangenschaft entkommen, später im Freien aufgegriffen wurden. Allein die Sache hat sich in einfacherer und etwas über- raschender Weise gelöst, indem mir unterdessen Herr O0. Böttger brieflich mittheilt, dass er in der Halle’schen Sammlung das von Giebel aufgestellte und die Schlangen vom Mägde- sprung enthaltende Glas in Händen gehabt habe. Er durfte aber auf die Etiquette dreist »Coronella austriacas schreiben! Die irrigen Angaben Giebel’s mögen wohl auch jüngst noch Prof. v. Krauss in Stuttgart in der Bearbeitung des »Thierreiches« für das neue Werk: »Das Königreich Württemberg, 1882«, verleitet haben, obige Schlange unter der Bezeichnung Callopeltis aesculapii in Norddeutschland vorkommen zu lassen. An den Individuen, welche ich besehen — sie stammten aus Südtyrol und von Schlangen- bad im Taunus — lagen die Merkmale des Thieres, besonders im Vergleich zur nächst- folgenden Art, Zamenis viridiflavus, in dem kleinen dicklichen Kopf, welcher von stumpfer Tracht — »capite obtusissimo« — sich wenig vom Leibe absetzt. Eine Rinne am Nasenschild; auf ') E. Weber, Beitrag zur Schlangenfauna des Grossherzogthums Baden, Mannheimer Verein für Natur- kunde, 1871. (Auf diesen mir früher entgangenen und doch besonders im Hinblick auf Vipera aspis wichtigen Aufsatz hatte Herr Dr. Bertkau die Freundlichkeit mich aufmerksam zu machen.) °) Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften, 1869. — 179 — dem Frontale anterius kein Wulst; Superciliare schmal, nicht vorspringend; Wirbelschild breit, besonders nach vorn; ein Zügelschild; ein Praeoculare; zwei Postocularia; keine Vertiefung vor dem Auge. Alle Kopfschilder sehr glatt '). Form und Sculptur der Rückenschuppen, habe ich seiner Zeit beschrieben ?) und dabei aufmerksam gemacht, dass sich die Schuppen in beiderlei Hinsicht bedeutend von denen der Gattung Tropidonotus entfernen. Bauchseite des Leibes flach, mit scharfer Kante gegen die Seiten, daher Bauchschilder an den Flanken nach oben umgeschlagen. — Schwanz um vieles kürzer (19 cm) als bei Zamenis viridiflavus (31 cm). Die Farbe anbelangend, so war bei einer Anzahl von Thieren aus Schlangenbad, welche ich längere Zeit lebend hielt, die Rückenfarbe bei den jüngeren ein schönes Nussbraun; bei den älteren ging sie in ein Graubraun über; auch das Gelb der Bauchseite hatte bei den jüngeren Thieren einen gesättigteren Ton. — Die »bandstreifige« Färbung, welche ich selber an einem lebenden Exemplar aus der Bozener Gegend zu sehen Gelegenheit hatte, scheint an den Thieren aus dem Taunus nicht aufzutreten. — Ueber einen interessanten Blendling dieser Schlange: Unterseite wie gewöhnlich strohgelb, Oberseite leicht orangegelb mit weissen Fleckchen, Iris carminroth, Zunge rostroth, hat Erber eine schöne Abbildung veröffentlicht ®). Das Thier war in der Gegend von Wien gefangen worden. Es gehört Elaphis flavescens zu den grösseren der europäischen Nattern: nach G. v. Martens »erreicht sie auf den Euganeen und den andern benachbarten Bergen zuweilen eine Länge von 8 Fuss« %). In München sah ich ein lebendes, angeblich aus Italien stammendes und zur Schau ausgestelltes Thier, welches nahezu eine gleiche Länge haben mochte. Die Bewegungen der innerhalb eines geräumigen, mit Strauchwerk versehenen Behälters gepflegten Schlangen schienen mir ganz besonders zierlich zu sein, namentlich ihr Sichaufrichten. Das Naturell ist im Allgemeinen ein friedliches, jedenfalls sehr verschieden von jenem der nächstfolgenden Zamenis viridiflavus var. carbonarius. Indessen möchte ich doch mit Bezug auf die oft gerühmte, milde Gesinnung dieser Schlangenart bemerken, „dass Exemplare, welche ich längere Zeit im Zimmer hielt, und aus dem Taunus stammten, zubissen, ohne Veranlassung, und mehrmals so kräftig, dass gleich aus allen Stichen das Blut kam. Nahrung nahmen sie nicht, tranken aber oft und viel. 1) Fig. 3. 2) Archiv f. mikrosk. Anat. 1873, Taf. XXXI, Fig. 13, Fig. 22, 3) Sitzungsber. d. zool. bot. Gesellschaft in Wien 1879. 4) Reise nach Venedig, Ulm 1838, Th. 2, S. 406. — 180° — Gattung: Zamenis, Wagl. Art: Zamenis viridiflavus, Laur. Ob diese, abermals südliche Schlange der deutschen Fauna wirklich angehört, wie es manchen Angaben zufolge den Anschein haben will, ist erst durch erneute genauere Unter- suchungen festzustellen. Einstweilen darf behauptet werden, dass sie auf deutschem Boden noch nicht nachgewiesen worden ist. Im südlichen Europa erstreckt sie sich weiter ostwärts als Zlaphis flavescens: so erwähnt sie Ehrhard von den Cykladen, Unger und Kotschy von der Insel Cypern; nach Strauch !) kommt sie und zwar in der Form Z. trabalis, Pall. im südlichen Russland, Cis- und Trans- kaukasien vor, ferner in Kleinasien, vielleicht auch in Persien. Von Italien, allwo sie eine der gemeinsten Schlangen ist 2), geht sie in die Südschweiz und nach Südtyrol herein. Man begegnet nun verschiedenen Mittheilungen, wonach auch in Deutschland, westlich» und östlich, das Thier heimisch sei oder wenigstens vermuthet werden könne. So deutet Gloger in der Fauna der Wirbelthiere von Schlesien an, dass »C. atrovirens« dort vorkommen möge. Nach Waltl °) käme bei Passau, wo bekanntlich Zacerta viridis und Elaphis flaves- cens vom Donaugebiet herauf sich angesiedelt haben, auch »C. atrovirens« vor. Leunis in der viel verbreiteten »Synopsis des Thierreiches« sagt: »C. atrovirens häufig-am Rhein.« Wenn wir die Bemerkung Gloger’s einstweilen auf sich beruhen lassen, so darf bezüg- lich der Angabe Waltl’s wohl angenommen werden, dass eine Verwechslung vorliegt. Schon die Thatsache, dass Z. viridiflavus nicht bis Wien geht, sondern ihre westliche Grenze in Ungarn hat, muss Zweifel erwecken. Auch ist in der Uebersicht der Thiere von Niederbayern gegeben von Fahrer *) für die Passauer Gegend, bloss O. flavescens, nicht aber C. viridi- flavus aufgeführt. Jäckel in der »Uebersicht der Kriechthiere und Lurche des Königreichs Bayern«) spricht ebenfalls die Vermuthung aus, dass der Waltl’schen Angabe eine Verwechs- lung mit Elaphis flavescens zu Grunde liege. Und was endlich das von Leunis behauptete »häufige« Vorkommen am Rhein anbelangt, so wird es sich damit auch nur um eine Täuschung handeln: ich selber habe noch keine Spur der Schlange zu entdecken vermocht. 1) a. a. O. Seite 18. 2) »Uno dei piu comuni fra i nostri serpenti« sagt a. a. O. de Betta. ®) Correspondenzbl. des zool. mineralog. Vereines in Regensburg, 1865, S. 154. “) Bavaria, Landes- und Volkeskunde d. Königr. Bayern, 1860. 5) Correspondenzbl. d. zoo]. mineral, Vereines in Regensburg, 1871, S. 89. — 1831 — Hingegen möchte einstweilen noch die Vermuthung aufrecht zu halten und in dieser Richtung die Nachforschungen fortzusetzen sein, ob nicht im Moselthal und dem angrenzenden Gebiet der Eifel gedachte Schlange zu den einheimisch gewordenen Thieren zählt. Ich selber zwar sah sie, wie ich schon anderwärts berichtet habe, bis jetzt dort noch nicht; aber das Thier lebt im östlichen Frankreich und könnte also von dort ins Moselthal und in den wärmeren Theil der Eifel, welcher Zacerta muralis und Alytes obstetricans beherbergt, gelangt sein. Was die Kennzeichen anbelangt, so ist der Kopf dieser Schlange gestreckt, nieder- gedrückt, die Schilder sind zwar glatt, doch ziehen leichte Buchten und entsprechende Erhö- hungen darüber weg. Ein schärferer paariger Wulst am Zusammenstoss der Frontalia ante- riora mit Vertiefung zur Seite. Das Nasenschild hat nicht bloss die Furche, welche von der Nasenöffnung abwärts geht und den untern Rand des Schildes einkerbt, sondern zeigt weiter nach vorne noch eine seichtere Furche, ohne dass sie den Rand des Schildes einkerbte. Zwei Praeocularia, ein grosses, oberes und ein kleines, unteres; beide stark eingedrückt, so dass vor dem Auge eine Ringbucht entsteht, die sich auf das vierte und fünfte Labiale erstreckt. Das grosse Praeoculare an den vorspringenden Rand des Supraorbitale sich anschliessend, trägt zur Bildung der vorstehenden Leiste bei. Das Supraorbitale sehr breit, so dass dadurch das Wir- belschild eingeengt und schmal wird. Postocularia zwei, das obere etwas grösser als das untere. Ein Zügelschild. Acht Lippenschilder der Oberkinnlade !). — Schuppen glatt. Voranstehende Charaktere beziehen sich auf Exemplare der Forn Z. carbonarius aus Südtyrol; einige Thiere der Stammform, Z. viridiflavus, welche mir aus Italien und Frankreich vorliegen, zeigen folgende Abweichungen: Supraorbitalia weniger breit; vom Praeoculare ist unten kein zweites Stück abgegrenzt; Nasenschild ohne die vordere Rinne; auf den Frontalia anteriora kein Wulst; der Eindruck vor dem Auge geringer; Länge des Schwanzes bei den kleineren Thieren 24 cm; bei stattlichen Exemplaren der Form Z. carbonarius 31 cm. Die Form der Schuppen und ihre Sculptur habe ich sowohl von der Stammform als auch der schwarzen Varietät eingehender erörtert ?). Meine Kenntniss des lebenden Thieres bezieht sich fast nur auf die letztgenannte Va- rietät. Mehrere Autoren heben hervor, dass das lebhafte bunte Kleid, welches die Thiere Süd- italiens tragen, nordwärts, etwa anfangend in der Lombardei, in die dunkele Farbe des Z. carbonarius übergehe, welche Form dann allerdings am Südabhang der Alpen, in Tyrol und 1) Fig. 4. 2) a. a. O. Tafel XXXII, Fig. 11, Fig. 12, Fig. 20, Fig. 21. (Der komische Druckfehler »Leider ein anderes Bild gewährt Coluber viridiflavus« ist selbstverständlich in »Wieder ein anderes Bild« etc. zu verbessern) — 182° — Kärnthen, am verbreitetsten zu sein scheint. Allein man begegnet doch auch in Reiseberichten der gelegentlichen Angabe, dass Z. carbonarius tief unten in Italien nicht minder häufig sei. Es wird z. B. bezüglich der Gegend von Leeco in der Provinz Otranto gemeldet, dass dort »lie kohlenfarbige Natter in zahlloser Menge an Olivenstämmen sich sonnend gefunden wird,« Bei den südtyrolischen Thieren ist die Farbe des Z. carbonarius ein schönes dunkles Schwarz, das bei schräger Beleuchtung, namentlich gegen die Bauchseite hin, in ein tiefes Schwarzblau schillert. Weiter gegen den Bauch geht es in Schwarzgrau über, das — ähnlich wie an der Sohle von Zimax cinereoniger — zwei Seitenbänder bildet; dazwischen ist der Bauch von strohgelber Farbe. Stellenweise greifen auch die schwarzgrauen Flecken in die gelbweisse Zone herein; an der Unterseite des Schwanzes fällt die gelbweisse Mittelbinde ganz aus, in- dem die beiden schwarzgrauen hier zusammenstossen. Um das Auge herum schliesst sich das Gelbweiss von unten her wie in zwei Halbringen seitlich zusammen, wodurch und durch ferneres Ineinandergreifen von Seiten der dunkeln Rücken- und der hellen Bauchfarbe das Gesicht fleckig erscheint. — Iris gelb. Junge Thiere tragen ein ganz anderes Farbenkleid, so verschieden von dem der alten, dass seiner Zeit, als ich das erste Individuum nach Umwenden eines Steines plötzlich zu Ge- sichte bekam, nicht sofort wusste was ich vor mir habe. Grundfarbe des Rückens ist ein lichtes Grau, jene des Bauches ein gelblich Weiss. Vom Nacken her geht an meinen Exem- plaren eine Anzahl Querbänder über den Hals herüber, dadurch entstehend, dass Schuppen in Reihen schwarz umsäumt sind; weiter nach hinten werden solche schwarzrandige Schuppen immer seltener. Scheitel und Gesicht sind von besonders lebhafter Färbung und Zeichnung. Das Gelbweiss der Oberlippe umgreift das Auge vorn und hinten und indem der hintere Schenkel des Halbbogens sich über den Scheitel fortsetzend, mit dem der andern Seite sich verbindet, entsteht ein weisses, vom Graubraun des Kopfes sich scharf abhebendes Querband. In der Hinterhaupts- gegend ist ein ähnliches, jetzt mehr hufeisenförmiges, gezacktrandiges, gelbweisses Band zugegen und endlich im Nacken selber wiederholt sich gewissermassen diese Zeichnung zum dritten Male. Durch das Naturell zeigt Z. viridiflavus, in der Varietät carbonarius, welches Thier ich län- gere Zeit im Zimmer hielt, Verwandschaft zu Üoronella austriaca und man wird den Gattungsnamen, gebildet von Zauevns, zornig, bissig, für sehr passend finden müssen. Wird die Schlange, zusammengerollt in ihrem Kasten, plötzlich beunruhigt, so faucht sie nicht bloss vernehmlich, sondern fährt mit Hast und weit geöffnetem Rachen gegen die Hand des sich Nahenden. Und dieses bissige Wesen legt sie niemals ab. Dargebotene Nahrung verschmähten sie, nahmen jedoch Wasser oftmals und viel zu sich. — i88 — Gattung: Coronella Laur. Art: Coronella austriaca, Laur. Von den drei in Europa einheimischen Species der Gattung Coronella ist ©. austriaca die einzige auch in Deutschland vorkommende Art, während die andern auf die Länder des Mittelmeergebietes beschränkt sind. Kopf bald breiter und zusammengezogener, bald schmäler und gestreckter. Soweit bis jetzt meine Erfahrung geht, ist dies Geschlechtsverschiedenheit: die erstere Form kommt den weiblichen Thieren zu, die letztere den Männchen. Nasenschild länglich, vorn höher als hinten; von der Nasenöffnung kann eine Furche nach oben und eine nach unten gehen, wodurch anscheinend eine Zerfällung in zwei Schildchen statt hat. Auch sonst zeigen sich mannigfache individuelle Abänderungen: die mittlere Thei- lungslinie der Kopfplatten kann nach rechts oder links stark ausbiegen, so dass sie wie im Zickzack geht; ein andermal zieht sie regelrecht gerade; hinter und zur Seite der Hinterhaupts- schilder kann sich noch ein grösseres Schild von der anschliessenden Beschuppung abheben ; ein andermal ist wieder das Schild nicht grösser als die Schuppen der Umgebung. Die Hinter- hauptsschilder sind so gut wie die übrigen Schädelschilder gewöhnlich glatt, erhalten aber bei alten Individuen eine schrundige Oberfläche, womit sich denn auch buchtige, nicht gerade ver- laufende Seitenränder verbinden ). Die Rückenschuppen, hinter dem Kopf am kleinsten, werden allmählig grösser und erscheinen bei auffallendem spiegelndem Licht als sechseckige glatte Platten, nach Art riesiger Epithelzellen sich aneinander legend. Ist aber die Beleuchtung eine schräge, so gemahnt das Bild eher an die Oberfläche eines Tannzapfens. Gegen den Schwanz zu verkürzen sich die Schuppen, und werden breiter; noch mehr ist solches am Schwanz selber der Fall, allwo sich denn die Beschuppung oben schon mehr der Betäfelung der untern Seite nähert. Wegen der weniger länglichen Form der Rückenschuppen geschieht der Uebergang zu den breiten Seiten- schuppen ganz allmählig. — Auch über die Sculptur der Schuppen dieser Schlange habe ich seiner Zeit im Näheren gehandelt ?), Die Zuspitzung des Schwanzendes ist individuell stärker oder geringer, erreicht je- doch nicht den Grad wie bei Tropidonotus tessellatus oder jüngeren Exemplaren von 7. natrix. Die Länge des Schwanzes beträgt 10—12 cm. 1) Fig. 1. 2) Archiv f. mikrosk. Anat. 1873. Tafel XXXII, Fig. 14, Fig. 23. Abhandl. d. Senckenb. naturf, Ges. Bd. XIII. 24 — 14 — Die Grundfarbe des Rückens beim erwachsenen Thier, und im warmen Sonnenschein, ist mehr grau als braun und die dunkeln Zeichnungen des Kopfes, sowie die Flecken des tückens sind von nussbraunem Ton. Der dunkle Fleck der Hinterhauptsgegend hat nach vorne zu ein verwaschenes Aussehen. Mitunter bietet das Schwarzbraun des Kopfes einen bläulichen Schimmer, eine Art Reif, dar, über dessen Ursache ich mich in der Abhandlung über die Haut der Schlangen ausgesprochen habe }). Die Grundfarbe des Bauches ist ein lichtes Grau mit Stich ins Bräunliche, namentlich gegen den Kopf und Schwanz zu. Der lufthohle oder pneumatische Rand der Bauchschienen erzeugt schöne silberglänzende Bänder. Die von mir jenseits der Alpen angetroffenen Exemplare weichen in der Färbung kaum von denen unserer Gegenden ab; nur erschien hin und wieder die Zeichnung etwas schärfer ausgeprägt, was aber auch nur vorübergehender Zustand sein konnte, bedingt durch die Thä- tigkeit der Chromatophoren bei wärmerer Luftbeschaffenheit. Auf dem Scheitel fand sich immer in gleicher Weise der grosse schwarze, nahezu herzförmige Fleck, davor ein oder zwei bogige schwarze Streifen und eine dunkle Schnauzenkuppe. Ein eben solcher Streifen ging durchs Auge, wodurch die Iris nur oben gelb blieb, die untere Hälfte aber, von dem Strich getroffen, dunkel wurde. — Anstatt der Querbänder kann der Scheitel ziemlich gleichmässig dunkel sein und gegen die Schnauze hin sich aufhellen. Die Flecken des Rückens sind gleichsam die in Punkte aufgelös’ten Fortsetzungen jener Flecken, welche oben und seitlich am Kopf sich finden. An jungen einjährigen Thieren fällt die Bauchfläche durch ein schönes Kupferbraun auf und ich möchte bemerken, dass mir allezeit bei den in Deutschland aufgegriffenen Exemplaren dieser rothbraune Farbenton von grösserer Sättigung erschienen ist, als bei den jenseits der Alpen erbeuteten gleich jungen Thieren. Einige Zeit wollte es mir scheinen, als ob die Geschlechtsverschiedenheit sich auch durch die Färbung kund gebe. Bei einer Anzahl von Stücken deutete das Grau der Grundfarbe des Rückens auf das Männchen, ein brauner Ton hingegen auf das Weibchen; dann hob sich auch die Fieckenzeichnung, gebildet von einem tieferen Braun, weniger ab. Hierzu gesellte sich weiter an der Bauchfläche ein marmorirtes unreines Rothbraun in der Mitte, und zur Seite eine hellere Zone, deren Braun ins gelblich Marmorirte gine. Hals und Kehlgegend gelblich. Selbst die hervorgestreckte Zunge solcher lichtrothbraunen Thiere zeigt denselben Farbenton, \!) a. a. O. Seite 8. — 1890 —— Allein diese Färbung ist als charakteristisch für das Weibchen, wie fortgesetzte Prüfung darthut, doch nicht stichhaltig.. Es wurden auch weibliche Thiere gefunden mit grauer Grund- farbe; der Bauch war dann in der Mitte so dunkelbraun, dass man ihn hätte schwarz nennen können, dabei stark opalisirend; neben der dunkeln Bauchzone gelbliche Flecken, nach hinten blasser und kleiner werdend. Die braunen Flecken und Zeichnungen des Rückens können, bei heller Mitte, dunkler eingefasst sein. Die Verbreitung anbelangend, so zieht sich Coronella austriaca wohl über ganz Deutsch- land hin. Ich selber beobachtete sie z. B. im Gebiet der Tauber bei Rothenburg. Wertheim Brombach; im Mainthal an verschiedenen Punkten, z. B. bei Würzburg; im Rheinthal bei Bonn; im Rhöngebirge bei Brückenau und Biberstein; in der Eifel bei Bertrich und Nieder- mendig; im Siebengebirge; in der Umgebung von Tübingen und am Fusse der schwäbischen Alb. Da die Art als vivipares Thier unabhängiger ist als etwa die Ringelnatter, welche zum Absetzen der Eier ganz bestimmter Plätze bedarf, so hat sie sich wie es scheint, auch dort leichter erhalten können, wo die Oertlichkeiten durch Bodenecultur verändert worden waren. Für Württemberg würde die eben ausgesprochene Ansicht nicht zutreffend sein, wenn man die »Oberamtsbeschreibungen« durchgeht. Sehen wir nämlich von jenen Berichten ab, welche die Fauna eines Oberamtes nur dürftig behandeln, so dass von den einheimischen Rep- tilien nicht einmal die Rede ist — und diesem Mangel begegnet man bei etwa zwanzig Bear- beitungen — so treffen wir die Ringelnatter aus sechsundzwanzig Oberämtern aufgeführt, wäh- rend die glatte Natter nur aus etwa acht Oberämtern genannt wird. Sonach würde Coronella austriaca in Württemberg im Allgemeinen ein seltenes Thier sein. Allein es ist wahrscheinlich, dass sie in den gedachten faunistischen Arbeiten hin und wieder unter »Vipera berus« steckt, mit welcher sie so gern verwechselt wird. Ueberdies bezeichnet das neueste Verzeichniss über die Thiere des Königreichs Württemberg, welches Prof. v. Krauss zusammengestellt hat, unsere Coronella als »häufig«, mit dem beachtenswerthen Beisatz: »fehlt in Oberschwaben. « Auch auf dem feuchtkühlen Boden Norddeutschlands scheint das Thier seltener zu sein. So meldet z. B. Brüggemann, dass sie in der Gegend von Bremen »keine besonders häu- fige Erscheinung« sei; in der Mark Brandenburg wurde sie jetzt erst entdeckt; in Vorpommern wurde sie gefunden; für Dänemark wird sie als Seltenheit verzeichnet. Die biologischen Verhältnisse bieten manches Eigenthümliche dar. Bekanntlich ist das Naturell dieser Schlange sehr verschieden von dem der Ringelnatter. Sie geräth leicht in Zorn, ist bissig und raubgierig. Von mir gefangene Exemplare würgten Feldmäuse und Spitzmäuse aus; eine andere hatte eine grosse Blindschleiche verschlungen. In einem Terrarium, — 186 — welches mit jüngeren Thieren von Tropidonoius tessellatus besetzt war, fanden sich, als eine Coronella über Nacht dahin gebracht worden war, zwei der Würfelnattern am Morgen getödet, unter starken Verwundungen des Kopfes. Am meisten scheint die Schlange den Eidechsen nach- zustellen. Vor den Augen des Beobachters verzehrte ein Individuum im Zwinger drei Lacerta vivipara, wobei sie dieselben vorne am Kopfe packte, so dass der Schwanz noch lange, leise zuckend, aus dem Mund hervorsah. Ebenso war ich Zeuge, dass, nachdem eine einjährige Coronella eine Eidechse am Kopf gefasst hatte, sie schnell den Leib des Opfers in Spirallinien umwickelte, und ihm dadurch den Gebrauch der Vorder- und Hinterbeine unmöglich machte. Schon anderwärts !) habe ich der merkwürdigen Beobachtungen Gen&’s über die geselligen Zusammenkünfte, zum Zwecke der Fortpflanzung, in Kürze gedacht und möchte die Stelle aus der »Storia naturale degli animali, Vol. 1I., hier wörtlich anführen: »Nel 1819, alla meta di Aprile verso l’ora del mezzodi, mi imbattei per la prima volta in una valicella a vedere appie d’un vecchio ceppo d’albero, una ragunata di oltre a ducento individui del Coluber austriacus, intesi all’ opera della generazione. Or bene, alla metä di Aprile e all’ ora medesima, se il cielo era sereno e l’atmosfera tranquilla, io 'continuai per otto anni consecutivi, cio@ fino al 1827, a vedere in quel medesimo sito, appie di quello stesso ceppo, la medesima assemblea, che durava sin verso le due ore pomeridiane pel corso di sei o sette giorni di seguito. La singolaritä del fatto, e il diletto che io traeva in contemplarlo mi mosse a visitare attentamente quante valli, quante selve circondavano la mia residenza d’allora; scoprei distanza l’una dell’ altra, quattro altre di codeste riunioni; una del colubro sumentovato, una del Coluber Riceioli e due di saettoni o serpenti uccellatori; e rivedendo per varii anni di seguito quei luoghi rividi gli stessi amori e gli stessi innamorati.« Erinnert mag auch hier werden an die überraschende Brutpflege, welche Settari, Arzt in Meran, an unsrer Coronella beobachtet hat und welche ich ?) mit höchst auffallenden Zügen aus dem Leben aussereuropäischer Schlangen in Verbindung gebracht habe. Endlich sei noch bemerkt, dass ich gegenwärtige Schlange bis tief in den Herbst hinein, an wärmeren Tagen im Freien angetroffen habe. So beobachtete ich sie z. B. noch am 27. Oktober bei feuchter Wärme, + 12° R. und Südwest. !) Verbreitung der Thiere im Rhöngebirge etc., 1881, S. 130. 2) a. a. O. S. 130. Familie: Viperina. Gattung: Vipera, Laur. 1. Art: Vipera berus, L. Unter die zu berücksichtigenden Merkmale der Art gehört die Anwesenheit von drei Schildern auf dem Scheitel: ein unpaares Verticale und zwei Occipitalia, während die anderen Species an dieser Stelle keine schuppenähnlichen Schildchen besitzen. Ferner ist die Schnauze einfach zugerundet, — bei der nächstverwandten Pipera aspis erscheint sie aufgestülpt. Endlich zwischen dem Auge und den darunter liegenden Oberlippenschildern zieht sich nur eine einzige Schuppenreihe hin, — bei Vipera aspis sind es zwei Reihen. In der angegebenen Weise verhaiten sich die erwachsenen Exemplare, welche ich selber in Händen hatte. Allein Herpetologen, welche ein grosses Material vergleichen können, z. B. Strauch in St Petersburg, zeigen, dass Unbeständigkeiten in der Beschilderung des Scheitels und in der Zahl der Schuppenreihen zwischen Auge und den Oberlippenschildern bestehen; auch Andere, wie z. B. Gloger haben sich schon vor langer Zeit über diese Wandelbarkeit ausgesprochen. An einigen neugeborenen Thieren, welche aus dem württembergischen Schwarzwald stammen, kann ich mich ebenfalls von Unregelmässigkeiten oder individuellen Verschiedenheiten in der Beschuppung überzeugen. !) So erscheint an einem Stücke — es ist Var. prester — auf dem Scheitel, ausser dem gewöhnlichen Wirbelschild und den zwei Hinterhauptsschildern, noch ein unpaariges Schild zugegen, welches vor dem Wirbelschilde liegt. An einem zweiten Exemplar von derselben Fundstelle ist dieser Schild in zwei zerfallen. Bei mehreren Thieren zieht auf den zwei Hinterhauptsschildern eine halbmondförmige, über beide Schilder weggreifende, tiefe Furche hin. Selbst von rechts und links entspricht sich keineswegs immer die Beschuppung. Ich habe seiner Zeit gezeigt, dass die Schuppen bei den drei hier in Betracht kommenden Arten von Vipera eine verschiedene Sculptur besitzen, ?) wodurch sich Vipera berus sowohl von Fipera aspis als auch von Vipera ammodytes abgrenzt. Wenn dieser Sculptur ein gewisser bleibender Charakter zukommt, so hätte sie für uns, gegenüber der Wandelbarkeit der Be- schuppung im Grossen, einen nicht geringen Werth. Ja die Sculptur der deutschen Viper, Vipera berus, ist so abweichend von jener der südlichen Arten: Vipera, aspis und Vipera 1) Fig. 10, Fig. 11. ?) Archiv f. mikrosk. Anat. 1873, S. 5, Taf. XXXII, Fig. 15, Fig. 24 (Vipera berus); Fig. 16, Fig. 2 (Vipera aspis); Fig. 17, Fig. 26 (Vipera ammodytes). — :18 — ammodytes, dass dadurch die Ansicht jener Zoologen unterstützt werden könnte, welche Vipera berus zu einer besonderen Gattung, Pelias, erheben wollen. Was die Färbung anbetrifft, so ist die Grundfarbe des Rückens entweder ein Grau oder ein Braun, wovon sich die dunklen Zeichnungen, insbesondere der zackige Rückenstreif mehr oder minder deutlich abheben. Verfärbung in Schwarz, verschieden abgestuft, kommt häufig !) vor und gab Anlass zur Aufstellung der Var. prester. Ich besass lebende Thiere, deren ganze Rückenfläche glänzend schwarz war, bei näherem Zusehen aber doch einzelne kupferfarbig bespritzte Schuppen aufwies ; die Seiten waren bräunlich, die Kehle und der Schwanz an der Unterfläche dunkelcastanienbraun. Auch die Grundfarbe der ganzen Bauchseite war ein Castanienbraun, aber mit einer solchen Menge von schwarzen Flecken und Sprenkeln, dass das Braun fast überdeckt wurde. — Ein anderes vom Berg Hohenzollern zurückgebrachtes Exemplar war am Rücken gleichmässig schwarz wie Ebenholz; am Bauch ebenfalls schwarz, nur etwas lichter, gegen das Ende der Schwanzspitze mit Spuren von mattem Braun. — Bei einem Exemplar der Var. prester aus der Schweiz (Ufer des Brienzer See’s) zog sich an dem sonst ganz schwarzen Thier an der Bauchseite der Schwanzspitze ein lebhaft gelbrother Streifen hin, erinnernd an die Färbung dieser Stelle bei Vipera ammodyltes. Auch die Farbe der Iris zeigt einen gewissen Wechsel: für gewöhnlich ist sie an der typischen Form in der oberen Hälfte gelbroth, in der unteren Hälfteschwarz. Bei der schwarzen Abart sah ich sie das einemal gleichmässig braunroth, ein andermal ziemlich dunkel bis auf einen zusamınenhängenden feuerfarbenen Ring zunächst der Pupille. Hinsichtlich der Farbe bleibt auch wieder zu beachten, dass durch die Thätigkeit der Chromatophoren die Farbentöne sich ändern und in einander übergehen können. Ein mir frisch eingeliefertes männliches Thier zeigte anfänglich ein reines Hellgrau, von dem sich die Rückenzeichnung sehr scharf absetzte. Nach und nach dunkelte an der eingesperrten Schlange das Hellgrau, auch mischte sich etwas Braun ein. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch in Erinnerung bringen, dass in einer Schrift welche einzusehen ich leider nicht in der Lage bin, der Farbenwechsel durch Nervenerregung und Chromatophoren bei unserer Viper schon im vorigen Jahrhundert beobachtet wurde. Ich finde nämlich bemerkt, dass Weigel — wie ich vermuthe der den Entomologen wohlbekannte !) Die schwarze Varietät wird hin und wieder als »sehr selten« bezeichnet, weshalb bemerkt sein mag, dass von den Kreuzottern, welche mir in Süddeutschland in die Hände kamen, die Mehrzahl schwarz ge- färbt war. — 189 — »Pastor Weigelius in Hasselbach prope Schmiedeberg in Silesia«e — gesehen habe, wie Vipera berus »im Zorn sogar ihre Farbe, die Röthe, verwandelt.« !) Die merkwürdige abstreichhbare Puderfarbe, welche der Arzt und Naturforscher Wagner) zuweilen am Rücken und den Seiten frischer Kreuzottern beobachtete, habe ich mit dem »wachsartigen Anflug« zusammengestellt, welcher von L. Martin in Stuttgart bei Säugethieren und Vögeln in gewisser Jahreszeit wahrgenommen wurde. Und diese flüchtigen Farben bringe ich ferner mit dem »Reif« und »Duft« am Gehäuse gewisser Arten einheimischer Conchylien in Verbindung. Alle diese Farben beruhen auf Abscheidungen und mögen den wachsartigen Stoffen verwandt sein, welche auch der Pflanzenkörper nach aussen absetzt. °) Die Verschiedenheit des Geschlechts spricht sich sowohl in der Gestalt des Körpers als auch theilweise in der Farbe aus. Zunächst ist es die Kopfbildung, welche wie bei manchen anderen Reptilien, Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen darbietet. *) Ich finde, dass der Kopf des Weibchens mehr niedergedrückt, länglicher und feiner ist. Da die schwarze Abart meist Weibchen in sich fasst, so begreift es sich, dass der Vipera prester auch gewöhnlich ein kleinerer und niedrigerer Kopf zugeschrieben wird. — Beim Männchen ist der Kopf dicker, kürzer und das Trotzige in der Gesichtsbildung wird gesteigert durch den mehr als beim Weibchen vorspringenden Rand der Braunenplatte. Zweitens ist es die Schwanzgegend an der sich der Geschlechtsunterschied ankündigt: Beim Männchen ist durch die Zeugungsglieder die Wurzel des Schwanzes auffallend dick, und der ganze Schwanz etwas länger. Beim Weibchen ist der Schwanz kürzer und an gedachter Stelle dünner. In der Färbung drückt sich die Geschlechtsverschiedenheit, nach dem Material welches ich in Händen hatte zu schliessen, darin aus, dass die graue Grundfarbe des Rückens auf das männliche Geschlecht hinweist, während die braune Grundfarbe dem Weibchen eigen ist (Vipera chersea der Autoren). Nach meiner Erfahrung ferner, welche auch mit den Beobachtungen Anderer stimmt, tritt, wie schon angedeutet, die schwarze Färbung (Vipera prester) vorzugs- weise bei Individuen weiblichen Geschlechtes auf, doch keineswegs ausschliesslich. Ich habe !) Abhandlungen der Halle’schen Naturf. Gesellsch. Bd. I, Leipzig, 1783. 2) Siehe Brandt u. Ratzeburg, Medieinische Zoologie, Berlin, 1829. °) Vergl. meine Angaben in: Verhandlgn. d. nat. Vereins d. Rheinlande u. Westf. 1881, Bd. VIII, S. 136, ff. #4) Fig. 8, Fig. 9. — 19 — mich durch die anatomische Untersuchung überzeugt, dass schwarze Vipern auch Männchen sein können. Manche der früheren Herpetologen haben die schwarzen Kreuzottern als »distinctissima species« bezeichnet, und es mag desshalb daran erinnert sein, dass Beobachtungen vorliegen, wornach schwarze, in der Gefangenschaft gehaltene Kreuzottern junge Thiere von gewöhnlicher grauer oder brauner Färbung geboren haben, und umgekehrt konnte Vipera berus von ge- wöhnlicher Färbung die Mutter von schwarzen Öttern sein. Die Lebensweise betreffend, so wird von Allen, welche Vipera berus in Gefangenschaft hielten, übereinstimmend gemeldet, — und ich hätte mich anzuschliessen — dass die Thiere sich nicht zum Fressen bewegen lassen. Desshalb verdient erwähnt zu werden, dass Erber in Wien, aber auch nur ein einzigesmal, eine Viper überraschte, welche eine in den Käfig ge- setzte sehr junge Maus verspeiste. ) Im Freien wagt sich die Schlange auch an grössere Thiere, wovon ein merkwürdiges Beispiel durch v. Homeyer bekannt geworden ist. ?) Er tödete in einem Getreidefeld eine ungewöhnlich dicke Otter, welche geöffnet zwei Wiesel, Mustela vulgaris, ein altes und ein junges, im Innern hatte. Und blicken wir jetzt auf das Vorkommen, so ist Vipera berus als die nördliche Giftschlange Europa’s zu bezeichnen, im Gegensatze zu Vipera aspis, welche die südliche Art vorstellt. Es geht Vüpera berus sehr hoch in den Norden hinauf, zugleich mit Zacerta vivipara wohl am weitesten unter allen Reptilien. ) Damit im Einklang sind es in Deutschland vor- zugsweise Strecken mit feuchtkühlem Klima, wo die Schlange heimisch ist. So begegnet man in faunistischen Arbeiten über Norddeutschland der Angabe, dass das Thier auf Moorboden sich finde und dort ziemlich häufig sei. Ich verweise z.B. bezüglich Oldenburgs auf Wiepken und Greve, *) oder für Pommern auf die Mittheilungen Holland’s. °). Auch in Süddeutschland sind es gerade die oberschwäbischen Torfmoore, wo das Thier sich gern findet. ) Einen feucht- 1) Verhandlen. der zool. botan. Gesellsch. in Wien, 1869. 2) Zoologischer Garten, 1876, S. 201. 3) Man vergleiche z. B. Hofmann, Der nördliche Ural, Bd. II, Petersburg, 1856. %) Wiepken und Greve, Systematisches Verzeichniss der Wirbelthiere im Herzogthum Olden- burg, 1876. 5) Holland, Die Wirbelthiere Pommerns, 1871. 6) Jüngst hat auch R. Finkh, Oberamtsarzt in Urach, gelegentlich seiner Mittheilungen über das Vorkommen von Tetrao tetric L. in Württemberg (Jahreshefte d. Vereins f. vaterländische Naturkunde in Württemberg, 1881), auf das geradezu häufige Vorkommen der Kreuzotter im »Eisenharzer Mooss und im »Wurzacher Ried« hingewiesen. In den genannten Gegenden »trifft man bei der Heuernte oft 10—12 Stück bei einander an, wesshalb die dortigen Bauern im Heuen bis über die Knie reichende rindslederne Stiefel tragen und mit ihren Sensen Jagd auf die Kreuzottern machen.< Einem Arzt dortiger Gegend kamen während 9 Jahren 6 Fälle von schweren Erkrankungen durch Kreuzotternbisse in Behandlung. — gl kühlen Aufenthaltsort bieten dann auch rauhere Striche der Gebirge dar. Goldfuss!) ver- zeichnet schon die Art bezüglich des Fichtelgebirges; Geheeb hät sie im Rhöngebirge beobachtet. Nachgewiesen wurde das Thier ferner im württembergischen und badischen Schwarzwald, eben- so im langen Zug des schwäbischen und fränkischen Jura. ?) Von letzterem hat sie sich auch auf Moorstrecken der Ebene ausgedehnt, z. B. um Gerolzhofen in Unterfranken und ebenso in Waldungen Mittelfrankens, z. B. in den Reichswald bei Nürnberg, wo sie nach Hahn ’°) in »feuchten, sumpfigen Orten gar nicht selten« ist. Hingegen scheint sie in jenen wärmeren Gegenden Deutschlands, wo der Weinbau gedeiht, im Allgemeinen zu mangeln. Ich habe schon anderwärts berichtet, dass ich die Kreuzotter bis- her weder im Tauber- noch Mainthal kennen gelernt habe: alle mir als Vipera berus über- brachten Thiere waren nicht die Giftotter, sondern Coronella austriaca gewesen, Auch im mittleren und unteren Rheinthal habe ich noch nirgends die Viper zu (resicht bekommen, und ebenso erklärt mir O. Böttger brieflich, Vipera berus fehle in der Mainebene, im ganzen Taunus und Odenwald und am ganzen Mittelrhein. Indessen soll nicht unerwähnt gelassen werden, dass Gümbel in Kaiserslautern das Vorkommen der Kreuzotter am Donnersberg in der Rheinpfalz verbürgen will, also entgegen von Medicus, welchem zufolge Vipera berus in der Rheinpfalz nicht zugegen ist; auch bezüglich der Gegend um Mainz bemerkte vor Jahren Römer-Büchner#), dass Vipera berus nicht selten hinter Weisenau an den Kalkstein- brüchen sich finde. Während es sich empfehlen darf, in den letztbezeichneten Gegenden weitere Nachforschungen anzustellen, so ist ein anderer warmer Punkt Deutschlands zu nennen, wo Vipera berus unbestreitbar lebt, nämlich das Moselthal bei Trier. Die zwei Exemplare, welche von dort Besselich der Sammlung des hiesigen naturhistorischen Vereins einverleibt hat, sind, wie ich bezeugen kann, echte Kreuzottern. Das eine Stück ist von heller Grundfarbe mit scharf sich abhebender Ziekzackzeichnung, das andere ist die schwarze Abart, Vipera prester. Man sieht aus dem Voranstehenden, dass die Verbreitung der Kreuzotter durch Deutschland hin noch nicht im Einzelnen in dem Grade festgestellt ist, als es nach der Bedeutung des Thieres für den Arzt und eigentlich für Jedermann, zu sein verdiente. Selbst bezüglich der !) Goldfuss und Bischof, Beschreibung des Fichtelgebirges, 1817. Da dort nur »Coluber berus« und »Coluber natrix« aufgeführt werden, nicht aber Coronella austriaca, die schwerlich fehlt, so wäre wohl eine neuere Bestätigung für das Vorkommen der Vipera berus im Fichtelgebirge erwünscht. *) Vergl. Näheres in meinen Mittheilungen über Verbreitung der Thiere im Rhöngebirge und Mainthal, Verhandlgn. d. nat. Vereins d. Rheinlande u. Westf. 1881. ®) Hahn, Fauna boica, Nürnberg, 1832. %) Römer-Büchner, Steine und Thiere in dem Gebiete der freien Stadt Frankfurt, 1827. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 25 — 11925, — kleineren Schweiz sind die Grenzen der Verbreitung, worauf F. Müller !) hinweist, noch keineswegs so bekannt, um darüber ein gutes graphisches Bild entwerfen zu können. Der eben genannte Beobachter bemerkt auch gelegentlich, dass »die Kreuzotter in der Schweiz verhältnissmässig klein bleibt.« Das oben schon bezüglich der Farbe erwähnte Exemplar von Vipera prester, Männchen, das von dem Ufer des Brienzer See’s im Canton Bern stammte, von wo bereits im Jahre 1823 Wyder die schwarze Abart angezeigt hat, war ebenfalls, ob- schon nach andern Merkmalen zu schliessen, ausgewachsen, doch viel kleiner, als die mir aus Norddeutschland, Schwaben, Franken, dem bairischen Hochland und dem Moselthal bekannt gewordenen Thiere., 2. Art: Vipera aspis, L. Es gebührt wohl Schlegel ?) das Verdienst die Verschiedenheit zwischen Vipera berus und Vipera aspis zuerst bestimmter erkannt zu haben, während man beide Thiere früher nach dem Vorgang von Latreille, Cuvier, Leach u. A. zu einer Art zusammengeworfen hatte. Obschon nun auch bezüglich der Beschuppung, sowie in der Farbe, Abweichungen zu- gegen sind, so bin ich doch an den mir vorgelegenen Stücken nicht im Zweifel gewesen, welcher Art ich sie zuzutheilen hatte. Schon die Bildung des Kopfes ist charakteristisch, was ich desshalb auch in einer Figur zu veranschaulichen und festzuhalten suchte. 3) Die Schnauzen- spitze nämlich ist aufgeworfen und zeigt dadurch eine entschiedene Hinüberbildung zur Schnauzen- form der Vipera ammodytes. — Bei der Mehrzahl der von mir untersuchten Exemplare ist die Oberseite des Kopfes von kleinen, unregelmässigen Schuppen bedeckt; doch hatte ich auch Thiere in Händen, bei denen wie eine Erinnerung an die Schilder der Vipera berus unver- kennbar war. So besass ein Stück das Wirbelschild und die beiden Hinterhauptsschilder, aller- dings alle drei von geringem Umfang. Bei einem andern Exemplar waren die bezeichneten Schilder nur von der Grösse der Schuppen, doch genau an der Stelle und so gelagert, wie die erwähnten Schilder. Bei einem dritten Thier war ein einziges grösseres Schild an dem Platze, wo die Wirbe!schilder zu liegen hätten. Kurz es zeigt sich auch hier grosser Wechsel in der Bildung und Abgrenzung von Schildern und Schuppen. — Das Nasenschild weicht in der Form stark von jenem der vorigen Art ab; die Nasenöffnung ist weiter nach vorn an die Schnauzenkante gerückt und mehr offen als bei Vipera berus. — Oberlippenschilder zähle ich 1) F. Müller, Mittheilungen aus der herpetologischen Sammlung des Basler Museums, 1877. 2) Schlegel, Physionomie des Serpens. La Haye, 1337. 8) Fig. 12. — It — zehn; Andere geben als die gewöhnliche Zahl neun an. Zwei Reihen von Schuppen zwischen ihnen und dem Auge. Die Grundfarbe des Rückens ist an Weingeistexemplaren ein Braungrau, von welchem dunkle Fleckenreihen sich abheben, deren mittelste der Zeichnung bei Vipera berus theilweise ähnlich werden kann. Bei manchen Stücken beginnen hinter dem Kopf schwache Rauten, deren Rand dunkler als die Mitte ist; weiter nach rückwärts sind die Rauten zu einem schwachen Zickzackstreifen geworden und am Schwanze erscheinen wieder Rauten. Bei andern Exemplaren nimmt die dunkle Zeichnung weder die Form von Rauten, noch die eines Zick- zackstreifens an, sondern sie bildet mehr winkelige oder geknickte Querbänder, in welchem Fall auch die kleineren Seitenflecken bandartig werden. Wieder ein andermal fängt die Zeich- nung hinter dem Kopf in Rautenform an und läuft in die bandartige aus. — Am Kopf zieht ein dunkler Strich, hinter dem Auge beginnend, längs der Wangen her. — Die Schwanzspitze war bei allen Exemplaren durch eine Querbinde ausgezeichnet. Die Grundfarbe der Bauchseite ist weisslich, mit dunkler Besprenkelung, welche so zu- nehmen kann, dass das Weiss fast ganz verdrängt erscheint und der Bauch schwärzlich oder schwarz geworden ist. Bei keinem der neueren Zoologen finde ich eine Angabe davon, dass sich Veränderung der Hautfarbe durch die Thätigkeit der Chromatophoren einstellen könne. Und doch scheint eine solche nicht nur abermals zu bestehen, sondern in noch höherem Grade zugegen zu sein, als ich es z. B. an T7ropidonotus natrix und Coronella austriaca beobachtet habe. Denn der alte Arzt Matthiolus !), welcher offenbar vielfach das lebende Thier vor Augen gehabt hat, sagt: »Si Vipera momordit, corpus intumet, vehementer arescit, subalbidumque colorem coneipit.« Hinsichtlich der Verbreitung gehört unsere Schlange dem südlichen und südwestlichen Europa an, ob auch dem südöstlichen ist noch zweifelhaft; denn frühere Angaben über das Vorkommen in der Balkanhalbinsel, sowie in Griechenland, werden in neuerer Zeit bestritten ?). Die Menge der Thiere in Frankreich und Italien machte es möglich, sie lange Zeit fort zu ausgedehntem medicinischen Gebrauch den Aerzten und Apothekern einzuliefern, worüber wir z. B. bei Matthiolus °) uns unterrichten können. Auch später und allem Anschein nach !) Matthioli, Commentarius in libros sex Dioscoridis. Venetiis, 1558, p. 768. 2) Man vergleiche v. Bedriaga, die Amphibien und Reptilien Griechenlands, Moskau, 1882. 3) Auf Seite 190 der bezeichneten Ausgabe (Ex officina Erasmiana, Vincentii Valgrisii) sehen wir einen Holzschnitt, darstellend einen Mann in der Tracht des 15. Jahrhunderts, welcher beschäftigt ist in einer - 14 — jetzt noch ist in den genannten Ländern die Zahl eine sehr grosse: ich verweise in dieser Hin- sicht z. B. auf eine Angabe bei Frivaldszky !), wornach Configliachi bei seinen Untersuchungen 1000 Exemplare des Thieres gebraucht habe. (Die Schlange wird zwar V. berus genannt, war aber wohl V. aspis.) Aus der neueren Zeit erzählt de Betta °): »Comune in tutto il Veneto e Tirolo meridionale, vive forse piü che altrove copiosissima nella provincia di Treviso, ove il Bosco Montello gode specialissima benche trista rinomanza per la quasi prodigiosa quantita di Vi- pere che ne infestano ogni cespuglio, ogni cumulo di pietre, i margini dei fossati, i sentieri e le vie.«c — In dem Vorkommen so sehr zahlreicher Individuen dieser Schlange in Italien mag es auch zum Theil begründet sein, dass die Farben des Thieres stark zur Abänderung neigen und darnach italienische Zoologen dreizehn bis vierzehn Varietäten unterscheiden. Es verdient jetzt eine nähere Betrachtung ob und wo das in Rede stehende südliche Thier nach Deutschland vorgedrungen ist. In verschiedenen Schriften erhält sich die, wie es scheint von Bibron und Dumeril herrührende Angabe, dass V. aspis »in mehreren Gegenden Preussens< zu Hause sei. Man darf wohl einfach diese Angabe auf sich beruhen lassen, da wahrscheinlich die Autoren hierbei an Preussen im engeren Sinn gedacht haben und vermuthlich Verwechslungen mit Vipera berus untergelaufen sind. Keinen Werth kann ich auch auf die Mittheilung legen, welche die Cöln’sche Zeitung vom August 1880 enthält und wonach im Sauerlande, Kreis Meschede, bei Hallenberg eine von der Kreuzotter verschiedene zweite Giftschlange sich vorfände. Die Angaben über die Farbe und im Versteck befindlich gewesene Eier verrathen allzusehr, dass der Berichterstatter ein Kenner von Schlangen nicht ist. Ich erwähne auch den Artikel nur desshalb, weil v. Be- driaga °) mehr Vertrauen in die Angaben setzt und ausspricht, es möge durch diese Anzeige zum erstenmal das Vorkommen der Vipera aspis in Deutschland »constatirt« sein. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass gedachte Schlange in den Grenzländern Frank- reich und Schweiz lebt, so wird man an das Moselthal und an das obere Rheinthal zu denken felsigen, wenig bebuschten Gegend Vipern zu sammeln. Auf ein Knie niedergelassen, hinter sich auf dem Boden eine grosse Schachtel, in der schon zwei züngelnde Vipern sich befinden, greift er mit der linken Hand einfach nach einem Thier, während er in der rechten schon ein anderes hat und ein drittes sogar seinen Hals umwindet. Kein Naturforscher unserer Tage möchte wohl diese schlichte Fangart nachzumachen sich getrauen, er müsste denn ein Nachkomme der alten Psyller und Marser des Plinius sein. !) Frivaldszky, Monographia serpentum Hungariae. Pestini, 1823. 2) de Betta, Erpetologia delle provincie venete. Verona, 1857. *) v. Bedriaga, die Amphibien und Reptilien Griechenlands, Moskau, 1332. — 195 — haben, ob nicht hier Vipera aspis sich findet, da beide Thäler als die Pforten bekannt sind, durch welche verschiedene südliche Thiere auf deutschen Boden einwanderten. Für ein Vorkommen unserer Schlange in der Gegend von Trier und in wärmeren Strichen der Eifel, könnte es sprechen, dass Schäfer !) ausser Vipera berus noch Vipera aspis in der »Moselfauna« aufführt. Allein besieht man sich die Mittheilungen des Genannten genauer, so merkt man doch, dass er selber weder die eine, noch die andere Art aus den bezeichneten Gegenden wirklich in Händen gehabt hat. Bezüglich der Y. berus sagt er: »Findet sich in mehreren sumpfigen Schlägen Belgiens (de Selys) und wahrscheinlich auch bei uns.« Das Vorkommen von V. aspis vermuthet er bei Bertrich, weil dort »ein Landmann von einer Schlange gebissen, infolge dessen in kurzer Zeit gestorben ist.« Und er setzt bei: » Vielleicht war es auch ein Individuum der vorigen Art, welches dieses Unglück verursachte« Wie ich anderwärts berichtet habe, bin ich selber im Moselthal und in der Eifel bisher überhaupt nicht auf eine Giftschlange gestossen, und also ohne eigenes Urtheil; aber durch Besselich ist der Nachweis geliefert worden, dass sich in der Umgebung von Trier Vipera berus in der That findet. Es ist daher nach dem Vorgebrachten einstweilen noch eine offene Frage, ob Vipera aspis aus der Gegend von Metz und Luxemburg bis nach Trier und in sonnige Strecken der Eifel ihren Verbreitungsbezirk ausdehnt. Hingegen ist im oberen Baden die in Rede stehende südliche Viper in der That als zweite einheimische Giftschlange entdeckt worden. Aus den Angaben F. Müller’s ?) geht schon hervor, dass V. aspis an verschiedenen Oertlichkeiten in der Umgebung von Basel sich findet. Die Basler Sammlung besitze Stücke aus mehr als zwölf Punkten der näheren und ferneren Umgebung dieser Stadt. Aus solchen Mittheilungen, seit ich sie kannte, war mir höchst wahr- scheinlich geworden, dass gleichwie Alytes obstetricans, Lacerta muralis und Lacerta viridis, endlich auch Elaphis flavescens ins obere Rheinthal vorgedrungen sind, auch Vipera aspis wärmeren Punkten dieses Landstriches angehören möge. Ich wusste aber dazumal nicht, dass wirklich schon sechs Jahre vorber gedachte Viper als Glied der Fauna Badens angezeigt wor- den war. Dies ist geschehen durch E. Weber °), der sich um die Schlangenkunde Badens schon früher verdient gemacht hat. Der Entdecker des Thieres ist Apotheker Saul in Thiengen, welcher auch die Art sofort richtig erkannt hat. Die Schlange sei an dem süd- !) Schäfer, Moselfauna, Trier, 1844. ®) F. Müller, Mittheilungen aus der herpetologischen Sammlung des Basler Museums, Basel 1877. °) E. Weber, Beitrag zur Schlangenfauna des Grossherzogsthums Baden. Mannheimer Verein für Naturkunde, 1871. -- 16 — lichen Abhang des Schwarzwaldes verbreitet und zwar »nicht sehr selten«; während Vipera berus sich mehr innerhalb des westlichen, östlichen und nördlichen Schwarzwaldes aufhalte. Auf solche Weise haben wir den ersten Beleg erhalten, dass im Gebiete von Alt- deutschland, ausser der Kreuzotter, noch eine zweite Giftschlange heimisch ist. In der Literatur über die Ophidier finden sich seit Aldrovandi Fälle beschrieben von zweiköpfigen Schlangen. So spricht z. B. Linne&!) von einem »Coluber bicephalus in collectione Robergis; Bonaparte lässt eine »Vipera aspis juvenis dicephala« abbilden. Ausführlicher handelt in neuerer Zeit ein anderer ita- lienischer Herpetolog, de Betta?), über diesen Gegenstand und zeigt auch später nochmals an, dass er zwei sehr junge Exemplare von Tropidonotus natrie in seiner Sammlung besässe, welche zweiköpfig seien und in Oberitalien gesammelt worden waren.°) Ein anderer Fund dieser Art, welcher die »gemeine Viper« betrifft, wird, auch unter Berücksichtigung der anatomischen Verhältnisse von Dorner vorgeführt. *) Sonach ist van Lier, der Verfasser des Werkes »over de Drentsche Slangen en Adders« im Irrthum gewesen, wenn er meint, die zweiköpfigen Schlangen, über welche verschiedene Autoren berichten, »existent uniquement dans l’imagination de ces &crivains.« Es ist bemerkenswerth, dass es sich bei allen diesen Funden von doppelköpfigen Schlangen um »junge« und »sehr junge« Thiere handelt, nicht um ausgewachsene. Wir schliessen daraus, dass eine solche Körper- bildung das Leben wohl eher verkürzen als verlängern mag. Dass die gleiche Missform auch bei Eidechsen auftritt, obschon gewiss sehr selten, lehrt eine Mit- theilung, °) welche auch über das Gebahren der beiden Köpfe bei der Nahrungsaufnahme manches Interessante enthält. Das von Dorner an zweiköpfigen Nattern ermittelte Verhalten des Nahrungsschlauches kann hierbei zur Erklärung dienen. Man muss wohl beistimmen, wenn die Ansicht geäussert wird, dass man es in allen solchen Fällen mit einem aus zwei Keimen zusammengewachsenen Doppelwesen und nicht mit einem theil- weise gedoppelten Einzelwesen zu thun habe. 3. Art: Vipera ammodytes, L. Die Sandviper hat, wasdas Vorkommen anbelangt, ihre eigentliche Heimath in Ländern des Mittelmeerbeckens, ohne jedoch überall sich dort zu finden. ®%) Im Westen scheint sie durch !) Linne, Amoenitates academicae, II, p. 87. 2) de Betta, Sopra un caso di dicefalia in un giovane vipera. Atti del Istituto veneto, Vol. X, Ser. III, 1865. ®) de Betta, Alcune note erpetologiche, Atti del Istituto veneto, 1378. ) Zoologischer Garten, 1873. 5) Zoologischer Garten, 1870, S. 196. 6) Neuere Arbeiten, welche sich mit der Verbreitung der Vipera ammodytes in Südeuropa beschäftigen, sind: de Betta, Sulla Vipera ammodite nell’ Italia, Atti del Istituto Veneto. 1879; Tourneville, Etudes sur les Viperes, Soc. Zool. de France, 1831; von Bedriaga, die Amphibien und Reptilien Griechenlands, 1882. RT Vipera ammodytes var. Latastei vertreten zu sein. Die typische Form lebt im Süden und Südosten von Europa: für Griechenland wird sie seit Langem als eine der gemeinsten Schlangen bezeichnet. !) Die Art erstreckt sich ins südliche Ungarn, Kärnthen, Krain, südliches Steiermark, Tirol bis Bozen. Der Thierwelt der deutschen Fauna gehört Vipera ammodytes nicht an, obschon einig Angaben dafür zu sprechen scheinen. So wird die Schlange von Hahn?) in seiner Schrift über die Reptilien Bayerns auf- geführt, mit dem ausdrücklichen Bemerken, dass einige Exemplare bei Rosenheim entdeckt und gefangen worden seien. Die einen Herpetologen weisen diese Mittheilung einfach ab und nehmen eine Verwechslung mit Vipera berus an; Andere deuten die Angabe auf ein Vordringen aus Südtirol in das nördlichere Gebiet. Ich möchte, was schon anderwärts erwähnt wurde, weder der einen noch der anderen Auffassung beistimmen. Aus der dem Werke Hahn’s beigegebenen wenn auch geringen, farbigen Abbildung geht hervor, dass der Genannte die Sandotter wirklich kennt; und gegen die zweite Annahme spricht, dass in dem Zeitraum von nahezu 50 Jahren, welcher zwischen dem Fund bei Rosenheim und der Gegenwart liegt, das Thier in Südbayern, doch höchst wahrscheinlich wieder entdeckt worden wäre, wenn es überhaupt dort jemals zu Hause gewesen wäre. Vielmehr lässt sich annehmen, dass es sich um zufällig aufgegriffene Exemplare handelt, welche während des Transportes entwichen waren. Die Vipern überhaupt wurden ja nicht blos in den vorigen Jahrhunderten lebend aus dem Süden in die deutschen Apotheken geliefert, ?) sondern selbst bis in die Jahre, in welchen der Rosenheimer Fund sich ereignete, geschah auf dem uralten Handelswege zwischen Italien und Deutschland, an Rosenheim vorbei, die Ver- sendung solcher lebenden Thiere in die Offieinen. Und dass gerade auch Vipera ammodytes in derartige Lieferungen aufgenommen wurde, ersieht man deutlich z. B. aus Meyer’s Thierbuch, *) wo auf zwei Foliotafeln die Sandviper in natürlicher Grösse, von unten und oben, nach dem Leben gemalt sich findet und eine dritte Tafel das Skelet enthält. Dabei heist es: !) »Etait fort commun entre ces decombress sagt z. BB Bory de St. Vincent in der Exp. sc. de la Moree. ®2) Hahn, Fanna boica, Nürnberg, 1832. ®) Man vergleiche z. B. die Schriften des Strassburger Professors Spielmann, der im Jahre 1783 davon als von einer gewöhnlichen Sache spricht, oder auch die Werke des bekannten Botanikers Host aus dem Jahre 1790, welcher den Apothekern Winke gibt, wie sie die Thiere zu pflegen hätten. *) Meyer, Vorstellung allerhand Thiere mit ihren Gerippen. Zweiter Theil, Nürnberg, 1742, Tab. XVI, Tab. XVII, Tab. XVIII. — .198 — »Wenn ich gleich bei der Beschreibung der Schlange — es ist die Ringelnatter gemeint — gemeldet, dass auch in unsern Gegenden Vipern zu finden seyen, so bekommen wir doch wohl ehender die italiänische als einheimische zu sehen, weil diese, wenn wir sie zum Arzneygebrauch haben wollten, mit mehrerer Mühe zusammenzubringen sein würden, als wir solche aus Italien haben können.< Und nun bemerkt er noch ausdrücklich: »Die Viper, wonach ich diese Ab- bildung gemacht, habe ich von einem hiesigen (also Nürnberger) Kaufmann erhalten, welcher solche mit vielen andern aus Italien bekommen.« Die nachstehenden Angaben über die Merkmale beziehen sich auf südtirolische und italienische Exemplare, die einzigen, welche ich zu näherer Untersuchung benutzen konnte, Kopf niedergedrückter, nach hinten breiter und dicklicher als bei Vipera aspis; die Schnauze geht in die bekannte weiche Warze aus. !) Augen sehr klein und tiefliegend. Von dem Auge bis zur Schnauze eine scharfe Kante. Zwei Reihen Schuppen unter dem Auge; neun Lippenschilder. Der Gesichtsausdruck erhält etwas mürrisch-tückisches, nicht blos durch die beschatteten Augen, sondern auch durch Biegung der Mundspalte und Vortreten der Unterlippe. Die Kopfschuppen mögen abermals individuell abändern; auch die einzelne Querreihe besteht unregelmässig aus grösseren und kleineren Plättchen. Eine Art Hinneigung zu den Kopf- schildern der Vipera berus zeigt sich darin, dass bei zwei der vorliegenden Exemplare ein grösseres Schüppchen dort steht, wo man das Wirbelschild zu suchen hätte; weiter rückwärts hebt sich auch ein paariges grösseres Schüppchen ab, das etwa die Stelle der Hinterhaupts- schilder vertreten könnte. Doch auch darin begegnet man wieder Verschiedenheiten: bei zwei Exemplaren von Bozen, und einem aus Italien, ändern diese Spuren von Vertebral- und Ocei- pitalschildern unter sich ab und sind von ziemlich unregelmässiger Form; bei dem einen hat das Vertebralschild eine Furche, wie wenn es weiter zerfallen sollte und die Oceipitalschilder sind nur in ihrem hintern, mehr zipfelartigen Abschnitte vorhanden. — Schnauzenschild klein oder vielmehr aufgelöst in ein mittleres, seitliches und oberes Stück, letzteres wohl bedingt durch die Umbildung der Schnauzenspitze in das »Hörnchen.< — Kopfschuppen glatt; ein Kiel beginnt erst auf jenen des Hinterhauptes. Merrem nennt die Kopfschuppen »körnig«, wovon ich nichts sehe. Man erblickt blos die von mir ?) angezeigten Sculpturstreifen und die dichten Wärzchen in den Räumen zwischen den Schuppen; beides ist nur bei starker Vergrösserung 1) Fig. 13. 2) Archiv f. mikrosk. Anat. 1873, Tafel XXXI. — 19 0 — sichtbar und kann daher nicht mit den Angaben des genannten Herpetologen in Verbindung gebracht werden. Der Schwanzstachel — »unguiculus caudae apicalis« — schneidet sich ganz hart: ein Knochen geht in ihm bis fast zur Spitze. Wenn Linn& sagt: »quae de caudae hujus colubri nimia duritie auctores nonnulli tradiderunt, nullius omnino est ponderis«, so möchte ich dem entgegen doch ebenfalls von einer besonderen Härte des Schwanzstachels sprechen. Die Grundfarbe ist bei allen mir vorliegenden Exemplaren ein Hellgrau. Von ihr hebt sich oben am Kopf entweder eine ganz feine, nur mit der Lupe wahrnehmbare dunkle Punktirung ab, oder eine starke dunkle Besprenkelung. Im ersten Fall dann ohne, im andern Fall mit einer dunklen Binde hinter dem Auge, welche sich in eine seitliche Marmorirung oder schwache Netzbildung auflöst. Die Nackenzeichnung beginnt bei den mit weniger dunklem Pigment versehenen Thieren hinter dem Kopf zartnetzig, woraus sich dann ein schwacher Streifen entwickelt, der dunkler wird und eine zackig-rautige Forın annimmt. An den Rauten ist die Einfassung dunkler, die Mitte heller. Ebenfalls im Einklang mit der wechselnden Menge des dunklen Pigmentes ist die Kehle entweder ganz hell oder dunkel besprenkelt; die dunkle Marmorirung des Bauches kann sich zu viereckigen Fleckchen verdichten, und indem weissliche Fleckchen dazwischen stehen, so kann eine schachbrettartige Zeichnung zu Stande kommen. Die Bauchseite des Schwanzes ist bei Thieren, welche lange in Weingeist gelegen, von weisslicher Farbe; bei solchen die erst kurze Zeit darin aufbewahrt waren, rothbraun; im Le- ben nach der Angabe Aller, welche frische Thiere beobachteten, blutroth, wie das auch auf der oben angezogenen, nach dem Leben gemalten Abbildung des Nürnberger Kupferstechers Meyer zu sehen ist. Doch mögen auch hierin Abänderungen auftreten. Auf der Tafel bei Bonaparte!) ziehen nur zwei Reihen kleiner rother Punkte an der unteren Fläche des Schwanzes hin; die Worte und Abbildungen bei Host, der offenbar eine Menge Sandvipern zu sehen Gelegenheit hatte, deuten an, dass das Roth sehr blass sein kann ?). — Gedachtes rothes Pigment liegt, wie ich an Längsschnitten des Schwanzstachels wahrnehme, in der Epidermis. Da noch in herpetologischen Schriften der neuesten Zeit die so charakteristische Warze, in welche die Schnauze ausgeht, als »hornartiger Zapfen« bezeichnet wird, so darf ich wohl auf meine Darlegung des histologischen Baues dieses Theiles zurückverweisen °). Das Gebilde !) Bonaparte, Fauna italica. ®) In Jacquin, Collectanea ad Botanicam, chemiam et hist. nat. spect. Vol. IV. »caudae apicem versus rubello colore suffusa est.« ®) Archiv f. mikrosk. Anat. 1873, S. 35. Taf. XXXII, Fig. 6, 7, 8. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 26 — 200 — legt in seiner Structur die meiste Verwandtschaft mit den Fleischtrotteln am Kopfe hühner- artiger Vögel an den Tag. Ueber den Bau der Giftzähne auch dieser Schlange habe ich ebenfalls gehandelt '). Die Sandviper, auch sonst in ihren Lebensgewohnheiten vielfach verschieden von der Kreuzotter, weicht noch darin ab, dass sie in Gefangenschaft Nahrung zu sich nimmt. Ein Pärchen, welches Erber ?) längere Zeit hielt, verzehrte regelmässig in jeder Woche eine Maus. Hierin zeigt sie, wie im Körperbau, nähere Verwandtschaft zu Vipera aspis, welche nach Gredler °) in Gefangenschaft Eidechsen als Nahrung zu sich genommen hat; womit auch, wie nachträglich bemerkt sein mag, die Angabe Wyder’s *), dass V. aspis nur warmblütige Thiere beissen und fressen soll, berichtigt wird. Linne hat bekanntlich in einem Anhang zu den Surinamensia Grilliana 5) die Sand- viper näher besprochen, welche bei Constantinopel von dem schwedischen Gesandten bei der hohen Pforte, Carleson, gefangen worden war, gerade als sie damit beschäftigt war, eine Eidechse zu verschlingen, welche sie auch bereits bis zu den Vorderbeinen hinab gewürgt hatte. Dies muss man im Auge behalten, wenn man auf der Linn&’schen Abbildung die seltsame, wie eine ganz breite Zunge aus dem Rachen hervorstehende Partie, mit mittlerer Aushöhlung, verstehen will. Ich meine, dass der gezeichnete Theil auf einer Umstülpung des Schlundeinganges beruht. Die älteren bildlichen Veranschaulichungen unserer Schlange sind meist gering, selbst noch z. B. die Figur bei Bonnaterre °). Obschon dort dem Thiere eine gefällige Stellung gegeben ist, so stellt sich, abgesehen von sonstigen Mängeln, das Nasenhörnchen in ganz naturwidriger Weise dar, indem es sowohl in Figur 2 als auch in Figur 3 wie ein Ansatz sich ausnimmt, welcher sich aufs schärfste, etwa wie ein Nagelgebilde, abhebt und obendrein in Figur 3 stumpf dreihöckerig erscheint. Da sind dann freilich die in gleichem Jahre (1790) erschienenen Tafeln Host’s, welche die Sandviper farbig und in Lebensgrösse vorführen, wahre Prachtbilder °). Einen charakteristischen Zug, um nicht auf Anderes einzugehen, hat !) Archiv f. mikrosk. Anat. 1872. ?®) Erber, Verhandlg n. d. zool. botan. Gesellsch. in Wien, 1863. ®) Gredler, Kriechthiere und Lurche Tyrols. Bozen, 1872. 2a. 132.08 °) Linn&, Amoenitates academicae, Vol. I, Erlangae, 1787, p. 506. %) Bonnaterre, Ophiologie, Paris 1790. ”) In Jacquin, Colleetanea ad Botanicam, Chemiam et Hist. nat. spect. Vol. IV. — 201 — der Künstler doch auch hier ausser Acht gelassen, das ist die ruppige, rauhere Beschaffenheit der Oberfläche; die Zeichnungen geben den Umriss des Körpers so rein und glatt, als ob es sich etwa um eine Coronella austriaca handelte. Vermieden ist hingegen dieser Fehler in der Fauna italica von Bonaparte: die Schuppen springen vor und die Umrisslinie verläuft zackig. Ueberhaupt sind die iconogra- phischen Darstellungen der Schlangen in genanntem Werk von ausgezeichneter Art: man fühlt durch, dass der Künstler in einer Stadt arbeitete, wo die antike und die christliche Kunst Schlangen so oftmals zum plastischen Ausdruck brachte. Noch mag bemerkt sein, dass an dem Kopf der Sandviper, welches uns in dem Werke Schlegel’s begegnet, das Nasenloch vergessen ist: '). Ergebniss. Aus den Mittheilungen und Nachweisen, wie sie im Vorangegangenen enthalten sind, lässt sich dem Stand unserer Kenntnisse über das Vorkommen von Schlangen- arten in Deutschland folgende Fassung geben. Mit Sicherheit sind der deutschen Fauna beizuzählen: Tropidonotus natrix ; Tropidonotus tessellatus ; Elaphis flavescens ; Coronella austriaca ; Vipera berus ; Vipera aspis. Für zweifelhaft muss erklärt werden das Vorkommen von: Zamenis viridiflavus. Mit Bestimmtheit ist auszuschliessen: Vipera ammodytes. !) Schlegel, Physionomie des Serpens, Pl. XXI. — 202. — II. Anatomische Bemerkungen. Dem Bau der Organe und Gewebe auch der Ordnung der Ophidier habe ich von lange her Aufmerksamkeit zugewendet. So enthält eine vor dreissig Jahren von mir veröffentlichte Schrift zahlreiche hierher gehörige Mittheilungen ; !) nicht minder gibt das Lehrbuch der Histologie, zwischen den Beobachtungen Anderer, eigene Wahrnehmungen über verschiedene Organsysteme der Schlangen. ?) Aus späterer Zeit rühren her die Studien über Sinnesorgane, Zähne, Integument und Kopfdrüsen. ®) Als eine ergänzende Nachlese hierzu möge das Folgende angesehen werden. 1. Gehirn der Ringelnatter. Viele Organe der Schlangen sind, wie in Anpassung an die walzige Gesammtform des Körpers, ebenfalls von gestreckter Gestalt: es mag erinnert sein an die Form der Zunge, des Magens, der Leber, Luftröhre und Lungen, Hoden und Eierstöcke. Beachtenswerth erscheint es daher, dass das Gehirn *) davon eine Ausnahme macht, indem das Vorderhirn, worauf auch schon Rathke hinwies, merkwürdig breit ist und dadurch gegenüber etwa von den Saurier- Gattungen Anguis und Lacerta einen eigenartigen Charakter erhält. Bedeutend ist auch die Verdickung des verlängerten Markes, wodurch die vierte Hirnhöhle und ihre Oeffnung verkleinert werden. Gerade im Hinblick auf den letzt angedeuteten Punkt, möchte ich eine mit der Lupe entworfene Abbildung des Gehirns der Ringelnatter von oben geben. Bei G. Carus) nämlich, welcher wohl zuerst bildliche Darstellungen hiervon geliefert hat, ist das kleine Gehirn in der Mitte zu kurz gehalten und mit einer medianen Einbuchtung versehen. Die Oeffnung der vierten Hirnhöhle erscheint dort als weite Querspalte. Ich finde aber, dass im Anschluss an !) Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien, 1853. 2) Histologie des Menschen und der Thiere, 1857. 3) Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen, Archiv f. mikrosk. Anat. 1872. Die Zähne einheimischer Schlangen nach Bau und Entwicklung, Archiv f. mikrosk. Anat. 1872. Die Haut einheimischer Ophidier, Archiv f. mikrosk. Anat. 1873. Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier, Archiv f. mikrosk. Anat. 1873. *) Fig. 16. 5) G. Carus, Versuch einer Darstellung des Nervensystems und insbesondere des Gehirns. Leipzig 1314, Taf. III, Fig. XIV—XVI. ea Lacerta und Anguis, das kleine Gehirn von oben eine kapuzenartige und dabei gewölbte Form hat. Dadurch, sowie unter Verdickung des oberen Theiles des verlängerten Markes, bekommt die Oeffnung das Ansehen eines dreiseitigen Spältchens. Kuhl,') welcher das Gehirn der Ringelnatter in natürlicher Grösse von oben, unten und von der Seite veranschaulicht, legt dem kleinen Gehirn auch eine mittlere Einkerbung bei, wie eine Andeutung von Zerlegtsein in zwei Seitenhälften oder Hemisphären. Von vorzüglicher Art sind die bekannten Darstellungen, welche Rathke °) über das Gehirn unserer Natter gegeben hat und nur bezüglich des Cerebellum und der eigenthümlichen Form desselben hätte ich wieder die Bemerkung zu machen, dass ich dasselbe nicht, wie es bei Genanntem erscheint, als reines, queres, gleich- hohes Markplättchen sehe, sondern mit mittlerer, nach hinten gewölbter Verlängerung. 2. Becherförmige Sinnesorgane, Bereits bei einer andern Gelegenheit hatte ich darauf hingewiesen, dass wohl auch bei den Giftschlangen gedachte Sinneswerkzeuge zugegen sein mögen; insbesondere schien mir bei Trigonocephalus die auffällige Höckerreihe seitwärts vom Gaumen den Sitz der Sinnesbecher zu bezeichnen. Als ich dann Vipera ammodytes auf den Bau der Zähne untersuchte, zeigte sich in der That, dass der Rand der Tasche oder Scheide für die Giftzähne, mit unsern Organen besetzt sei und dass zu dem von früheren Naturforschern gebrauchten Ausdruck: »callös-ge- kerbter« oder »gezahnter« Saum, diese Sinneswerkzeuge den Anlass gaben. Durch Untersuchung junger Thiere von Vipera berus, var. prester, bin ich im Stande über die Verbreitung gedachter epithelialer Sinnesorgane in der Mundhöhle noch folgendes zu bemerken. Dieselben sind vorhanden: 1) an der Falte für die Zähne der Unterkinnlade ; 2) an der Falte für die Zähne der Oberkinnlade, das heisst, an der Scheide der Giftzähne ; 3) an der Falte für die Gaumenzähne; endlich 4) auf den weiter nach einwärts gelegenen Gaumenfalten im engeren Sinn; hier stehen sie zum Theil in Gruppen beisammen. Es mag nicht überflüssig sein eine Zeichnung beizulegen, welche das Vorkommen und die Verbreitung der Organe am Gaumen versinulicht. °) 1) Kuhl, Beiträge zur Zoologie und vergleichenden Anatomie, Frankfurt a. M., 1820, Taf. III. Fig. 13 bis 15. — Kaum der Erwähnung werth ist die Figur bei Serres, welche sich übrigens auf » Vipera commune«, also wohl Vipera aspis bezieht. Anatomie du cerveau, Paris 1824. ®) Rathke, Entwicklungsgeschichte der Ringelnatter, Königsberg 1839, besonders Taf. VI. ®) Fig. 20. — Im Anschluss an meine Mitthejlungen über eine glatte Musculatur in der Conjunctiva 3. Zu den Ligamenten des Skeletes. ° Allgemein wird in zoologischen Schriften eines dehnbaren Ligamentes gedacht, welches die beiden, sonst freien und unverwachsenen Hälften des Unterkiefers vorne verbinde. Als ich gelegentlich der Studien über die Kopfdrüsen und Zähne nach dem Bande bei Vipera ammodytes mich umsah, konnte ich auch nicht eine Spur eines eigentlichen Ligamentes wahr- nehmen und ebenso wenig an einem ebenfalls zu diesem Behufe verglichenen Exemplar von Tropidonotus natrix. In beiden Fällen erblickt man zwischen den freien Enden der Unter- kieferhälften nur gewöhnliches Bindegewebe, dem elastische Fasern der feineren Art reichlich beigemischt sind. Aus den Angaben der Herpetologen glaube ich schliessen zu können, dass Keiner eine histologische Prüfung der bezeichneten Stelle vorgenommen hat. Bei Wagler z. B. heisst es: »Tomia mandibulae in apice ligamento connexa«; ein Anderer spricht von »dehnbar faserigen Sehnen«; ein Dritter sogar von einem »Knorpelband«e. In dem Werke von Brandt und Ratzeburg geschieht im Text keine Erwähnung über Vorkommen und Beschaffenheit frag- lichen Bandes, aber auf der Tafel, Fig. 8, welche den Unterkiefer vorstellt, erblickt man einen scharf gezeichneten, die beiden Kieferhälften im Bogen verbindenden Theil. Ich kann mich kaum der Vermuthung entschlagen, dass es die Unterlippendrüse gewesen sein mag, welche die Beobachter getäuscht hat. Hellen wir nämlich durch Reagentien die vordere Partie der Uuterkinnlade auf, so zieht sich von dem einen Kieferende herüber zum andern der bogige Verbindungsstreifen der genannten Drüse, genau an der Stelle, wo die zuletzt angezogene Figur das Band sehen lässt. Hingegen möchte ich jetzt eines ligamentartigen Gebildes gedenken, das sich sehr bemerkbar macht, ohne, wie es scheint, von Andern bisher erwähnt worden zu sein. ') Am frischen Thier nämlich schimmern durch die Schleimhaut des Rachens ein paar graue Körper hindurch, in der Gegend des paarigen Vomer, vorne über den Choanen. Die nähere Untersuchung ergibt, dass es dicke, elastische Bänder oder vielmehr Polster sind, mit denen sich das Palatinüum an der Vomer heftet. Auf den feineren Bau geprüft, vielleicht unter Behandlung mit Glycerin, zeigt sich ein dichtes Filzwerk feinster elastischer Fasern, das zwischen sich eine Menge von schleimartiger Substanz aufnimmt. des Auges bei Eidechsen (Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, S. 81) mag an dieser Stelle bemerkt werden, dass ich auch an Tropidonotus natrix am Unterrand des Auges, gegen das Lacrymale zu, Züge glatter Muskeln angetroffen habe. 1) Möglich, dass Duvernoy in seiner Abhandlung, Annal. d. sc, nat. XXVI, welche mir leider im Augenblicke unzugänglich ist, davon redet. — u > Weiterhin erscheint es mir nun sehr bemerkenswerth, dass die gedachten ligamentösen Polster im histologischen Bau die grösste Verwandtschaft mit einer weichen Ausfüllungs- substanz haben, welche zwischen den die Unterkieferhälften zusammensetzenden Knochen- stücken sich hinzieht. Eine vom ganzen Unterkiefer genommene Querscheibe gewährt mikros- kopisch einen interessanten Anblick dadurch, dass die einzelnen Knochenstücke weit aus einander gerückt sind und die Zwischenräume in reichlichster Menge von einem ligamentösen Gewebe eingenommen werden. Man sieht auf den ersten Blick, dass es sich um eine Einrichtung handelt, welche, indem sie die den Unterkiefer zusammensetzenden Knochenstücke nur locker verbindet, auf Erhöhung der Beweglichkeit der Unterkinnlade, selbst in ihren einzelnen Stücken, hinzielt. Die verbindende Masse ist kein reines elastisches Gewebe, sondern hat theilweise die Natur weichen Bindegewebes. Dass man auch den durchschnittenen Meckel’schen Knorpel sieht, sowie Nerven und Blutgefässe, sei nur nebenbei erwähnt. Das histologische Gefüge der Knochensubstanz auf solchen Querscheiben des Unterkiefers zeigt manches Eigenthümliche, welches ich aber einstweilen unberührt lasse, da ich darüber noch nicht ganz ins Klare gekommen bin. 4. Zum Bau der Zunge. Von jeher hat die Zunge der Schlangen durch die lang walzenförmige, vorne tief spal- tige und haarfein ausgehende Gestalt, sowie wegen der Schnelligkeit womit sie hervorgestossen und wieder zurückgezogen wird, die Aufmerksamkeit erregt. Unter den Arbeiten, welche dem Bau dieses Organs im Besonderen gewidmet sind, verdienen jene von Duvernoy und Duges hervorgehoben zu werden. Zungenscheide. — Bekanntlich liegt die Zunge in einer Scheide verborgen, in welche sie völlig zurückgezogen werden kann. Zur Entstehungsgeschichte dieser Scheide hat Rathke !) eine Erklärung gegeben, der man wohl zustimmen darf. Der Genannte findet nämlich den Grund des Auftretens der Scheide nicht bloss in der Anlage einer queren Falte der Schleimhaut, weiche die Zungenwurzel bedeckt und umfasst, sondern es sei das Verhalten der Luftröhre mit im Spiel. Letztere entwickele eine ungewöhnlich grosse Verlängerung, wodurch alsdann jene Falte, sowie der Kehlkopf und ein Theil der Luftröhre, immer weiter über die Zungenwurzel hinüberwachse und auf solche Weise zur Zungenscheide werde. Ein !) Rathke, Entwickelung der Ringelnatter, S. 146. — 206 — Ausweichen der sehr langen Luftröbre durch Krümmungen zur Seite sei bei der Enge des Leibesraumes nicht wohl möglich. Den feineren Bau der Zungenscheide habe ich bereits bei einer andern Gelegenheit er- örtert !). In der bindegewebigen Grundlage befinden sich quergestreifte Muskelzüge, welche an senkrechten Schnitten förmliche Bogen von unten nach oben beschreiben. Dem habe ich jetzt noch beizusetzen, dass im vordern Abschnitt und in dem mit starker Querfalte sich ab- hebenden Eingang zur Scheide auch eine Ringmusculatur aus glatten Fasern zugegen ist. Die innere wie äussere Fläche der Scheide wird von einem nicht flimmernden Plattenepithel über- zogen. In der unteren Wand liegt eine unpaare Drüse von länglicher Form, welche mit zahl- reichen Oeffnungen einwärts mündet. Noch sei bemerkt, dass der Rand zum Eingang der Zungenscheide stark wulstig, wie drüsig aufgetrieben erscheinen kann und dann auch eine andere Farbe hat als die Schleimhaut welche oben und rückwärts über die Luftröhre hinzieht. An Tropidonotus tessellatus ist mir namentlich dieses Verhalten aufgefallen. Die histologische Prüfung zeigt, dass keine eigent- lichen Drüsen diese Veränderung bewirken, sondern dass Iymphoide Substanz, welche an dieser Stelle das Bindegewebe füllt, die Schwellung erzeuge, Eigentliche Zunge. -—- Die im Allgemeinen platte Gestalt der Zunge prägt sich besonders an den Gabelspitzen aus, welche sich durch ihre Form den muschelartigen Hohl- gängen der vordern Unterzungendrüse, in denen sie hin und her spielen, anzupassen haben. ?) Werden die Zungenspitzen vom Epithel entblösst, so erscheint ihr bindegewebiger Theil geradezu bandartig flach. | Der Körper der Zunge ist bei Vipera an der Oberfläche mit zarten Querleisten bedeckt, welche sich soweit erstrecken, als die zusammenhängende schwarze Farbe geht. Die Gabel- äste oder die Spitze der Zunge hingegen erscheinen glatt. Bei Tropidonotus, allwo sonst die Verhältnisse ähnlich sind, zieht auf den Gabelästen eine Rinne hin, die sich allmählich seit- wärts wendet. In der Mitte des Zungenkörpers, in der Furche vor der Gabelung erhebt sich ein Längswulst mit schrägen Leistchen. Die queren und schrägen Leisten werden nicht eigentlich in erster Linie von der Schleim- haut erzeugt, denn diese ist an sich glatt, sondern sie rühren her von Gruppirungen der Mus- kein, welchen die überziehende Schleimhaut folgt. Es kann daher die Oberfläche auch in einem Zustande getroffen werden, welcher nichts von Erhöhungen und Vertiefungen darbietet, 1) Archiv f. mikrosk. Anat. 1873, S. 609. 2) Vergl. meinen Aufsatz im Archiv f. mikrosk. Anat. 1873 (Kopfdrüsen der Ophidier). — 207 — sondern wobei die Zunge »glatt« ist, und so den herkömmlichen Beschreibungen entspricht. Dass es sich jedoch bezüglich der Leisten um eine feststehende Bildung handelt, lehrt schon die Vertheilung des dunkeln Pigmentes, welches derart in die Schleimhaut abgelagert erscheint, dass es nur in den Leisten sich findet und sonach helle, pigmentfreie Wege dazwischen sich hinziehen. Die Zunge der Schlange gilt als ein Tastwerkzeug in ausgesprochenem Grade; daher habe ich die Eudspitzen der Gabel mit Aufmerksamkeit besehen und glaubte anfangs ein statt- liches Tastkörperchen im Ende der Spitzen zu erblicken. Eine helle, anscheinend homogene Partie von eirunder Gestalt hob sich derart ab, dass man, obschon eine Nervenverbindung nicht sichtbar war, doch an ein Tastkörperchen erinnert werden durfte. Allein fortgesetzte Unter- suchungen führten zu einem völlig andern Ergebniss. Nachdem man durch Reagentien die Zungenspitzen vom Epithel entblösst hat, weisen sie eine leicht kolbige, zuletzt wieder verjüngte Gestalt auf; das Ende ist feinzackig. Lag nun aber die Zunge längere Zeit z. B. in sehr schwacher Essigsäure, so stellt sich jetzt das vermeintliche Tastkörperchen als ein Hohlraum dar, scharf begrenzt von der bindegewebigen Substanz der Zungenspitze; ausserdem erscheinen noch zur Seite ein paar kleinere fast nur spältchengrosse Räume von gleicher Beschaffenheit. Es zeigte sich auch wohl der Hohlraum wie zusammen- gesunken und alsdann wie begrenzt von buchtigen Randwülsten. Der Gipfel der am weitesten vordringenden Blutcapillarschlinge liegt unterhalb der gedachten Räume, was von vorneherein die Meinung ausschliesst, dass man es etwa mit Höhlungen von Blutgefässen zu thun habe. Vielmehr spricht Alles dafür, dass wir Lymphräume vor uns haben, einen grösseren und einige kleinere, welche der Spitze der Zunge angehörend, in verschiedenem Grade der Füllung getroffen werden können ?). Während also an gedachter Stelle ein wirkliches Tastkörperchen zwar nicht zugegen ist, fehlen solche Gebilde der Zunge doch nicht ganz. Früher, als ich mit Tastkörperchen ausgestattete Papillen an den Lippenrändern der Ringelnatter aufgefunden hatte 2), schienen sie mir auf die äussere Haut beschränkt zu sein. Allein ich kenne jetzt ihre Gegenwart in der Schleimhaut der Zunge, namentlich in deren vorderen Hälfte, während ich an der hinteren Hälfte jede Spur der Tastkörperchen auch jetzt noch vermisse. Indessen sind die Gebilde so klein und stehen derart vereinzelt, dass auch in der Gegend der Zunge, wo sie vorkommen, keineswegs jeder Schnitt sie zur Ansicht zu bringen geeignet ist. 1) Fig 25, Fig. 26, Fig. 27. °) Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen, Archiv f. mikrosk. Anat. 1872, S. 349. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 27 308, Das Innere der Gabelenden der Zunge wird fast ganz von Blutgefässen eingenommen, an deren Netzen man die arterielle und venöse Partie gut zu unterscheiden vermag. Auch ein Nerv, welcher in der Mitte hinzieht, ist sichtbar; er dringt bis gegen die Spitze vor, ohne dass über sein eigentliches Ende etwas in Erfahrung gebracht werden konnte. Die Zunge ist stark dunkel pigmentirt. Bei Pipera ammodytes bildet das Pigment fürs freie Auge an der hinteren Hälfte eine schwarze Punktirung, an der Vorderhälfte ein zusammenhängendes Schwarz. Bei Vipera berus, var. prester ist die Zunge nicht stärker pigmentirt als bei der Stammform. Auch bei Zropidonotus natriz ist der eigentliche Zungen- körper und zwar an seiner Rückenfläche stark dunkel; an der Seite wird er ziemlich pigment- frei, so dass ein grauer Streifen sich jederseits hinzieht. Die Hauptmasse des Pigmentes liegt, ganz in Uebereinstimmung mit der äusseren Haut, im bindegewebigen Theil der Schleimhaut, und es erscheint daher z. B. bei Tropidonotus, nach Abhub des Epithels, die Zunge erst recht tief schwarz. Ein Theil des Pigmentes ist aber auch im Epithel und zwar in dessen tieferen Lagen, enthalten. Das Epithel selber zerfällt, wie sich besonders gut an den Gabelspitzen, wo es dicker ist als an der übrigen Zunge, wahrnehmen Jässt, in drei Hauptschichten, wovon die unterste am mächtigsten und pigmentirtesten ist. Die zweite und dritte Schicht sind dünner und weniger pigmwentirt, dabei aber verhornter; was alles sowie das Grösser- und Flacherwerden der Zellen nach aussen an bekannte Verhältnisse anschliesst. Auch sind wie in anderen Epithel- lagen verästigte Pigmentzellen zwischen den rundlichen vorhanden. Hingegen verdient eine die Zellen der obersten Lagen auszeichnende Sculptur besondere Erwähnung. Man kann am Rande von Epithelstücken eine feine Querstrichelung unterscheiden und die nähere Prüfung ergibt, dass die freie Fläche der Epithelplatten eine Punktirung an sich hat, welche von feinen, die Oberfläche der Zunge rauh machenden Höckerchen oder aut- gesetzten Knöpfchen herrührt. Wenn daher z. B. Dug£es !) ausdrücklich sagt, man sehe an der Schlangenzunge keine Rauhigkeiten, so ist dies richtig für die Besichtigung mit freiem Auge, unter dem Mikroskop aber zeigen sich andere Verhältnisse. Die gedachte Höckerbil- dung, welche der Cutieularschicht der Zelle angehört, bemerke ich an allen den oben genannten Arten ?). !) Duge&s, Rech. anat. et physiol. sur Ja deglutition dans les Reptiles. Ann. d. sc. nat. 1827. 2) Fig. 28. — Nachträglich gewahre ich, dass auch F. E. Schulze an der äussersten Hornlage der Zunge von Tropidonoius natrix einen Besatz von zahlreichen, dicht nebeneinanderstehenden, kleinen Höckern auf der Aussenfläche erwähnt. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 5, S. 306. — 209 — Die Fleischmasse oder das Hauptparenchym der Zunge wird gebildet vom Musculus hyoglossus. Schon Meckel konnte auf Grund der von ihm angewendeten Methode der Unter- suchung angeben, dass der genannte Muskel, indem er durch die ganze Länge der Zunge sich fortsetzt, fast allein die Substanz des Organes bilde. Doch betheiligen sich, wie ich berichten möchte, an der Zusammensetzung des Zungenfleisches noch Rings- und senkrecht aufsteigende Muskeln, worüber Querschnitte am besten belehren können. !) Durchschneiden wir z. B. an Vipera ammodytes den hinteren unpigmentirten Theil des Zungenkörpers, so kann es beim ersten Blick scheinen, als ob der M. hyoglossus (genauer in Anbetracht seines Ursprunges der M. cerato-glossus) durch seine beiden Längszüge allein die Zunge herstelle; doch zeigen sich bereits bei näherem Zusehen eine obere, ebenso eine untere quere Lage, und ferner senkrecht zwischen den beiden Längsmuskeln aufsteigende Bündel. Die Stümpfe von drei Nerven, einem grossen und zwei kleinen, liegen anfänglich mehr am Rande oder nach aussen vom M. hyoglossus und gerathen weiter nach vorn in dessen Mitte. Am stark pigmentirten Abschnitt der Zunge hat sich schon eine theilweise andere Gruppirung der Muskeln eingestellt, oder vielleicht richtiger: es sind neue Muskellagen hinzu- gekommen. Die Ringschicht der Rückenseite erscheint fast ganz verdeckt durch das viele Pigment; es folgt eine obere Längsschicht, ein M. longitudinalis superior, aufgelöst in Bündel; der untere Längsmuskel ist der M. hyoglossus. Zwischen diese beide treten die Züge eines queren Muskels, des M. transversus linguae Endlich sind wieder die aufsteigenden Züge bemerkbar, welche einerseits in stärkerem Maasse zwischen die M. M. hyoglossi senkrecht ziehen, als auch strahlig nach den Seiten, zwischen den Bündeln des M. longitudinalis superior, sich verbreiten. In dem Raume zwischen dem M. hyoglossus, dem M. transversus und den senkrechten Bündeln liest, nach aussen nahe dem Zungenrande, eine grössere Vene, ein- wärts eine Arterie, dann mehrere Nerven und auch aus der Substanz des M,. hyoglossus blickt der Durchschnitt eines Nervenastes hervor. In den zwei Theilen der Zungengabel erhalten sich nicht minder lange fort Längs-, Rings- und senkrechte Züge; die Vene bleibt am äusseren Rande, die Arterie liegt einwärts, in ihrer Nähe die Nerven. ?) Ausserdem macht sich der Querschnitt eines derben, scharf abgegrenzten sehnigen Längs- oder Achsenstranges bemerklich. !) Vergl. Fig. 28a, Fig. 29, Fig. 30. 2) Es bedürfte eigens hierauf abzielender Studien, die ich nicht vorgenommen habe, um angeben zu können, welchen Nerven im Besonderen die einzelnen Stümpfe angehören. Bei Hellmann (Tas!sinn der Schlangen, Göttingen 1817), ist nicht blos ein »Zungennerv« gezeichnet, der dem N. hypoglossus entspricht, sondern auch ein »Zungennerv« der aus dem Unterkieferknochen (?) hervortritt. Ich habe nur so viel bemerkt, dass jederseits — 210 — Von da an, wo die Zungengabel haardünn wird, also in den eigentlichen Endspitzen, sind die Muskeln zurück geblieben; sie gehen etwa so weit als im Bindegewebe der Schleimhaut sich das Pigment erstreckt. Nach Aufhellung einer Zungenspitze im Ganzen lässt sich er- kennen, dass die inmmer noch aus Längs-, Quer- und senkrechten Bündeln bestehende Fleisch- masse zugespitzt ausläuft. Hierbei bilden die Längsmuskeln, welche am weitesten reichen, das eigentliche Ende, während die queren Lagen schon früher aufgehört haben. Und so scheint, indem wir das Ergebniss zusammenfassen, das muskulöse Parenchym der Schlangenzunge, gleich dem des Menschen aus Fasern zu bestehen, welche Fortsetzungen des M. hyoglossus sind und die Hauptlängszüge vorstellen. Sodann sind aber auch Ausstrahlungen eines M. genioglossus zugegen, wohin die senkrecht aufsteigenden und sich zertheilenden Züge zu rechnen wären. Hingegen möchten die Ringschichten, M. cireularis, ferner die queren Züge, M. transversus, und wahrscheinlich auch der obere Längsmuskel, M. longitudinalis, als solche anzusehen sein, welche in der Zunge entspringen und dort endigen. 5. Mundschleimhaut und Hautdecke. Die vorangegangenen Mittheilungen über den Bau der Schleimhaut der Zunge haben Manches gebracht, was auf die morphologische Uebereinstimmung der Mucosa der Mundhöhle mit der allgemeinen Hautdecke hinwies. Ich möchte an dieser Stelle die eigenen Wahrnehmungen und jene von zwei andern Beobachtern zusammenreihen, um noch deutlicher zu zeigen, dass das Continuitätsverhältniss der beiden Hautlagen, wie es bei der Entwicklung des Wirbel- thieres sich anlegt, in charakteristischen Merkmalen auch für den fertigen Zustand fortbesteht. 1) Vor vielen Jahren hat Rapp ') zu erwähnen nicht unterlassen, dass bei mehren Sauriern (Arten von Gecko, Seincus, Seps) »auf eine merkwürdige Art die Schuppen- bedeckung des Körpers auf der Oberfläche der Zunge sich wiederhole.« 2) An Selachiern wurde die histologische Gleichheit der Hautknochen mit den Zahn- bildungen der Mundhöhle von mir im Näheren dargethan. 3) Die Hautdecke der Schlangen zeigt eigenthümliche Reliefbildungen, unter anderem auch eine Art von höckeriger Sculptur der Epidermis. Was hier in grösserem Massstab auftritt, wiederholt sich in feinerer Nachbildung als winziger Höckerbesatz auf dem Epithel der Schleimhaut der Zunge. zwei Nerven an die Zunge gehen: an den vorderen Theil, da wo bei 7. natrix die Pigmentirung beginnt ein Ramus lingualis N. trigemini; dann einer, welcher viel weiter nach hinten einsetzt, der N. hypoglossus. Ob auch Elemente des N. glossopharyngeus zugegen sind, — was wahrscheinlich ist — weiss ich nicht zu sagen. ı) W. Rapp, Verrichtungen des fünften Nervenpaares, Leipzig 1832. —, , alla "— 4) Das dunkle Pigment oder auch andere bestimmte Farbentöne der Hautdecke ver- breiten sich über die Schleimhaut der Zunge. 5) Die Tastkörperchen des Integumentum commune erstrecken sich, wenn auch zarter geworden, auf das Innere der Mundhöhle. 6) Auch die epithelialen Sinnesorgane der äusseren Haut setzen sich bei Fischen, Amphibien und Reptilien, obschon theilweise in starker Abänderung, von aussen nach einwärts in die Schleimhaut der Mundhöhle fort. 7) Durch Fraisse ist bekannt geworden, dass die Zunge des Entenembryo auf der Oberfläche mit Embryonalfedern versehen ist, welche in Follikeln sitzen und sich nicht unterscheiden von jenen die Körperoberfläche bedeckenden Embryonalfedern. ') 8) Auch die Haare der Säugethiere, welche sich als eine sehr bezeichnende Bildung der äusseren Haut darstellen, erstrecken sich bei manchen Nagethieren inselartig in die Schleimhaut der Mundhöhle. 6. Zungenbein. Seit den Zeiten Cuvier’s ist es bekannt, dass das Zungenbein der Ophidier aus ein paar langen, vorne zusammenstossenden, knorpeligen Fäden oder Hörnern bestehe. In Nach- stehendem glaube ich über Form und Bau des gedachten Theils noch einiges Weitere bringen zu können. Was die Gestalt im Allgemeinen anbetrifft, so lässt sich der vorderste bogige, die Hörner verbindende Abschnitt als Körper des Zungenbeins ansprechen, ohne dass sich das Stück von den Hörnern selber abgliedert. Auch ist der Theil, gleichwie es mit den Hörnern der Fall ist; dem Corium der Hautdecke angeheftet und erstreckt sich nicht in die Substanz der Zunge hinein. Nachdem man die Luftröhre und die in ihrer Scheide befindliche Zunge aufgehoben hat, erscheinen die Hörner wie zwei feine Stäbchen und nur ihr hinteres Ende steckt in einem Muskel (M. hyoglossus) ; das Körperstück ist noch verdeckt, da sich an ihn ein vom Unter- kiefer kommender Muskel (M. mylo-hyoideus) ansetzt. Auch darf erwähnt werden, dass das Zungenbein weit nach hinten am Kehlkopf liegt, etwa in gleicher Linie mit dem Ende der Mundspalte, was mit dem Umstande zusammenhängt, dass der Kehlkopf bei der grossen Länge der Luftröhre gar sehr nach vorne sich geschoben hat. !) Fraisse, Embryonalfedern in der Mundhöhle der Vögel, Zoologischer Anzeiger, 1831. Um über Lage und Form des Zungenbeins übersichtlich sich zu unterrichten, verfährt man am besten in der Weise, dass man an jüngeren Thieren die Kehlhaut im Ganzen aus- schneidet und aufhellt. Die einzelnen von mir untersuchten Arten bieten in der Gestalt des Zungenbeins folgende Unterschiede dar, Bei Coronella austriaca verbinden sich die beiden Hörner vorne in einfachem Bogen, ohne dass eine Hervorragung oder Verdickung zugegen wäre. !) Tropidonotus tessellatus besitzt ebenfalls eine ganz einfache schlingenförmige Verbindung der beiden Hörner. Hingegen entwickelt bei Zropidonotus natrix der Gipfel des Bogens eine vorspringende Anschwellung von stumpf rundlicher Form. ?) Bei Zamenis viridiflavus var. carbonarius erscheint der die Hörner verbindende Bogen lang ausgezogen und die dadurch erzeugte Spitze erinnert an den langen, bei Sauriern sich in die Zunge erstreckenden Fortsatz des Zungenbeins (Os entoglossum). Endlich bei Vipera ammodytes hat sich diese Spitze noch länger ausgezogen. Histologisch betrachtet gehört das Zungenbein zum verkalkten Zellenknorpel. Die Achse verkalkt, während die Rinde knorpelig bleibt; nach aussen folgt eine streifige Grenzschicht, welche näher besehen, von langen schmalen, theilweise auch grösseren Spalten derartig durch- brochen ist, dass man sie auch ein elastisches Netz nennen könnte. Ein lockeres Bindegewebe schliesst das Ganze nach aussen ab. Bei jüngeren Thieren bleibt der verbindende Bogen noch rein knorpelig, indessen die Hörner schon verkalkt sind. Darauf beziehen sich vielleicht die Angaben, dass die beiden Hörner durch ein »Band« vereinigt seien, oder dass der Bogen »de nature presque membra- neuse« sei. — Die Knorpelzellen im spitz auslaufenden Theile sind gegen den Rand hin in Haufen derartig gruppirt, dass sie sammt Grundsubstanz wie Drüsenfollikel in die lichte Rand- zone vorspringen. Sehr bemerkenswerth ist, dass bei der Verkalkung des Knorpels sich derselbe in wirbel- ähnliche Stücke sondert.°) Man darf wohl annehmen, dass der functionelle Grund, welcher das ursprünglich knorpelige Rückenmarksrohr mit dem Auftreten der Kalksalze in Wirbelabschnitte zerlegt, auch für diese Bildung am Zungenbein das Bedingende in gleicher Weise sei. Die 1) Fig. 17. 2) Fig. 19. >) Fig. 21, Fig. 22, Fig. 23, Fig. 24. — 213 — Bewegungen des so lang ausgezogenen, verkalkten Zungenbeins scheinen es nothwendig zu machen, dass der lange Stab in eine Anzahl von Stücken sich gliedert. Beim ersten Ansichtigwerden der wirbelähnlichen Zertheilung der Zungenbeinhörner hielt ich sie für künstlich hervorgerufen; es schienen Abknickungen des spröden Kuorpels zu sein, entstanden durch die Herausnalme des Theiles. Allein es fand sich die Gliederung bei allen untersuchten Individuen nicht nur und unter der vorsichtigsten Behandlung, sondern es zeigten sich auch in der Form der Abgliederung typische Verschiedenheiten. Bei Tropidonotus natrix z. B. geschieht die Zertheilung so, dass im Ganzen die einzelnen Stücke von ziemlich regelmässiger Grösse sind, wobei sich freilich auch etwas umfänglichere einschieben. Aehnlich ist das Bild bei Zropidonotus tessellatus, und die Kalkwürfel, wenn wir sie so nennen wollen, sind im Bogenabschnitt des Zungenbeins so deutlich wie in den Hörnern abgegrenzt. Auch bei Zamenis viridiflavus var. carbonarius zeigt sich der kalkige Achsentheil der vom Bogen vorragenden Spitze gegliedert, so gut wie das Uebrige. Bei Coronella austriaca sind die Kalkwürfel kürzer als bei den anderen genannten Arten und streckenweise noch einmal getheilt, so dass eine im Ganzen buntere oder unregelmässigere Zerfällung sich eingestellt hat. Nach all diesem kann eben doch kaum ein Zweifel darüber bleiben, dass man eine wirk- liche natürliche und keine künstliche Bildung vor sich habe. Die herantretenden oder abgehenden Muskelzüge — vorne eine Art M. mylo-hyoideus, hinten der M. hyoglossus — bestehen sämmtlich aus schmalen Primitivbündeln und hören mit ihrer quergestreiften Substanz sehr scharf für sich auf, während die Sehnenfäden mit der er- wähnten streifigen Grenzschicht des Zungenbeins verfliessen, 7. Bauchfell. Ueber das Peritoneum der einheimischen Schlangen habe ich an einem andern Orte nach eigenen Untersuchungen Verschiedenes mitgetheilt, was dazumal ‘neu war, so z. B. dass bei Tropidonotus natrix jener Fortsatz des Bauchfells, welcher als Anheftungsband der Leber dient, von starken Netzen glatter Muskeln durchzogen sei. Jetzt möchte ich bezüglich einer exotischen Schlangenart einige historische Notizen bringen, welche zeigen, dass ein in jüngster Zeit mehrfach besprochenes Verhalten des Bauchfells bei Python früheren Beobachtern keineswegs entgangen war. a ae Lataste und Blanchard!) fanden bei Zergliederungen von zwei Exemplaren des genannten Ophidiers, dass kein Sack des Bauchfells in herkömmlichem Sinne zugegen sei, sondern ein lockeres Bindegewebe, welches die Eingeweide unter einander verknüpft. Da unsere Autoren in der von ihnen benutzten Literatur nichts über diesen so abweichenden Punkt angegeben sahen, so halten sie sich für die Ersten, welche diesen Bau des Bauchfells aufgefunden hätten. Allein dem ist nicht so. Schon nahezu zwanzig Jahre vorher hat Hering auf diese Organisation hingewiesen. ?) Der Genannte zergliederte ein frisches Exemplar der Boa constrietor und hebt unter Anderm Folgendes hervor: »Es ist kein Cavum thoracis oder abdominis vor- handen, sondern die sämmtlichen Eingeweide stehen durch lockeres Bindegewebe unter sich und mit den Wänden des Leibes in Verbindung.« Aber auch der Stuttgarter Arzt und Naturforscher ist nicht der erste Entdecker dieser anatomischen Eigenthümlichkeit gewesen, sondern es hat schon nahezu dreissig Jahre vor ihm A. Retzius, der frühere Anatom in Stockholm, die Sache gut gekannt und darüber gehandelt. °) »Der Magen ist wie der Schlund in Zellgewebe gebettet und solchergestalt ohne Peritoncalhaut. Ungefähr in der Mitte der Magenlänge entspringen zwei kleine seröse Canäle, einer in jeder Seite, welche an den Enden geschlossen sind und rückwärts auslaufen, einer in den kleinen Blindsack, welcher ihn umgiebt, der andere sich neben dem Blindsacke endigend.« Ferner: »Der Darmeanal ist auch gleich dem Magen in Zellgewebe gehüllt, mit Ausnahme seines hintersten Theiles, welcher einen serösen Ueberzug hat und mit den Zeugungstheilen in einer und derselben Cavität liegt.« Der Darm bilde kurze, durch Zellgewebe verwachsene Krümmungen. Wir entnehmen auf diese Weise den älteren und neueren Mittheilungen über das Bauch- fell gewisser Arten von Schlangen, dass der sonst vom Bauchfell umschlossene einzige grosse Lymphraum in eine Anzahl kleinerer, unter sich zusammenhängender Lymphräume zerlegt sein kann. Nebenbei sei noch bemerkt, dass auch die vergleichenden Beobachtungen, welche A. Retzius über die einheimischen Schlangen Yipera berus und Coluber natrix gibt, sehr beachtenswerth sind; so insbesondere was er über die Beschaffenheit der Schleimhaut in den verschiedenen Gegenden des Magens sagt, ferner über das Innere des Herzens, die Nebennieren, Analsäcke, Fettlappen. 1) F. Lataste et R. Blanchard, Le peritoine du Python de Seba. Soc. zool. de France 1879. — R. Blanchard, Nouvelles Recherches sur la peritoine du Python de Seba. Soc. zool. de France, 1882. 2) Notizen zur Anatomie der Boa constrietor L. von Med. Rath Dr. Hering. Jahreshefte d. Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg, 1860. ; ®) Andreas Retzius, Anatomische Untersuchungen über verschiedene Theile des Python bivittatus, nebst vergleichenden Bemerkungen. Verhandlungen d. königl. schwedischen Akademie d. Wiss. für das Jahr 1330. Stockholm 1831. (Wiedergegeben ohne die Kupfertafeln in der Ztschrft. Isis von Oken, 1832). A 8. Begattungsorgane. Swammerdam, der sonst so treflliche Zergliederer, hatte die Begattungsorgane der Schlangen für Gehwerkzeuge erklärt; 1) da er »dornige Auswüchse« daran ferner wahr- genommen hat, so vergleicht er die vermeintlichen Füsse dem sogenannten Morgenstern, »das im Kriege gebräuchliche Werkzeug.« Erst unter den Beobachtern einer viel späteren Zeit gab es Manchen, welcher richtiger zu deuten wusste, so z. B. war es Wolf, der Mitarbeiter an Sturm’s deutscher Fauna, welcher, obschon eigentlich anatomischen Studien fernstehend — er hatte das Amt eines Inspectors des Schullehrerseminars in Nürnberg — doch die Ruthen der Schlangen als das ansah, was sie wirklich sind. ?) Auch bei Wyder°) werden die Theile im ausgestülpten Zustande dargestellt an Vipera aspis und richtig gedeutet, wie ich aus der Be- merkung über die geschlechtliche Vereinigung schliesse: »le mäle est tellement attache & la femelle par les parties genitales, qu’ il ne peut s’en separer & volonte, ni la femelle de lui.« Ferner sah Frivaldszky um dieselbe Zeit bereits klar in der Sache.) Mittheilungen über den Bau der Organe würde wahrscheinlich das Werk von Brandt und Ratzeburg) gebracht haben, wenn die Verfasser nicht zu erklären hätten: »Männliche Geschlechtstheile sahen wir nicht, da alle von uns zergliederten Exemplare Weibchen waren.« Da übrigens auch dem wackeren Scopoli in die Schuhe geschoben wird, er habe in seinem »Coluber bipes« die Ruthen für zwei Gliedmassen gehalten, so kann ich nicht umhin zu bemerken, dass diesmal der Irrthum wohl auf Seite des Tadlers sich befindet. Denn es wird hierzu eitirt: Iter tyrolense im Annus hist. nat. II, p. 39. Dort gebraucht aber Scopoli, um die Länge zu bezeichnen die Ausdrücke: bipedalis, tripedalis und pedalis, ein Coluber bipedalis ist aber doch etwas anders als ein Coluber bipes! — Hingegen hatSanders) und hin und wieder ein Autor auch nach ihm, den gerügten Irrthum begangen. Er theilt in der Beschreibung der ihm neuen »Baumschlange«, welche er im Naturaliencabinet des Klosters St. Blasien im Schwarzwald, Anfangs der achziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, kennen lernte und wir jetzt für Elaphis flavescens ansprechen dürfen, unter Anderm Folgendes mit: »Wenn man von der Spitze des Schwanzes nach dem After zu, etwa eine starke Spanne weit !) Swammerdam, Bibel der Natur, S. 292. 2) J. Sturm, Deutschlands Fauna, 3. Heft, 1802. °) Wyder, L’hist. nat. des Serpens de la Suisse, 1823. #4) Frivaldszky, Monographia serpentum Hungariae, 1823. °) Brandt und Ratzeburg, Medieinische Zoologie oder Darstellung und Beschreibung der in der Arzneimittellehre in Betracht kommenden Thiere, 1829. 6) Der Naturforscher. Siebzehntes Stück, 1782. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 23 ELCH — . fortgeht, so findet man an diesen Schlangen zwei kleine fleischigte Füsse, die ganz deutlich etwa einen halben Zoll lang sind, aus dem Körper herausstehen, an sich diek und stark sind und an ihrem äussersten Rand einen Kranz von mehreren Zacken oder kleinen Stacheln haben, die so fein sind wie Wespenstacheln.« Ich iege eine Zeichnung !) über die Theile im ausgestülpten Zustande vor und zwar genommen von einem Thier, dessen Einsender gerade über diese ihm »fremdartigen Bildungen« Aufschluss begehrt hatte. Ausserdem seien darüber noch folgende Bemerkungen angeschlossen. Die Stacheln der Penes der Schlangen sind wohl zuerst von mir ?) an Zropidonotus natrixz histologisch untersucht worden und ich konnte angeben, dass sie nicht, woran man zu- erst denken möchte, zum Horngewebe gehören, sondern in die Kategorie echter Hautknochen. Die Ausstülpung der Begattungsglieder wie sie an der Abbildung erscheint ist wohl eine unvollständige, was zu schliessen ist nach der Figur, welche Bojanus den Theilen an einem Fötus gibt. Er zeichnet dort die »Ruthen aus der Kloake hangend« mit gabeligem Ende °), und auch Rathke stellt sie tief eingeschnitten dar *). Für die Besichtigung mit freiem Auge liessen sich an jeder Ruthe sieben oder acht Stacheln unterscheiden; unter der Lupe kamen noch mehrere vom Aussehen glänzender Spitzchen zum Vorschein; endlich bei der mikroskopischen Untersuchung erblickt man eine überraschende Menge feinster Stacheln. Die ganze Fläche der stark gerunzelten und gefalteten Haut ist voll davon; die grössten bleiben jene, welche das Ende der Ruthe oder die Eichel besetzen. Anbelangend die eigentliche Gestalt der Stacheln, so unterscheidet man nach Aufhellung der Weichtheile, den frei vorragenden Theil und das tiefer liegende Wurzelstück. Dies wieder- holt sich an den kleinsten so gut, wie an den grössten; dabei können beide Abschnitte ent- weder ganz gerade sein oder auch eine schwache Krümmung haben. Histologisch besehen erweisen sich die Stacheln als Verknöcherungen des Bindegewebes 5). Die kleinen Lücken des genannten Gewebes sind bei der Verkalkung übergegangen in rund- 1) Fig. 31. *) Archiv. f. Anat. u. Phys. 1855, S. 590, Anmerkung. °) Bojanus, Dottergang im Fetus des Coluber berus, Isis 1818. Th. II, S. 2093, Taf. 26. Die sieben Figuren, die Anatomie des Fetus versinnlichend nebst Erklärung, scheinen in völlige Vergessenheit gesunken zu sein, obschon sie, wie Alles, was aus der Hand von Bojanus hervorging, den Stempel der Sauberkeit und Genauigkeit an sich tragen. *) Rathke, Entwickelungsgeschichte der Ringelnatter, 1839, Taf. III, Fig. 18, Fig. 19. — Ein ähnliches Gabelende wird dem Copulationsorgan auch anderer Schlangen beigelegt: Crotalus, Trigonocephalus, Boa, Py- thon u. a. Im Einzelnen mögen wohl mancherlei Verschiedenheiten obwalten, auf welche nur bis jetzt nicht geachtet worden ist. 5) Fig. 32, Fig. 33. liche, längliche, eckige »Knochenkörperchen.« Die kleinen Stacheln haben bis zur Spitze einen bleibend bindegewebigen Ueberzug, während an den grössten die Kalkspitze frei von solchem ist. Indem man die letztere näher ansieht, zeigt sich die Begrenzung gebildet durch einen hellen Saum, der kappenartig die Spitze umzieht. Anscheinend von homogener Natur lassen sich doch, bei stärkerer Vergrösserung, darin einige helle Lücken in Form feinster Querstriche unterscheiden. Mir dünkt, dass diese Schicht durch Verkalkung jenes bindegewebigen Restes entstanden ist, welcher die kleinsten Stacheln in weicher Form dauernd überdeckt. Das Wurzelstück ist länger als der eigentliche Stachel, seine Oberfläche rauher, dunkler. Es mangelt dem ganzen Gebilde eine innere Höhlung, was ausdrücklich bemerkt sein mag, weil man nach der äusseren Form dieser Knochenstacheln an einen Vergleich mit Zähnen denken könnte, was sich aber durchaus nicht weiter begründen liesse. In physiologischer Hin- sicht mögen die Theile das Gleiche bedeuten, was die von mir !) beschriebenen cuticular ver- änderten Stachelzellen an der Eichel der Eidechsen sind. Bei letzteren beschränkt sich das Stachelwesen auf ein besonders geartetes Epithel; bei den Schlangen geht es ins Grössere über und ruft gewissermassen verkalkte Papillen hervor. Das Auftreten von Knochenstacheln in der Haut der Ruthen bei Schlangen wird uns desswegen beachtenswerth, weil bis jetzt noch bei keiner Schlange sonst im Bereiche des Inte- gumentes Knochen nachgewiesen worden sind, während bei Sauriern, Schildkröten und manchen Amphibien Verkalkung der Haut in ausgedehntem oder beschränktem Maasse zugegen ist. Man darf annehmen, dass der Mangel der Hautknochen den Schlangen nützlich ist, da die raschen und vielseitigen Biegungen des Körpers dieser Thiere wohl nicht in dem Grade wie sie es sind, möglich sein könnten, wenn die Haut durch Knochentäfelchen bepanzert wäre. Es mag auch an diesem Orte wieder auf den grossen Unterschied hingewiesen sein, welcher sich in der Bewegung der zwar schlangenähnlichen, aber mit Hautknochen gepanzerten Blindschleiche, gegenüber von jener einer Schlange kundgibt. Dort ein wie unbeholfenes sich Aufrollen und Fortschieben, hier bei durchweg weichbleibender Lederhaut ein leichtes, wellenförmiges Dahingleiten! Schliesslich darf auch in Erinnerung gebracht werden, dass nach meinen Wahrnehmungen die Ruthen bei Eidechsen und Blindschleichen als Wucherungen der allgemeinen Hautdecke entstehen, also zuerst papillenartig sich erheben und dann nachträglich eingestülpt werden. ?) Von diesem Gesichtspunkte aus sind abermals die Penisstacheln der Schlangen den Hautknochen des Integumentes anderer Reptilien anzureihen. ') Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, S. 143. ?) Vergl. a. a. O., S. 153, Taf. IX, Fig. 119 (Embryo von Anguis fragilis). Es 9. Chorion des Eies. Die Oberfläche der kalkhaltigen Schale frisch gelegter Eier von Tropidonotus natrix ist nicht glatt, sondern grubig höckerig. Untersucht man das Chorion, nachdem durch Säure- zusatz ein Theil des Kalkes unter reicher Gasentwickelung entwichen ist, so erscheint der zurückgebliebene Kalk in der Form von pflasterartig aneinander schliessenden Täfelchen. Schon das freie Auge bemerkt ferner an dem einen Pol eine markirte Stelle: einen flachen Knopf, welcher von einem Graben umgeben ist. Unter dem Mikroskop wird daraus eine fünfstrahlige Rosette, deren Einzelstücke nicht allzuregelmässig sind. An einem zweiten Ei, und zwar etwas seitwärts von dessen stumpfem Pol, zeigte sich anstatt der Erhöhung eine Vertiefung, welche von Linien einer rosettenförmigen Figur begrenzt war. Wieder an anderen Eiern war selbst mit Hülfe der Lupe nicht das mindeste von einer solchen Stelle zu entdecken. Man könnte sich geneigt fühlen das Beschriebene auf die Anwesenheit einer Mikropyle zu deuten; allein ich glaube eine solche Auslegung für unrichtig halten zu müssen, ohne frei- lich angeben zu können, welche Bewandniss es eigentlich mit den markirten Stellen haben möge. Trotzdem soll noch erwähnt sein, dass mir die Abbildung eines Schlangeneies bekannt geworden ist, die etwas Aehnliches an sich zu haben scheint. Es ist das gelegte Ei von Elaphis flavescens, welches Host auf einer den »Coluber Aesculapii« versinnlichenden Tafel hat darstellen lassen '). Wir sehen an dem einen Ende dieses Eies ein deutlich abgesetztes Knöpfchen ! Bonn, im März 1883. 1) In dem Werke von Jacquin, Collectanea ad Botanicam, Chemiam et historiam naturalem, spec- tantia. Vol. IV, Vindobonae, 1790. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. m - EI EEE SEE N a N N I HE 20. Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Alle Figuren mit Ausnahme von Fig. 17, 18, mit der Lupe oder unter dem Mikroskop schwach vergrössert. Kopf von Coronella austriaca. Nasenschild der Coronella austriaca. Kopf von Elaphis flavescens. Kopf von Zamenis viridiflavus. Kopf von Tropidonotus natrix. Kopf von Tropidonotus tessellatus. Schwanzende von J’ropidonotus tessellatus. Kopf von Vipera berus, Weibchen. Kopf von Vipera berus, Männchen. Kopfschilder von Vipera berus Var. prester. Kopfschilder von Vipera berus, eines ganz jungen Thieres. Kopf von Vipera aspis. Kopf von Vipera ammodytes von Bozen. Oberseite des Kopfes einer Vipera ammodytes aus Italien. Schwanzspitze von Vipera berus- Gehirn von Tropidonotus natrix. Zungenbein von Coronella austriaca, natürliche Grösse. Zungenbein von Vipera ammodytes, natürliche Grösse. Vorderes Ende des Zungenbeins, gering vergrössert, von Tropidonotus natrix, ganz junges Thier. Tafel II. Gaumenhälfte von Vipera berus, junges Thier. Man sieht die Gruppen der epithelialen Sinnesorgane. Die Reihe der Löcher nahe am Rande sind die Oefinungen von Lippendrüsen. Geringe Ver- grösserung. Vorderes Ende des Zungenbeins von Zamenis viridiflavus var. carbonarius, gering vergrössert. Die von ihm abgehenden Streifen bedeuten Muskelzüge. Vorderes Ende des Zungenbeins von Vipera ammodytes, gering vergrössert. Stück eines Zungenbeinbogens, um die Abgliederungen der verkalkten Partie zu zeigen. Geringe Vergrösserung. Ein Theil vom Zungenbein bei stärkerer Vergrösserung: verkalkte, in Stücke sich gliedernde Achse; knorpelich bleibende Rinde; bindegewebiger Ueberzug; sich ansetzende Muskeln. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. — 20 — Eine der Gabelenden der Zunge von Tropidonotus natrie. Am diekeren Theil die Epithelscheide in ihren Hauptschichten vorhanden, in der untersten Lage viel Pigment; in dem vom Epithel entblössten Theil sieht man mit Pigment erfüllte Bindegewebsspalten, Muskeln, eine Blutgefäss- schlinge; in der Spitze Lymphräume. Mässige Vergrösserung. Spitze einer Zungengabel für sich mit Lymphräumen. Gleiche Vergrösserung wie vorhin. (7. natrix). Spitze einer anderen Zungengabel mit den Lymphräumen im Innern, stärker vergrössert. (T. natrix). Einige Epithelzellen der Zunge mit feinhöckeriger Sceulptur. Ebenfalls von T. natrix. . Stück eines Querschnittes durch die Zunge von Vipera ammodytes. Das Pigment ist weggelassen. Man sieht die Züge der verschiedenen Muskeln, die Nerven und Blutgefässe. Geringe Ver- grösserung. Querschnitt durch die Zungengabel von Vipera ammodytes. Gering vergrössert. Es zeigen sich ausser den verschiedenen Muskelschichten auch die Blutgefässe und Nerven, sowie ein binde- gewebiger fester Strang. Das Pigment ist angedeutet. Querschnitt aus demselben Organ, aber nahe der Spitze der Gabel. Gleiche geringe Vergrösserung. Halb ausgestülpte Begattungsglieder des Männchen von Vipera berus Var. prester. Lupenvergrösserung. Freies Ende eines grossen Penisstachels, ziemlich stark vergrössert. Ein ganz kleiner Penisstache], vollständig, Vergrösserung wie vorhin. Inhalts-Verzeichniss. Seite Einleitung a, ee ee ee Er Haren. a0 I. Zoologische Bemerkungen. Gattung: Tropidonotus. NEE ODIAONOIN SUN. a ll SEATUBEITODTAONG US TESSELLALUSE EL Br RE rege [50] Gattung: Elaphis. Arte Mlaphisaflavescensen Wer. 2. 2%, ee En 2 2 il Gattung: Zamenis. NIESZAMEN SEO MI NaDUSE = a a Be NL Eee Ai a Ber ee el5); Gattung: Coronella. Art Coronellahaustmacar. we ET ee ee El Gattung: Vipera. IMPALUSEIVADeranberus. 4° "ame in ae a en Fan er re ie: Dreh, ee BE ER DR EU Re ee: BT DIESTUWMEVEDETA, ASPIBL N mE een ana ee een Te a SER BSRATUEIVEDErAUAMMORYTES“ mer. Ve werner dien Tas er ke er 96 II. Anatomische Bemerkungen. MGehirnwdersRingelnattern .. 1.0 3%: Muse ee re ee Be NEON . Becherförmige Sinnesorgane . TE EN ee ne ER EA al 2 er RE 20) . Zu den Ligamenten des Skeletes ne ul re VE EEE Er E02 . Zum Bau der Zunge . ... ee ec ET ee a N Er RC FRE D05 . Mundschleimhaut und Hantdboke Be au Kaas SAN Per TE ea Lern Drei REES EEE ZUNGENDEINIR en el Le ee Er] RBSUCHTEN u u BE ee en Re ee Re Er the Dre Eee et 9913 WEBEOAtLUNGSOTLANERN a ee ale eo ee Role BUWHOTIONKdeRY DIEBE ua een era ar el ee RE RN RE ET rs. 7271..12918 oc o[1oouPo%mxm - Pirklärunp&dersAbbildungener, 7 „2 u er Eu ren EN En TE I——— REN START I Fig iz Fig. 16. Be as Ssarsenbienzeeng a NG: OH 2 R eg =, e > rg ON - Se ah “ na Leydig del BikAnstrWerner& Winter Frankfurt 5 AS a SER en SERIEN Te f h b TE en | a 7 Or \— I ae | — = , j Titk. Ans rWerner dliänter, Frankfurt GA Entwickelungsgeschichte der Veronica-Blüthe. Von Fritz Noll. Mit drei Tafeln. Die Morphologie der Scrophulariaceen-Blüthe ist im Allgemeinen bekannt, und im Speciellen ist bei Veronica die Entwickelungsgeschichte der Blüthe durch Payer in der »Organog£nie comparee de la fleur« schon studirt, so dass es überflüssig erscheinen könnte, wenn diese Untersuchung im Folgenden nochmals aufgenommen wird. Was mich gleichwohl hierzu ver- anlasste, ist, dass es von Interesse zu sein schien, einmal die Entwickelungsgeschichte einer Blüthenform mehr in’s Einzelne und nach verschiedenen Richtungen, insbesondere auch in histologischer Beziehung zu verfolgen, während sich Blüthenentwickelungen bisher meist nur auf morphologische Verhältnisse beschränkten. Es wurde dazu verwandt die Veronica longifolia L. Uebrigens bietet auch Payer’s Darstellung der Entwickelung der Veronica-Blüthe mancherlei Punkte dar, welche einer Ergänzung, resp. Berichtung bedürfen. So ist vor allem die Ent- wickelung des Gynäceums bei Veronica longifolia eine ganz andere, als sie Payer bei den von ihm untersuchten Species Veronica speciosa und V. Buxbaumii, darstellt. Payer gibt an, dass das Pistill der Veronica speciosa »se compose d’abord de deux bourrelets semi-lunaires, qui naissent sur les cötes d’un mamelon central, forme par l’extr&mite du receptacle«. Von einem solchen centralen Höcker ist bei V. longifolia nichts zu entdecken und der Fruchtknoten kommt nach meiner Untersuchung auf eine andere Art zu Stande. Ferner traf ich den Griffel der V. longifolia in keinem Entwickelungsstadium als »divise & son sommet en deux stigmates« an. Die Reihenfolge der Entstehung der Blumenblätter stimmt bei V. longifolia mit der von Payer beschriebenen überein, nicht so die relative Grösse einzelner Blüthen- organe auf gewissen Altersstufen. Payer stellt es als etwas Merkwürdiges hin, dass das später kleinste Blumenblatt zuerst, das grösste zuletzt auftritt. Es ist dieser Umstand in dem ganzen Entwickelungsgang der jungen Blüthenwarze begründet. Diese, anfangs von ziemlich quadratischem Grundriss (vergl. Fig. 5) zeigt zunächst aussen, auf der der Bractee zugekehrten Seite eine raschere Ausbildung ; hier treten alsbald die äusseren Kelchzipfel auf, während die inneren noch kaum angedeutet sind. Es ist daher ganz natürlich, dass das zwischen diesen äusseren Kelchzipfeln stehende Blumenblatt auch zuerst auftritt; der umgekehrte Fall würde merkwürdig sein. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd, XIII. 29 — 224 — Sehr auffallend ist die fast vollständige Uebereinstimmung der Jugendstadien von Vero- nica longifolia mit der Darstellung, wie sie Payer von Lippia-Arten, besonders von Lippia eitriodora gibt, einer Pflanze, welche, obgleich einer andern Familie, den Verbenaceen, an- gehörend, auch habituell an Veronicaarten erinnert. Es ist da besonders die Entwickelung des Fruchtknotens auffallend ähnlich und die Beschreibung, wie sie Payer für Lippia gibt, brauchte — die »fausses cloisons«, die Bildung der Stigmata und die Vierzahl der Stamina ausgenommen — für V. longifolia angewandt, nicht anders zu lauten! Es ist von Interesse, dass hier die Uebereinstimmung in der ersten Entwickelung zwischen den Repräsentanten zweier Familien grösser ist als zwischen verschiedenen Species einer Gattung. Die Untersuchung wurde theils an frischen lebenden Theilen vorgenommen, theils an Exemplaren, die in Alkohol gehärtet worden waren. Als vorzügliches Mittel, die von Protoplasma strotzenden jungen Blüthenknospen aufzuhellen, hat sich das von meinem Vater (Zool. Anzeiger No. 122, 1882) empfohlene unterchlorigsaure Kali bewährt, welches bei gewöhnlicher Temperatur rasch das Protoplasma löst, ohne die zarten Zellmembranen aufquellen zu machen; es empfiehlt sich besonders beim Arbeiten mit Alkoholmaterial. Veronica longifolia gehört zu denjenigen Pflanzen, deren Blüthen sich zeitlich und räum- lich getrennt von den eigentlichen vegetativen Organen, den Laubblättern, in einer reinen Infiorescenz entwickeln. Nachdem der Mutterspross nämlich eine Zeitlang nur Laubblätter entwickelt hat, kommen gegen das Ende seines Gipfelwachsthums hin keine Laubblätter mehr zur Ausbildung, sondern es entstehen, scharf von letzteren abgegrenzt, nur noch lanzett- liche Bracteen, deren Achselknospen sich rasch zu Blüthen ausbilden, welche dann in einer dichtgedrängten Traube die Sprosse abschliessen. Wenig unterhalb des halbkugeligen, aus Urmeristem gebildeten Vegetationspunktes treten die Bracteen zunächst als warzenförmige Protuberanzen hervor, die sich rasch in die Länge strecken, grade aufwärts richten und den Vegetationsgipfel selbst schützend umstehen. Schon nach kurzer Zeit macht sich aber in der Achsel dieses jugendlichen Blattgebildes eine kleine Anzahl von Zellen besonders bemerklich, die sich bald in Gestalt eines rundlichen Höckers, welcher Periblemelemente enthält, zwischen die Spindel und die Bractee drängen. Diese zarten pelluciden Wärzchen (Taf. I, 1—3), welche durch rasche Vermehrung und energisches Wachsthum ihrer Zellen schnell an Grösse zunehmen, sind die ersten Anlagen der Blüthen. Nachdem der rundliche Blüthenhöcker eine gewisse Grösse erreicht hat, geht sein Wachsthum nicht mehr so gleichförmig nach allen Seiten vor sich; er plattet sich etwas a ab und nimmt von oben gesehen eine mehr viereckige Form an, was beinahe den Eindruck macht, als ob einerseits die Spindel, andererseits die Bractee den plastischen Gewebekörper bei seinem weiteren Wachsthum in diese Form gezwungen hätten. (Taf. I, 1—4). Doch ist diese Formveränderung der erste Anfang zu activen Gestaltungsvorgängen, welche von nun an das weitere Wachsthum beherrschen. Die abgestumpften Ecken des vierseitigen Körpers sind nämlich durch Höcker gebildet, welche sich aus dem unteren Theile der Warze hervor- wölben. Diese Höcker, anfangs ziemlich gleich auftretend, wachsen verschieden rasch weiter, dergestalt, dass die dem Deckblatte zunächst liegenden — welche künftig als die vorderen bezeichnet werden sollen — bald die hinteren, der Spindel benachbarten im Wachsthum über- holen, so dass der Grundriss des Gebildes nunmehr die Gestalt eines Paralleltrapezes annimmt. (Fig. 5. B.) Diese vier Auswüchse, welche die Kelchblätter abgeben, verharren während der ganzen ersten Jugendperiode in verschiedener Ausbildung. Die vorderen Kelchblätter bleiben den hinteren an Grösse und innerer Entwickelung voraus; sie sind vornehmlich dazu angethan, die Blüthe später nach aussen zu schützen, sobald das Deckblatt diese Aufgabe nicht mehr ausreichend zu erfüllen vermag. Der runde Scheitel der Blüthenknospe verändert nach der Anlage der Kelchblätter sein Aussehen bald weiterhin, indem an verschiedenen Stellen neue Wucherungen des Urmeristems auftreten. Alternirend mit den Kelchblatthöckern und in die, von denselben gelassenen Zwischen- räume hineinragend, lassen sich bald die ersten Anlagen der Blumenblätter erkennen. Sie treten nicht zugleich auf, sondern, wie aus den Figuren 5—8 leicht zu ersehen ist, zuerst das vordere, zwischen den beiden vorderen Kelchblättern, dann die beiden seitlichen und zuletzt das hintere. Die Blüthenwarze wird, worauf schon in der Einleitung hingewiesen wurde, nach und nach, von vorn nach hinten fortschreitend vom Gestaltungstrieb ergriffen, gleichsam als ob diese Seiten ein verschiedenes Alter besässen. Gleichzeitig mit dem hinteren Blüthenblatt treten zu beiden Seiten desselben noch zwei grössere Höcker auf, welche sich im Laufe der Entwickelung als die Anlagen der Staubblätter documentiren (a in Figg. 7, 8, 9 ete.). Wäh- renddem die Sepala, und besonders die beiden äusseren Zipfel, jetzt ein rasches Wachsthum entfalten, die Petala sich deutlicher absondern, werden letztere von den Staminalhöckern aber bald im Wachsthum überflügelt. Auch der Scheitel der Blüthe beginnt nun sich weiter aus- zubilden. Eine ringförmige Zone desselben entwickelt nämlich ein stärkeres Wachsthum als der Gipfel des Scheitels selbst und erhebt sich rasch als Ringwall um letzteren. Hiermit ist die Anlage des Gynäceums gegeben, das als jüngstes Gebilde die Neubildung von Organen abschliesst (f in Fig. 9, 10 etc.). a 09, Gleich anfangs erscheinen die vier Kelchblätter nicht scharf von einander gesondert, son- dern sind durch Gewebewälle an ihrer Basis mit einander verbunden, sie stehen auf gemein- samer Grundlage und es ist darum die Blüthe schon in frühester Jugend gamosepal (Fig. 8, 16.). Ein Gleiches ist von den Blumenblättern zu sagen; auch sie sind nicht scharf von ein- ander getrennt, sondern stehen auf gemeinsamem Grundwall. Der Basalwall, sowohl des Kelches als der Corolle, bleibt anfangs jedoch in einem sehr jugendlichen unreifen Zustande bestehen und erfährt lange Zeit keine wesentlichen Veränderungen. Dann beginnt zunächst der Basal- ring des Kelches sich weiter zu entwickeln, während der jugendliche Kronröhrenring noch lange auf seiner unreifen Entwickelungsstufe weiter verharrt und erst kurz vor und während der Zeit des Aufblühens durch energisches Wachsthum zu der definitiven Grösse und Vollkommenheit heranwächst. Die Kelch- und Corollenzipfel eilen ihren Basaltheilen in der Entwickelung weit voran; trotzdem sind beide Abschnitte bei der ausgewachsenen Blüthe anatomisch gleichartig ausgebildet. Die Kelchzipfel legen sich bei ihrem weiteren Wachsthum schützend über die jüngeren Theile der Blüthe; die Blumenblattzipfel erheben sich unter ihrem Schutze mehr und mehr, und auch die Ringwülste schliessen sich allmählich oben zur Bildung der Fruchtknoten- Höhlung. Zwei Querwülste entspringen dabei aus der Innenseite der Fruchtknotenwand, wuchern einander entgegen und verwachsen schliesslich in der Mitte des Fruchtknotens mit einander. (Genauere Beschreibung dieses Vorganges siehe weiter unten.) Die hervorragendsten Glieder der Blüthe bilden jedoch die beiden nahezu ungestielten Antheren, welche fast den ganzen Innenraum der Knospe für sich in Anspruch nehmen, da sie sehr rasch eine bedeutende Grösse erreichen (Fig. 12, 13, 14). Figur 15 zeigt sodann die junge Blüthenknospe, noch sehr klein, aber schon so weit entwickelt, dass wesentliche Gestaltveränderungen bis kurz vor dem Aufblühen nicht mehr statt- zufinden haben. Der Kelch liegt geschlossen über der Blüthe zusammen, ebenso überdecken sich die beiden hier sichtbaren Blumenblätter. An dem Staubblatt lässt sich das kurze Fila- ment, das Connectiv und die beiden Antherenhälften, in denen sich die Pollenmutterzellen durch ihre gelbe Farbe schon auszeichnen, deutlich wahrnehmen. Der Fruchtknoten ist völlig geschlossen, eine kurze Griffelsäule hat sich aus dem Gewebepolster entwickelt, welches der verwachsende Rand des Fruchtknotenringwalles gebildet; an den Placenten sitzen schon junge Samenknospen und der Discus hypogynus umgibt als noch niedrige ringförmige Wucherung die Basis des Fruchtknotens. Nachdem wir so kurz der Entwickelung der Blüthe im Ganzen gefolgt sind, soll nun auf die wissenswerthen Einzelheiten in dem Bildungsgang der Organe etwas näher eingegangen werden. Der Kelch, das erste Organ, welches sich von der warzenförmigen Meristemknospe abhebt, wurde in seiner Entstehung schon betrachtet und auch hervorgehoben, dass schon in früher Jugend die Kelchblätter auf einer gemeinsamen Basis aufsitzen, miteinander, wie man sagt, »verwachsen« sind. Es wurde ferner schon betont, dass die beiden äusseren Kelchblätter baid mächtiger werden als die inneren, hinteren (Fig. 6—15, 16, 19). Wie das Deckblatt der Blüthe, welches schon verhältnissmässig früh ergrünt und seine Gewebe differenzirt, Spalt- öffnungen und ausgebildete Gefässstränge schon zu einer Zeit besitzt, wo sich in der zarten Blüthenwarze kaum die erste Wölbung der Kelchwülste zeigt, so geht auch das Gewebe, zu- mal das der vorderen Kelchblätter rasch einer bestimmten Reife entgegen. Die hinteren Kelch- blätter behalten dagegen ihr unreifes fahles Aussehen noch längere Zeit. Die Form der Kelch- blätter ist anfangs, wie die Figuren S und 16 zeigen, rundlich, mehr oder weniger halb- kreisförmig. Diese Form behalten die hinteren Kelchblätter ziemlich lange bei, während die vorderen sich alsbald zuspitzen (Fig. 19.). Spiralgefässe durchziehen zu dieser Zeit schon alle vier Zipfel, aber nur in den vorderen finden sich schon Abzweigungen derselben vor. Die- jenigen Partieen der vorderen Keichblätter, welche zunächst von der freien Luft und dem Tageslicht getroffen werden, verlieren rasch ihr meristematisches Aussehen. Die Epidermis zeichnet sich scharf von dem Parenchym ab, Spaltöffnungen entstehen schnell und in grösserer Zahl, während andere Oberhautzellen zu Trichomen auswachsen, und in dem homogenen Proto- plasma des Grundgewebes treten Chlorophylikörner und Vacuolen auf. Die Trichome bilden sich wie gewöhnlich als Ausstülpungen von Epidermiszellen,; diejenigen, welche den Blattrand- zellen entstammen, bleiben haarförmig und sind sichelförmig dem Blattrande zugekrümmt; sie bestehen meist aus 3 Zellen. Die den Blattflächen entspringenden Trichome tragen dagegen auf kurzem Stiele kugelige Endzellen. Die sehr zahlreichen, dicht aneinander gedrängten Spalt- öffnungen sind im Verhältniss zu dem kleinen Blattzipfel gross, und beständig sind mit dem Wachsthum des letzteren neue im Entstehen begriffen ; es deutet das auf einen sehr lebhaften Stoffwechsel in dem jungen Organ hin. Möglicherweise kommt der Stoffwechsel in Bractee und Kelch, und sollte es auch nur die Wasserverdunstung und Ansammlung von Salzen sein, direkt der zugehörigen jungen Blüthenanlage zu Gute. Ueber Form und Entwickelung der Spalt- öffnungen ist nichts Besonderes zu sagen, sie entstehen nach dem gewöhnlichen Typus der Dikotylen. Auffallend ist das regelmässige Auftreten einer Spaltöffnung, welche die äusserste Spitze der Kelchblätter krönt. Sie entsteht gleichzeitig mit den ersten Spaltöffnungen auf der Blattfläche, ist wie diese gestaltet, mit Vorhof versehen und führt in eine Athemhöhle, in deren Nähe der Hauptnerv des Blattzipfels ausläuft. Diese Spaltöffnung, etwas grösser als die der Flächen, ist =: — ihrer Lage und allen Nebenumständen nach als »Wasserspalt« anzusehen. Seine Entstehung ist eine durchaus verschiedene von denen der Luftspalte. Die beiden obersten Epidermiszellen des Blattrandes nämlich, welche sich anfangs von ihren Schwesterzellen nicht im mindesten unterscheiden, vergrössern sich nachträglich, verdicken ihre Wände stellenweise beträchtlich und rücken dann gleich den Schliesszellen der Luftspalte auseinander (Fig. 20; a, b, c, d). Je mehr sich nun die Blüthenknospe vergrössert und dem Schutzbereich der Bractee ent- wächst, desto weiter entwickeln sich neben den vorderen Kelchblättern auch die hinteren. Die unteren Partieen zarten Gewebes nehmen, je mehr sie an’s Licht hervortreten, ihre definitive Gestaltung und Structur an, und so kommt auch damit die Reihe an die gemeinschaftliche Basis der Kelchblätter, welche durch interealares Wachsthum sich in die Länge streckt und ihr Gewebe rasch heranreift. Auch ein Blüthenstiel entsteht durch Auswachsen der die Blüthen- knospe tragenden Gewebetheile. Bald ist dann von einer verschiedenartigen Ausbildung der vier Kelchzipfel, die lanzettlich zugespitzt sind, weiter nichts mehr zu entdecken, als dass die vorderen oft noch lange oder endgiltig grösser bleiben als die hinteren. Von der Corolle haben wir Zeit und Art der Entstehung ebenfalls schon kennen gelernt. Auch die Petala stehen nicht getrennt, sondern hängen, wie ‘es die Figuren 11 und 16 veranschaulichen, durch einen basalen Gewebering zusammen. Auch sie zeigen eine ungleichmässige Entstehung und gewöhnlich eine ungleichmässige Ausbildung in der ersten Zeit, indem dasjenige Blumenblatt, welches zwischen beiden Staubblättern steht, also das später grösste, meist kleiner und unentwickelter ist als die übrigen, Die Protuberanzen der Staubblätter hängen mit dem Höcker dieser Blattanlage anfangs brillenförmig zusammen (Fig. 8) und erst, nachdem jene sich mehr und mehr individualisirt haben, holt dieses hintere Blumenblatt die anderen drei, ihm vorausgeeilten, ein. Stetig unter dem Schutze des bedeckenden Kelches erhebt sich die Corolle dann rascher, Der Hauptantheil an diesem Wachsthum fällt für’s erste auf die Corollenzipfel, weniger betheiligt sich das jugendliche Gewebe der gemeinsamen Basis, die junge Blumenröhre, daran. Die Grösse des Kelches wird von der Corolle dann bald erreicht und überholt; deren Zipfel sind fest übereinander geschlagen und schützen, da sie jetzt aus dem Kelche hervorbrechen, nun ihrerseits die verborgenen inneren Blüthentheile. Das an’s Licht gelangte blassgrüne Gewebe der Kronzipfel bleicht dann — durch gründliche Zerstörung seines geringen Chlorophyligehaltes im Lichte — vollständig ab und nimmt dadurch für das Auge eine weisse Farbe an. Im ferneren Wachsthum tritt dann ein bläulicher Farbstoff im Zellsafte gelöst auf, erst in geringer Concentration, dann intensiver, und verleiht der zum Aufblühen reifen Knospe die schöne blauviolette Farbe. — 229 — Die Blüthenblätter wie die Kelchblätter bestehen in der ersten Zeit aus drei Zelllagen (Fig. 36). Die beiden äusseren, aus dem ausgestülpten Dermatogen bestehend, bilden die Oberhaut, welche eine dem Periblem entstammende Zelllage umschliesst. Diese letztere spaltet sich nach einiger Zeit in zwei Lagen, so dass die Blattorgane dann vierschichtig sind; auch geht aus den Periblemzellen das Procambium da hervor, wo später Gefässbündel die Lamina durch- ziehen, Die Oberhautzellen theilen sich nur wieder in einfachem Flächenwachsthum, so dass also die Epidermis einschichtig bleibt. Ueber das Stadium, wo das Blattorgan aus vier Zell- lagen besteht, gehen die Kelchblätter rasch hinaus. Die Corolle dagegen bleibt zeitlebens darauf stehen: Die einzellige Periblemschicht theilt sich hier nur einmal in zwei gleich dicke Lagen (die Stellen, wo Procambium gebildet wird, natürlich ausgenommen). Schon in sehr früher Jugend ist die Oberfläche der Corolle wie die der Kelchblätter und des Fruchtknotens höckerig (Fig. 11) und dann schon mit einer Cuticula überzogen, wie sich aus dem abstossenden Verhalten gegen Wasser schliessen lässt. Diese höckerige Oberflächenbeschaffen- heit verschwindet bei allen anderen Organen wieder mehr und mehr; bei der Corolle entwickelt sie sich dagegen weiter, so dass die fertige Blumenkrone mit kleinen Papillen ganz übersäet erscheint, wodurch die Blume für das blosse Auge das zarte sammetartige Aussehen gewinnt, das jedenfalls noch erhöht wird durch die zahlreichen Cutieularleisten der Epidermis. Die Zellen dieser letzteren, die je eine solche Papille tragen und einen grossen Kern besitzen, greifen unregelmässig zackig ineinander, ohne Spaltöffnungen auszubilden. Die beiden inneren Zellschichten der Corolle sind ganz anders entwickelt. Es sind langgestreckte, in Längsreihen geordnete Elemente mit zarter Membran, prall mit Zellsaft angefüllt, denen höchst wahrscheinlich die Aufgabe zufällt, die Corolle straff zu erhalten, sowie das Oeffnen derselben durch Turgor- und nachträglich bleibende Grössendifferenz zu besorgen (Fig. 60). Bei welken Blüthen findet man nämlich diese inneren Zellen schlaf, geschrumpft, während an den festen Epidermiszellen keine Veränderung wahrzunehmen ist. Die zahlreichen Gefässe, welche die Corolle durchziehen, werden wohl, da keine Spaltöffnungen vorhanden sind und die starke Cuticula keinesfalls eine er- hebliche Verdunstung zulässt, hauptsächlich dem Wasserbedürfniss dieser Zellen dienen '). Die Theilung der anfänglich einfachen Periblemzellschicht in zweiist also von physiologischer Wichtigkeit und die Zweizahl dabei die vortheilhafteste, denn je dünner das Organ ist, desto geringere Grössendifferenzen beider Seiten genügen schon, eine gewisse Krümmungsbewegung hervorzurufen. !) Von der geringen Transpiration der Corolle kann man sich experimentell überzeugen, indem man ältere Blüthenkronen sorgfältig loslöst und die Trennungsfläche vor Verdunstung schützt. Sie bleiben dann tagelang frisch. — 230 — Die Zartheit und die anatomische Struktur so vieler corollinischer Gebilde lässt sich vielleicht von diesem Gesichtspunkte aus erst recht verstehen. Am längsten verweilt, wie schon betont wurde, die spätere Blumenröhre im jugendzarten Zustande, und erst kurz vor und während des Aufblühens streckt sie sich durch intercalares Wachsthum um das Vielfache ihrer anfänglichen Länge. In gleichem Verhältniss entwickeln sich auch die Basaltheile der Filamente, die mit der Kronröhre in der Folge »verwachsen«, indem zunächst das Gewebe des Blüthenbodens, welches zwischen beiden Organen die Brücke bildet, sich mit emporhebt, wodurch die Filamente an die Corolle angekittet erscheinen. In tieferen Regionen der Blumenröhre findet dann mehr und mehr eine innige Verschmelzung statt. In dem oberen inneren Theile der Blumenröhre, welcher zum Schlunde wird, wachsen ganze Oberhautzellen zu grossen einzelligen Schläuchen, zu Trichomen aus, welche später als ein weisser Filz den Eingang in die Kronröhre verschliessen und den Fruchtknoten den Blicken des Beschauers entziehen. Diese langen durchsichtigen, mit wasserhellem Zellsafte gefüllten Haare entspringen aber nicht nur dem oberen Theil der Kronröhre selbst, sondern in der gleichen Höhenregion auch den Filamenten, welche an dieser Stelle mit der Corolle zusammen- hängen. In den Jugendstadien, wo Filamente und Corolle noch gesondert stehen, ist diese haartragende Zone demgemäss noch nicht gebildet, sondern sie entsteht erst später. Das Andröceum entsteht, wie eingangs erörtert wurde, gleichzeitig mit dem hintersten Blumenblatt in Gestalt zweier Höcker (a in Fig. 7, 8, 9, 10 etc. dann Fig. 16). Die Blüthen von Veronica longifolia besitzen, wie die sämmtlichen Veronica-Arten, nur zwei Staubblätter, welche beide fruchtbar sind. Die meisten Repräsentanten der Scrophulariaceen entwickeln vier Staubblätter (von denen meist zwei länger, zwei kürzer sind). Die Gattung Verbascum endlich besitzt eine, bis auf das Gynäceum vollständig pentamere Blüthe. Dazwischen finden sich jedoch Uebergänge vor, indem die Gattung Gratiola mit zwei unfruchtbaren und zwei fruchtbaren Staubblättern von Veronica zu den Gattungen überleitet, wo vier fruchtbare Staubblätter entwickelt sind, und Pentastemon und Chelone führen mit ihrem fünften unfrucht- baren Staubblatt leicht zu dem pentameren Andröceum von Verbascum hinüber. Veronica ist demnach die einzige einheimische Gattung der Scrophulariaceen, in welcher nur zwei Staubblätter auftreten (unter fremden Gattungen Calceolaria, Paederota, Wulfenia 2. B.) und man könnte danach vermuthen, dass bei Veronica ursprünglich vier (resp. fünf) Staubblätter angelegt seien, dass ein Paar davon aber schon in frühester Jugend abortire und nicht einmal so weit gedeihe wie das unfruchtbare Paar bei Gratiola. ae Solche Fälle sind in der Entwickelungsgeschichte ja sehr häufig. Die sorgfältigsten Beob- achtungen ergaben jedoch, dass normaler Weise bei der Blüthe von V. longifolia nur immer zwei Staubblattanlagen auftreten. Von einem anderen Paare sind auch nicht die geringsten Anfänge zu entdecken. Unter der grossen Anzahl darauf geprüfter Blüthenanlagen fanden sich in kleiner Anzahl allerdings auch solche vor, wo die deutliche Anlage eines zweiten Staub- blattpaares zwischen den beiden seitlichen und dem vorderen Kronzipfel nicht zu verkennen war. Auch ältere Stadien (dem in Fig. 12 abgebildeten entsprechend) fanden sich mit vier Antherenanlagen vor. Dies sind jedoch Ausnahmefälle und bei sorgfältigem Absuchen einer grossen Anzahl von Blüthentrauben liess sich eine ganze Anzahl ausgebildeter Blüthen finden, wo theils drei, theils vier Antheren mehr oder weniger normal ausgebildet waren. Wo des- halb in früher Jugend ausnahmsweise mehr als zwei Staubblattanlagen auftreten, da scheint es, dass sich dieselben auch regelmässig weiter entwickeln, und es muss als abnormes Ver- halten bezeichnet werden, wenn mehr als zwei Staubblattanlagen überhaupt sichtbar sind. Es wird von Interesse sein, auf die Fälle, wo überzählige Antheren ausgebildet waren, noch näher einzugehen; da dies jedoch nicht möglich ist, ohne auch andere gleichzeitige Ab- weichungen im Blüthenbau mit heranzuziehen, so soll dies im Zusammenhang weiter unten geschehen. Verfolgen wir zunächst die Entwickelung der beiden jungen Staminalhöcker, so sehen wir, dass sie bald alle anderen Organanlagen im Wachsthum überflügeln und die massigsten Gebilde der Blüthe sind (vergl. die Abbild. auf Taf. I). Anfangs ist an ihnen kein besonderer Theil zu unterscheiden. Es sind ovale blattähnliche Gebilde, welche ihrer Form nach an die fleischigen Blätter gewisser Sempervivum-Arten erinnern, aus zartem durchsichtigem, aber dichtem Gewebe bestehend. Diese Staubblattanlagen, welche einen vollkommen elliptischen Querschnitt besitzen (Fig. 25), krümmen sich bei ihrem weiteren Wachsthum in Länge und Breite über den Fruchtknoten hin. Das Breitenwachsthum geht dann nicht mehr an allen Stellen gleich vor sich, sondern die Basalgegend bleibt schmäler und damit ist die Grundanlage zum Filamente gegeben. Letzteres bleibt zunächst noch sehr kurz, während die obere Partie mehr und mehr herzförmig auswächst (Fig. 21, 22). Während dieses Vorganges verändert sich auch der Querschnitt des Staubblattes. In der Mitte tritt nach dem Frucht- knoten hin eine Concavität auf, und an dieser Stelle bleibt dann später eine dünnere Gewebelage zurück, während die beiden ‚seitlichen Wülste sich frei entwickeln und mächtig an Dicke zunehmen. Es entsteht so zwischen ihnen das Connectiv (Fig. 26, 27), in dessen Mitte sich sehr bald Holzgefässe bilden; es entsteht ein Gefässbündelstrang, der von unten herauf das ganze Filament durchzieht (Fig. 22, 26, 27). Die beiden Staubbeutelanlagen, Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII, 30 — ‚232 — welche zu dieser Zeit schon deutlich als längliche Wülste zu erkennen sind (pw in Fig. 26) und nach dem Innern der Blüthe vorspringen, werden rasch voluminöser. Dabei differenzirt sich in der Mediane dieser primären Wülste eine dünne Zellschicht (s in Fig. 22 und 24), die durch ihr Verhalten auch äusserlich eine Längsnaht sichtbar werden lässt (s in Fig. 24), welche dann das zu beiden Seiten quasi überquellende Gewebe in zwei secundäre Wülste (sw in Fig. 22), in die späteren Antherenfächer scheidet. Währenddessen hat schon die Aus- bildung der Pollenurmutterzellen begonnen. Aus dem bisher gleichmässigen Gewebe, welches nur eine äussere Zellschicht, das Dermatogen, vom Grundgewebe gesondert erkennen liess, gehen nämlich folgende Bildungen hervor. (Siehe die schematische Darstellung auf Taf. III, Fig. 564, B, C.) Die Zellschicht z unter dem Dermatogen, welche äusserst produktiv ist, zerfällt durch tangen- tiale Wände zunächst in zwei Zelllagen, in eine äussere a und eine innere u. Letztere zeichnet sich bald durch besonderen körnigen Inhalt aus und durch deutliche grosse Zellkerne, die einen grossen Raum der ganzen Zelle in Anspruch nehmen. Aus dieser inneren Lage u, die durch Auftreten senkrecht aufeinanderstehender Längs- und Querwände in mehr oder weniger cubische Zellen zerfällt (Fig. 23 a und b, «), entstehen damit die Urmutterzellen des Pollens. Durch ihr gelbes dichtes Protoplasma, die grossen Zellkerne, und ihre auffallende Grösse bei etwas dicken (collenchymatischen) Zellwänden sind sie leicht kenntlich (Fig. 24 zeigt dieselben in zwei Längsreihen durchschimmernd). Sie sind in doppelter Lage vorhanden und scheinen sich nur noch in die Breite weiter zu vermehren, da ihre Zahl nach dieser Richtung später eine grössere ist als ursprünglich. Die Theilschicht a geht während dessen nun ebenfalls weitere Theilungen der Länge und Quere nach ein. Durch die erste Tangentialtheilung wird nach innen eine Zelllage ab- geschieden, welche ihrerseits sich nicht mehr durch Theilung vermehrt; ihre einzelnen Zellen nehmen ungefähr die Grösse und Gestalt der ihnen benachbarten Urmutterzellen des Pollens an und bilden das sogenannte Tapetenepithel (£ in Fig. 24 u. 56). Auch nach der Zell- schicht s hin (Fig. 24) wird ein solches Tapetenepithel ausgebildet und so die Pollenmutter- zellen ganz davon umschlossen. Es ist dieses eigenartige Gebilde, welches in den Sporangien der Gefässkryptogamen sein vollständiges Analogon hat, jedenfalls durch seine Inhaltsstoffe von besonderer Bedeutung für die Sexualzellen, wie seine Auflösung bei fortschreitender Ausbildung der letzteren unzweideutig zu erkennen gibt. Die nach aussen, direct unter dem Dermatogen gelegene Zelllage, die Schwesterschicht des Epithels, erfährt abermals eine Haupttangentialtheilung (in der Skizze punktirt) und einige Quertheilungen. Von den dadurch entstandenen zwei Zelllagern gewinnt das äussere (f) später — 233 — seine besondere Bedeutung durch leistenartige Verdickungen. Es entstehen daraus die fibrösen Zellen, welche beim Aufplatzen der Pollensäcke durch ihre Starrheit gegenüber der ein- trocknenden und schrumpfenden Epidermis eine Rolle spielen. Diese Verdickungen treten jedoch erst zu einer Zeit auf, wo das Tapetenepithel und die indifferent gebliebene Schicht schon resorbirt sind. In Fig. 28 ist eine fibröse Zelle abgebildet; hufeisenförmige Verdickungsbänder (b), welche selten verzweigt sind (c), und deren Endpunkte in den benachbarten Zellen wie die von Porencanälen correspondiren, verleihen dieser Zellschicht ihre Starrheit. Die Pollenmutterzellen verdicken ihre Membranen, welche dabei sehr wasserreich zu werden scheinen; es entstehen 4 Kerne, und damit geht Hand in Hand die bekannte Vier- theilung in Tetraden, wie sie von den meisten Dikotylen bekannt ist. — Das Objekt ist so klein, dass die mir zu Gebote stehende Wasserimmersion No. 9 von Hartnack keine wesentlichen Aufschlüsse über die feineren Vorgänge der Kerntheilung verschaffen konnte, auf deren Verfolgung deshalb verzichtet werden musste. — Die Entwickelung der Pollenkörner bis zu ihrer Reife bietet weiter kein bemerkenswerthes Moment mehr. Die ausgebildeten Pollen- körner haben eine rundlich tetraedrische Gestalt, indem den Ecken eines Tetraeders entsprechend schwache Ausstülpungen auftreten, wo die Exine schwächer, die Intine stärker entwickelt ist, und wo unter günstigen Umständen die Pollenschläuche hervorbrechen. Es gleichen die aus- gebildeten Pollenkörner demnach etwas der bekannten Form von Epilobium. Das Gynäceum entsteht, wie schon erwähnt, als Schlussgebilde der Blüthenaxe, indem der eigentliche Scheitel (s in Fig. 7) im Wachsthum von einer ringförmigen Hesion (f in Fig. 9 und 10) überholt wird, welche, sich erhebend, die junge Fruchtknotenwand bildet. Dieser Ringwall zeigt nach dem äusseren und inneren Blumenblatt zu zuweilen eine kleine Erhöhung, während er zu beiden Seiten dann eine kleine Vertiefung erkennen lässt, (Fig. 37 zeigt einen deutlichen Fall) was darauf hindeutet, dass er aus zwei Fruchtblättern zusammen- gesetzt ist. Von einer Placenta oder einer Scheidewand ist noch nichts zu sehen, am wenigsten von einem »mamelon central«. An den Seiten jedoch, wo die beiden Fruchtblätter an einander grenzen, macht sich alsbald jederseits eine leistenartige rundliche Ausstülpung bemerklich. Diese tritt zunächst an der Basis der Fruchtknotenwand hervor und entspringt bei dem fort- schreitenden Höhenwachsthum dann auch immer höheren Zonen. Diese einander gegenüber befindlichen Leisten rücken auf einander zu (Fig. 30—34 A), treffen sich schliesslich mehr oder weniger in der Mitte des Hohlraumes und verbreitern da ihre Enden, indem sie sich gegen- seitig abzuplatten scheinen. (Fig. 33, 34.) Die Grenzlinie a in Fig. 33 und 34 ist noch lange Zeit sichtbar, indem hier die Zellen durch wiederholte Theilungen senkrecht zu dieser in Reihen oa = angeordnet erscheinen, welche als »Grenzzellreihen« hier bezeichnet werden sollen. Betrachtet man den jugendlichen Fruchtknoten nur von der Seite oder im Längsschnitte, so könnte man fast versucht sein zu glauben, es erhebe sich in demselben ein axiler Zapfen (Fig. 30—33 B); die Querschnitte A zeigen aber, dass dies der senkrechte Durchschnitt durch die Wülste ist, welche von beiden Seiten, wie erwähnt, in die Höhlung des jungen Fruchtknotens hereinwachsen. Der oben lange Zeit offene Fruchtknoten wächst schliesslich oben zusammen und verschmilzt dabei auch mit den Wülsten, welche jetzt denselben in 2 getrennte Abtheilungen scheiden, Wie die Kelch- und Blumenblätter, so bestehen auch die Fruchtblätter anfangs aus 3 Zelllagen (Fig. 36.), deren innere sich später durch Theilung weiter spaltet (Fig. 35 f). Die Placenten erscheinen also als die umgeschlagenen verdickten Enden der Wulstleisten und ent- sprechen den Rändern der Carpellblätter. Betrachten wir nun den Vertikalschnitt durch eine solche Placenta, so finden wir dieselbe überkleidet mit einer doppelten Lage concentrisch geordneter prismatischer Zellen (Fig. 35, 38, 39). Diese beiden Decklagen von Zellen sind von Bedeutung für die Entstehung der Samenknospen, welche unmittelbar aus denselben hervorgehen. Sie sind als »carpellbürtige« Samenknospen ihrer Entstehungsweise nach als Blattzipfel, oder auch nach einigen Autoren als »Knospen« aufzufassen, welche dann Adventivknospen analog wären, wie sie zuweilen an Blättern auftreten — wenn man eben alle vegetabilischen Organe auf Stamm, Wurzel (Blatt) und Trichom zurückführen will, woran sich die Morphologie seit der Metamorphosenlehre Göthe’s gewöhnt hat. Die anfangs glatte Oberfläche der Placenten bekommt alsbald kleine Höcker (Fig. 39), die dicht neben einander stehen, sich aber bald mehr und mehr ausstülpen und individualisiren (Fig. 40), bis sie sich zu Samenknospen um- gestaltet haben (Fig. 41; genaueres darüber siehe weiter unten). Wo die Carpellränder oben zusammenstossen und mit der Querwand verwachsen, findet sich zunächst ein Gewebepolster vor (Fig. 14, 34), das durch lebhafte horizontale Theilungen und Streckung seiner Zellen nach oben den jungen Griffel bildet. Dieser zeigt schon früh auf seiner abgestutzten Endfläche die kleinen Narbenpapillen, die später nur grösser werden und sich durch 2—3 Querwände kammern. — Wenn die Samenknospen ausgebildet sind, dann nehmen die Placenten nicht mehr den grössten Theil des Raumes von der Fruchtknotenhöhlung in Anspruch. Der Fruchtknoten ist stark gewachsen und hat dabei eine birnförmige Gestalt angenommen, weil er unten von dem mächtig entwickelten Discus hypogynus zusammengepresst wird. Die Scheidewand hat sich in gleichem Maasse mitgestreckt, und so sitzen denn die Placenten mit den Samenknospen frei in der Mitte auf letzterer im oberen Theile des Fruchtknotens. Ein Gefässbündelstrang durchzieht dann central den unteren Theil der Wand bis zum Ansatzpunkte — 1235 — der Placenten. Hier legen sich an die Holzgefässe derselben Tracheiden an, welche aus einem Theil der oben beschriebenen »Grenzzellreihen« entstehen, und welche sich an die Holzgefässe der Funiculi der Samenknospen anlegen. Der übrige nicht in Tracheiden umgebildete Theil der »Grenzzellreihen« ist zartwandig und reichlich mit Inhaltskörpern gefüllt; er grenzt sich scharf von den umgebenden rundlichen Zellen der Placenten ab. Wie wir später sehen werden, geben diese Zellen Leitgewebe für die Pollenschläuche ab. Der Griffel hat während dessen auch seine definitive Knospengrösse erreicht. Er hat die Gestalt eines Cylinders mit elliptischem Querschnitt, die grosse Axe von vorn nach hinten ge- richtet. Auf dem Querschnitte erkennt man neben der Epidermis und einem in concentrischen Reihen angeordneten Rindengewebe eine auf dem Querschnitt elliptische Partie kleiner dünn- wandiger Zellen (Fig. 55), welche im Längsschnitt langgestreckte Reihen bilden. An den schmalen Enden dieser Ellipse, und nur da, sind einzelne Spiralgefässe entstanden, auf jeder Seite bis zu sieben. Betrachtet man Längsschnitte durch Griffel und Fruchtknoten, so sieht man, dass diese Gefässe sich an die Hauptstränge der Fruchtknotenwand, welche auch in der Mediane verlaufen, anschliessen und den Griffel der Länge nach bis dicht unter die Spitze, ohne sich zu verzweigen, durchziehen. Der Griffel stellt danach die Spitzen der beiden Carpellblätter dar, welche mit einander verwachsen sind. Von einer äusserlichen Trennung auch nur der Narbe wie z. B. bei Gratiola ist nichts zu erkennen, nur die Stellung der Narbenpapillen giebt eine Andeu- tung in dieser Richtung. Dicht unter diesen Narbenpapillen endigen die Tracheen des Griffels in ein kurzzelliges Epithem, ausgezeichnet durch einen besonderen Inhalt seiner Zellen, ein Epithem, wie es ähnlich die Gefässendigungen bei Wasserspalten z. B. bedeckt. Dasselbe dient wohl hier dazu — wie sonst zur Ausscheidung tropfbar flüssigen Wassers — die Secretabsonderung der Narbenpapillen zu unterstützen oder überhaupt zu ermöglichen. Das procambiumartige centrale Gewebe des Griffels nimmt nach erfolgter Bestäubung die keimenden Pollenschläuche in sich auf. Dieselben dringen in dem dünnzelligen Leitgewebe nach abwärts und resorbiren dasselbe dabei, so dass man sie später völlig frei in der hohlen Griffelsäule findet. An der An- satzstelle der Placenten angelangt, werden die Pollenschläuche dann von den »Grenzzellreihen« der Placenten aufgenommen und in die Fruchtknotenhöhlung eingeleitet (an den Stellen s der Fig. 34 A), wo sie sich der Oberfläche der Placenten anschmiegen und weiterwachsend in die den Placenten zugewandten Mikropylen der anatropen Samenknospen gelangen, Die Entstehung und Structur des Discus hypogynus ist eine recht einfache. Dass er eine zellige Wucherung des Blüthenbodens rings um den unteren Theil des Fruchtknotens ist, welche das junge Gynäceum an seiner Basis umwächst, gleichsam wie ein Integument seinen Knospenkern, damit ist eigentlich schon alles gesagt. Kaum ist der Fruchtknoten oben ge- schlossen, so macht sich dieser Zellwulst am Grunde desselben auch schon bemerklich; er ist lediglich adventiv, d. h. wird nicht in der acropetalen Reihenfolge mit angelegt, in welcher die übrigen Organe entstehen, und wird wohl am besten als Anhangsgebilde des Fruchtknotens selbst aufgefasst. Durch beständige Theilung seiner Zellen erhebt sich dieser Ring zu einem ansehnlichen, oben abgeplatteten Wall oder auch einem mehr rundlichen Ring mit convexen Seitenflächen bis zu einem Drittel der Höhe des Fruchtknotens, dessen basale Einschnürung er veranlasst. Er ist gebildet aus kleinen rundlichen Zellelementen, die reich an Inhaltsstoffen sind, und trägt auf seiner Oberfläche zerstreut Spaltöffnungen, die an sich recht klein, aber im Vergleich zu ihren ringförmigen Schliesszellen breit zu nennen sind. Eine weite Oeffnung führt durch sie in breite aber flache Athemhöhlen. Es ist das ein für Wasserspalten charak- teristischer Bau, und es ist zu vermuthen, dass diese Spalten ein nektarartiges Sekret abson- dern, oder doch durch Wasserabsonderung dafür sorgen, dass der anderweit abgeschiedene Nektar flüssig erhalten wird. !) Gefässelemente fehlen dem Discus hypogynus. Bevor wir die Entwickelung der Samenknospen genauer verfolgen, soll im Anschluss an die Entwickelung des Fruchtknotens noch der Vorgang des Aufspringens desselben bei der Samenreife erwähnt werden. Die Samenkapseln von Veronica öftnen sich bekanntlich, indem die beiden Hälften der Frucht, welche den beiden Carpelltheilen entsprechen, sich durch einen Spalt von einander trennen, der beim Austrockenen immer weiter auseinander klafit. Von einer solchen Trennungsfläche, (wie z. B. t in Fig. 344), welche die, zu den verschiedenen Carpellblättern gehörigen Gewebe scheidet und quer den ganzen Fruchtknoten durchzieht, war bis jetzt in keinem Entwickelungsstadium etwas bemerkt worden und genaue Untersuchungen zeigen, dass eine solche Scheidefläche, welche die Elemente der beiden Carpellblätter trennt, überhaupt niemals auftritt. In den reifen Kapselfrüchten haben wir nämlich nicht, wie man anzunehmen geneigt ist, die beiden ganzen Carpelle, sondern nur Holzgerippe derselben vor uns; ein grosser Theil des Fruchtknotengewebes ist durch Austrocknung verschwunden, so auch die Hauptmasse der Zellen der Scheidewand. Wenn der Fruchtknoten nahezu seine definitive Grösse erreicht hat, dann verdicken sich die Zellen, welche den inneren Wand- beleg darstellen, beträchtlich bis zum Verschwinden ihres Lumens und verholzen alsdann. So verholzen in gleicher Weise auch die Wandbelegzellen des Scheidewandgewebes mit Aus- !) Da mir am Schlusse dieser Untersuchungen nur Alkoholmaterial zur Verfügung stand, konnte diese Frage nicht direct entschieden werden. —I | DD o> nahme der Placenten. Alles andere parenchymatische Gewebe des Fruchtknotens wird zerstört, die Placenten trocknen aus und an ihrer Ansatzstelle findet sich, da hier keine Verholzung statthatte, eine Oeffnung, die beim weiteren Ausdörren weiter aufreisst und an deren Rändern die vertrockneten Placenten mit den reifen Samen anhängen. Die übrig gebliebenen holzigen Kapselhälften entsprechen also mutatis mutandis dem holzigen Kern einer Steinfrucht. (In Fig. 57 ist das später verholzende Endocarp schraffhirt). Die Entstehung und Entwickelung der Samenknospen wurde bereits in groben Um- rissen angedeutet. Etwas erschwert war die Untersuchung durch das relativ häufige Auftreten von abnormen Bildungen, für die wohl die späte Jahreszeit (September) günstig war. Der normale Entwickelungsverlauf der Samenknospen (Fig. 42—50) ist kurz folgender. In der bereits erwähnten doppelten peripherischen Schicht prismatischer Zellen, welche die Placenten überziehen, treten zu gewisser Zeit Wucherungen auf, welche dicht an einander grenzen (Fig. 40) und die sich bald zu kleinen Warzen differenziren. Diese Wärzchen (Fig. 42) sind aus wenigen Zellen zusammengesetzt und aus ihnen entstehen die Samenknospen. Eine einzige Periblemzelle gibt durch Theilungen und Auswachsen der entstandenen Tochterzellen jedem dieser Wärzchen seine Entstehung. Da es zur Orientirung zweckmässig ist, ausser der Basis dieses Wärzchens noch einen bestimmt bezeichneten Punkt zu haben, so möge der Punkt s in Fig. 42 als Scheitel bezeichnet werden, obwohl er mit einem Vegetationsscheitel nur wenig gemein hat. Die Bildung der Samenknospe aus diesem Höckerchen geht nun folgendermassen vor sich. Bei ihrem weiteren Wachsthum überragen die dem Scheitel zunächst liegenden Zellen, welche in Fig. 42 mit Klammern eingeschlossen sind, das übrige Gewebe, so dass ersterer als isolirter Zapfen auf dem abgeplattet scheinenden Wärzchen aufsitzt (Fig. 43). Nun beginnt der so entstandene Zapfen aber sich kräftiger zu entwickeln. Er wächst weit hervor (Fig. 44, 45) und bildet im Innern eine grosse axile Zelle aus, die sich durch einen verhältnissmässig grossen Zellkern und körnigen Inhalt auszeichnet. Beide Theile, der Zapfen und die ihn tragende Warze vergrössern sich nun rascher und ersterer wird von den Zellen der letzteren dabei umwallt und mehr und mehr eingeschlossen (Fig. 45—48). Die Ausdehnung der Zellen erfolgt dabei in der Weise, dass der Basaltheil des Knospenkerns, denn diesen letzteren stellt der Zapfen dar, gegen den sich absondern- den Stiel der Samenknospe (den Funiculus) nach rückwärts geschoben wird (Fig. 48, 49). Der Zapfen ist von Anfang an fast unter einem Winkel von 90° gegen die Basis des Wärzchens angesetzt und wird durch das unter ihm sich ausdehnende Gewebe vollends in die Stellung 90° gegen den jungen Funiculus gebracht. Die stärkste Entwickelung der Samenknospe geht nun in der Richtung des Zapfens vor sich: Der rundliche Körper der Knospe streckt sich besonders nach ae hinten in die Länge, und die Integumente überwallen den Knospenkern vorn (Fig. 48—50). Bei der Verlängerung der Knospe nach hinten bildet sich die untere Zellpartie vom Funiculus an (r in Fig. 48) zur Fortsetzung des sich etwas nach rückwärts krümmenden Funiculus, zur sog. Raphe aus. Beide, Funiculus und Raphe, werden dann von wenigen Spiralgefässen durch- zogen, welche im Knospengrunde auslaufen (Fig. 50). Die Raphe ist also niemals die freie Fort- setzung des Funiculus, welche später mit der Samenknospe verwächst, sondern differenzirt sich aus dem Gewebe der letzteren in engem Anschluss an die Struktur und Function des Funieulus, als seine Fortsetzung im anatomischen und physiologischen Sinne. Der verhältnissmässig kurz gebliebene Knospenkern, welcher ausser der axilen Zelle nur eine, diese umhüllende Zellschicht zeigt, sitzt am Grunde der Knospenhöhlung. Die die axile Zelle umhüllenden Zellen (Fig. 45 7) scheinen bald viel von ihrer Wachsthumsfähigkeit zu verlieren, so dass sich der Kern nicht in dem Masse mitverlängern kann wie die Integumente; es hat den Anschein, als schlüge er ganz fehl. Die axile Zelle selbst erscheint in einem gewissen, etwa _ der Fig. 48 entsprechenden Stadium in 3 Zellen zerfallen, deren hinterste zur Embryosack- mutterzelle wird, während die beiden vorderen zu Grunde gehen. Da löst die axile Zelle die Grenzmembranen zunächst der vorderen Hüllzellen auf und dringt dann wie ein Pilzfaden in der Knospenhöhlung bis nah an die Mikropyle vor. (Fig. 53, 54). Körniges Protoplasma und ein grosser Kern erfüllen die Spitze des Schlauches, welcher auch die hinteren Hüllzellen des Knospen- kerns allmählich auflöst und nun als nackter Embryosack den ganzen Knospenkern darstellt. Später resorbirt derselbe auch noch in seiner vorderen Hälfte, wie es scheint, die angrenzende Hüllschicht des Integumentes und es erscheint dann hier eine ovale Aussackung. Der ursprüng- liche Kern ist an der Grenze dieser letzteren zurückgeblieben und vorn am Scheitel finden sich dann gewöhnlich noch 2 (3?) deutliche Keimbläschen vor. Eine andere Plasmaanhäufung ist im hinteren schmalen Ende des Embryosackes zu finden, wo ebenfalls zwei Zellbläschen, aber nicht so deutlich wahrgenommen werden konnten, In der vorderen Aussackung fanden sich gewöhnlich wandständige kleine stärkeähnliche runde Körnchen, die aber nicht aus Stärke bestehen, sondern den stärkelösenden Reagentien widerstehen. Mit Jod bräunen sich dieselben wie die Zellmembranen der Samenknospe. Auffallend häufig fand sich eine Entwickelung der Samenknospen vor, welche von der normalen in gewissen Stadien ziemlich abweicht, allem Anscheine nach aber doch zu frucht- baren Samen führt. Bis zu dem Stadium etwa, welches in Figur 46, 47 dargestellt ist, weicht die Entwickelung der abnormen Knospen nicht von dem der normalen ab, dann aber erhält der Knospenkern dadurch, dass sich das Gewebe vorn unter ihm rasch und stark entwickelt, — 2 — eine ganz ungewöhnliche Lage (Fig. 51). Dabei bildet sich im Übrigen ganz normal die Knospenhöhlung und die Mikropyle aus. Hat dann die Samenknospe eine gewisse Grösse er- reicht, das Stadium nämlich, wo die axile Zelle die Hüllzellen resorbirt, dann zeigt sich ein eigenthümliches Verhalten des Embryosackes. Er wendet sich aus seinem bisherigen falschen Kanal c zurück, hinterlässt an dessen Mündung gewöhnlich ein kleines Klümpchen einer schleim- artigen Degradationsmasse und wendet seine Spitze dem Mikropylenkanal zu, in welchen er geradeso wie ein normaler Embryosack vordringt und durch sein Dickenwachsthum das Inte- gument auseinander drängt (Fig. 52—54). Das Interessanteste bei diesem Vorgang ist jedenfalls das Aufsuchen der Knospenhöhlung durch den Embryosack, nachdem er die Hüllzellen zerstört hat. In späteren Stadien verhält sich eine solche Samenknospe ganz wie eine normal entstandene. Es wird von Interesse sein, kurz auf den frühesten Gefässbündelverlauf einzu- gehen. Betrachtet man den diametralen Längsschnitt einer Blüthenspindel, an welcher die Bracteen in acropetaler Reihenfolge entstehen und in deren Achseln die jungen Blüthenknospen sich entwickeln, so sieht man, dass sich das homogene Urmeristem des Scheitels, welches nur die Dermatogenschicht gesondert erkennen lässt, alsbald in die verschiedenen Gewebe scheidet, von denen die junge Epidermis, das junge Mark und das, aus langgestreckten dünnwandigen Zellen bestehende Procambium sich zunächst deutlicher abzeichnen. In dem Procambium, welches sehr früh schon die jungen Bracteen durchzieht, treten alsbald einzelne Reihen über- einanderliegender Zellen besonders hervor. Sie verdicken ihre Wand spiralig und büssen da- bei ihren protoplasmatischen Inhalt ein. Diese Spiralfaserzellen, die aneinander stossen, lösen dabei ihre Zwischenwände auf und werden so zu Spiralgefässen, die einzeln inmitten des Procambiumstranges daherziehen. Bracteen, deren Achselblüthenknospe eben als kleiner Höcker erscheint, sind schon von einer ganzen Anzahl fertiger Spiralgefässe durchzogen. Die den erstentstandenen Gefässen benachbarten Zellreihen des Procambiums werden dann meist zunächst in dieselbe Umgestal- tung hereingezogen, so dass sich in den älteren Stengeltheilen immer mehr dieser Gefässe zeigen. Haben die Blüthenknospen ein gewisses Alter erreicht, dann sieht man, wie auch in ihnen die Bildung eines langzelligen Procambiums durch Streckung von einzelnen Zellen, welche dabei auch noch Längstheilungen erfahren können, vor sich geht. Schief unterhalb der Ansatz- stelle der Blüthe tritt dieses Blüthenprocambium mit dem des Stammes in organischen Zusam- menhang. Es durchzieht zunächst die Mitte der Kelchblätter, der Blumenblätter, der Staub- blätter und der Carpelle und späterhin auch der Carpellscheidewand bis zur Ansatzstelle Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. st — 240 — der Placenten, um sich in den meisten Gebilden später mannichfach zu verzweigen, so dass später ein reiches System von Gefässbündeln die Blüthe durchzieht. Die Spiralgefässe bilden sich gerade so wie auch in dem Stengelprocambium von unten nach oben weiterschrei- tend aus. In jede Samenknospe tritt, wie wir gesehen, ein feines Aestchen ein. In den Staub- blättern verläuft der Gefässbündelstrang unverzweigt bis in das Connectiv. Betrachtet man den Blüthengrund an der Stelle, wo sich die Gefässbündel in die einzelnen Blüthentheile abzweigen, im Querschnitt, so gewahrt man ein doppeltes Kreuz. Die Arme des einen Kreuzes laufen in der Richtung nach den Kelchblättern, die des anderen in seinen Armen um 45° abweichenden Kreuzes nach den Blumenblättern. Auf Längsschnitten erkennt man dann, dass sich von den, zu den beiden hinteren Kelchzipfeln führenden Strängen andere nach innen abzweigen, welche in die Filamente, die ihnen opponirt sind, einbiegen. Andererseits senden auch die Stränge, welche den vorderen und hinteren Corollenzipfel versorgen, median verlaufende Abzweigungen nach innen in die opponirten Carpelle. Später treten die Procambiumstränge allenthalben mit einander in Anastomose, sie bilden besonders im Blüthengrunde einen dichten Knoten, so dass obiges pri- märes Schema sich immer mehr verwischt. Das empirische Diagramm der Blüthe ist in Figur 57 dargestellt. Die Blüthe ist tetracyclisch und tetramer bis auf das Andröceum und Gynäceum, welche dimer ausgebildet sind. A stellt in der Figur die Blüthenspindel, d die Bractee vor, so dass die beiden Carpell- blätter vorn und hinten in die Mediane fallen. Theoretisch ist das Diagramm der Veronica- Blüthe nach Eichler pentamer und ausserdem sollen noch zwei seitliche Vorblätter, die aber total unterdrückt sind, zu ergänzen sein. Die Blüthe würde aufzufassen sein, als nach dem gewöhnlichen ?/;, Cyclus gebaut. Das linke vordere Kelchblatt wäre das erste, das zweite würde nach hinten in die Mediane fallen, ist aber unterdrückt, das dritte rechts vorn, vier und fünf dann links und rechts nach hinten. Diese Auffassung wird hauptsächlich unterstützt durch das Auftreten eines kleinen hinteren Kelchzahnes bei Veronica latifolia und V. prostrata, auch wird das frühere Auftreten der beiden vorderen Sepala 1 und 3 für dieselbe Auffassung herangezogen. Ob der letztere Umstand gerade viel Beweiskraft besitzt, ist sehr fraglich, wenn man die Entstehung der Corollenblätter betrachtet, von denen erst das vordere, dann die bei- den seitlichen zugleich und spät erst das hintere zusammen mit den Staminalhöckern erscheint. Dieses hintere, welches theoretisch betrachtet wird als aus zwei Corollenblättern verwachsen und durch seine verhältnissmässige Grösse und den Einschnitt, welchen es bei manchen Arten be- sitzt, dazu zu berechtigen scheint, zeigt entwickelungsgeschichtlich von alledem nichts. Es ent- steht als einzige Anlage sehr spät und ist dabei die kleinste aller Kronblattanlagen. Bei der Beschreibung des Andröceums wurde auf abweichende Verhältnisse im Bau einzelner Blüthen von Veronica longifolia aufmerksam gemacht, welche hier wohl am besten ihren Platz finden. Ueber abnorm ausgebildete Veronica-Blüthen finden sich zwei Angaben '). So fand Schlechtendal bei Veronica gentianoides Blüthen vor, welche 4 Stamina entwickelt hatten; von den beiden accessorischen nahm er an, dass sie einem zweiten inneren »Wirtel« angehörten, denn sie waren nicht mit der Kronröhre verwachsen. Von grösserem Interesse sind für uns die Angaben desselben Autors über abnorme Blüthen von V. longifolia. Im Juni fanden sich an dieser Pflanze Blüthen vor, welche fünf auch sechs Perigonzipfel entwickelt hatten, an denen weiterhin ein kleiner hinterer Kelchzahn wie bei V. latifolia aufgetreten war; in sechszähligen Blüthen zeigte sich auch ein sechster Kelchzahn vorn, oft noch kleiner als der fünfte. Die Anzahl der Stamina in diesen Blüthen schwankte von 2 bis 4; kamen drei vor, so gehörte das dritte oft einem »zweiten Kreise« an und stand hinten. Obwohl es nun nichts aussergewöhnliches ist, dass Blüthen ihre Organe vermehren, so bieten doch Ausnahmen von der Regel bei solchen Blüthen, in denen augenscheinlich Organe verkümmert oder unterdrückt sind, ein gewisses morphologisches Interesse, und es sollen aus diesem Grunde die gefundenen Abweichungen einzeln kurz erwähnt werden, die im September beobachtet wurden. Fünf dieser Blüthen zeigten neben den normalen Staubblättern noch zwei Adventivstamina entwickelt. 4 Blüthen hatten 3 Stamina; ausserdem fanden sich noch zwei Blüthen, welche morphologisch sonst sehr interessant sind. 1. Es sind neben den hinteren Staubblättern noch die beiden vorderen (rechts und links vom vorderen Kronzipfel) entwickelt und zwar völlig normal, nur kleiner. Alle Stamina sind mit der Corolle verwachsen. 2. Ebenso wie 1. 3. Ebenso wie 1. 4. Ebenso wie 1. 5. Die beiden Adventivstamina tragen keine normal entwickelten Antheren, sondern nur sterile Knötchen. Sonst wie 1. 6. Es ist neben den normal vorhandenen Staubblättern noch das vordere linke normal entwickelt, aber kürzer. 7. Das vordere rechte ist vorhanden, normal entwickelt. 8. Das vordere linke ist mit fehlgeschlagener Anthere vorhanden. !) Schlechtenda]l. Monstrositäten. Bot. Ztg. 1846 No. 24 und 29. — 42 — Der Umstand, dass die Adventivstamina kürzer sind, auch bei sonst normaler Entwicke- lung, als die beiden hinteren, normaler Weise vorhandenen lässt sich in zweierlei Weise auffassen. Man kann es einmal als natürlich betrachten, dass solche Adventivgebilde nicht die Grösse und Kraft erreichen, welche normal vorhandene Gebilde besitzen. Man kann darin aber auch eine Uebereinstimmung sehen mit so vielen symmetrisch entwickelten Serophu- lariaceenblüthen, deren vier Stamina paarweise eine ungleiche Mächtigkeit besitzen, und es würde von diesem Gesichtspunkte aus die Erscheinung an Interesse gewinnen, insofern sie ein allgemeineres Gesetz in der Ausbildung der vier Staubblätter bei den symmetrisch entwickelten Scrophulariaceen ahnen lässt. In den 8 ausgeführten Fällen waren die übrigen Blüthentheile in normaler Weise ent- standen: ein vierzähliger Kelch, eine vierzählige Corolle und ein zweifächeriger Fruchtknoten. Besonders merkwürdig in mancher Beziehung sind folgende beiden Fälle: 9. Die Blüthe besitzt einen fünfzähligen Kelch, eine dreizählige Corolle, 3 Staubblätter und einen normalen Fruchtknoten. Sie ist gross und proportionirt entwickelt und besitzt durchaus nichts krüppelhaftes im Aussehen. Auffallend ist dabei die Orientirung der einzelnen Theile. Bei einem fünfzähligen Kelch einer Scrophulariaceenblüthe sollte man erwarten, dass das unpaare Kelchblatt hinten stehe; bei der Gattung Veronica speziell deutet ja der unpaare Kelchzahn der beiden genannten Spezies V. latifolia und V. prostrata auf diese Stellung hin. In der vorliegenden Blüthe steht dieser unpaare Kelchzipfel, der mit den vorderen paarigen gleich kräftig entwickelt ist, vorne, der normal ausgebildeten Bractee zugewandt. Vorblätter sind nicht vorhanden, auch ist keine Torsion des Blüthenstieles bemerkbar, überhaupt kein äusserlicher Grund anzugeben, weshalb hier die eigenartige Stellung des unpaaren Kelchblattes, wie sie die Lobelien in der Anlage zeigen, die Papilionaceen auch beibehalten und die sonst so selten ist, auftritt. Das hintere Kronblatt ist dabei wie sonst entwickelt, die beiden anderen Kronblätter stehen vor den Zwischenräumen der drei vorderen Kelchzipfel. Alternirend mit den drei Kronzipfeln finden sich dann die drei Stamina. Zwei davon, die zu beiden Seiten des hinteren Kronblattes, sind, was ihre Stellung und Grösse anlangt, als die beiden normal vorhandenen anzusehen. Das dritte Staubblatt, welches also dem vorderen unpaaren Kelchblatte opponirt ist, besitzt auch eine normale Ausbildung, ist aber kleiner, als die hinteren (Diagramm dieser Blüthe Fig. 58.). 10. Die zweite Blüthe besitzt ebenfalls einen fünfzähligen Kelch und eine fünfzählige Corolle, die Stamina und Carpelle sind in normaler Zahl vorhanden. Die ganze Blüthe ist kräftiger als die gewöhnlichen entwickelt, sonst wohl proportionirt. Der unpaare Kelchzipfel, der — 243 — auch hier zu den grössten gehört, steht ebenfalls wieder vorne, der normal entwickelten Bractee zugewandt. Auch hier ist absolut keine äussere Ursache zu der seltenen Stellungs- weise zu finden, auch hat keine Resupination der Blüthe stattgefunden. Die fünf Kronzipfel stehen alternirend mit den fünf Kelchzipfeln, der hintere ist wie gewöhnlich entwickelt, auch das grössere, und der vordere ist durch zwei Zipfel ersetzt. Die beiden Stamina stehen wie gewöhnlich links und rechts vom hinteren Kronblatt. (Diagramm Fig. 59.). Würde man zur Beurtheilung der Veronica-Blüthe die beiden letzerwähnten Fälle allein berücksichtigen, so könnte man versucht sein, das untere Blüthenblatt als aus zweien ver- wachsen anzunehmen, und damit würde dann auch das frühe Auftreten desselben entwicke- lungsgeschichtlich in Einklang zu bringen sein; es wäre ferner auch das Auftreten des mächtig entwickelten vorderen Kelchzipfels hier erklärt. Diese Annahme ist mit Rücksicht auf alle anderen Verhältnisse in höchstem Grade unwahrscheinlich; sie würde geradezu genügen, um Veronica aus dem Zusammenhange mit den übrigen Scerophulariaceen herauszureissen und ver- bietet sich damit von selbst. In Anbetracht solcher Fälle muss man aber fragen: Welche Bildungsabweichungen berechtigen denn überhaupt zu morphologischen Schlüssen? Willkürlich unter ihrer grossen Zahl auszuwählen, ist gewiss unstatthaft, und so ist der Werth derselben überhaupt in hohem Grade zweifelhaft, wenn wir sehen, wie Stellungsverhältnisse, welche die Blüthenmorphologie als ganz heterogene betrachtet, in einander übergehen können. Wenden wir uns nach dieser Abschweifung wieder zur Entwickeiung der normalen Blüthe zurück, so würde noch der Vorgang des Aufblühens zu verfolgen sein. Derselbe ist hauptsächlich durch Veränderungen in den Dimensionsverhältnissen charak- terisirt. Die Neubildung von Zellen ist kurz vorher schon im allgemeinen sistirt, doch be- wahren die Zellen immer noch ein jugendliches unfertiges Aussehen. So kommt die Zeit heran, wo die Knospe sich entfalten soll. Das Oeffnen der Blüthen geschieht in der Regel des Vormittags, nachdem Tags zuvor schon, besonders aber in der vorangehenden Nacht die Corolle, namentlich die Kronröhre, sich rasch zu vergrössern beginnt, Auch die Filamente nehmen durch Wasseraufnahme in ihre Zeilen und erhebliche Vergrösserung der Vacuolen schnell an Länge zu. Mit diesem neuen Wachsthum treten dann auch neue Spannungs- differenzen auf, indem gewisse Zellkomplexe ihren Turgor erheblicher zu steigern im Stande sind als andere, wodurch dann Gestaltveränderungen und Bewegungen von Blüthentheilen bedingt werden. Diese Vorbereitungen fangen langsam an, werden dann immer intensiver und erreichen während des Oeffnens der Blüthe selbst das Maximum. Da entfaltet die Blüthe sozusagen eine — 2144 — rege Thätigkeit, wodurch ihren Organen möglichst rasch die zweckmässigen Stellungen zur Bestäubung gegeben werden. Die in rascher Dehnung begriffenen Zellen der Blumenkrone, der Filamente und des Griffels färben ihren Zellsaft intensiver blau, und in Folge der eintretenden Gewebespannung in der Corolle werden die Corollenzipfel aus der Knospenlage gebracht; sie biegen sich zurück und die Blüthe öffnet sich, Der verhältnissmässig kurze Griffel und die kurzen Filamente mit den grossen introrsen Staubbeuteln werden nun sichtbar. Sehr rasch strecken sich jetzt die Filamente und biegen sich etwas, doch wenig, nach aussen. Der Griffel beginnt ebenfalls, doch nicht in dem Masse wie die Staubblätter, sich zu verlängern und beugt sich dabei nach unten. Im Laufe des Nachmittags platzen dann bei trockener Luft die Pollensäcke an den Längsnahten auf und die Pollenmassen liegen frei. Frühestens am folgenden Tage beginnen dann die Narbenpapillen sich vollständig auszubilden. Die Blüthe ist am ersten Tage nicht fähig, bestäubt zu werden, sondern erst dann, wenn die Staubgefässe im Abgehen begriffen sind; sie ist also dichogam protandrisch.h Nach stattgehabter Be- stäubung durch Insekten — Veronica ist nach H. Müller eine ausgesprochene Schwebfliegen- blume — keimen die Pollenkörner auf und zwischen den Narbenpapillen, ihre Schläuche dringen durch das Leitgewebe des Griffels nach abwärts und gelangen auf dem schon be- schriebenen Wege in die Fruchtknotenhöhlung und die Mikropyle der Samenknospen. Während dessen sind in den Zellen am Grunde der Kronröhre wagerechte Zellwände auf- getreten, welche dieselben in gleicher Höhe durchziehen. Diese Zellmembranen spalten sich, und ein in verdünnten Säuren und Alkalien leicht aufzulösendes Ausscheidungsprodukt(?) lagert sich in Gestalt eines feinen Häutchens dazwischen. Durch Abrunden der aneinander stossenden Zellenden werden die Contactstellen zwischen diesen Trennungsmembranen immer geringer, und schliesslich fällt die Kronröhre an dieser Trennungsstelle zusammen mit den geschrumpften Fila- menten ab. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Erklärung der Abbildungen. Tafel I. ig. 1—5. Junge Blüthenwarzen. A im Längsdurchschnitte, B von oben gesehen, b die Bracteen. Die An- lage des Kelches wird sichtbar. 6. Die Kelchhöcker k sind weiter entwickelt, es zeigen sich bereits die Höcker- der Blüthenblätter c und der Staubblätter a. 7. Die vorhandenen Anlagen werden deutlicher; s der Scheitel. 8. Vorangegangenes Stadium (Fig. 7.) von oben gesehen. Rechts die vorderen Kelchblätter. 9. Auftreten der Fruchtknotenanlage f. ig. 10. Buchstabenbenennung wie vorher. Die Fruchtknotenwand hat sich als Ringwall erhoben. . 11. Zeigt dasselbe Stadium von oben. Die Spitzen der Kelch- und Staubblätter durch einen Schnitt weggenommen. . 12—15. Weitere Entwickelungsstadien. Die Filamente werden sichtbar. Der Fruchtknoten schliesst sich und es bilden sich Griffel g und discus hypogynus d. Die Knospe ist geschlossen. . 16. Perspektivische Ansicht der jungen Blüthe. . 17. Querschnitt durch ein älteres Stadium. . 18 u. 19 gehören zusammen. Fig. 19 stellt den Kelch mit den grösseren vorderen und kleineren hinteren Zipfeln vor, Fig. 18 die dazu gehörige Blüthe; a die blattartigen Staubblätter, der Fruchtknoten beinahe geschlossen. . 20. Der Wasserspalt an der Spitze des jugendlichen Kelchzipfels; A, B, C auf verschiedenen Entwickelungs- stufen, D ausgebildet. Wiederkehrende Bezeichnungen. b Bractee. a Staubblatt. k Kelch. f Fruchtknoten. c Corolle. d discus hypogynus. Tafel II. 21 u. 22. Junge Staubblätter; sw secundäre Wülste, s Scheidewand der Pollensäcke. 23. a Längsschnitt durch eine Antherenhälfte. Man erkennt die grossen Pollenurmutterzellen; db letztere stärker vergrössert. 24. Querschnitt durch eine junge Antherenhälfte stark vergrössert. s Scheidewand, u Pollenmutterzellen, t Tapetenepithel. Die Zelllagen i, f und d haben dieselbe Bedeutung wie in der schematischen Darstellung auf Tafel Ill. 25. 26. 27. Querschnitte durch Staubblätter in verschiedenem Alter. g Axiles Gefässbündel. 38. a Fibröse Zelle, b unverzweigte, c verzweigte hufeisenförmige Verdickungsleiste daraus. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Be 29-34. Schematische Darstellung der Entwiekelung des Fruchtknotens im Grund- und Aufriss; p die Placenten. 35. Die Corollenblätter ce mit dem Fruchtknoten f um die Zelllagen zu zeigen. 36. Ein sehr junger Corollenzipfel, oben aus 3, unten schon aus 4 Zelllagen bestehend. 37. Der Fruchtknoten mit den beiden Einkerbungen; rechts ein halbes Blumenblatt. 38. Der junge Fruchtknoten mit Placenten der Länge nach durchschnitten; e doppelte Schicht pris- matischer Zellen. 39, 40, 41. Ausbildung der Samenknospen aus den Placenten. 42—50. Normaler Entwickelungsgang der Samenknospen; f Funiculus, r Raphe, i Integument, k Knospen- kern, e Embryosack, m Mikropyle. (Fig. 50 schwächer vergrössert.) 51—54. Abnorme Entwickelung von Samenknospen; s Schleimklümpchen, m Mikropyle. Tafel III. 55. Querschnitt durch den Griffel einer eben geöffneten Blüthe. 56. Schematische Darstellung der Theilungsvorgänge in der jungen Anthere bis zur Bildung der Pollenur- mutterzellen. (Siehe Text). 57. Empirisches Diagramm der normalen Veronica-Blüthe. Der schraffirte Theil im Fruchtknoten stellt das später verholzende Endocarp vor. Blüthenformel Ss (0% A2) @2. 58. Diagramm einer Veronica-Blüthe S3 C3 As @.. 59. Diagramm einer Blüthe S3 C5 As Ge. 60. Längsschnitt durch einen Theil der Kronröhre. 61 u. 62. Ausgebildete Blüthen von V. longifolia von der Seite und von vorn. Etwa ömal vergrössert. Mahlau & Waldschmidt. Frankfurt a. M. ® ange ENgll ad nat del. Dirk Anst vWerner we Winter Frankfüre = 22 AnstrlWerner 2 Wörter Pankfar DE Jh m areeemeoIRoeFeR Prem TeIRIEReITRR IRPTRTRTZTTTRE Be anınHerLAEDTITRIKRUBBIR SI EUIANTUHRA Dauer So IR 5 ER ENll act rat del u 7 QUER 7 5 UNE? IE d d ENDE ad nal'ael, Zieh. Änstrlarrer &Mnter Fankfart HE Zur Sutura transversa squamae occipitis bei Thieren und Menschen. Von Dr. Joh. Christ. Gustav Lucae. Mit 4 Tafeln. Kein Deckknochen des menschlichen Schädels hat die Anatomen seit lange so sehr beschäftigt als die Schuppe des Hinterhauptes. Von Eustachi und Spigelius an bis zu J. F. Meckel!) und W. Otto ?) erscheinen noch manche Namen in der Literatur und in der neuesten Zeit hat ausser Joh. Ranke°) R. Virchow‘) sich ganz besonders mit dem Os incae beschäftigt. Die Ursache aber wesshalb sich die Forscher für die Hinterhauptschuppe besonders interessirten liegt in der verschiedenen und oft abnormen Gestaltung dieses Knochens und dessen Entstehung bald aus zwei, dann aus vier, ja, nach Meckel, aus acht Knochenstücken die sich paarweise nach einander entwickeln. Doch noch ein besonderes Interesse bekamen diese verschiedenen Bildungen, als man auch bei Thieren der verschiedensten Ordnungen z. B. bei manchen Raubthieren, Wiederkäuern, Ein- und Vielhufern, fast regelmässig in der Jugend, dann aber auch durch das ganze Leben manche dieser Formen wiederfand, namentlich war es die Trennung der Schuppeiin eine obere und untere Hälfte, die man, weil sie auch beim Menschen, wiewohl höchst selten vorkommt, für eine Thierbildung ansah. !) Joh. Fr. Meckel. Handbuch der pathologischen Anatomie. Leipzig 1812, pag. 317—328. — — Deutsches Archiv für Physiologie. Bd. I. pag. 591. Tafel VI, Fig. 14—16. 2) Guil. Otto. De rarioribus quibusdam Skeleti humani cum animalium Skeleto analogis Vratis- lavia 1829. ®) Joh. Ranke. Beiträge »zur physischen Anthropologie Altbayerns«. #%) R. Virchow. Ueber einige Merkınale niederer Menschenrassen am Schädel. Berlin 1875. Hier sowie bei Meckel findet sich eine sehr ausführliche Angabe der Literatur. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 32 — 248 ° — Doch nicht allein in vergleichender morphologischer Hinsicht, fand diese Bildung ein vermehrtes Interesse, sondern es wurde auch in anthropologischer Hinsicht dadurch er- höht, dass der Reisende von Tschudi die Mittheilung machte: dass an den Mumien der Urein- wohner Perus diese Abnormität constant vorkomme. Und wenn sich auch dieses nicht ganz bestätigte, so hat doch Virchow das os Incae oder epactale viermal unter 64 Peruaner- schädeln gefunden (also 62,5 pr. mille), während Ranke es nur 0,8 pr. mille bei den Altbayern vorkommend sah. Und was ist nun die Ursache, dass solche Eigenthümlichkeiten überhaupt in der Hinter- hauptschuppe, den andern Deckknochen gegenüber vorkommen? Denkbar ist es dass, da die Scheitelbeine und die Schläfenschuppe, von ihrem Verknocherungspunkt ausgehend, sich auf einer mehr gleichmässig gewölbten Fläche ausbreiten, und nur durch die Längsspalte des Ge- hirnes und den Sulse. long. dur. matris getrennt sind, als Einheit entstehen. Anders ist es mit der Hinterhauptschuppe. Diese hat vier durch Gruben getrennte Hirnlappen zu bedecken welche am Torcular Herophili zusammen treffen. Dann aber ist zu berücksichtigen, dass das Stirnbein, wie ich früher schon gezeigt,!) seine feste Stütze an der schon vollkommen ausgebildeten knorpligen Crista galli und dem langen und spitz nach den Seiten auslaufenden Proc. alares enthält. Die Duramater von der Crista galli als Falte aufsteigend, bildet die Orist. frontalis und die von dem Proc. alaris aus- gehende Falte zwingt den vorderen Winkel des Scheitelbeines sich an die innere Seite des grossen Keilbeinflügels zu legen. Hierdurch erhalten die vorderen Theile der Ossa bregmatis gleich- falls feste Stützpunkte. Nicht so sicher sind die Stützpunkte für die hinteren und unteren Scheitelbeinränder und die hinteren Winkel an den Parietalplatten. Hier liegt das Parietalbein aussen auf der knorpligen Parietalplatte des Primordialschädels auf. Eine Falte der Dura- mater aber, welche die äussere und innere Fläche der Felsenbeine überzieht, theilt sich, indem sie von diesen weg auf das Hinterhaupt geht, in zwei Falten. Die untere läuft an dem Rand der knorpligen Hinterhauptschuppe hin, die obere Falte wird aber durch die dem Tentorium sich anschliessenden nach und nach herabtretenden Sustentacula cerebri genöthigt eine Spalte für die Lambdanaht zu bilden. Rücksichtlich des unteren Randes des Os bregmatis ist zu erwähnen, dass, während in dem Raum zwischen der Spitze der Ala mag. sph. und der Parietalplatte durch eine Einziehung !) »Architektur des Menschenschädels« Frankfurt a. M. 1857 — die Bedeutung des Primordialschädels für die Deckknochen pag. 3. — 249 — der Duramater eine obere abgerundet begränzte Fläche entsteht, und die Ränder des Scheitel- beines und der verknöcherten Schläfenschuppe gerade aufeinander treffen, (in dem weichen enthirnten Kinderschädel liegt das Scheitelbein immer nach Innen von der Schläfenschuppe), so wird nun durch den kleinen Keilbeinflügel, wie vorhin erwähnt, der vordere Winkel auf die innere Seite des grossen Kniebeinflügels gezogen, während zu gleicher Zeit durch diesen Zug die vor- deren Ränder des Scheitelbeines und der Schläfenschuppe, wie zwei auf einander treffende Eis- schollen sich splittern (wovon noch an jugendlichen Schädeln Spuren zu sehen sind), und der vordere Rand des Scheitelbeines an der inneren Seite der Schläfenschuppe zugeschärft herabgleitet. Ausserdem aber ist ja bekannt, dass das Auftreten der Hemisphären am frühesten vorn an dem späteren Stirntheil beginnt, dann diese im Aufsteigen nach hinten erst die zweite Hirnblase überdecken; ferner in den Seitentheilen des Schädels sich verbreiten, (wobei die beginnende Schläfenschuppe nach aussen gedrückt wird), und dann erst die Hinterhauptslappen sich bilden, welche dann die, von vorn schräg nach hinten und aussen eingehaltene Richtung verlassen, und zuletzt median sich nebeneinander lagern. Wie wir nun aber an dem Gehirne eine fortschreitende Entwickelung von vorn nach hinten sehen, so schreitet auch die Verknöcherung in den Deckknochen des Schädeldaches von vorn nach hinten weiter. Bis jetzt hat aber der Primordialschädel nur an einzelnen Stellen Knochenkerne wahrnehmen lassen, namentlich in dem unteren Theil der Schuppe Betrachten wir nun die Verknöcherung der Hinterhauptschuppe des Menschen an einigen Embryonen. Ich habe hier einen menschlichen Embryo vor mir dessen Länge vom For. mag. bis zum Steissbein 4! cm beträgt. Ausser den in ihrer Verknöcherung weit vorgeschrittenen Stirn und Scheitelbeinen finde ich die Hinterhauptschuppe durch eine Querfurche in einen oberen und unteren Theil getrennt. Es ist dieses die erste Anlage der Sufura transversa. Der obere Theil der aus der Decklage entstanden ist, überragt in seinem Rande etwas den unteren. Bei durchfallendem Licht sieht man nur an einer verhältnissmässig kleinen Stelle, unmittelbar neben der Mediane eine Verbindung. Ferner zeigt der obere Schuppentheil an seinem oberen Rand eine senkrechte Spalte die in die Hälfte der Schuppe herabsteigt. Eine gleiche senk- rechte aber schon halb verwachsene Spalte, sehe ich ım unteren Rande der Unterschuppe. An den Seiten des unten schon verwachsenen senkrechten Spaltes der oberen Schuppe, ist die Knochenlage am stärksten und laufen die Strahlen von unten nach oben. — Uıingekehrt zeigt sich in der Mediane des oberen Randes der unteren Schuppe die Knochenlage am stärksten. = 0250, — Bei einem schon weiter entwickelten Embryo findet sich in der Mediane ein scheiben- förmiger aus der hinteren Fläche hervortretender Tuber, seitlich symetrisch von zwei Vertie- fungen eingefasst. Rechts und links sieht man gegen diesen Wulst hin zwei Spalten aufsteigen (Sutura transversa) und dann gegen die Mediane hin verschwinden. In dem oberen Rande der Oberschuppe findet man noch die senkrechte Spalte im Verschwinden. In dem unteren Rand der Unterschuppe ist noch deutlich das Manubrium squamae occipitis wahrzunehmen. Dem Tuber (Protuberentia oceipitalis) entsteigen nun in der Mitte Knochenstrahlen gerade aufwärts, lateral aber schräg nach oben und aussen, und endlich nach aussen und abwärts. In der Unter- schuppe verlaufen gleichfalls von dem unteren Rande der schniebenförmigen T’uberositaet aus, die Knochenstrahlen fächerförmig an den unteren Rand der Schuppe (zwischen Manubrium und den seitlichen Restspalten der Sufura transversa). Die Tuberositaet, aus der medianen Vereini- gung der oberen und unteren Schuppe entstanden, überragt, bedeutend aus der Fläche hervortre- tend, die mehr eingesunkene untere Schuppe. Letztere dient den Lappen des Kleinhirns, erstere den Hinterlappen des grossen Gehirns als Decke. Indem ich nun zur vollständigen Sutura transversa am fertigen Inca- Knochen übergehe, folge ich der mustergültigen Charakteristik Virchows (l. c. pag. 71): »Für die gegenwärtige Erörterung ist es von entscheidender Bedeutung die Lage der Sutura transversa squamae oceipitis genau festzustellen. Ihr äusseres Ende trifft jedesmal an die Stelle, wo der hintere untere Winkel des Seitenwandbeines und der hintere obere Winkel des Wangentheils vom Schläfenbein, mit dem äusseren Winkel der beiden Abschnitte der Hinter- hauptschuppe zusammen stossen, also die Stelle der seitlichen hinteren Fontanelle. Die Quer- naht erscheint als eine direkte Verlängerung der Schuppennaht des Schläfebeines, und sie bildet in dieser Vereinigung fast ein Kreuz mit der Lambdanaht. Ihr innerer Abschnitt erstreckt sich gegen die Protuberantia oceipitalis externa, so jedoch, dass die letztere stets unter der- selben gelegen ist. Die facies muscularis gehört demnach ganz und gar dem unteren Ab- schnitte der Hinterhauptschuppe an. Innen durchkreuzt die Querfurche gewöhnlich die Furche für den Querblutleiter.« Bleibt nun diese Naht für das ganze Leben offen, was nur höchst selten vorkömmt, so haben die Hinterlappen um so mehr Freiheit sich nach hinten auszubreiten, wobei die Hinter- hauptschuppe sich sowohl in der Länge als auch in der Breite vergrössert. Diese wird aber wohl meist eine volle Rundung behalten, wie das Schädelstück (Tafel I. Fig. 1, I. und 237) unserer Sammlung beweist; sind aber in der oberen Schuppe mehrere grosse Stücke vorhan- den, wie bei unserem Schädel Ia 238, welcher ein os Incae tripantitum, nebst einer Stirnnaht - a enthält, so wird auch hier das Hinterhaupt gleich den Stirnbein umfangreich, allein es werden dann die einzelnen Knochenstücke bestimmend für die Configuration der Hinterhauptschuppe werden (Tafel I. Fig. 2). Hier macht das sechseckige grosse Mittelstück mit den Scheitelbeinen im Profil einen nach aussen offenen Winkel und drängt den oberen Theil der unteren Schuppe stark nach Aussen und Unten, während die beiden seitlichen Stücke die Scheitelbeine lateral- wärts nach hinten drängen. Doch noch einen anderen Schädel unserer Sammlung Ia 231 (Tafel I. Fig. 5) muss ich erwähnen. Hier zeigt die Sutura transversa reichliche Zacken. Ueber ihr liegen vier Knochen- tafeln nebeneinander, von welchen die in einer Mediane sich berührenden Mittelknochen vier Centimeter hoch sind, die lateral von ihnen liegenden sind um die Hälfte kleiner. Auch hier ist die Hinterhauptschuppe nach hinten gedrängt und zwar so, dass die Unterschuppe fast horizontal verläuft. Der Schädel ist dadurch lang und niedrig (dolichochamaecephal). *) Ebenso ist es mit den zahlreichen Zwickelbeinen, welche so häufig in der Lambdanaht vorkommen. Diese drängen zuweilen die ganze Hinterhauptschuppe, namentlich wenn sie in doppeltem Kreis die Schuppe umgeben, nach hinten und unten. ?) Ehe ich hier den Menschenschädel verlasse, möchte ich mir erlauben noch einige Bemer- kungen einzuschalten. Wie ich aus der Tabelle B der Einzelwerthe der Maasse von 20 Schul- kindern im Zeitraum von sieben Jahren jährlich genommen, ersehe, °) so wächst der Schädel der Kinder (in die Länge oder in die Breite) in einem Jahr das einemal sehr rasch, das anderemal bleibt er durch zwei Jahre stehen oder vergrössert sich nur wenig. Dass dieses mit dem Gehirn ebenso geht ist sicher der Fall, denn wie oft finden wir, dass normal organisirte gesunde Kinder in der Schule plötzlich ohne Fortschritt stehen bleiben, und nach einiger Zeit sich zum Erstaunen wieder geistig entwickeln. Dass aber diese Zu- stände nicht immer gleichen Schritt mit dem Wachsen des Schädels halten das können uns unsere Schädel selbst zeigen. Sehen wir doch bei Synostosen der Schädelknochen wie das Gehirn sich nach einer anderen Richtung eine Compensation sucht, unter vielen Schädeln 1) Da ich nun aber von der Vereinigungsstelle der Sut. lambdoidea mit der Sut. temporalis durch die Sut. parietomasteodea zwei offene Nahtstellen median verlaufen und dann verschwinden sehe, so be- zweifle ich ob diese Hinterschuppe für ein Os incae zu halten ist. 2) Diese Bildung, welche Ranke eine doppelte Lambdanaht nennt, kommt nach ihm in Bayern zu 5°/0 vor. Hierdurch entsteht, wie Ranke sagt, eine oceipitale Dolichocephalie.e Rankel. c. ®) »Beiträge zum Wachsen des Kinderkopfes« vom 3. bis 14. Lebensjahre von dreihundert- sechzig Knaben entnommen. »Festschrift der 13. Jahresversammlung der Deutschen Anthropologen 1882 in Frankfurt a. M. rg ke unserer Sammlung will ich nur einen Schädel anführen, den ich in meiner »Architektur des Menschenschädels« Tafel IJ. abgebildet habe (la 223). Hier besteht eine Synostose der ganzen Coronalis, der ganzen Sagittalis und eine Synostose des hintern Theiles der Sutura temporalis. Hier war das Gehirn eingezwängt, es schiebt die Hinterhauptschuppe durch einen Kranz von Zwickelbeinen in der Lambdanaht nach abwärts, und so bildet sich hinten ein Sattel (im Profil) mit einer nestförmigen Hinterhauptschuppe. Dass aber auch die Knochenablagerung nicht immer in der früher erwähnten typischen Weise vor sich geht, das zeigen uns nicht allein die vorerwähnten Hinterhauptschuppen, sondern auch meine Oocephalen (Trigonocephalus Welker), welche noch heute am Leben und gänzlich gesunde Menschen geworden sind. ') Die oben bei den Menschen besprochenen Verhältnisse wollen wir nun bei einzelnen mir zur Verfügung stehenden Thieren betrachten, und namentlich die Menschenbildung als Para- digma hinstellen. Ich beginne mit den Vierhändern. Wenn ich gleich unter den zahlreichen Affenschädeln unserer Sammlung auch bei keinem, selbst neugeborenen Thieren die Spur einer Satura transversa fand und Giebel?), der gleich- falls eine grosse Menge von Affen auf das Zwischenscheitelbein untersuchte, jener Sutur keine Erwähnung thut, so bin ich doch der Ueberzeugung, dass der Schädel der Embryonen der Vierhänder sich in gleicherweise wie beim Menschen entwickelt, und eine Sufura transversa entweder aus Mangel frühester Entwickelungsstadien oder frühzeitigem Schluss jener Sutur unserer Beobachtung entgeht. °) Sowie aber in dem späteren Leben der Affenschädel, wie ich nachzuweisen Gelegenheit hatte *), dem Menschenschädel gegenüber sich entgegengesetzt gestaltet, so geht es auch mit der Hinterhauptschuppe. Messungen am Schädel Erwachsener und neugeborner Kinder zeigen mir, dass die Entfernung zwischen der Protuberantia aceipitalis und der Sutura lambdoedea, im Vergleich zur Höhe der unteren Schuppe, immer grösser wird.°) Bei den Affen aber ist das Verhältniss sicher umgekehrt. !) Ich verweise ferner auf meine »Morphologie der Rassenschädel.«< Schluss des Sendschreibens I. und I. an €. E. v. Baer, wo ich mehrere mir im Leben begegnete Personen mit Störungen in der Schädel- bildung ohne Rückwirkung auf das geistige Leben zusammengestellt habe. 2) Bronns Thierreich im 6. Band der Säugethiere. 3) Auch Reinhard Henze! behauptet bei Embryonen von Mycetes und bei Anthropoiden eiue un- mittelbare Vereinigung der Schuppe mit dem Os bregmatis. (Archiv für Anatomie und Physiologie 1874.) 4) Affen und Menschenschädel im Bau und Wachsthum verglichen. Archiv für Anthropologie Bd. 37. 5) Nach Ranke scheint bei den Altbayern eigentlich die untere Schuppe grösser. D » ag Ich fand von 20 Schädeln neugeborener bei 14 die Entfernung des For. magnum zur Protub. aceipitalis zuweilen um 10—15 mm kürzer (im Durchschnitt 10 mm), als die Entfernung der Protuberantia zur Lambdanaht. (Wobei zu bemerken, dass die Kinderschädel im feuchten Zustande gemessen wurden.) Von 40 Schädeln Erwachsener fanden sich 32, bei welchen die untere Schuppe, mehrmal selbst um zwei cm kürzer war, im Durchschnitt 1,3. — Umgekehrt finde ich das Verhältniss bei 10 Orangs; während nämlich bei dem jüngsten Orang die Unterschuppe 35 mm, dann 30 mm der Oberschuppe gegenüber zeigte, bekam ich bei dem schon im Zahnwechsel begriffe- nen Thieren 30 mm zu 30 mm, ferner 30 mm zu 22. Bei einem anderen jungen Männchen 30 mm zu 30. Bei zwei alten Weibchen aber 45 mm zu 15 mm, dann wieder von 40 mm zu 20 mm und endlich bei zwei alten Pangas 50 mn zu 15 mm und 10; das heisst also: die Zuberrositas und die Crista transversa occipitis steigt immer mehr in dieHöhe und nähert sich der Sutura lambdoidea. Die Facies libera aber, wie sie Virchow nennt, wird durch Herauf- steigen der Nackenmuskeln immer kleiner. Ein gleiches Verhältniss zeigt sich bei den anderen Affen, z. B. bei Inuus cynomalgus. Ein neugeborenes Thier hatte eine Superficies libera von 13 mm, seine Mutter dagegen 11 mm. Mit der Entwickelung der Zähne fällt diese freie Fläche immer mehr 10 m, dann 8 m, end- lich bei einem alten Männchen fällt sie auf 6 m. Ebenso ist es mit Inuus silvanus. Das alte Männchen zeigt 5 mm das noch im Zahnen begriffene jedoch 12 mm. Bei Macacus gelado zeigt das junge Thier 13 mm, das alte Männchen und Weibchen jedoch 0 mm für die Superfieies libera. Wenn ich hier zum Schluss die Bemerkung anfüge, dass die Hinterhauptschuppe im Ganzen nur wenig, während des Lebens fortzuwachsen scheint, so bin ich leider ausser Stand diese Ansicht hinreichend mit Maassen belegen zu können, da die sich später entwickelnde Orista accipitalis, sowie die zeitig verschwindende Sutura« lambdoidea die Messung immer un- sicher macht. Kommen wir zu den Raubthieren, so sind es besonders die Hunde- und Katzen- arten, bei welchen ein Interparietalbein nach den Angaben der Autoren sich meist finden soll. Ich besitze hier mehrere Exemplare, z. B. eine neugeborne Katze, welche ein hinten °ı cm breites viereckiges nach vorn zugespitzt zwischen den Scheitelbeinen in der Sagetta endigendes enterparietalbein hat; ebenso zwei junge Panther. Der Schädel des einen ist 10 cm lang mit einem 2 cm breiten, 1 cm hohen, dreieckigen Interparietalbein. Der Schädel des anderen 9 cm lang, hat ein 1!’ breites, 1 cm hohes eben solches Interparietalbein. Bei beiden zeigen die Nähte Uebergangsverbindungen zu den Scheitelbeinen. — Bei neugeborenen Hunden finde ich die a Hinterhauptschuppe in zwei übereinander liegende Theile durch eine Quernaht getheilt. Tafel I. Fig. 4a. Der obere Theil ist dreieckig und endigt spitz zulaufend in der sagettalis zwischen den Scheitel- beinen. ‚Er zeigt Spuren einer sagittalen Trennung. Die obere und untere Schuppe trennende Quernaht geht auf den Seiten in die Cassersche Fontanellen, nach oben in die Naht zwischen dem Interparietal- bein und Scheitelbeinen, nach aussen aber setzt sie sich fort in die Sutura temporalis. Der untere Theil bekommt auf der äusseren Seite sehr bald eine Tiuberasitas, mit neben ihr beiderseits liegenden Vertiefungen für Muskelansätze, und einer Andeutung einer Crist. aceipitalis. Fig. 5a. Auf der inneren Seite steigt das knöcherne Tentorium an ihr hinauf und endigt in dem me- dianen Berührungspunkt der oberen und unteren Schuppe. So sehen wir also den oberen Theil der Schuppen über dem Grosshirn und den unteren über dem Kleinhirn. Die Tuberasität von der äusseren Seite liegt also unterhalb diesem Ansatzpunkt. Ganz wie bei den Vierhändern steigt auch die Tuberosität immer weiter hinauf und nähert sich mehr der Quernaht. Tafel I. Fig. 7«. Auch der obere Theil hat sich verändert. Ich finde ihn bei älteren Hunden länger aber schmäler zwischen den Scheitelbeinen. Endlich wird er ganz schmal und läuft spitz aus (Ottos Knochenzunge) bleibt aber immer noch getrennt. Die crista ist an die Quernaht herangerückt. Im Alter hat endlich die erista die Quernaht erreicht, die vordere Abtheilung wird durch die Kaumuskeln in eine COrista longitudinalis ver- wandelt, in welcher noch eine Sutur eine Zeitlang zu weilen noch zu erkennen ist. Die Sutura transversa verwächst früher oder später. Zu den Wiederkäuern übergehend, finde ich bei einem Hirschembryo, von 7 cm Wirbelsäule und 3 cm Schädellänge, die Stirn- und Scheitelbeine vollkommen entwickelt. Zwischen letzteren und den knorpligen Prietalplatten findet sich eine vollkommen dreieckige mit der Spitze nach vorn gerichtete Fontanelle, welche mit ihrer Basis an eine auf dem Primor- dialknorpel aufliegende und über denselben hervorragende Knochenschuppe stösst. Letztere ist nach unten und nach den Seiten von Knorpel umgeben. Von der rechten und linken Seite ziehen an ihrem unteren Rand zwei erhöhte Knorpelbildungen, welche bogenförmig zwei Ver- tiefungen oben umgebend in der Mediane sich vereinigen und gegen das Hinterhauptloch flach herabsteigen, Ein älterer Embryo von 14 cm Länge der Wirbelsäule und 4!’ cm im Schädel zeigt statt der früheren Fontanelle zwei in der Mitte senkrecht getrennte zwischen den Scheitel- beinen liegende dreieckige Knochenplättchen. Hinten stossen diese an jene schon oben er- wähnte Knochenscherbe, welche jetzt jene beiden seitlichen Gruben und in der Mediane eine Crista longitudinalis in sich aufgenommen hat. nn. —ı a Hier an dieser erista ist der aus elastischen Fasern gebildete Lig. nuchae befestigt, und seitlich von ihm die Muskelstränge des Nackens. Das Tenturium aber befestigt sich an das obere Ende der ovalen Knochenschuppe. Ein neugeborenes Reh dessen Schädellänge 11 em und dessen Höhe 3, 2 cm beträgt, Tafel II. Fig. 1, zeigt die vorhergenannte ovale sechseckige Knochenplatte mit einem oben einspringenden Winkel (wir erlauben uns diese Platte jetzt Unterschuppe zu nennen). Sie zeigt eine gut entwickelte Protuberantia und jene ihr zur Seite liegenden Bogennischen für die Nackenmuskeln. Ueber dieser sechseckigen Unterschuppe liegt durch ein Quernaht von ihr getrennt eine 1 cm breites und ebenso hohes Knochentäfelchen zwischen ihr und den Scheitel- beinen. Da nun das Tentorium sich an die ınediane Vereinigungsstelle dieses Knochentäfelchens mit der sechseckigen Unterschuppe anheftet, Tafel II. Fig. 2, so dient erstere dazu das Gross- hirn zu decken, während letztere das Kleinhirn überzieht. Die Höhe des oben einspringenden Winkels der Unterschuppe (a) Fig. 1 und 2 bis zur Tuberositas beträgt 24 mm und von da bis zum Far. mag. 10 mm. Ein älteres Reh (Tafel II Fig. 3 und 4), bei welchem die vordere Platte schon ver- schwunden, zeigt dagegen die Entfernung a bis zur Puberositaet 15 mm, und von da zum for. mag. 24 mm. Es zeigen also auch hier die Zahlen, dass bei den Cervinen die Tuberositas occipitalis hinaufsteigt. Die Einhufer zeigen uns dieselben Verhältnisse wie die Wiederkäuer. Ich habe zwar schon in der Entwickelung weiter vorgeschrittene Pferdsembryonen. Der Schädel des einen ist 15 cm, der des anderen 15 cm lang. Der erstere hat einen 15 mm langen und 16 mm breiten Interparietalknochen (obere Schuppe), bei dem letzteren Tafel II. Fig. 6—7 ist er 20 mm lang und 14 mm breit. Auch hier läuft eine Naht « um die mit einer starken Tuberositaet ver- sehene Knochenschale herum und trennt letzteren, nach unten von den Gelenkfortsätzen, nach aussen durch die Casserschen Fontanellen von dem Schläfen- und Scheitelbein, sowie endlich von dem Interparietalbein. Im Innern aber setzt sich das Tentorium an die Vereinigungsstelle der Interparietalen mit der unter ihr liegenden Knochenschale. (Fig 7.) Letztere schliesst daher auch hier nur das kleine Gehirn ein, während ersteres den hintersten Theil des Grosshirn zudeckt. Bei dem Schädel eines jungen Pferdes dessen zwei Schneidezähne und drei Backenzähne jederseits durchgebrochen sind, findet sich ein 25 mm langer und 30 mm breiter Interparietal- knochen der aber mehrere Verbindungsbrücken zu den Scheitelbeinen zeist. Ebenso ist es an Alıhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 33 _—. 256 — dem Schädel eines wilden Esels Tafel III Fig. 1, welcher vier Schneidezähne und beiderseits 3 Backenzähne enthält. Der Interparietalknochen ist 32 mm lang und 35 mm breit. Die Entfernung der Protuberantia oceipitalis zur Naht « und die Entfernung zum Hinter- haupt ist bei den eben anfgeführten Einhufern folgende: Bei dem jüngsten Pferdeembryo zur Naht a 20 mn, zum for. mag. 15 mm. » >» älteren » > » 20 » Bes » 900% » »' jungen Pferde » » 350 WA > ». 411 » » wilden Esel » » 26» » » = 3.400 » » gem. Esel » » 287» » » » 35 98 » » ‚alten Pferd » » DIE ME ED »=4..62311 2 Die Facies libera Virchows wird also auch hier durch die aufsteigenden und stärker werdenden Kau- und Nackenmuskeln immer mehr eingeengt, und die Tuberositaet durch das stärkere Wachsen. der Gelenktheile und die Nackenmuskeln immer mehr hinaufgeschoben. Noch in weit höherem’ Grad geschieht dieses aber bei den Nagethieren, für welche ich zwei Abbildungen der Tafeln beigefügt habe. Bei dem Biber (Tafel III. Fig. 2) ist das Interparietalbein. in Verwachsung mit dem Scheitelbein begriffen. Bei Zagostomus hat aber schon . in. der Mediane der Schluss der Naht a begonnen, die Naht 5 ist schon geschlossen. x ist die Sutura coronalis. Doch auch eine kleine Familie von Hyraz daman verdient zuletzt eine Berücksich- tigung. Der jüngste Schädel 40 mm lang zeigt ein grosses Interparietalbein 10 mm lang und 14 mm breit. Der zweite misst von den Schneidezähnen zum For. mag. 60 mm; seine Inter- parietalplatte ist 6 mm lang und 10 mm breit, Ausserdem liegen in den beiden vorderen Seitenecken Zwickelbeine, welche theilweise in Verwachsung begriffen sind. Nehmen wir nun den alten Schädel, so finden wir die Interparietalplatte 6 mm lang und 12 mm breit, die Naht b aber hat sich geschlossen, Es dürfte wohl jetzt gerechtfertigt sein, die Ergebnisse aus der Vergleichung dieser Representanten so verschiedener Ordnungen in einigen Sätzen zusammenzustellen. An die Spitze stellen wir nochmal die Charakteristik Virchows von der Sutura trans- versa bei dem Menschen: 1. Sie trennt die Hinterhauptschuppe in zwei Hälften und ihre äusseren Enden treffen jedesmal auf die Stelle, wo der hintere untere Winkel des Seitenwandbeines und der hintere obere des Warzentheils vom Schläfebein mit dem äusseren Winkel der beiden Schuppentheile zusammenstossen. 2. Die Sutura transversa hat oberhalb der Protuberantia oceipitalis sowie über das Facis museularis der Hinterhauptschuppe ihren Verlauf. 3. Der über der Sudtur liegende Theil, welcher ein secundärer oder Deckknochen ist, deckt den hin- teren Lappen des grossen Gehirns, der untere Theil, welcher aus Knorpel sich bildet, das Cerebellum. Gehen wir nun zunächst zu den Vierhändern., 1. Bei diesen haben wir keine Beobachtung über eine Sutura transversa verzeichnen können, dagegen nahmen wir ein entschiedenes Grösserwerden der Füacies museularis wahr, wobei die Profuberanta oeeipitalis immer mehr und mehr an der 'sich vergrössernden Unter- schuppe hinautsteigt. Dass dieser Vorgang ganz besonders veranlasst wird durch die stets länger und kräftiger werdenden Nackenmuskeln, sowie durch das Wachsen der Gelenkfortsätze in den Nähten zwischen ihnen und der . Unterschuppe, ‚ist einleuchtend. Dabei rückt die Protub, und COrist. oceipt. der Sutura transversa immer näher, so dass der Raum für die obere Schuppe durch die Orist. oceipt. transversa urd die durch die stets höher steigenden Muse. temporales sich bildende Orista sagittalis fast ganz verschwindet. Ganz dieselbe Wahrnehmung macht, man und zwar noch in erhöhterem Grad bei allen vorgeführten Thieren, Raubthieren, Wiederkäuern, Ein-, Vielhufern und Nagern. 2. Sehen wir in dem Embryonalzustand und noch in. den ersten Monaten des Lebens eine grosse kreuzförmig sich in ihrer Mitte erhebende rings von Knorpel umgebene Knochentafel, an welcher sich seitlich der Orist. occip., die Buchten für die Muskeln und zwischen ihnen die Puberositaet für das lg nuchae zeigen. Uebrigens stellt dieser Knochen mit seinem einspringenden oder horizontalen oberen Rand die Form eines Schildes dar. Ueber diesem Schild (die untere Schuppe), die das Cerebellum bedeckt, liegt getrennt durch eine quer- laufende Naht eine kleine Knochentafel theilweise zwischen den Scheitelbeinen. Sie läuft oft nach vorn in die Sut. sagittalis spitz aus und ist senkrecht in zwei Hälften getheilt. Zuweilen ist sie viereckig, oder springt in einem rechten Winkel, gegen die untere Schuppe, nach hinten. Da wo nun beide Tafeln sich entgegentreten setzt sich auf der inneren Seite das Tentorium an, und daher trägt die vordere Platte zur Deckung der hinteren Lappen des Grosshirnes bei. Wir haben daher das Recht diesen platten kleinen Knochen, der sich bald als ein Fontanell- knochen, bald als ein Spitzenknochen Virchow’s ausnimmt, als die obere Schuppe zu be- trachten. Verfolgen wir nun die Seitennähte dieser Oberschuppe so sehe ich sie z. B. bei Einhufern und Wiederkäuern sehr bald verschwinden, indem sie in die Scheitelbeine übergeht. Bei Hunden wird die Schuppe hier kleiner und schmäler und läuft nach einiger Zeit als ein Keil nach vorn, der endlich in der erista sagitalis der Hunde verschwindet. age Verfolgen wir nun auch die Naht, welche die beiden Schuppen trennt, in ihrem weiteren Verlauf nach den Seiten, so finden wir sie durch die Casser’schen Fontanellen, also zwischen der unteren Ecke des Scheitenwandbeins und der oberen Ecke des Zitzentheiles in die Schläfenschuppennaht übergehen. Nur in Einem stimmt der Verlauf nicht mit jener Deffini- tion vom os Incae überein; darin nämlich, dass auch die untere Ecke der Oberschuppe an dieser Stelle, wegen der unverhältnissmässigen Kleinheit hier nicht mit eintreffen kann. Trotz diesem Mangel kann ich die Oben in ihrem Verlaufe um die Unterplatte beschriebene Naht nur als die Sutura transversalis ansehen, da sie ja doch alle übrigen Eigenschaften Lage zwischen den Cerebellum und Cerebrum, Lage über dem 7Zuber etc. wiederholt zeigt. So sehen wir also, dass das Analogon der Lambdoidea des Menschen bei den Thieren verschwindet, die Sutura transversa aber (occipitalis), bei den Thieren persistirt. Indem nun aber bei den Thieren die obere Schuppe stets kleiner wird und ihre Naht- verbindung früher oder später verschwindet, so findet, wie wir gesehen, gerade die Ober- schuppe bei dem Menschen einen steten Zuwachs. Wir sehen also auch hier bei dem Menschen das Wachsen des Schädels, für welches die Vierhänder vielleicht einen Uebergang bilden, von den übrigen Säugethieren verschieden. Das grössere Hinterhirn bedarf eine grössere Deckplatte und diese wird ihm durch die grössere Hinterhauptschuppe. Welche Wirkung hat nun die Persistenz der Sutura transversa bei dem Menschen für das Hinterhaupt? Sie vergrössert gerade durch ihr Offenbleiben den Schädelraum und ist dadurch für die freiere Entfaltung des Hinterhirns sehr dienlich.!) Ja hilft zuweilen das os bregmatis zu ergänzen. Doch noch Eines muss ich Erwähnung thun. Sowohl bei normaler Sutura lambdeidaea, als auch bei der oflenen Sutura transversa sehen wir die blätterartigen Nahtläppchen meist mit mächtigen Wurzeln von der Schuppe ausgehen, während die des Scheitelbeines viel kümmer- licher sich zeigen. So finden wir es auf Tafel IV und V, von Virchow’s »Merkmale« etec., sowie auf Tafel I der vorliegenden Schrift. Nun noch einige Worte über die behauptete Theremorphie des Os Incae. a) Vor und nach der Geburt sehen wir beim Menschen wie bei den von uns betrachteten Säugethieren die Hinterhauptsdecke in zwei, eine obere und eine !) Die auf Tafel I. in graphischer Zeichnung gegebenen assa incae haben für die Hinterhauptschuppe Fig. I. 125 mm, Fig. I. 150 mm, Fig. III. 150 mm. rn —. 259 — untere Abtheilung, durch eine Fissur (@) getrennt. Die obere Abtheilung ist bei Mensch und Thier durch eine senkrechte Spalte in zwei laterale Stücke getrennt. Die Untere zeigt beim Menschen gleichfalls solche Trennung. Unter den Thieren habe ich sie aber nur bei einem 4' cm langen Schweinsembryo gefunden. So sehen wir also, dass in früher Jugend bei Mensch und Thiere die Verhältnisse, bis auf das Entstehen der menschlichen oberen Schuppe aus Bindesubstanz, gleich sind. b) Im späteren Leben ändern sich die Vorgänge. Beiden Thieren wird die obere Schuppe ein Theil des Os Dregmatis und damit schwindet die Sutura lambdoidea, die Sutura transversa aber tritt mit den Scheitelbeinen in Nahtverbindung. Bei dem Menschen dagegen bleibt diese Sutura lamb- doidea, es schwindet aber die Sutura transversa. Bei dem Menschen ist daher die Hinterhauptschuppe der oberen und unteren Abtheilung zusammengesetzt, bei dem Thier dagegen nur aus der unteren. Sollten wir nun, wie so vielfach geschieht, die Sutura transversa des Menschen für eine Theromorphie halten? Nach obiger Untersuchung gewiss nicht. — Nach Vor- stehendem können wir nur das os Incae als eine Hemmungsbildung, als ein Stehenbleiben auf früherer Entwickelungsstufe, ansehen. So finden wir also auch hier wieder den »Rothen Faden«, der in der Morphologie und Bildungsgeschichte überall uns begegnet. Er zeigt uns auch hier die Uebereinstimmung der Formen in ihren Grundanlagen und ihr plötzliches Fortschreiten in dieser und Stehen- bleiben in jener Richtung. Erklärung der Abbildungen. Dover j a bedeutet für alle Abbildungen die Sutura transversa squamae veeipitis und D Sutura lambdoidea. Tafel I. Bei Fig. 4 u. 5 beginnt auf der rechten Seite die Sutwra b schon zu verschwinden. Fig. 3 zeigt (auf der rechten c) Spuren der Sutr. transversalis. Tafel II. Medianschnitte von einem jungen (Fig. 2 u. 4) und altem Reh (Fig: 1 u. 3) bei letzterem b schon! verschwunden. Medianschnitt beim jungen Pferd. Fig. 6 u. 7..In letzterem schon. beginnender Schwund der Sutura b. h Tafel III, Bei Lagostomus (Fig. 3) ist b verstrichen, a beginnt zu verwachsen, & ist-die Sutura eoronalis, Castor fiber (Fig.2) zeigt schon Verwachsung der oberen Schuppe mit den Scheitelbeinen an mehreren Stellen. Tafel IV. (Die Knorpel sind blau, die Knochen dunkel.) Fig. 1 u. 2. Untere Ansicht des Schälels eines vom Atlas bis zum os coccygis 11 cm langen Embryo. Die bei den grossen Knorpelflächen zur Seite des Hinterhauptloches sind die Anlagen für die untere Hinterhauptsschuppe, die Gelenktheile, für die Zitzentheile und’ die hintere Ecke des os bregmatis (Parietalplatte). In der Basis dehnt sich die Knorpellage in Streifen an den Seiten der, theilweise in der Verknöcherung begriffenen pars basilaris nach vorn und trifft hier mit den Resten der Knorpelstreifen, welche von den Parietalplatten zum Keilbein ziehen zusammen und setzt sich in die Nasenscheidewand fort. Auf der rechten Seite sehen wir das Trommelfell in seinem Knochenring; unter ihm tritt nach vorn der Meckeschel'scher Fortsatz und über ihm erscheint nach hinten der pr. styloideus noch als Knorpel. Auf der linken Seite fehlt das Trommelfell und liegen die Gehörknöchelehen im Knorpelzustand frei zu Tage. Fig. 3. Die Schädelbasis eines jüngeren Embryo (9 cm Länge) von oben gesehen »Crista galli, Oribrum, Planum sphdl., Processus ensiformes, Sella, Felsenbeine sowie der untere Theil der Schuppe des Hinterhauptbeines und der Gelenktheile befinden sich im Zustande des Knorpels. Auch hier setzen sich die Streifen der Parietalplatten nach vorn und ebenso die noch theilweise knorpliche Pars. basilaris an den Clivus fort und vereinigen sich in der Sella. Die schon verknöcherte Hinter- bauptsschuppe ist zurückgeschlagen. Fig. 4, 5, 6 zeigt uns in doppelter Grösse, die Knorpelanlage für die Gesichtsknochen von vorn und von der Seite (Embr. 6 em lang). 4. a Cartilagenes nasi superiores, b Cartl. infer. 5. c Cartl. septi narium, d Nasenschleimhant. 6. e Canalis laerimalis, f lamina papiracea. Fig. 7, 8, 9. Embryo 10 cm. laug, doppelt vergrössert 7. Seitenansicht g proc. mastoid., h proc. styloid., m Parietalplatte. 8 i Hammer, % Ambos, Z Meckel’scher Fortsatz. 7) Grosser Keilbeinflügel. (« Orbital-, 8 Temporalfläche.) Die andern Bezeichnungen wie oben. 9. Ansicht von unten, 2) Zungenbein, 3) Unterkiefer, 4) Oberkiefer, 5) Muse. geniohyoideus, 6) Muse. mylohyoideus, 7) Muse. pterygoideus, 8) Trommelfell. Die übrigen wie früher. Fig. 10. Doppelte Grösse. Ansicht von oben. n Crista galli mit Cribrum, o For. coecum, p Ober-, q Unter- Nasenknorpel mit den Nasenöffnungen, r Labyrinthe, s Lam. papir., t kleine Keilbeinflügel, v proe. clinoidei ant., v Sella tursica. ——————>e > — —— i F Tafel T. 12 237. = [je] Hi Ser „ x 78 2 eometrische Zeichnung n. lith. von J. G. Mohr. Lith. Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a. M. (Fig. 4, 5, 6, 7). Canis familiaris. Tafel II. Geometrische Zeichnung 2 7 gez. u. lith. von J.G. Mohr. ER I, Lith. Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a. M Fig. 1,2,3, 4,5). (ervus 7 (Fig. 6, 7). Equus caballus i Lucae. Tafel III. (Fig. 2). Castor Fiber. (Fig.4,5,6). Hyrax (Daman). (Fig.1). Wilder Esel. Fig. 3). Lagostomus trichodaetylus. Geometrische Zeichnung gez. u. lith. von J. G. Mohr. Lith. Anstalt v. Werner & Winter, Frankfurt a. M. Lucae. Tafel IV. eometrische Zeichnung gez. u. lith. von J. G. Mohr. Werner & Winter, Frankfurt a. M. | Primordial-Schädel. . n ‚ ee = sn en er Weitere Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Kehlkopfs. Von Dr. med. Otto Koerner z. Z. in Frankfurt a. M. (Aus dem Senekenberg’schen anatomischen Institut.) Mit einer Tafel. Im Folgenden gebe ich eine Vervollständigung und Erweiterung meiner »Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Kehlkopfs der Säuge- thiere und des Menschen.«!) Ueber das neu bearbeitete Material und die Art seiner Verwerthung gelten im Allgemeinen dieselben Bemerkungen, welche ich meiner ersten Arbeit vorangeschickt habe. Neu kommen zur Besprechung je ein Kehlkopf von Simia satyrus (zw@ßes Exemplar), Troglodytes niger, Ateles marginatus, Lemur collaris, Halmaturus Billardierüt. Die Kehlkopfmuskulatur derselben wird in Anschluss an die ]. c. abgehandelte verwandter, resp. gleicher Species besprochen werden. Auch dieses Mal bin ich Herrn Professer Dr. Lucae für die Ueberlassung des Materials zu grossem Danke verpflichtet. 1) Diese Abhandlungen Bd. XIII, Heft 1, Seite 147—165. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 34 — 262 — Simia Satyrus. Der untersuchte Kehlkopf stammt von einem männlichen Orang, der mehrere Jahre im hiesigen zoologischen Garten gelebt und ein Alter von neun Jahren erreicht hat. Seine Be- trachtung ist deshalb von grösserem Interesse, weil die Angaben des Herrn Direktor Dr. Max Schmidt über die Stimme des Orang!) sich auf dieses Exemplar bezogen. Es ist somit der gerade in Bezug auf die Anthropoiden ausgesprochenen Forderung Fürbringer’s?) Genüge geleistet worden, wonach »durch das Zusammenwirken der genauen Beobachtung des leben- den Thieres hinsichtlich seiner Tonerzeugung und der anatomischen Untersuchung seines Kehlkopfs« die physiologische Kenntniss des letzteren gefördert werden muss. Die Leiche dieses Orang zeigt bedeutende Periostrhachitis fast aller Knochen, dabei aber sehr gut entwickelte Muskulatur und starkes Fettpolster. Die Entfernung vom Foramen occipitale bis zur Steissbeinspitze beträgt 35 cm, während sie bei dem früher von mir unter- suchten Weibchen) 31 cm mass. Mit diesem geringen Unterschied der Rumpflänge steht das Grössenverhältniss der beiden Kehlköpfe in auffallendem Widerspruch ; der des Männchens ist fast doppelt so gross wie der des Weibchens. Die Ursache dieses Missverhältnisses mag zum Theil in der Verschiedenheit des Geschlechts liegen. Von grösserer Bedeutung ist jedoch dabei die Rhachitis der Wirbelsäule bei dem männlichen Exemplare, welche die vollständige Entwickelung des Rumpfes beeinträchtigte, Der Ventriculus Morgagni bei dem Männchen ist sehr weit und communieirt durch eine grosse Oeffnung zwischen Zungenbeinhorn und Schildknorpel beiderseits mit einem gänseeigrossen extralaryngealen Kehlsacke. Die Kehlkopfmuskulatur dieses Exemplars zeigt verschiedene erhebliche Abweichungen von der früher beschriebenen des jungen Weibchens und nöthigt zu genauer Vergleichung beider. Musculus interarytaenoideus. Er stimmt vollständig mit dem des Weibchens überein. Besonders ist zu bemerken, dass sich auch beim Männchen keine Fasern finden, die man als Interarytaenoideus obliquus auffassen könnte. Zwar liegen einige platte, auffallend breite Fasern oben hinten dem Muskel auf und heben sich deutlich von dem regelmässigen Oval des Querschnitts‘) ab, doch verlaufen 1) Koerner, l.c. p. 164. ®2) M. F ürbringer, Beitrag zur Kenntniss der Kehlkopfmuskeln. Jena 1875. p. XI. Anm. 1. S)El.2C,.p.2150, ‘) Beim Weibchen fand sich das Oval des Querschnitts hinten etwas abgeplattet. — I EN sie durchaus parallel mit den übrigen Fasern und inseriren auch beiderseits mit denselben. Dieser Befund widerlegt die Ansicht Fürbringer’s®) von der Constanz des Interarytaenoi- deus obliquus beim Orang. Ein Zusammenhang mit anderen Muskeln war bei dem Männchen nicht aufzufinden, während beim Weibchen einige Fasern in den Musculus thyreo-arytaenoideus übergehen. Musculus crico-arytaenoideus lateralis. Er stimmt vollständig mit dem des Weibchens überein. Musculus thyreo-arytaenoideus, Die Ursprungsstelle des Muskels hat bei dem Männchen eine grössere Ausdehnung und verläuft in graderer Linie als beim Weibchen. Sie erstreckt sich fast auf die ganze Höhe des Schildknorpels und nur ihr oberes, etwas verbreitertes Ende weicht ein wenig von der sagittalen Medianebene nach aussen ab. Der Muskel inserirt an der ganzen Vorderfläche und dem Processus muscularis des Giessbeckenknorpels, und zwar die obersten Fasern am Processus muscularis und dem äusseren Theile der Vorderfläche, die übrigen am inneren Theil derselben. Die obersten Faserzüge liegen also in ihrem ganzen Verlaufe etwas weiter nach aussen als die übrigen. Ihre Bündel verlaufen untereinander parallel, so dass sie von aussen das Ansehen eines besonderen Muskels haben. Sie werden von der Mitte ihres Verlaufs an bis zur Insertion gekreuzt von den übrigen, fächerförmig convergirend von unten aufsteigenden Fasern und decken dieselben nahe der Insertion von aussen. (Fig. 1, Thy-ar.). Während der Muskel bei dem Weibchen ein durchaus homogenes Band darstellte, finden wir bei dem Männchen den Beginn einer Differenzirung im Sinne des menschlichen Musculus thyreo-arytaenoideus superior und inferior, die wohl mit der von Fürbringer’) beschriebenen übereinstimmt. Die von diesem Autor gegebene Beschreibung passt nur insofern nicht genau auf die von mir gefundenen Verhältnisse, als nicht der obere Abschnitt schräge und der untere quer verlaufende Fasern hat, sondern umgekehrt. Dass diese Differenzirung jedoch nicht vollständig ist, zeigt sich auf dem Frontalschnitt in der Mitte des Stimmbands (Fig. 1 A, Thy-ar.), wo der Muskel ungetheilt erscheint. Er verhält sich zum Stimmband hier, abge- sehen von seiner grösseren Ausdehnung nach oben, etwas anders als beim Weibchen (Fig. 1 B, 6) 1. c. p. 9. ?) 1. c. p. 80. —. Mr — Thy-ar.), indem der unterste Theil des Muskels mehr an der Basis des Stimmbands liegt. Daran ist freilich, wie aus der Vergleichung der beiden Abbildungen zu ersehen, weniger eine veränderte Lage des Muskels Schuld, als vielmehr eine andere Beschaffenheit des Stimmbands. Vielleicht ist letzteres bei dem Männchen ödematös. An dem alten Spirituspräparate lässt sich die Sache nicht mehr sicher entscheiden. Musculus crico-thyreoideus. Er kommt bei dem Männchen von der unteren Hälfte der Aussenseite des ganzen Ring- knorpelbogens, nirgends aber, wie es beim Weibchen der Fall war, auch vom oberen Rande desselben. In Bezug auf die beiderseitige Berührung in der Medianlinie, den Verlauf und die Insertion, gleicht er vollkommen dem des Weibchens. Weder das von Fürbringer!) beschriebene selbständige Bündel, noch der beim Weibchen von mir aufgefundene Beginn einer Differenzirung in einen crico-thyreoideus externus und internus ist hier vorhanden. Es handelt sich also beim Männchen um einen entschiedenen Musculus crico-thyreoideus internus. Musculus crico-arytaenoideus posticus. Er verhält sich genau so wie der des Weibchens. Musculus kerato-arytaenoideus. Er findet sich bei dem Weibchen nicht, bei dem Männchen beiderseits. Er entspringt etwa in der Mitte des inneren, hinteren Randes des cornu inferius cartila- gimis thyreoideae als dünnes, plattes Bündel, erhält von der Mitte seines Verlaufs an einen kreisrunden Querschnitt und inserirt aussen am Muskelfortsatz des Giessbeckenknorpels in dem Winkel zwischen den Ansätzen der m. crico aryaenoideus postieus und lateralis. Er ist durchaus homogen und selbständig. Bis jetzt wurde er einmal bei Zroglodytes gefunden, bei Satyrus war er noch nicht bekannt. Beim Menschen findet er sich nicht gerade selten, aber wie es scheint stets nur auf einer Seite.) Muskeln der Epiglottis sind auch bei diesem Orang nicht vorhanden. ale ap Aa. ?®) Fürbringer l. c. p. 63. — 15 — Troglodytes niger. Alter und Geschlecht des betreffenden Exemplars sind unbekannt. Musculus interarytaenoideus transversus. In Bezug auf Insertion und Verlauf verhält sich dieser Muskel wie beim Orang. Das Oval seines Querschnitts nähert sich einem Kreise. Ein Uebergang von Fasern in andere Muskeln ist nicht vorhanden; ebensowenig Faserzüge, die als Interarytaenoideus obliquus aufge- fasst werden könnten. Musculus erico-arytaenoideus lateralis. Die Länge seiner Ursprungsstelle entspricht den beim Orang gefundenen Verhältnissen ; die Fasern kommen jedoch nur von der äusseren Kante des oberen Ringknorpelrandes, während an der inneren Kante in gleicher Ausdehnung die untersten Fasern des Musculus thyreo-ary- taenoideus inseriren und den Musculus erico-arytaenoideus lateralis von innen vollständig decken. Die Insertion verhält sich wie beim Orang. Es besteht weder ein Zusammenhang mit dem Musculus thyreo-arytaenoideus noch ein Faserübergang in andere Muskeln. Musculus thyreo-arytaenoideus. Er entspringt als schmales Band unmittelbar neben und parallel der sagittalen Median- linie des Schildknorpels in dessen unteren zwei Dritteln. (Bei dem Exemplar Duvernoy’s nahm die Ursprungslinie die ganze Höhe des Schildknorpels ein. ) Das untere Ende der Ursprungslinie biegt von der sagittalen Medianlinie des Schildknorpels seitlich aus, indem die untersten Fasern alle in gleicher Entfernung von dem Rande der ganzen Incisura thyreoidea inferior entspringen. Nach der Insertion hin nähern sich alle oberen und die äusseren unte- ren Fasern des Muskels etwas fächerförmig und inseriren an der ganzen vorderen Fläche des Giessbeckenknorpels mit Ausnahme des oberen Drittels, sowie an dessen Stimmband-, und Muskelfortsatz, während die unteren, inneren Fasern sich in der Mitte ihres Verlaufs von den übrigen abtrennen, um sich an dem inneren oberen Rand des Ringknorpels in gleicher Breite mit dem Ursprung des Musculus crico-arytaenoideus lateralis anzusetzen. (Fig. 2, Thy.-ar.) Diese merkwürdige theilweise Aberration der Insertion des Musculus thyreo-arytaenoideus auf die Cartilago ericoidea findet sich beiderseitig. Bei Thieren ist sie noch nicht beobachtet 1) Fürbringer, ]l. c. p. 79. — 266 — worden. Beim Menschen kommt in einzelnen Fällen (Henle, Fürbringer) eine solche Aberration vor, jedoch in geringerer Ausdehnung !). Sollte sich dieses Verhältniss als die Regel beim Chimpanse erweisen, so wäre hier der Muskel T’hyreo-erico-arytaenoideus zu benennen. Auf dem Querschnitt in der Mitte des Stimmbands liegt der Muskel als breites, ziemlich dünnes Band dem unteren Theile des Ventriculus Morgagni und der breiten Basis des Stimm- bands an, ohne sich irgendwie in die das Stimmband bildende Duplicatur der elastischen Kehl- kopfhaut einzuschieben (Fig. 2 A. Thy-ar.). Eine Verwachsung mit dem Musculus erico-arytaenoideus lateralis, die beim Menschen zur Regel geworden, fehlt beim Chimpanse wie beim Orang vollständig. Musculus erico-thyreoideus. (Es handelt sich hier um zwei voliständig getrennte Muskeln, einen COrico-thyreoideus internus und einen Crico-keralo-pharyngeus.) Der Musculus crico-thyreoideus internus (Fig. 2 B, Cr.-thy. i.) kommt von der Aussenseite der vorderen Ringknorpelhälfte, und zwar in der Mitte, wo sich die beiderseitigen Muskeln berühren, von der ganzen Anssenseite, am weiter hinten gelegenen breiteren Theile des Knorpels jedoch nur von dessen unterer Hälfte. Er zieht fächer- förmig divergirend nach aussen, oben und hinten und inserirt an dem unteren, inneren Rande des Schildknorpels in der Ausdehnung von der Incisura thyreoidea inferior bis an die Basis des Cornu inferius. Mit den inneren Faserzügen seines hinteren Drittels überschreitet er den inneren, unteren Schildknorpelrand und inserirt noch an der inneren Schildknorpelfläche bis zur halben Höhe derselben. Der Musculus crico-kerato-pharyngeus (Fig. 2 B, Cr.-ker.-pha.) entspringt aussen am Ringknorpel in dessen ganzer Breite mit einer geraden, schmalen Ursprungslinie, welche mit ihrer ganzen Länge in die durch den Kehlkopf gelegte frontale Medianebene fällt, und schickt seine parallelen Faserzüge gerade nach hinten an die Vorder-, Aussen- und Innen- seite des unteren Schildknorpelhornes. Die äusseren, unteren Fasern überschreiten das letztere und gehen in die Muskulatur des Pharynx über. Eine genauere Feststellung des weiteren Verlaufs dieser Fasern ist leider durch die Beschaffenheit des Präparats unmöglich geworden. Der Ursprung des Muskels wird von dem Musculus erico-thyreoideus internus gedeckt. (Fig. 2 A.) 1) Fürbringer, 1. c. p. 82. — 261 — Physiologisch ist der sehr starke Musculus erico-kerato-pharyngeus vorzugsweise als ein trefflicher Hülfsmuskel für den durch die Dicke und Gestaltung des Schildknorpels in seiner speci- fischen Wirkung!) beeinträchtigten Musculus erico-thyreoideus aufzufassen. Musculus erico-arytaenoideus posticus. Er verhält sich genau so wie beim Orang, Musculus kerato-arytaenoideus. Dieser beim Menschen bisweilen vorkommende, bei Zroglodytes und Satyrus (s. 0.) je einmal gefundene Muskel ist bei meinem Troglodytes nicht vorhanden. Muskeln der Epiglottis sind bei dem untersuchten Exemplare durchaus nicht vorhanden. Ateles marginatus. Die Muskulatur des von einem Männchen stammenden Kehlkopfs bietet viel Uebereinstimmung mit der früher von mir beschriebenen anderer Affen, namentlich mit Cynocephalus Hamadryas und Inuus sinicus, aber auch mit Satyrus. Im Folgenden behandle ich das von den Befunden bei den erwähnten Affen Abweichende genauer und verweise im Uebrigen auf früher Gesagtes. Musculus interarytaenoideus (transversus). Die Insertion verhält sich wie bei den drei erwähnten Affen. Die Züge des Muskels convergiren nach der Mitte, wahrscheinlich nach eingeschobenen sehnigen Fasern ?) etwas, so dass das Oval des medianen Sagittalschnitts verhältnissmässig bedeutend kleiner ist als bei Inuus und Cynocephalus. Die oberflächlichsten Fasern gehen in den Musculus thyreo- arytaenoideus sowie in den cerico-arytaenoideus lateralis über. Ein Musculus interarytaenoideus obliquus existirt nicht. Musculus crico-arytaenoideus lateralis. Er entspringt in derselben Ausdehnung wie bei den erwähnten Affen am Ringknorpel, aber nicht nur vom oberen Rande, sondern auch von dem obersten Viertel der Aussenseite desselben. Er inserirt an der Vorderseite des Processus muscularis cartilaginis arytaenoideae. Ueber seine Verbindung mit dem Interarytaenoideus S. 0. !) ef. Jelenffy, der Musculus cerico-thyreoideus. Archiv f. d. ges. Physiologie VII. (1873), p. 77. £. und Koerner. |]. c. p. 162. 2) Die mikroskopische Untersuchung war durch die Beschaffenheit des Präparats unmöglich geworden. Musculus thyreo -arytaenoideus. In Bezug auf Ursprung und Insertion verhält er sich wie bei Inuus und Cynocephalus, jedoch mit dem Unterschiede, dass er nur vom unteren Viertel der Schildknorpelhöhe kommt. Auf dem Querschnitt repräsentirt er sich mit schmälerem, weniger regelmässigem Oval als bei den erwähnten Affen. (Fig. 6.) Sein oberer Rand berührt den Boden des Ventriculus Morgagni und mit der Hauptmasse liegt er der breiten Basis des Stimmbands an, ohne sich ganz oder theilweise in die dasselbe bildende Duplicatur der elastischen Kehlkopfhaut einzuschieben. Er hält also hier die Mitte zwischen Inuus und Oynocephalus einerseits und Satyrus andererseits. Ueber seine Verbindung mit dem Interarytaenoideus 8. 0. Musculus erico-thyreoideus (internus). Er entspringt am Ringknorpelbogen von der Aussenseite des unteren Randes und dem unteren Viertel der Aussenfläche mit Verschonung eines kleinen medianen Stückchens, zieht in gleichbleibendem Abstand von dem Muskel der Gegenseite senkrecht aufwärts und inserirt an der Innenseite des ganzen unteren Schildknorpelrandes mit alleiniger Ausnahme eines kleinen, nach unten ragenden, spitzen Knorpelvorsprungs, der sich an der Stelle der Incisura thyreoidea inferior anderer Affen befindet, ferner an den hinteren drei Achteln der Innenfläche des Schildknorpels in dessen ganzer Höhe. Der Muskel ist demnach ein ausgesprochener Orico-thyreoideus internus. Der Musculus crico-arytaenoideus posticus verhält sich genau so wie beim Orang. Muskeln der Epiglottis sind nicht vorhanden. Lemur collaris. Alter und Geschlecht des betreffenden Exemplars sind unbekannt. Das Knorpelgerüst des Kehlkopfs stimmt genau mit dem von Lemur mongoz überein. Auch das über die Epiglottis des Zemur mongoz l. ec. von mir in Text und Anmerkung Gesagte darf ohne Weiteres auf Zemur collaris übertragen werden. — 269 — Auch der Musculus interarytaenoideus sowie der Musculus crico-arytaenoideus lateralis stimmen bei beiden Lemuren vollständig überein. Musculus thyreo -arytaenoideus. In Ursprung, Verlauf und Insertion, sowie im Verhältniss zum Taschenband stimmt er mit dem von Lemur mongoz überein, mit der alleinigen Ausnahme, dass seine untersten Fasern, die an der Basis des Stimmbands hinziehen, ohne in diesem zu liegen, beiderseits ein schwaches, isolirtes Bündel bilden, wie es Fürbringer!) auch bei anderen Lemuren fand. Bei dem von mir untersuchten Zemur mongoz war diese Spaltung nicht vorhanden. Die Aberrationen des Ursprungs und der Insertion, die Fürbringer?) bei Zemur macaco und mongoz anführt, habe ich weder bei L. mongoz, noch bei collaris gefunden. Der Zusammenhang des Muskels mit dem Musculus crico-arytaenoideus posticus verhält sich wie bei Zemur mongo2. Musculus erico-thyreoideus. Sein Ursprung verhält sich wie bei Zemur mongoz. Er inserirt am ganzen unteren, inneren Rand des Schildknorpels mit Ausnahme der Incisura inferior, ferner an der Vorderseite und der vorderen, äusseren Kante des unteren Horns und endlich am hinteren Drittel der Innenfläche des Ringknorpels bis hinauf zum Cornu superius. Er ist durchaus nicht getrennt und bis auf die hintersten, an das untere Schildknorpelhorn gehenden Fasern ein reiner Crico- thyreoideus internus. Eine Scheidung der äusseren inserirenden Fasern in gerade und schief verlaufende, wie sie Fürbringer°) für andere Lemuren angibt, ist bei Zemur collaris nicht vorhanden. Der Musculus crico -arytaenoideus posticus weicht nicht von dem des Zemur mongoz ab. S)ELRe.2P-219,,80. 2)F]2 c...p- 81, 88. EyERcep: An. far Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 3 u Korn 2 Halmaturus Billardierii. Es handelt sich um ein weibliches Exemplar. Die Knorpel des Kehlkopfs stimmen vollständig mit denen von Halmaturus giganteus ') überein. Der Verwachsung des Ring- und Schildknorpels entsprechend fehlt auch hier der Musculus crico-thyreoideus ganz, wohl aber ist das Rudiment eines Stimmbands vorhanden. Es zieht als schmales, dünnes und in Folge. der Länge des Processus vocalis cartilaginis arytaenoideae sehr kurzes Schleimhautfältchen vom Processus vocalis zur Verwachsungsstelle des Schild- und Ringknorpels, ungefähr parallel den obersten Faserbündeln des Musculus sphincter internus und demselben mit seiner Basis anliegend. Eine eventuelle Spannung des- selben ist bei der Unbeweglichkeit des Ring- und Schildknorpels gegen einander, sowie beim Fehlen des Musculus erico-thyreoideus nur als Wirkung der Rückwärtszieher des Giessbecken- knorpels denkbar. Der Musculus sphincter internus unterscheidet sich von dem des Halmaturus giganteus nur dadurch, dass er an der Innenseite des vereinigten Ring- und Schildknorpels unmittelbar neben der sagittalen Medianlinie entspringt und keinerlei Faserübergang in den Muskel der Gegenseite noch auch eine sehnige Verbindung mit demselben aufweist. Musculus interarytaenoideus. Während bei Halmaturus giganteus nur die unteren Fasern dieses Muskels durch die Cartilago papilionacea unterbrochen werden, gehen bei H. Billardierii alle Fasern etwas convergirend an diesen Knorpel. Sonst verhält sich der Muskel wie bei Halmaturus giganteus. Die Musculi: kerato-crico-arytaenoideus, crico-sesamo-arytaenoideus und erico-arytaenoideus profundus verhalten sich wie bei Halmaturus giganteus. !) Koerner, l.c. Zur Vergleichung der Kehlkopfmuskulatur der Affen mit der des Menschen. Bischoff hat den bekannten Huxley’schen Satz, dass die anthropoiden Affen dem Menschen näher ständen als ihren niederen Stammverwandten !), namentlich in Bezug auf die Körpermuskulatur widerlegt. Obwohl auch in Bezug auf andere Organe und Körpertheile die Richtigkeit der Huxley’schen Anschauung längst von verschiedenen Autoren auf das Heftigste bestritten ist?), taucht der Satz doch immer wieder nicht blos in »populären« Schriften auf, sondern wird immer wieder von stark interessirter Seite”) dem wissenschaftlichen Publikum als feststehend vorgeführt. !) Th. H. Huxley, Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur, übersetzt von V. Carus, Braunschweig 1863, p. 117. 2) Vgl. Aeby, Schädelform des Menschen und der Affen, Leipzig 1867. Lucae, Affen- und Menschenschädel in ihrem Bau und Wachsthum mit einander verglichen. Arch. f. Anthropol., VI, 1873, p. 13 ff. — — Die Hand und der Fuss, ein Beitrag zur vergl. Osteol. der Menschen, Affen und Beutelthiere. Abh. d. Senckenberg’schen Naturf. Gesellsch., Bd. V. — — Fuss eines japanischen Seiltänzers, Arch. f. Anthropol., 1868. — —- Stellung des Humeruskopfs zum Ellenbogengelenk, eod. loco, 1866. Bischoff, Beiträge zur Anatomie des Gorilla, Abh. d. k. bayr. Akad. d. W., II. Cl., XIII. Bd., II. Abth. — — Beiträge zur Anatomie des Hylobates leuceiscus und zu einer vergl. Anatomie der Muskeln der Affen und des Menschen, eod.loco, III. Abth. — — Vgl. anatom. Untersuchungen über d. äusseren weibl. Geschlechts- und Begattungsorgane des Menschen und der Affen, insbes. d. Anthropoiden, eod. loco, Abth. U. Brühl, Myologisches über die Extremitäten des Chimpanse. Wiener med. Wochenschrift, 1871. Langer, Die Muskeln der Extremitäten des Orang als Grundlage einer vergl.-myologischen Untersuchung. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. W., Bd. LXXIX, III. Abth., Märzheft 1879. ®) Haeckel ignorirt fortwährend die wissenschaftlichen Arbeiten seiner Gegner, was in drastischer Weise erwiesen werden könnte. — 212 — Wenn nun im Folgenden der Huxley’sche Satz in Bezug auf die Muskulatur des Kehlkopfs berührt wird, so geschieht das zunächst in der Ueberzeugung, dass eine Behauptung von solcher Tragweite, wie die Huxley’sche, einer Nachprüfung auf möglichst vielen Gebieten und unter verschiedenen Gesichtspunkten wohl verdient. Ferner glaube ich, dass bei einer, den Unterschied zwischen Mensch und Thier betreffenden Frage nächst dem centralen Nervensystem kein Organ beachtenswerther ist, als der Grundmechanismus für Stimme und Sprache. Zur Vergleichung verfügte ich ausser über eine Anzahl menschlicher Kehlköpfe noch über die von mir beschriebenen von Simia saltyrus mas., » » femina, Troglodytes niger, Cynocephalus Hamadryas, Inuus sinicus, Ateles marginatus. Wer einigermassen mit der behandelten Materie vertraut ist — und sei es auch nur aus diesen Zeilen — wird ohne Weiteres zugeben, dass hier eine detaillirte Vergleichung — Muskel für Muskel, Ursprung für Ursprung, Insertion für Insertion — noch nicht zum Ziele führen kann, Ist doch die descriptive Myologie des Säugethierkehlkopfs noch nicht so weit gekommen, dass man sicher Regel und Ausnahme scheiden kann. Wenn ich so z. B. die Vergleichung in Bezug auf den Musculus interarytaenoideus obliquus und die zur Epiglottis gehenden Fasern vornehmen wollte, so müsste ich auf Grund der Fürbringer’schen Befunde sagen, die Anthropoiden stehen hierin dem Menschen näher, als ihren niederen Stamm- verwandten, während ich bei Verwerthung meines (in Bezug auf Anthropoiden grösseren) Materials zu einem solchen Schlusse nicht berechtigt bin. Diese auffallende Inconstanz des Befundes bei Orang und Chimpanse zeigt sich schon zur Genüge bei Betrachtung der von mir beschriebenen Kehlköpfe. Vergleicht man diese Befunde noch mit den übrigen, in der Literatur niedergelegten, so wird die Verwirrung immer grösser. Bischoff!) sagt: »Es sind, wie ich glaube, noch nicht zwei Orang, !) Beiträge zur Anatomie des Gorilla, 1. c., p. 5. Ka a Chimpanse, Gorilla untersucht worden, bei denen die Anordnung der Muskeln ganz dieselbe war.«c Bedeutende Unterschiede bestehen also nicht nur zwischen den einzelnen Species der Anthropoiden, sondern, wie auch ich am Orang gezeigt habe, sogar zwischen verschiedenen Exemplaren ein und derselben Species. Die bis jetzt hier gewonnenen Befunde sind noch so verwirrend und vielfach noch so unvermittelt, dass eine Zusammenstellung derselben kaum die Uebersicht über sie erleichtern würde. Es liegt aber in dieser Inconstanz des Befundes bei den Kehlkopfmuskeln etwas gerade für die Anthropoiden so Charakteristisches, dass sie verdient, hier als Ausgangspunkt der Vergleichung genommen zu werden. Wie anders sieht es da beim Menschen und bei den niederen A ffen aus. Wenn man auch bei Vergleichung weniger menschlicher Kehlköpfe manche Verschiedenheiten in der Muskulatur auffinden kann, so sind das meist solche, die nicht ohne Weiteres in die Augen springen, sie müssen gesucht werden. Bei den niederen Affen besteht hier im Allgemeinen wenig Unterschied zwischen den einzelnen Species, ja sogar zwischen den einzelnen Familien. Ich konnte die Kehlkopfmuskeln von Oynocephalus Hamadryas und Inuwus sinicus zusammen beschreiben, weil sie fast überein- stimmten, und bei Afeles marginatus war ich im Stande, die Beschreibung durch vielfache Hinweise auf die ersterwähnten Affen bedeutend abzukürzen. Aehnliche Uebereinstimmung findet sich bei den meisten niederen Affen, wie das Studium der Fürbringer'’schen Angaben zeigt. Demnach ist die Constanz der Kehlkopfmuskulatur beim Menschen und den niederen Affen auffallend grösser als beim Orang und Chim- panse. Es gibt hier noch einen anderen Weg, auf dem man zu Resultaten gelangen kann; das ist die vergleichende Betrachtung der Muskulatur unter der belebenden Leitung physiologischer Gesichtspunkte. Handelt es sich doch auch bei der vorliegenden Frage in letzter Linie nicht um Verschiedenheiten in minutiösen Details der Organe, sondern um Gegenüberstellung der verschiedenen Function derselben bei Mensch und Affe. —ep A, Dasjenige Verhältniss, das ich im angegebenen Sinne zu verwerthen gedenke, nämlich die Beziehung des Musculus thyreo-arytaenoideus zum Stimmband, ist zwar an- scheinend willkürlich herausgegriffen, in Wirklichkeit aber ausser dem eben besprochenen wohl das einzige, bei dem mit unseren heutigen Mitteln und Kenntnissen überhaupt ein Resultat für oder wider den Huxley’schen Satz in Bezug auf die Kehlkopfmuskulatur zu erwarten ist. Das im menschlichen Stimmband liegende Stratum des Musculus thyreo-arytaenoideus, welches einen besonderen M. thyreo-arytaenoideus internus bildet, zeigt als Grenze seiner oberen und unteren Fläche, welche beide parallel mit und in gleicher Entfernung von der oberen resp. unteren Fläche des Stimmbands verlaufen, eine ziemlich scharfe, in dem Winkel der das Stimmband bildenden Falte der elastischen Kehlkopfhaut verlaufende Kante. Auf dem l’rontal- schnitt durch das Stimmband (Fig 3, Thy-ar. i.) repräsentirt sich der M. thyreo-arytaenoideus internus als ein vollständig in das Stimmpand eingelagerter und «dessen Gestalt nach- ahmender Keil. Dieses Verhältniss ändert sich physiologischer Weise auffällig beim Intoniren. Wie die Beobachtung am Lebenden zeigt, springen die Stimmbänder im Momente des Anlautens als dünne, scharfkantige Membranen vor, welche der Luftstrom erfasst und in Schwingungen versetzt. Wie verhält sich aber dabei der Muskel? Wäre er in diesem Momente vollständig erschlafft, so müsste er mehr oder weniger die Bewegungen des Stimmbands mitmachen und die Verdünnung des Stimmbandrandes und dessen scharfe Kantenbildung erheblich beeinträch- tigen. Nun aber unterliegt es gar keinem Zweifel, dass der M. thyreo-arytaenoideus internus nicht vollständig erschlafft zu sein braucht, um die Spannung des Stimmbands zu ermög- lichen ?). Es handelt sich ja nur darum, dass der Antagonist das Uebergewicht behält. Eine Contraction des M. thyreo-arytaenoideus internus bewirkt nun zunächst, dass er der Bewegung des Stimmbands nach der sagittalen Medianebene des Kehlkopfs hin nur bis zur geraden Ausspannung zwischen seinem Ursprung und seiner Insertion folgen kann ?). Bei gegenseitiger Berührung der Processus vocales ist aber durch die Drehung der Giessbeckenknorpel die Insertion des Muskels von der des Stimmbands am weitesten entfernt. Ferner wird bei der mit der Contraction Hand in Hand gehenden Gestaltsveränderung des Muskels seine scharfe, !) ef. Rühlmann, Unters. über das Zusammenwirken der Muskeln bei einigen, häufiger vorkommenden Kehlkopfstellungen. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. W. LXIX, p. 289. ?) Vgl. auch die Anmerkung bei Elsberg, Paralysis of museles of the larynx, Archives of Laryngology, July 1, 1832. — A gegen den Rand des Stimmbands gerichtete Kante abgestumpft, also gewissermassen aus dem Stimmband herausgezogen werden. Durch das Alles ist der Muskel im Stande, die Breite, Dicke, Consistenz und Elastieität des Stimmbands, also auch die Art und Dauer seiner Schwingungen in erheblicher Weise zu beeinflussen. Während weder die Vergleichung der Stimmbänder, noch des M. thyreo-arytaenoideus an sich bei den untersuchten Affen klare und constante Verhältnisse ergibt, finde ich, dass die niederen Affen unter sich und mit dem Menschen in Bezug auf das beschriebene, physiologisch wichtige Verhalten dieses Muskels zum Stimmband mehr übereinstimmen, als die Anthropoiden. Bei Innus (Fig. 4) und Oynocephalus (Fig. 5) liegt der ganze Musculus thyreo-arytaenoideus im Stimmband und ist demnach ein ausgesprochener internus. Auf dem Querschnitt ist er oval, zeigt also keine scharfe, gegen den Rand des Stimmbands vorspringende Kante. Den Uebergang von den bei diesen Affen gefundenen Verhältnissen zu denen der Anthropoiden weist Ateles marginatus auf. Sein Musculus thyreo-arytaenoideus ist zwar noch auf dem Querschnitt oval, liegt aber nur der Basis des Stimmbands an, ohne sich in dasselbe einzuschieben. (Fig. 6.) Weit grössere Unterschiede von dem Menschen als Innus und Cynocephalus zeigen hier die Anthropoiden. Beim Orang (Fig. 1A u. 1B) und Chimpanse (Fig 2A) zieht nämlich der Muskel mit seinen untersten, am meisten median gelegenen Fasern neben der Basis der sehr breiten Stimmbänder hin, und keine seiner Fasern liegen in den die letzteren bildenden Falten der elastischen Kehlkopfhaut. Er ist also hier ein ausgesprochener externus. Der von Fürbringer beim Orang angegebene Beginn einer den menschlichen Ver- hältnissen ähnlichen Scheidung des Muskels in zwei Theile, fand ich bei einem Exemplar gar nicht vor, bei dem anderen alterirte sie das Verhältniss des Muskels zum Stimmband nicht (e. 0.). Diese (und andere) Befunde mit der Tonerzeugung des lebenden Thiers in Einklang zu bringen, resp. durch die Beobachtung der letzteren zu bestätigen, wurde zwar, wie oben bemerkt, bereits von mir auf Anregung Fürbringer’s angestrebt, muss aber in Ermangelung genügenden Materials künftigen Arbeiten überlassen bleiben. Wir dürfen aber wohl annehmen, dass der Musculus thyreo-arytaenoideus bei Innus sinicus und Cynocephalus Hamadryas einen, den menschlichen Ver- hältnissen nahe kommenden Einfluss auf die physikalischen Eigen- schaften des Stimmbands ausüben kann, während ein solcher bei Satyrus und Troglodytes sicher überhaupt nicht vorhanden ist. Erklärung der Abbildungen. Fig. 3 nach Henle, alle übrigen Figuren sind nach der Natur in geometrischer Projection mit dem Lucae-Schroeder’schen Apparate in natürlicher Grösse gezeichnet. Die Bezeichnungen stimmen mit denen der früheren Abhandlung überein. In allen Figuren bedeutet: 1. Epiglottis. 5. Cartilago arytaenoidea. 3. Cartilago thyreoidea. 7. Ligamentum vocale verum. 3a. deren Cornu superius. 8. » » spurium. Shaw, » inferius. 9. Eingang in den Kehlsack. 4. Cartilago ericoidea. Cr-ar. ]. —- Museulus erico-arytaenoideus lateralis. Cr-ar. post. — > » » postieus. Cr-thy. — > > thyroideus. Gr-ihyai. Z= > » > internus. Cr-ker-pha = » >» kerato-pharyngeus. I-ar. — » interarytaenoideus. K-ar. — » kerato-arytaenoideus. Thy-ar. = » thyreo-arytaenoideus, e. externus, i. internus. Fig. 1. Orang, Seitenansicht der Kehlkopfmuskulatur nach Trennung des M. kerato-aryt. und der Articulatio cerico-thyreoidea; der M. crico-thyr. ist entfernt, die Cart. thyr. zurückgeschlagen. Fig. 2. Chimpanse. Sagittaler Medianschnitt durch den Kehlkopf. M. thyr.-aryt. blosgelegt. Fig. 2B. » Aussenseite. Fig. 3. Mensch. Frontalschnitt durch den Kehlkopf nach Henle. Fig. 1A. Frontalschnitt durch die linke Hälfte des Kehlkopfs vom männlichen Orang. Fig. 1B. > » » » » » » » weiblichen > Fig. 2A. » » » » > » » >» Chimpanse. Fig. 4. » » » » > » » » Imnus sinieus. Fig. 5. » » » » » » » » Cynocephalus Hamadryas. Fig. 6. » » » » » » » » Ateles marginatus. = | O.Koerner. Kehlkopt I Fig.1. e Ihy-ar: Fig.2 8. ar 3a i Crarnl. 3 3 r i | 4 i ler ty. | 5 | Jar. 7 | | er f 7 (4 Ziıy.ar:- Far — (rarl. f @-kerpha: Beh = | ER \ 4 Fig. 1B. [a8 N ’ | 8 Er Fig.3 ( /B\----8 RE 7 3 ev 5 crarı. ia PN ring. z Thy-ar: u pr Ott. | #9 1 Thy.ar: €. Fig. 3. j | 2 | Ihy.ari. 0 | 3 8 I 7 7. | \ TNy-ar--- | KAn-—\N Crarl. : re typ. (lligel. 4 D,Aderner fer. Natürliche Warmwasserheizung als Prineip der elimatischen Zustände der geologischen Formationen. Von Dr. J. Probst. Vorwort. Seit mehr als drei Decennien hat sich der Verfasser bemüht, die von ihm bewohnte Gegend (das Württembergische Oberschwaben) geologisch und paläontologisch genauer zu unter- suchen. Seine Bemühungen galten zunächst der dortigen Molasseformation. Die gleichfalls vor- handene und weit verbreitete quartäre Formation empfand ich zunächst nur nach ihrer lästigen, hemmenden Seite, sofern dieselbe durch ihre mächtigen Kies- und Lehmlager die tertiäre Unterlage verdeckt und mehr durch Armuth an Petrefacten sich auszeichnet, als durch Reichthum. Bald aber machte ich auch genauere Bekanntschaft mit den erratischen Blöcken und ge- kritzten Steinen, die ganz geeignet sind, über den climatischen Charakter dieser Formation handgreiflichen Aufschluss zu geben und suchte dieselbe in ihrer Ausdehnung über die Gegend hin zu verfolgen. Ueberall der gleiche gewaltige Contrast zwischen der Tertiärzeit und der Quartärzeit! Dort Zimmt- und Kampherbäume, oder an andern Orten Fischge- schlechter, die zunächst an die des Mittelmeers und rothen Meers sich anschliessen, und wenige Meter darüber — die Blöcke eines Gletschers, der aus den Alpen sich herauswälzte und über die ganze Gegend in gewaltigen Massen hinlagerte, in dessen Nähe das Alpenmurmelthier und der Halsbandlemming mit Renthier und andern nordischen Thieren sich wohl fühlten, Dass sich mir unter solcher Beschäftigung die Frage nach den Ursachen der Eiszeit, nach der Wandlung der climatischen Verhältnisse überhaupt, dringend nahe legen musste, bedarf keiner näheren Erklärung. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. e 36 — 2718 — Eine Hauptfrage drängte sich zunächst auf: was ist die Ursache des massenhaften An- drangs des Eises in solchen Gegenden, die sich unmittelbar zuvor eines so warmen Climas er- freuten und auch jetzt wieder ein gemässigtes Clima haben? Mir legte sich der Gedanke nahe, dass da die Gletscher der Eiszeit, wie die Recenten, sich an das Hochgebirg anlelınen und dort ihre Reservoire haben, eine lange Ansamm- lung des Schnees in den Gebirgen mit nachheriger Entladung desselben in die Niederung und Abschmelzung daselbst das ausserordentliche Phänomen der »Eiszeit« am ungezwungensten erklären könne. Aber gerade diesen Gesichtspunct, so nahe er sich mir legte, fand ich in der Literatur nicht vertreten; die diesbezüglichen Hypothesen ergingen sich meist in sehr entfernt liegenden Gebieten. Sartorius von Waltershausen nimmt zwar die Gebirge zum Ausgangspunct der grossartigen Gletscher der Eiszeit, allein sein Prineip ist doch ein anderes, nicht eine Ansammlung der Eismassen in dem noch unzerstückelten Gebirge, sondern er postulirt eine viel gewaltigere Höhe der Gebirge in der Quartärzeit, um die grossen Gletscher hervorzubringen und ein nachheriges Niedersinken derselben, um die Gletscher auf das heutige Maass zurückgehen zu lassen. Der Verfasser sprach ‘seinen eigenen Gedankengang in den Hauptzügen zuerst aus in den Württ. naturwissenschaftlichen Jahresheften 1874 S. 81 und suchte denselben näher zu begründen daselbst in einer Abhandlung des Jahrgangs 1875 S. 85—149. Die Eiszeit selbst ist aber nur ein vereinzeltes Räthsel; das Clima der alten Perioden mit ihrer auffallenden Wärme und Gleichförmigkeit unter allen Breitegraden, dann das stufen- weise Auftreten der climatischen Zonen, das durch Prof. Dr. Heer in Zürich auf Grund seiner Untersuchungen der arctischen fossilen Pflanzen festgestellt wurde; — das ist eine Reihe von Räthseln und ungelösten Fragen, die im Zusammenhang betrachtet werden müssen. Mehrere Ansichten hatten in den letzten Jahrzehnten die Oberhand gewonnen und wurden wieder verlassen und verdrängt. Anfänglich beruhigte man sich in Betreff des Climas der alten Periode bei dem Einflusse der inneren Erdwärme. Es wird unbestreitbar das Verdienst von Sartorius sein, dass diese zwar bequeme aber unhaltbare Annahme verlassen wurde, da er nachwies, dass die Gesetze der Wärmetheorie einen derartigen Einfluss selbst für die ältesten Perioden nicht gestatten und jedenfalls den Effect auf ein sehr bescheidenes Maass reduciren, für die mittleren und neueren Formationen aber kaum mehr in Betracht kommen können. Sodann gewann die Lyell’sche Auffassung von dem Einflusse der Vertheilung des Festen und Flüssigen auf der Erdoberfläche die Oberhand. Allein die Untersuchungen von — ee Sartorius über das reine Seeclima der Gegenwart zeigten deutlich genug, dass selbst bei möglichst vollständiger Eliminirung, nicht blos anderer Vertheilung, des festen Landes, die Temperatur nicht einmal der Tertiärperiode, viel weniger der alten Periode zu erreichen sei. Es ist in dem reinen Seeclima wohl eine ganz charakteristische Annäherung an den Typus der früheren Formationen zu erkennen; allein die Temperaturen selbst, die für das Seeclima berechnet zu haben das Verdienst von Sartorius ist, stehen in ihrer ganzen Scala beträcht- lich zu weit ab von dem Clima der Tertiärzeit und noch mehr der alten Formationen. Das wichtige Werk von Sartorius (Untersuchungen über die Climate der Gegenwart und Vergangenheit 1865) scheint einen ausgedehnten Einfluss hauptsächlich nur insofern er- langt zu haben, dass die früheren irrigen Vorstellungen verlassen werden mussten. Der Grund liegt wohl darin, dass auch seine Resultate mit den Forderungen der Paläontologen, wie sie in den letzten Jahrzehnten erst gewonnen wurden, doch zu wenig harmoniren. Sartorius, dessen Werk schon um seiner strengen, rechnenden Methode willen die grösste Beachtung verdient, nimmt als Grundlage und Ausgangspunct für das Clima der geologischen Formationen, das reine Seeclima der Gegenwart, das er für die früheren Perioden zu verstärken sucht. Das ist im Grund, wenn auch Sartorius selbst diesen Ausdruck nicht gebraucht, nichts Anderes, als das Princip der natürlichen Warmwasserheizung. Unter diesem Gesichtspunct fasst wenigstens der Verfasser die Arbeit vor Sartorius auf. Wenn es nun auch Sartorius nicht gelang, befriedigende Ziffern, die den Anforderungen der Paläontologie entsprechen, zu ge- winnen und damit in hohem Grade der Erfolg seines Unternehmens gefährdet wurde, so schien mir doch gerade in diesem Prineip ein so gesunder Kern vorhanden zu sein, dass ich mich bemühte diesen Grundgedanken festzuhalten und auszubilden und geeignete Wege einzuschlagen, um die Wirkungen der natürlichen Warmwasserheizung für die alten Formationen in einer solchen Weise zu verstärken, dass sie den Anforderungen der Paläontologen genüsten, In einer Abhandlung der Württ. naturwiss,. Jahreshefte (1881 Seite 47—113) wurde die weitere Entwicklung dieses Prineips von dem Verfasser gegeben und solche Temperatur- scalen gewonnen, dass auch der Paläontologie Genüge geleistet wird. Verschiedene Fragen blieben aber noch unerledigt und wurden vorläufig verschoben, be- sonders solche, welche die Wechselbeziehungen zwischen climatischen und tellurischen Erscheinungen und Zuständen betreffen, In dieser vorliegenden Schrift wird nun nicht blos der Inhalt der früheren Abhandlungen, besonders jener vom Jahr 1881 zu Grund gelegt, obwohl vielfach ergänzt, verbessert und um- gearbeitet, sondern auch noch eine II. Abtheilung hinzugefügt, welche die hauptsächlichsten — 772802 — Modificationen der climatischen Zustände auf der südlichen Hemisphäre beleuchtet; sodann die Erscheinungen der Hebung und Senkung und die Zeit der Erhebung der Continente und hohen Gebirge bespricht und mit dem climatischen Princip in Verbindung bringt. Das Gebiet der Kritik konnte hierbei nicht gänzlich umgangen werden und musste nament- lich bei dem} Capitel von dem Clima der südlichen Halbkugel der Adhemar’sche Standpunct eingehender berücksichtigt werden. Die Ziffern über Temperaturangaben wurden aus den bewährtesten Quellen entnommen, nämlich aus Dove, Krümmel, Hann und Sartorius für die recente Periode; von Heer und Graf Saporta für die vergangenen geologischen Perioden. Wenn der Verfasser sich bestrebt hat, überall, soweit möglich, einen bestimmten und numerischen Ausdruck zu gewinnen und in Anwendung zu bringen, so wird ihm das nicht als übermässige Kühnheit zum Vorwurf gereichen. Vage Behauptungen und Vorstellungen sind überall, so auch auf diesem Gebiete weit verbreitet, aber nirgends wird durch sie ein Ziel er- reicht oder auch nur ein schwacher Fortschritt errungen. Es giebt kein anderes Mittel, um von dem Irrthum sich loszumachen und der Wahrheit, wenn auch nur um einen Schritt, näher zu kommen, als das Streben nach möglichster Bestimmtheit sowohl des Gedankens als des Aus- druckes und ebendeshalb der Controle durch jene numerischen Werthe, welche durch die Er- fahrung und Beobachtung gewonnen worden sind. Essendorf, im Herbst 1883. Dar Vereasser a u a I, Abtheilung. Erklärung der climatischen Zustände der geologischen Formationen. Einleitung. Ueber den Stand der Frage. Die Paläontologen stellen auf Grund der Beschaffenheit der Organismen, die in den verschiedenen Schichten vorgefunden werden, ziemlich bestimmte Anforderungen, denen genügt werden muss, wenn die climatischen Verhältnisse der abgelaufenen geologischen Perioden erklärt werden wollen. Wir fassen hauptsächlich die Anforderungen ins Auge, wie sie von Professor Heer!) und Graf Saporta?) in guter Uebereinstimmung unter einander gestellt werden. Die silurische und devonische Formation lassen aus ihren Organismen auf ein unter allen Breitegraden sehr warmes und überraschend gleichförmiges Clima schliessen. In neuester Zeit wurde die silurische Formation im Grinellland (79°—82° n. B.) entdeckt und lieferte dort ca. 60 Arten von Thieren, welche mit der gleichzeitigen Fauna auf den britischen Inseln und noch mehr mit Arten von Nordamerika übereinstimmen. (Heer: Flora fossilis arctica, Band V, S. 17.) Sodann zu Anfang der Steinkohlenzeit war die Bäreninsel (74° 30° n. B.) und Spitzbergen (78°) mit einer Vegetation bekleidet, welche fast in allen Arten mit derjenigen übereinstimmt, die damals im südlichen Irland, Deutschland, und in den Vogesen zu Hause war, so dass kaum ein Zweifel besteht, dass vom 45.° bis 78.° der nörd- lichen Breite dasselbe Clima herrschte. (Heer III, S. 28.) Der unmittelbar darauf folgenden Bergkalk schliesst zwar keine Pflanzen ein, aber zahlreiche Meeresthiere. Es sind grossentheils dieselben Arten, die aus dem europäischen Bergkalk bekannt sind ; ja einige lassen sich .bis in die Tropengegenden verfolgen. (Herr II, !) Flora fossilis arctica, Band III, S. 28. 1874. 2) Le monde des plantes avant l’apparition de l’homme 1879. — oe S. 28.) Im Grinelllande wurde diese Formation unter 79° 34° bis 82° 40° entdeckt; die eingeschlossenen Organismen kommen .mit denen Englands grossentheils überein, selbst die. Corallen fehlen nicht. (Heer ]. c., Band V, S. 17, 19.) Die Pflanzen der mittleren Steinkohlenformation in Spitzbergen (77'g° n. B.) stimmen gleichfalls zum grossen Theil mit denen überein, welche in Mitteleuropa (Böhmen ete.) aus den gleichen Schichten bekannt sind. (Heer III, S. 28.) Graf Saporta schätzt die mittlere Temperatur der Steinkohlenzeit auf nicht unter 25° C, und nicht über 30°C. Heer in der 2. Auflage seiner Urwelt (S. 659) nimmt für die Schweiz 93° bis 25° C. in Anspruch. Die Trias hat bis jetzt in der arctischen Zone keine Pflanzen geliefert, wohl aber Thierreste (Spitzbergen 78'°); sie stimmen mit denen der Schweiz ete. aus gleichaltrigen Schichten überein. (Heer III, S. 28.) - 6 Die Juraformation birgt am Cap Boheman im Eisfjord (78° 24‘ n. B.) Farne, Coniferen, Cycadeen, die theilweise mit denen des englischen, russischen und südfranzösischen Jura übereinstimmen. Eine Vergleichung mit den Jurapflanzen Indiens ergiebt, dass hier wie dort die Farne 40°) der bis jetzt gefundenen Pflanzenarten bilden, wogegen die Nadelhölzer in Spitzbergen stärker, die Cycadeen aber schwächer vertreten sind. (Heer III, S. 29.) In der unteren Kreide trägt die Flora Grönlands den Charakter der tropischen und subtropischen Gegenden. (Heer III, S. 29.), Von Beginn der silurischen Formation bis zum Schlusse der unteren Kreide treten uns somit in der arctischen Zone theils in der Landflora, theils in der Meeresbevölkerung tropische und subtropische Typen entgegen und erst in der obersten Stufe der oberen Kreideformation finden sich deutliche Spuren der abnehmenden Temperatur bei 70° n. B. und damit auch eine Ausscheidung der Climate nach der Breite. (Heer VII, S. 222.) Das Eocän kommt weniger in Betracht, da in den höchsten Breiten diese Formation noch nicht nachgewiesen ist. Die miocäne Flora dagegen, die aus allen Breiten bekannt ist, zeigt, dass die arctische Zone eine viel höhere Temperatur fordert, als jetzt in derselben herrscht. Aber gegenüber der Kreidezeit ist für Spitzbergen und Grönland unverkennbar eine Abnahme der Temperatur vorhanden. Auch tritt die zonenweise Abstufung des Climas jetzt bestimmt hervor. Nur unter dem Aequator selbst (Sumatra, Java, Borneo) zeigen die tertiären Pflanzen — 283 — nach der übereinstimmenden Auffassung von Heer!), Göppert und Geyler keinen Unterschied gegenüber den heutzutage dort vorhandenen climatischen Zuständen. In dem kürzlich (1583) erschienenen VII. Band der Flora fossilis arctica kommt Heer nochmals auf die climatischen Zustände der verschiedenen Formationen zurück; um der Wichtigkeit des Gegenstandes willen wird dieser Passus auszuheben sein (l. c. S. 226): »Im Untercarbon bestand auf der Bäreninsel (74° 30° n. B.) und im Hintergrund des Eisfjords bei 78° n. B. eine Flora, die mit der Untercarbonflora von Europa in den wichtigsten Arten übereinstimmt und der darauf folgende Bergkalk schliesst in der arctischen Zone dieselben Thierreste ein, wie in Europa; ja einzelne Arten finden sich sogar im Bergkalk der Tropen- länder. Der Bergkalk Australiens hat etwa ein Drittel der Arten mit Europa gemeinsam. Zur Zeit der Trias hatten wir in Spitzbergen bei 78°/° n. B. riesenhafte Saurier und Meeresmuscheln ähnlich derjenigen, die damals in Europa lebten. Aus dem braunen Jura kennen wir vom Cap Boheman in Spitzbergen (78° 24° n. B.) eine Flora, die durch ihre Cycadeen und Coniferen an die gleichzeitige von England sich anschliesst, aber auch mit der- jenigen Nordsibiriens von 702/3° und 71° n. B. übereinkommt. Auch die Juraflora Südsibiriens und des Amurlandes hat denselben climatischen Charakter und dasselbe gilt auch von der Flora der Rajmahalhügel Indiens. Vom tropischen Asien bis an das Eismeer und nach Spitz- bergen sind es die Öycadeen, die Farren und Nadelhölzer, welche die Pflanzendecke bilden und im Meere lebten in Spitzbergen und bei der Prinz-Patrik-Insel (76%/s° n. B.) Ammoniten, wie in den tropischen Gewässern. In der unteren Kreide Grönlands haben wir bei 71° n.B. eine Flora, welche auf ein nasses heisses Klima und eine mittlere Jahrestemperatur von 21° bis 22° C. schliessen lässt. In der oberen Kreide Grönlands ist in der unteren Abtheilung noch keine Abnahme der Temperatur nachweisbar; diese giebt sich erst in der obersten Kreide, die den Uebergang zum Tertiär bildet, durch das Verschwinden der Cycadeen kund. Im Untermiocän ist diese Abnahme der Temperatur deutlich ausgesprochen und für Grönland haben wir bei 70° n. B. die mittlere Jahrestemperatur zu 12° C. zu bestimmen.« Die gesammten Erfahrungen Heer’s bis zum Jahre 1883, nachdem eine gewaltige Masse von Material aus den hohen und höchsten Breiten von ihm untersucht worden war, dienten somit dazu, die ersten Eindrücke, weiche aus dem Studium der fossilen nordischen Pflanzen gewonnen worden waren, in der Hauptsache ganz zu bestätigen. Nur war Heer mehr und !) Durch eine neue Sendung von Pflanzen aus dem Tertiär von Sumatra fand Heer die früher schon gewonnene Ueberzeugung darüber bestätigt. cf. Urwelt ete., 2. Aufl., S. 511, 512. N mehr in die Lage versetzt, den Temperaturen von Grönland, Spitzbergen, Grinellland zur miocänen Zeit einige Grade Wärme ınehr zuzulegen, als er anfänglich glaubte bemessen zu müssen und die Anfänge der Ausscheidung der climatischen Zonen von dem Cenoman noch um eine Spanne Zeit weiter zurück, ganz an das Ende der Kreideperiode zu verlegen. Schon diese Reihenfolge der climatischen Zustände der geologischen Perioden giebt Räthsel genug auf. Doch sieht man, dass bis hieher eine ruhige langsame Entwicklung stattgefunden haben könne, Eine befremdende Abänderung aber, welche mit der vorhergehenden und zugleich mit der nachfolgenden (recenten) Periode contrastirt, tritt erst mit der quartären Zeit ein, welche schon in ihrem Namen Eiszeit ihren stark abgeänderten elimatischen Charakter kundgiebt. Nur Graf Saporta sucht (l. ec. S. 121) derselben eine gelindere Seite abzugewinnen, welche auch von Heer und anderen Paläontologen nicht ganz misskannt, aber als interglaciale Zwischen- periode gedeutet wird. Aus all’ diesen mannigfaltigen Entwicklungen ging endlich als letztes Glied das heutige gemässigte Clima hervor; gemässigt insofern, als die mittleren Breiten eine nach unseren Anschauungen gemässigte Temperatur besitzen, während die hohen und niedrigen Breiten durch zuvor kaum gekannte starke Unterschiede der Temperatur von einander abstehen. Fasst man die Anforderungen, die an eine genügende Hypothese gemacht werden können und müssen, zusammen, so wäre zu erklären, beziehungsweise zu begründen: 1) Das in hohem Grade gleichförmige und besonders in den hohen Breiten zugleich warme Ölima der ältesten und mittleren Perioden. Eine absolute Gleichförmigkeit ist hier- mit jedoch nicht verlangt und eine Differenz von einigen Graden nicht ausgeschlossen, wenn sie nur die Grenzen nicht überschreitet, die auch heutzutage noch in jedem Floren- und Faunen- gebiet vorkommen. 2) Die schon seit der obersten Kreideformation, deutlicher aber seit der Tertiärformation hervortretende zonenweise Anordnung der Climate mit allmählich abnehmender Wärme der mittleren und noch mehr der höheren Breiten. 3) Die climatisch auffallende Umgestaltung zur sogenannten Eiszeit. 4) Die mildere, aber von den vorhergehenden Perioden mehr oder weniger verschiedene climatische Beschaffenheit der recenten Periode. Ob nun zur Erklärung dieser Zustände kosmische oder solare oder tellurische Verhält- nisse beigezogen werden wollen, ist zunächst freigestellt, wenn nur die zur Erklärung herbei- gezogene Grundlage selbst solid ist und sich an die dermaligen Kenntnisse befriedigend an- u . — 255 — schliesst. Es ist aber nicht zu verwundern, dass eine grosse Zahl von Hypothesen aufgetaucht ist, um diese verwickelten Zustände zu erklären. Dieselben zu besprechen wird jedoch nicht nothwendig sein; denn die Kritik, die hier allerdings ein dankbares Feld findet, hat ihre Schuldigkeit zur Genüge gethan. Ueberdies kännen wir auf die Besprechungen verweisen, die von zwei hervorragenden Männern in neuester Zeit gegeben wurden. Heer widmet dem Gegen- stand ein Capitel in der zweiten Auflage seiner Urwelt der Schweiz (S. 657) und desgleichen Graf Saporta in seiner schon angeführten Schrift (S. 139). Doch auf zwei Hypothesen müssen wir immerhin eingehen, da dieselben erst in neuester Zeit veröffentlicht wurden, von ganz neuen Standpunkten ausgehen und noch sehr wenig be- sprochen worden sind. Die eine derselben von Dr. Blandet kennen wir nur aus der Relation bei Graf Saporta (l. c. S. 148). Hienach geht Blandet davon aus, dass die Eigenthümlichkeiten des Klimas der alten Erdperioden in dem früheren Zustande der Sonne zu suchen seien. An die Theorie von Kant und Laplace anschliessend, weist er auf jene Zeiten hin, in welchen der Planet Mercur sich noch nicht von der Sonne losgelöst hatte, der Durchmesser der Sonne somit sich noch soweit ausdehnte, als heutzutage die Mercurbahn von der Sonne absteht. Er hält es für möglich, dass eine solche Sonne, deren scheinbarer Durchmesser sich auf 40 Grade belaufen hätte, während der ältesten Periode noch am Himmel gestanden habe. Hiedurch wären die Dämmerungs-Erscheinungen so lichtvoll und so verlängert geworden, dass die Nacht streng genommen aufgehört hätte. Die Wärmekraft dieser so beschaffenen Sonne, wie ihre Leuchtkraft wäre minder grell aber gleichförmiger für die ganze Erde gewesen; ihre senkrechten aber milden Strahlen hätten noch bis in unsere Breiten gereicht. Graf Saporta bemerkt hierzu, dass diese Hypothese zwar keineswegs bewiesen sei, aber sie schmiege sich an die Erscheinungen der Urwelt geschickt an, sie lasse die climatischen Zustände derselben gut begreifen, ihre halbverschleierten Tage und transparenten Nächte, die milde Temperatur der Polargegenden, die ursprüngliche Ausdehnung und allmähliche Ein- schränkung der tropischen Zone und so fort. Allein, so schwer wiegend die beifällige Beurtheilung des Grafen Saporta ist, so dürfen wir doch nicht ausser Acht lassen, dass heutzutage noch an unserem Himmel ein kosmisch- planetarischer Körper sich befindet, der Eigenschaften an sich trägt, wie sie Dr. Blandet von der Sonne in ihrem damaligen Zustande verlangt. Wir meinen das Zodiacallicht. Die namhaftesten Astronomen erklären dasselbe geradezu für einen Ring, der frei um die Sonne rotirt. Abgesehen von Einzelheiten kann man sich wohl den Zustand der Sonne, den Blandet Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 37 — 286 — vorführt, nicht anders vorstellen, als das Zodiacallicht ist. Es ist aber gar Nichts bekannt, dass dieses auch nur die geringste climatische Wirkung auf die Erde ausübte, und selbst für die Beleuchtung der Nacht hat dasselbe nur einen ganz untergeordneten Werth. Wenn man sich mit Blandet den Sonnenumfang auch in den verflossenen geologischen Perioden vergrössert vorstellt, so würden doch die Strahlen auch dieser Sonne über die Polarkreise der Erde hin nur sehr schief auffallen können. Eine so namhafte Erwärmung der Luft, als die Grönländer Pflanzen auch nur der Miocänzeit im Sommer verlangten, konnten sie kaum hervorbringen. Auf den Sommer aber folgte wegen des langen Untertauchens auch der vergrösserten Sonnen- scheibe unter den Horizont, in jenen Gegenden jedenfalls ein sehr ernsthafter Winter, dem diese grönländischen Tertiärpflanzen hätten unterliegen müssen. Die Existenz von Steinkohlen und Kreidepflanzen aber in jenen Gegenden, von Pflanzen, die eine subtropische Temperatur verlangen und einen Winter in der ernsten Bedeutung dieses Wortes ganz ausschliessen, ist vollends undenkbar. Ueberdiess müsste man, um die Periode der Eiszeit zu erklären, eine weitere Sonnenrevolution annehmen, von der man sich gar keine Vorstellung machen kann. Ob eine Erklärung derselben von Blandet versucht wurde, ist aus Saporta nicht zu entnehmen. Eine andere eigenartige Hypothese rührt von D. Wettstein!) her. Von der Grundan- schauung ausgehend, dass auch das Feste nur scheinbar fest, in der That beweglich sei, wird (l. ec. S. 144) ausgeführt, dass Steinkohlenschichten in Spitzbergen, welche eine tropische oder subtropische Flora einschliessen, in Wirklichkeit sich unter den Tropen gebildet haben und dem allgemeinen Gesetze der Strömungen folgend, polwärts sich bewegt haben. Ebenso wird aus- geführt, dass, wenn die miocäne Flora auf climatische Zustände hinweist, wie sie jetzt nicht mehr an Ort und Stelle bestehen, sondern erst 10° oder 15° oder 20° weiter südlich — die betreffenden Schichten in der That daselbst entstanden seien, aber seither ihren Ort, dem Ge- setze der Strömung folgend, verändert haben. Aehnliche Anschauungen von einer gewissen Be- weglichkeit des scheinbar Festen und Starren tauchen in neuester Zeit bei nicht wenigen Naturforschern, besonders bei Geologen auf. Allein es stellen sich doch beträchtliche Schwierig- keiten in den Weg. Stellen wir uns auf den Standpunct des Verfassers, so wäre erforderlich anzunehmen, dass während der Steinkohlenperiode etc, nur unter den Tropen sich Schichten gebildet hätten, nicht aber in mittleren und hohen Breiten; — denn die Flora und Fauna dieser Zeit trägt überall den gleichen tropischen Typus. ') Die Strömungen des Festen, Flüssigen und Gasförmigen. 1880. — 2897 — Der Grund hierzu ist aber schwer einzusehen. Erst in der Miocänzeit wäre auch in mitt- leren gemässigten Breiten der Process der Schichtenbildung vor sich gegangen; denn in dieser Periode findet man in der That in hohen Breiten wenigstens eine Flora, welche ein gemässigtes Clima voraussetzt; aber in den hohen polaren Breiten hätte selbst zur Molassezeit noch keine Schichtenbildung stattgefunden ; denn eine dem Polarkreise entsprechende Flora und Fauna fehlt auch in dieser Periode noch gänzlich. Andererseits zeichnet sich die Quartärzeit durch polare Flora und Fauna auch in mitt- leren Breiten aus. Somit müsste (nach dem Prineip Wettstein’s) während der quartären Zeit die Schichtenbildung ausschliesslich in den hohen und höchsten Breiten stattgefunden und die Schichten dann von dort in die niedrigeren Breiten sich bewegt haben. Die Wahrscheinlichkeit ist gering. Aber mehr noch. Den Steinkohlenschichten etc. sieht man allerdings äusserlich nicht an, ob sie unter dem Aequator oder unter den Polen gebildet worden seien. Aber für das Schichtenmaterial der quartären Zeit kann man den Ursprungsort nachweisen. Das Schichten- material der norddeutschen Ebene stammt aus Norden, aus Scandinavien, aber ebenso sicher ist, dass das quartäre Schichtenmaterial am Fuss der Alpen nicht in polaren Gegenden seinen Ursprung hat, sondern in den Alpen selbst. Gleiches lässt sich feststellen vom quartären Schichtenmaterial der andern Gegenden, in welchen diese Formation überhaupt vorhanden ist. Dass dieses Schichtenmaterial disloeirt wurde, ist richtig, aber es ist doch nicht jene hypothetische »Gleitschicht«, welche als Grundlage der starren Schichten die Dislocirung der- selben überhaupt ermöglichen und bewirken soll, sondern es ist die ganz bekannte Gleitbahn der Gletscher. Unsere eigene Ansicht können wir in kurzer Uebersicht vorläufig so darstellen. Wir gehen von der Grundanschauung aus, dass die tellurische Entwicklung der Erdoberfläche und die elimatischen Verhältnisse im innigsten Zusammenhang stehen; sie verhalten sich wie Ursache und Wirkung, oder auch sie stehen in Wechselwirkung mit einander. Die tellurischen Verhältnisse der alten geologischen Perioden waren so beschaffen, dass durch dieselben ein sehr gleichförmiges und zugleich warmes Clima über die ganze Erdoberfläche hin hervorge- rufen wurde. (I. Capitel). Zur Zeit der Tertiärformation erst (beziehungsweise am Ende der Kreideformation) war die Entwicklung der tellurischen Verhältnisse allmählich so weit vorgeschritten, dieselben soweit differenzirt, dass diese Differenzirung auch in den climatischen Verhältnissen sich auszudrücken anfing. Das Ende der Tertiärzeit (Pliocän) insbesondere weist in Verbindung mit dem ent- schiedenen Hervortreten der reif gewordenen Continente und ihren Unebenheiten, auch ein — 288 — entsprechend differenzirtes Clima auf. (II. Capitel.) Hiedurch und speciell durch die besondere Qualität der Unebenheiten des Landes (Gebirge) trat als Folgeerscheinung das Clima der quar- tären Zeit auf. (III. Capitel). Diese sogenannte Eiszeit trägt jedoch mehr den Charakter einer vielleicht lange dauernden Uebergangszeit an sich, deren specifische Ursachen im Gang ihrer Entwicklung abgeschwächt und beseitigt wurden. Das Clima der Gegenwart aber (IV. Capitel) ist das Resultat aller bisherigen Fortschritte und Schwankungen in der Entwicklung der tellurischen Verhältnisse der Oberfläche unseres Planeten. In den folgenden Capiteln werden wir suchen, diesen Gedankengang näher zu begründen. Erstes Capitel. Erklärung der climatischen Verhältnisse der alten geologischen Periode, Erster Artikel. Die Bedeutung des reinen Seeclimas gegenüber dem Normalclima der Gegenwart. Professor Dove !) in Berlin hat das Normalelima für die nördliche Halbkugel berechnet. Er erklärt, dass er unter diesem Ausdruck verstehe: »die mittlere Jahrestemperatur des Parallels (auf die Meeresfläche reducirt), somit jene Temperatur, welche der Parallel an allen Puncten zeigen würde, wenn die auf ihm wirklich vorhandene, aber ungleich vertheilte Temperatur gleichförmig vertheilt wäre«. Andererseits hat Sartorius von Waltershausen ?) das reine Seeclima der Gegenwart berechnet. Unter zu Grundlegung von 19 möglichst insularen Stationen auf der nördlichen und südlichen Halbkugel berechnete er (nach der Methode der kleinsten Quadrate) die mittlere Jahrestemperatur der Parallelkreise unter dem Gesichtspuncte, dass die Erdoberfläche gänzlich mit Meer bedeckt sei oder das Land so sehr zurücktrete, dass dasselbe sich climatisch nicht geltend zu machen vermöge. In Tabelle I sind die Resultate dieser beiden Auffassungsweisen zusammengestellt unter Hinzufügung der Differenz des Normalclimas und des reinen Seeclimas der Gegenwart in einer besonderen Colonne, Diese Tabelle umfasst nur die nördliche Halbkugel, da Dove das Normal- !) Verbreitung der Wärme auf der Oberfläche der Erde. 1852. S. 14. 2) Untersuchungen über die Climate der Gegenwart und Vorwelt ete. 1865. S. 124. — 289 — clima der südlichen Halbkugel zu wenig berücksichtigt, so dass seine spärlichen Angaben darüber sich nicht zu einer tabellarischen Vergleichung eignen. In der II. Abtheilung, Capitel I. wird übrigens auf die climatischen Eigenthümlichkeiten der Südhemisphäre speciell eingegangen, werden unter Benutzung der neuesten Untersuchungen von Prof. Hann. Obwohl nun die clima- tischen Zustände der Südhalbkugel nicht unbeträchtlich von jener der Nordhalbkugel sich unter- scheiden, so sind doch jene letzteren aus dem Grund von weit aus grösserer Wichtigkeit, weil paläontologische Untersuchungen nur auf der Nordhemisphäre in grossem Umfang ausgeführt wurden, auf der Südhemisphäre aber kaum begonnen haben. Da beide Autoren ihre Tabellen in Graden nach Reaumur abgefasst haben, so wurde diese Gradeintheilung hier beibehalten. Tabelle I. 1. 2. 3. 4. Normalelima der |Reines Seeclima der Differenz zwischen Breitegrad. Gegenwart nach | Gegenwart nach Zu au Dove. Sartorius. Seeclimas. 90 — 13°,20 R. + 0°%,84 R. + 14°%,04 R. so — 119,20 + 19,49 + 120,69 70 — 7%10 + 39,36 + 109,46 60 — 09,80 + 6°%,20 — 79,00 50 + 49,30 + 90,68 L 50,838 40 —+ 10°,90 + 130,33 + 20,43 30 1 160,80 + 16,70 — 20 + 20°,20 + 199,34 — 09,86 10 + 21°,30 —+ 20,89 — 0%,41 0 + 21,20 + 21°,14 — 0,06 Betrachtet man nun die Ziffern dieser Tabelle, so erkennt man vor Allem bei dem See- clima eine beträchtlich grössere Gleichförmigkeit der Temperatur unter den verschie- denen Breitegraden, als bei dem Normalclima. Das Normaleclima zeigt Differenzen zwischen Aequator und Pol von 34°,40 R.; das reine Seeclima aber nur 20°,30 R. Und doch sind auch bei Berechnung des Normalelimas die ge- birgigen Erhebungen des Festlandes durch Rechnung eliminirt und überall die Meeresfläche zu Grund gelegt. Die andere hervorragende Eigenthümlichkeit ist, dass die Ziffern des reinen See- climas ganz überwiegend zu Gunsten einer grösseren Wärme sich darstellen, die jedoch in verschiedenen Breiten sehr verschieden ist, Besonders in hohen und höchsten — 290 — Breiten beträgt die höhere Wärme des reinen Seeclimas den gewaltigen Betrag von 13—14° R, gegenüber dem Normalclima. Noch viel schärfer tritt der Unterschied nach beiden Seiten heraus, wenn ein einzelnes Beispiel von extremem Continentalclima und extremem Seeclima herausgegriffen wird, und zwar unter gleichen Breitegraden. Die Faröer (62°%3 n. Br.) haben eine mittlere Jahrestemperatur von + 7°,3 C., der kälteste Monat + 2°,7 C., der wärmste + 12°,3 C., die Differenz 9°%6 C. Dagegen hat Jakutzk in gleicher Breite, aber in Mitten von Sibirien, eine mittlere Jahrestemperatur von — 10°,3 C., der kälteste Monat — 43°,0 C., der wärmste + 20°4 C., die Differenz volle 63°,4 C.! Die mittlere Jahrestemperatur aber stellt sich auf die Faröerinseln um 17°,6 C. höher, als in dem extrem continentalen Clima von Jakutzk. Aber selbst in mittleren Breiten wirkt das reine Seeclima noch recht stark zu Gunsten der grösseren Wärme. Nur in den Tropen stellt sich die Temperatur des reinen Seeclimas der Gegenwart nicht mehr zu Gunsten grösserer Wärme; es findet sogar eine Abkühlung statt, aber dieselbe ist überall so schwach, dass sie nirgends ganz 1° R. erreichte. Diese Eigenthümlichkeiten des reinen Seeclimas lassen sich aus den physikalischen Eigen- schaften des Wassers leicht ableiten. Es ist bekannt, dass das Wasser unter allen Stoffen die grösste specifische Wärme besitzt, dass dasselbe somit am langsamsten sich erwämt, aber auch am langsamsten erkaltet. Es wird schon aus diesem Grunde die mittlere Temperatur des reinen Seeclimas eine innerhalb engerer Grenzen schwankende, beträchtlich gleichförmigere sein, als das Normalclima, welches mit Land und Wasser zugleich zu thun hat. Die höhere Temperatur des Seeclimas aber kann nicht befremden, wenn man bedenkt, dass die Wasser der Meere in beständiger Circulation sind und dass bei dieser Cireulation die wärmeren Wasser wegen ihres grösseren Volumens oben sich halten, während die kälteren Wassertheile sich in die Tiefe senken. Die obersten Schichten des Wassers, die für die Berührung mit der Atmosphäre und desshalb für die climatischen Verhältnisse die Ausschlag gebenden sind, sind zugleich die wärmsten. Dove hebt noch einen weiteren Gesichtspunct hervor, das Herauffördern der Wärme des Meeresgrundes an die Oberfläche durch die Flüssigkeit des Wassers. »Die flüssige Grund- lage, sagt er, (S. 4) erneuert sich ununterbrochen; denn jede Temperaturerniedrigung an der Oberfläche bringt nicht nur ein Sinken des schwerer gewordenen Wassers in die Tiefe hervor, sondern auch ein Heraufsteigen des wärmeren an seine Stelle Hierdurch wird der Tiefe des — 291 — Meeres die Wärme entzogen, welche wir an seiner Grundfläche finden würden, wäre sie eben so tief unter einer festen Oberfläche gelegen, als sie von der flüssigen Oberfläche abliegt.« Dass unter den Tropen überhaupt bedeutende jährliche Temperaturschwankungen nicht vorkommen, ergibt sich von selbst, weil die Stellung der Sonne zur Erde und die Tageslänge daselbst keine nennenswerthen Unterschiede darbieten. Doch ist auch hier das reine Seeclima gleichförmiger, nur dass dasselbe hier nicht zu Gunsten grösserer Wärme wirkt. Die hohe specifische Wärme des Wassers erklärt auch diesen Umstand. Die Eigenschaft des Wassers, die vorhandene Temperatur mit Zähigkeit festzuhalten und dadurch die Unterschiede auszugleichen, lässt sich auch noch an anderen Erscheinungen wahr- nehmen, besonders an den Meeresströmungen, sowohl an den warmen (Golfstrom) als an den kalten (peruanischer etc. Strom). Je nach der Jahreszeit und geographischen Breite be- trägt der Temperaturunterschied des warmen Wassers des Stroms gegenüber dem ausserhalb desselben befindlichen 5°—15° C. Der peruanische kalte Strom aber bewahrt seine niedrige Temperatur bis unter den Aequator (Galapagosinseln) so, dass seine Wasser um 10°—12° C. kälter sind, als die des umgebenden Meeres. (Wettstein I. c. $. 203 und 209.) Wenn freilich der Fall eintritt, dass ein kalter und ein warmer Strom sich kreuzen oder wenigstens zusammen- stossen, wie es in der That bei dem Golfstrom und Labradorstrom in der Nähe von Neufund- land geschieht, so hebt sich ihre Wirkung zwar nicht ganz auf, aber sie wird beträchtlich ab- geschwächt. Man kann sich leicht eine Vorstellung machen, wieviel Wärme dem Golfstrom durch die schwimmenden Eisberge des Labradorstroms, die in ihm abschmelzen, entzogen wird und wie viel energischer seine Wirkung sein würde, wenn ihm diese Eismassen nicht begegnen würden. Die Bank von Neufundland verdankt ihre Entstehung den Felsblöcken und dem Schutt, welcher bei dem Abschmelzen der Eisberge zu Boden gefallen ist. In den alten geologischen Perioden war nun von Eisbergen entfernt keine Rede und die warmen Strömungen vom Aequator her konnten desshalb ihre ungeschwächte wärmende Kraft ausüben. Die schwimmenden Eisberge sind ihrem Ursprung nach wesentlich ein Product des Landes und zwar des gebirgigen Landes; sie sind Producte der Gletscher, welche ihre Eismassen in das Meer ergiessen. Dieser Einfluss der continentalen gebirgigen Beschaffenheit der Erdoberfläche fällt für die alten geologischen Perioden selbstverständlich ganz weg, weil damals der Ocean im Besitz der Erdoberfläche war. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass auch Sartorius von Waltershausen bei seiner Berechnung des reinen Seeclimas solche Stationen, deren Temperatur durch derartige continentale Einflüsse herabgedrückt wird, ausgeschlossen hat; offenbar mit Recht. Bei Berechnung des reinen Seeclimas müssen die — 292 — Einflüsse der Continente, seien sie nun directe oder indireete mit Consequenz soweit möglich fern gehalten werden. Aus den bisherigen Darstellungen ergibt sich, dass in dem reinen |Seeclima eine typische Annäherung an das Clima der alten geologischen Periode unverkennbar zu Tage tritt; die grössere Gleichförmigkeit der gesammten Temperatur der Erdoberfläche und die srössere Wärme in allen Breiten, jedoch mit Ausnahme der Tropen, das sind cha- racteristische Züge, welche das Clima der Urzeiten mit dem reinen Seeclima gemeinsam hat. Ferner ist hinzuweisen auf die eigenthümliche Abstufung in der Vertheilung der Wärme von den Tropen gegen die Pole. In den mittleren Breiten oder in der gemässigten Zone ist die Zunahme der Erwärmung bei dem Seeclima, gegenüber dem Normalclima zwar schon sehr merklich und beträgt im Durchschnitt 5°—6° R, aber noch viel beträchtlicher wird dieselbe in dem Polarkreise und steigert sich hier schliesslich bis zu 14° R. Das sind die em- pirischen Wirkungen der Warmwasserheitzung bei der heutigen Ordnung der Dinge. Diese starken Effecte werden hervorgebracht durch die oberflächliche Zuströmung des in höherer Breite erwärmten Wassers des Oceans. Alle diese Puncte müssen bei Erforschung des Climas der alten geologischen Formationen im Auge behalten werden; denn der climatische Typus derselben und die Beschaffenheit des reinen Seeclimas zeigen nach all diesen Seiten eine in die Augen fallende Verwandtschaft, wenn auch die wirklichen Temperaturziffern desselben in mittlerer und hoher Breite noch weit auseinanderliegen. Aber man darf hoffen, in dem reinen Seeclima der Gegenwart die feste Basis und die erste Stufe zu besitzen, von wo aus man sich dem räthselhaften Clima der Urzeiten nähern kann. Der Beweis braucht kaum aus- führlich geliefert zu werden, dass in den alten geologischen Perioden das oceanische Clima das entschieden vorherrschende war. Die Schichtencomplexe dieser Formationen schliessen überall fast ausschliesslich nur Reste von solchen Organismen ein, weiche dem Meere angehörten. Die Reste von Landthieren und Landpflanzen fehlen nicht ganz; aber das Vorkommen derselben ist sporadisch, weil das Festland selbst nur in Form von wenig umfangreichen Inseln, die den Namen von Continenten nicht beanspruchen können, vorhanden war. Die relativ grösste Aus- dehnung hatte in den alten Perioden ohne Zweifel das Land zur Zeit der Steinkohlenformation. Aber dieses Land war sehr niedrig und sumpfig, sank oft unter den Meeresspiegel hinab, so dass auch in dieser Periode die Erdoberfläche des oceanischen Characters nicht verlustig wurde. Dabei darf nicht übersehen werden, dass, wenn von der grossen Ausdehnung der Steinkohlen- formation gesprochen wird, darunter auch der Kohlenkalkstein, eine rein meerische Ab- lagerung begriffen ist. Selbst noch die nichtmeerischen Schichten der Keuperlandschaft ver- — 293 — rathen in ihren Calamiten ete. sehr bestimmt den Character eines sumpfigen Terrains, nicht den eines trockenen oder gebirgigen Landes. In der Jura- und Kreideformation überwiegen die meerischen Bildungen mit grosser Entschiedenheit. Wenn es nun unter Grundlegung des oceanischen Climas gelingen würde, noch einen weitern Schritt zu thun und die climatischen Eigenschaften desselben noch zu verstärken, so würde man dem Clima der alten Periode immer mehr sich nähern. In den folgenden Artikeln werden wir suchen, diese Annäherung zu erreichen. 2. Artikel. Von den Bewölkungsverhältnissen der Erde in den alten geologischen Perioden. Der Luftocean, der die Oberfläche der Erde umgibt, zeigt heutzutage überall sehr wechsel- volle Zustände der Heiterkeit und Trübung in sehr weiten Grenzen. Derselbe enthält Wasser, aber sowohl in der Form des unsichtbaren Wasserdampfs, als in der sichtbaren Form des Dunstes, Nebels, der Wolken in allen denkbaren Nüancen. Hierdurch wird das Spiel der Zustrahlung und Ausstrahlung der Wärme auf der Ober- fläche der Erde sehr verwickelt; nur so viel steht fest, dass durch Heiterkeit des Himmels die Temperaturdifferenzen zwischen Tag und Nacht (Temperaturcurven des Thermographen) ge- steigert, durch Bewölkung aber vermindert, verflacht werden. Ob nun die Heiterkeits- und Trübungsverhältnisse zu allen geologischen Perioden den gleichen Grad und Character gehabt haben, wie heutzutage, darüber lässt sich mit Sicherheit nichts sagen. Wir betreten hier ein Gebiet, welchem der hypothetische Character nicht ganz abgestreift werden kann. Allein eine Reihe von Gründen spricht dafür, dass die Bewölkung in den alten und ältesten Erdperioden eine stärkere und constantere gewesen sein müsse, als heutzutage; jedoch nicht so stark, dass durch dieselbe die Tageshelle selbst wäre ausgelöscht worden. Die hauptsächlichsten Gründe sind: 1) Es ist selbstverständlich, dass, so lauge die Oberfläche der Erde zum allergrössten Theil mit Wasser bedeckt war und wohl Inseln aber keine Continente im heutigen Sinn be- standen, die Verdampfung des Wassers in weiterem Umfang stattfinden musste, als heutzutage, wo nahezu der dritte Theil der Oberfläche aus trockenem Land besteht. 2) Ebenso ist einleuchtend, dass die durch die Sonne über den Tropen stark erwärmte Luft am meisten mit Wasserdampf gesättigt wurde, der sich aber bei seinem Abfliessen gegen die höheren Breiten nicht mehr als unsichtbarer Wasserdampf in der kühleren Luft erhalten konnte, sondern sichtbare Dunst- und Wolkenform annahm. Bei den höchst einfachen geo- Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII, 38 — 24 — graphischen Verhältnissen der ältesten Perioden der Erde wird dieser Process der Verdichtung des Wasserdampfes ein sehr regelmässiger und constanter gewesen sein. 3) Die trockenen Landwinde, welche geeignet sind, die Wolken aufzusaugen und heitern Himmel hervorzurufen fehlten dazumal ganz. Gebirgshöhen mit verschiedener Temperatur und dadurch hervorgerufener Aspiration und unregelmässigem Einfluss auf die Witterung fehlten ebenfalls ganz. 4) Die Pflanzen, welche in den ältesten Perioden existirten, waren so beschaffen, dass dieselben nach Analogie der lebenden (Bärlappen und Farren) der Einwirkung des directen Sonnenlichtes wenig bedurften (Heer). Sie stehen somit in gutem Einklang mit einem constant bewölkten Himmel. Graf Soporta (l. c., S. 179) weist auf die sehr eigenthümliche innere Structur der Steinkohlenpflanzen hin und zieht daraus den Schluss, dass die Steinkohlenperiode noch keine regelmässige Ordnung der Jahreszeiten besass. »Unter dem Einfluss einer, con- stanten, feuchten Wärme, strebten die Gewächse nach beständiger Vermehrung ihrer weichen zelligen Gewebe. Die Erschöpfung konnte allein ihrer ohne Unterlass fortgesetzten Entwicklung ein Ziel setzen; keine periodische Wiederkehr führte für sie jene abwechselnde Zustände von Ruhe und Thätigkeit herbei, welche jetzt die Vorzüge des Pflanzenreichs beherrschen und von welchen fast alle heutigen Phanerogamen uns das Schauspiel geben.« Eine solche Beschaffenheit der Pflanzen, welche den Wechsel der Jahreszeiten ausschliesst, selbst in mittleren und hohen Breiten, lässt sich nur mit einem constant bewölkten Himmel in Einklang bringen, welcher sich über niedrigen Inseln oder Archipelen ausspannte. Hier konnte sich, wenn nur die umgebende Gewässer warm genug waren, ein solcher Zustand der Temperatur bilden und erhalten. Die Temperatur hing dann wenig von dem Stand der Sonne ab; die Wärme wurde durch das Wasser gebracht und durch die constante Dunsthülle bewahrt zu jeder Jahreszeit. 5) Auch die Insecten jener Zeit (Kakerlaken und Termiten) sind der Mehrzahl nach nächtliche Thiere (Heer). Die Organisation des Trilobitenauges, welches man für die Existenz eines heitern Himmels in den ältesten Perioden anführte, beweist doch nicht mehr, als dass auch in diesen alten Perioden Tageshelle vorhanden war. Denn nicht blos entbehrt ein Theil dieser artenreichen Gruppe gänzlich der Sehorgane, sondern nach Barrande waren dieselben pelagische Thiere, die auf dem Grund des Oceans lebten, deren Sehorgane schon aus diesem Grunde nur ein abgeschwächtes Licht empfangen konnten (cf. Bronn: Classen und Ordnungen des Thierreichs Bd. V, S. 1168 und 1260). 6) Sehr wichtig und instructiv sind die “astronomischen Beobachtungen, die an andern planetarischen Körpern gemacht wurden. Offenbar befinden sich nicht sämmtliche Planeten im — 295 — gleichen Stadium ihrer geologischen Entwicklung. Die grossen Kugeln (Jupiter, Saturn) befinden sich in einem jüngeren Stadium als die kleine Kugel, z. B. des Mondes der Erde. Nun ist es aber interessant, dass gerade die zwei grössten Planeten nach allgemeiner Uebereinstimmung nicht blos sehr mächtige, sondern constant bewölkte Atmosphären zeigen. Auch die Venus, die der Erde an Grösse gleich steht, aber, weil zu den innern Planeten gehörig, wohl jüngeren Ursprungs ist als die Erde, besitzt eine »dichte Atmosphäre, die mit Wolken fast ständig bedeckt ist, sehr selten nur hinreichend klar ist, um den Anblick der eigentlichen Ober- fläche des Planeten zu gestatten<«. (H. Klein: Durchmusterung des Himmels S. 100). Wie selten die Wolkendecke der Venus zerreisse, geht daraus hervor, dass von der ersten Beobachtung ihrer festen Oberfläche durch Bianchini bis zur sichern Wiederbeobachtung der- selben durch de Vico 120 Jahre vergingen. Herrschel sah dieselbe niemals. (H. Klein.) Andererseits hat die kleinere Kuge! des Mars zwar eine Atmosphäre ähnlich der Erde, aber weniger wolkig, so dass es Schiaparelli gelungen ist, eine Karte der gesammten Oberfläche innerhalb kurzer Zeit zu entwerfen. Die noch kleinere Kugel des Mondes der Erde aber ist in ihrer Entwicklung soweit vor- geschritten, dass dieselbe der Atmosphäre und des Wassers verlustig geworden ist. Es scheint hier ein allgemeines planetarisches Entwicklungsgesetz vorzuliegen, dessen all- gemeine Züge, bei aller Mannigfaltigkeit der einzelnen Planeten, doch im Grossen übereinstimmen. Diese und ähnliche Gründe haben denn auch die besonnensten Paläontologen und Geo- logen !) bewogen, den ältesten Perioden der Erde eine mehr oder weniger starke Bewölkung zu vindiciren, ohne dass jedoch dieser Gesichtspunkt weiter verfolgt worden wäre. Es wird somit keine allzu gewagte Bahn betreten werden, wenn wir auch unsererseits diese Voraussetzung machen; nur muss eine genauere Erklärung gegeben werden, wie dieser Zustand zu denken sei und wie seine Wirkung auf die climatischen Zustände der Erdoberfläche aufgefasst werden müsse. Der Schwerpunkt der Aufgabe liegt nicht in dem an und für sich gar nicht fern liegenden, aber in solcher Unbestimmtheit unfruchtbaren Gedanken einer stär- keren Bewölkung der Atmosphäre der Urzeiten, sondern in der genaueren Präeisirung dieses Zustandes und besonders in der möglichst eoncreten Entwicklung der Art und Weise der Einwirkung desselben auf die climatischen Verhältnisse der alten Erdperioden. Die genauere Vorstellung, wie wir uns den Zustand der constanten Bewölkung denken, lässt sich in wenigen Zügen darstellen, 1) z.B, Heer: Urwelt. 2. Auflage. S. 21. — 296 — 1) In den Tropen und den nächstgelegenen Gegenden besteht heutzutage ein System von Passaten und Calmen, das sich über den ganzen Gürtel, soweit er nicht durch Continente unterbrochen ist, fortsetzt, sowohl durch den Atlantischen als Stillen Ocean. In dieser Region tragen die meteorischen Verhältnisse so sehr den Stempel der strengen Regelmässigkeit an sich, dass nichts entgegensteht, diese gesetzmässigen Verhältnisse bis in die ältesten Perioden der Erde, in denen das organische Leben anfing, zurückzudatiren. Selbst die Ausnahmen von der Regel (Monsuns im Indischen Meere) lassen sich auf Einflüsse der Continente zurückführen und konnten somit in jenen alten Perioden, denen die Continente fehlten, gar nicht vorkommen. Auch in den alten Perioden schon musste sich ein Wärmeäquator ausgebildet haben, der von dem geographischen Aequator wohl im Laufe des Jahres gegen die Wendekreise hin 08- cillirte, aber doch in seiner durchschnittlichen mittleren Lage von ihm kaum abweichen konnte. Ebendamit musste sich eine Zone aufsteigender, meisterwärmter Luft daselbst bilden (äquatoriale Calmen) und damit war der Anstoss zu Passaten und Antipassaten gegeben; es entstand inner- halb der Tropen ein in sich geschlossenes System der Lufteireulation, das im Laufe der Zeiten und der späteren Entwicklung der Erdoberfläche wohl manche Störungen (durch die Continente) erleiden musste, das aber in seinem ursprünglichen Character innerhalb der tropischen Gebiete der grossen freien Oceane (atlantisches und stilles Meer) sich am besten conserviren konnte. Aus diesen Gründen gehen wir von der Annahme aus, dass dem ganzen Tropengürtelin der Urzeit das gleiche Maas vonHeiterkeit und Trübung des Himmels, von Zustrahlung und Ausstrahlung zugekommen sei, in dessen Besitz dasselbe heutzutage noch über dem tropischen Theil des Stillen und Atlantischen Oceans sich befindet. 2) Von dieser mittleren Zone weg gegen die höheren Breiten zu hatte sich in der Ur- zeit eine constante Dunst- und Wolkenhülle festgesetzt, welche dünner gegen die Tropen, dichter gegen die Pole zu war. Man wird hiebei an die mit dem Aequator parallel laufenden Streifen des Jupiter und Saturn erinnert, die sichtlich auf eine zonenweise Anordnung des Gewölks daselbst hinweisen. Der Grund für unsere Annahme liegt darin, dass die Condensation des Wasserdampfs zu sichtbarem Dunst und zu Wolken beim Eintritt der dampfgesättigten Luft in weniger warme Regionen sich vollzog. Sobald der über den Tropen mit Wasserdampf erfüllte Luftstrom bei seinem Abfluss nach den höhern Breiten in Regionen kam, die, bei gleicher Höhe, einen ge- ringeren Wärmegrad besassen, so ging ein Theil seines unsichtbaren Wasserdampfs in sichtbare Bläschen (Dunst, Nebel, Wolken) über. Bei der sehr grossen Gleichförmigkeit, besser Ein- = förmigkeit der geographischen Zustände der alten Perioden musste dieser Process ein sehr regel- mässiger sein, d. h. die Bewölkung der Atmosphäre in den ausserhalb des Tropengürtels gelegenen Theilen der Erdoberfläche musste constant sein. Die Vorstellung, die wir uns von den Bewölkungsverhältnissen der alten geologischen Perioden machen, ist somit keineswegs verwickelt und widerstreitet keinem Naturgesetze; sie ist einfach und vom Standpunkt der Physik nicht abzulehnen. Ueber die Art und Weise aber, wie diese Bewölkung auf die climatischen Zustände zu wirken vermochte und beziehungsweise wirken musste, sowie über die Intensität ihrer Wirkung, darüber müssen wir uns ausführlicher verbreiten. Die beiden nächsten Artikel werden diese Seiten dieses Gegenstandes behandeln. . 3. Artikel. Ueber die Art und Weise der Ausgleichung der Temperatur durch die constante Bewölkung in den alten geologischen Perioden. Dass die Bewölkung und besonders eine constante Bewölkung auf die Temperatur überhaupt ausgleichend wirke, zeigt die tägliche Erfahrung. Die Grenzen der Temperatur- schwankungen zwischen Tag und Nacht, Sommer und Winter werden eingeengt. Das ist ganz begreiflich, weil durch die Bewölkung sowohl die Zustrahlung als die Ausstrahlung ver- mindert wird. Allein bei der oceanischen Beschaffenheit der Erdoberfläche in den alten Erdperioden wirkte die Bewölkung nicht blos einfach ausgleichend, sondern ausgleichend zu Gunsten einer höheren Wärme. Im ersten Artikel sind schon die Gründe angegeben, wesshalb das oceanische Clima auch bei den gegenwärtig bestehenden Verhältnissen der Erdoberfläche nicht blos ausgleichend, son- dern (in den mittleren und höheren Breiten) zugleich erwärmend wirkt. Das gilt nun in den alten Erdperioden in gesteigertem Maasse wegen ihrer constanten Bewölkung. Wenn, wie vorausgesetzt wird, in diesen Zeiten von den Wendekreisen polwärts eine constante Wolken- hülle sich ausbreitete, so traten die unter den Tropen erwärmten Wasser des Oceans, die Meeresströmungen, in Regionen ein, wo sie zwar vor weiterer Erwärmung durch Zustrahlung, aber auch vor weiterer Abkühlung durch Ausstrahlung ausgiebig beschützt wurden. Das Resultat ist aber dennoch ein positives zu Gunsten der grösseren Erwärmung der hohen Breiten. Würde die Temperatur der Gewässer des Oceans abhängen ganz allein von aa jenem Wärmeempfang durch die Sonne, wie er den betreffenden Breitegraden zukommt, würde die Wärme erst in diesen Breitegraden erzeugt, so wäre eine positive Erhöhung der Wärme undenkbar. Allein die Wärme der oceanischen Gewässer die in geschlossenem Kreislaufe vom Aequator polwärts abfliessen, wird nicht erst in den mittleren und hohen Breiten erzeugt, sondern diese Gewässer bringen schon eine Temperatur mit sich, die sie unter den Tropen empfangen haben, die also jene der mittleren und hohen Breiten namhaft übersteigt und diese Temperatur wird durch die constante Wolken- und Dunsthülle, wenn nicht absolut, aber zu einem namhaften Theil conservirt. Das ist ja auch heutzutage noch der Fall. In der Breite der Faröerinseln wird heutzutage keine mittlere Jahrestemperatur von + 7°3 C. erzeugt; diese Wärme ist zu einem nicht geringen Theil dorthin importirt durch Meeresströmungen, die aber heutzutage freilich durch keine constante Dunsthülle mehr vor Ausstrahlung in den Weltraum geschützt werden. Wäre die Wärme des Wassers des atlantischen Oceans noch besser geschützt und zusammengehalten, so würde auch seine heutige Temperatur eine noch höhere selbst in diesen entfernten Gegenden sein. Diese nicht an Ort und Stelle erzeugte, sondern aus den Tropen importirte Wärme, die durch die constante Bewölkung auch noch jenseits der Wendekreise nicht absolut, aber immer- hin kräftig conservirt wird, ist im Stande, die Temperatur der Oberfläche in den hö- heren und mittleren Breiten zu steigern. Es liegt hier der Fall einer natür- lichen Wasserheizung vor, deren Effect durch eine vor Verlusten schützende äussere Um- hüllung verstärkt wird. Auch schon bei den heutigen wechselvollen Verhältnissen der Heiter- keit und Trübung der Atmosphäre vermag das Meer eine viel grössere Wärme in hohen Breiten zu bewahren. Der Grund davon ist nach der vorangegangenen Darlegung die grosse speci- fische Wärme des Wassers und dass die warmen Wasser oben schwimmen. In den alten Erd- perioden trat diese Wirkung noch entschiedener hervor, weil (nach unserer Annahme) eine constante Wolkenhülle sich ausbreitete, die in hohem Grad geeignet war, die Wärme des Wassers noch kräftiger vor Verlusten zu schützen. Der Sachverhalt wird am besten verstanden werden, wenn ein verkleinerter Maassstab zu Grund gelegt wird. Stellen wir uns eine rotirende Kugel von ec. 1 m Durchmesser vor, deren Oberfläche fast ganz mit Wasser bedeckt ist; dieselbe werde in ihrer Mitte in einer Ausdehnung von 231° jederseits ihres Aequators durch eine Licht- und Wärmequelle (Sonne) lebhaft bis zu 20° R. erwärmt. Von diesem (tropischen) Gürtel weg gegen die Pole soll eine Hülle constant sich ausbreiten, welche sowohl die Einflüsse der strahlenden Wärme von aussen, als auch die Aus- strahlung in die sehr kalte Temperatur des Raums ausserhalb nicht absolut aber in bedeuten- — .299 — dem Maasse zu verhindern vermag. Unter solchen Umständen wird man ohne Schwierigkeit, einsehen, dass nicht blos der äquatoriale Gürtel dieser Kugel von jederseits 23! erwärmt wird, sondern, dass sich das hier erwärmte Wasser überall hin bis nach den Polen in Strö- mungen vertheilen wird und, weil es seiner Wärme nicht verlustig werden Kann, die 'Tempe- ratur dieser Kugel auf ihrer ganzen Oberfläche eine nicht absolut aber annähernd recht gleich- förmige und zugleich warme sein wird. Andererseits sieht man aber auch ein, dass mit dem Wegfall der angenommenen Hülle, mit der Möglichkeit einer ungehinderten Ausstrahlung in die sehr tiefe Temperatur des Aussenraums, die Gleichförmigkeit und Erwärmung gegen die Pole hin sich fühlbar vermindern wird. Der eigentliche Grund der Erwärmung liegt in dem Vorhandensein und in der Be- schaffenheit (specifischen Wärme) des Wassers, die durch den Schutz einer constanten Bewöl- kungshülle zu einer beträchtlich stärkeren Geltung kommt, als ohne diese. Der grosse Vor- theil, den diese Auffassung darbietet, besteht darin, dass durch die Annahme einer constanten Bewölkung kein an sich neuer Wärmefactor eingeführt wird, der aus sich selbst und nach besondern Principien wirkte. Die Wirkungsweise der constanten Bewölbung ist vielmehr in den physikalischen Eigenschaften des Wassers schon enthalten; dieselbe trägt nur dazu bei, die letzteren kräftiger in die Erscheinung treten zu lassen. Damit ist das Problem bedeutend vereinfacht. Es ist nicht erforderlich, dass erst die Gesetze erforscht werden müssten, wie die constante Bewölkung wirkt. Diese Gesetze sind schon gegeben, empirisch gegeben, in der Art und Weise, wie das reine Seeclima sich dem Normalclima gegenüber verhält; nur dass dieses Verhältniss in all’ seinen Beziehungen noch um irgend einen Betrag gesteigert wird. Die Annahme, dass gar kein Temperaturunterschied zwischen den Polen und dem Aequator in den alten Perioden bestanden habe, ist nicht zu halten. Irgend ein Unterschied muss wohl bestanden haben; denn auch eine dichte und constante Bewölkung ist kein absoluter Schutz gegen die Ausstrahlung; ebenso ist die Zähigkeit des Wassers, seine Wärme beizubehalten ebenfalls doch nur eine beschränkte. Die Frage ist nur: erreichte die Abkühlung des Meer- wassers in den alten Perioden einen grösseren Grad als heutzutage, oder einen gleichen, oder einen kleineren? Grösser kann sie nicht gewesen sein; aber auch nicht gleich gross: denn heutzutage sind Factoren vorhanden, welche gerade in mittleren und hohen Breiten die Oscilla- tionen der Temperatur und zwar im Sinne der Erkältung sehr begünstigen; das sind die Con- tinente und die durch dieselben hervorgerufenen starken Unterbrechungen der Bewölkung. Die Abkühlung muss also kleiner gewesen sein, weil die Continente in den alten Perioden noch nicht — 300° — bestanden. Die weitere Frage, mit welcher der nächste Artikel sich befasst, ist: um welchen Betrag war die Abkühlung kleiner (oder die Wärme grösser) in der alten Periode als heutzu- tage? Das wird sich a priori freilich nicht bestimmen lassen; das feste Land ist zwar bei Berechnung des reinen Seeklimas, soviel als möglich in seinen direeten Einflüssen eliminirt; aber damit sind noch nicht alle indirecten Einflüsse desselben, besonders die Unterbrechung der Bewölkung, die, vom Lande ausgehend, sich auch über die Meere hin verbreitet, beseitigt. Die Seewinde treiben Wolken in die Continente, aber die Landwinde heitern auch den bewölkten Himmel der Meere auf. Diese Öscillationen sind überall vorhanden; es kommen überall Pe- rioden vor, in welchen durch den Einfluss der Bewölkung die Temperaturcurven (Secchis Appa- rat) auf einen geringsten Betrag herabgedrückt werden, aber auch andere, in welchen dieselben steil auf- und absteigen. Diese Oscillationen, die von dem Zustande der Bewölkung herrühren, sind bei der Be- rechnung des Seeclimas der Gegenwart gar nicht berücksichtigt worden; das Seeclima ist berechnet von dem Standpunkt einer gemischten, nicht seiner constanten Bewölbung. Um aber das reelle Clima der alten Perioden zu erlangen, in welchem das oceanische Clima in der Reinheit und Stärke seines Charakters noch nicht durch den Einfluss einer unterbrochenen Bewölkung geschwächt war, muss auch dieses Moment berücksichtigt werden. Das Wasser selbst hat zu jeder Zeit die gleichen physicalischen Eigenschaften; aber die vom Lande aus- gehende Störung der Bewölkung war nicht immer vorhanden, wenigstens nicht immer gleich Das Meer erlitt hierdurch allmählich eine Einbusse an seiner früheren Wärme in höheren Breiten, die bei der Forschung nach der Temperatur der alten Perioden zu ersetzen ist. Dieser Zu- wachs der Wärme durch die constante Dunsthülle schliesst sich in allweg an die Temperatur- verhältnisse des Seeclimas an, und steht zu demselben in irgend einer einfachen Proportion. Die bisherige Entwickelung lässt sich in folgende Sätze zusammenfassen: 1) Der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht Sommer und Winter, überhaupt der ganze Gang der Jahrestemperatur wird schon durch die physicalischen Eigenschaften des Wassers bei der oceanischen Beschaffenheit der Erdoberfläche, auch bei den heutzutage beste- henden Bewölkungsverhältnissen stark eingeengt oder ausgeglichen. Noch mehr wird dies geschehen durch den Hinzutritt einer constanten Bewölkung. 2) Diese Ausgleichung der Temperatur fällt aus zu Gunsten einer grösseren Erwärmung. Schon die physicalischen Eigenschaften des Wassers allein, abgesehen von den Bewölkungs- verhältnissen, bringen diese Wirkung hervor, wie sich in dem reinen Seeclima der Gegenwart offenbart. Noch mehr wird diess geschehen durch den Hinzutritt der constanten Bewölkung. — 301 — 3) Die ausgleichend-erwärmende Wirkung des Oceans tritt in verschiedenen Breiten ver- schieden in die Erscheinung. In den niedrigen Breiten ist die Ziffer am kleinsten, in den mittleren mittelmässig stark, in den hohen am höchsten. Diess geschieht schon bei den heu- tigen Bewölkungsverhältnissen; durch den Hinzutritt einer constanten Bewölkung treten auch diese Verhältnisse noch schärfer hervor. 4) Die Temperatur der Tropen erleidet durch die Eigenthümlichkeiten des reinen See- climas überhaupt nur eine ganz geringe Aenderung. Nach der obigen Annahme waren die Bewölkungsverhältnisse unter den Tropen auch in den alten Perioden unverändert wie bei dem heutigen reinen Seeclima, so dass die Temperatur der Tropen durch dieselben überhaupt nicht weiter in Mitleidenschaft gezogen wurde. Es erübrigt nun hauptsächlich noch die Beantwortung der Frage, ob der Betrag der ausgleichend-erwärmenden Wirkung durch die constante Wolkenumhüllung ganz unbestimmt gelassen werden müsse, oder ob es möglich sei, einigermassen bestimmte Ziffern einzusetzen, wenn dieselben auch nicht auf endgültige Genauigkeit Anspruch machen können. Wenn dies gelingt, so wäre der sich ergebende Betrag einfach zu der Temperatur des reinen Seeclimas der Gegenwart zu addiren und könnte sich hiemit im günstigen Falle die Temperatur der alten Erdperioden als Resultat ergeben. 4. Artikel. Ueber den numerischen Betrag der Ausgleichung und Erwärmung durch die Dunsthülle. Sartorius von Waltershausen hat das Verdienst, dass er das Seeclima nicht blos als den nächstverwandten climatischen Typus der alten Perioden aufgestellt hat, sondern dass er auch versucht hat, den Zuchuss an Wärme zu ermittelen, der den alten Formationen gebührt. Er strebt hiermit eine Bestimmtheit in der Methode wie in den Resultaten an, setzt sich aber freilich auch der Gefahr aus, dass seine Resultate in Incongruenz gerathen mit den paläonto- logischen Forderungen. Letzteres ist in der That, besonders seit der nähern Erforschung der arctischen fossilen Flora (Heer) in bedeutendem Grade eingetreten, wodurch der Erfolg seiner Arbeit geschmälert wurde. Allein, wenn auch Sartorius in den Ziffern, die er als Zu- schuss zum Seeclima benützte, und in der Verwerthung desselben ohne Zweifel fehl gegriffen hat, so wird doch sein principieller Standpunkt und der Gang seiner Untersuchung, nur mit Vermeidung und, soweit es gelingt, mit Verbesserung seiner Irrungen, einzuhalten sein. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 39 =. Bl — Zu der Grundlage des Seeclimas fügt Sartorius (l. e. $. 150), um das Clima der ver- schiedenen geologischen Perioden zu erreichen, hinzu: 1) Einen Wärmezuschuss aus dem Erdinnern, der jedoch von 3°20 R., während der Silurzeit, bis zur Diluvialzeit auf 0°,027 R. (l. ec. 8. 155) sich vermindert. 2) Zuschuss durch Wolken, Regen und Winde 1° R. (l. ce. S. 153). 3) Wärmetransport durch Meeresströmungen 2° R. (l. c. $. 153). Eine theilweise Ausgleichung der Temperaturschwankungen durch stärkere Bewölkung wird von ihm nicht ignorirt, sondern im Betrag von 1°,70 R. angeführt (l. c. 151); aber er fasst diese Ausgleichung nicht als zu Gunsten der grösseren Wärme beitragend auf, sondern als inaifferent, so dass er dieselbe nicht wie die vorhergehenden drei Werthe zu dem Seeclima addirt. Dass nun der Zuschuss der Wärme aus dem Erdinnern als über alle Breitegrade hin gleich, aber nach der Zeit (Formation, Dicke der Erdrinde) proportional abnehmend behandelt wird, kann nicht beanstandet werden. Sartorius behandelt aber nun auch die Werthe sub 2 und 3 gerade so nämlich als unter allen Breitegraden gleich, und nur als der Zeit (Formation) pro- portional abnehmend (l. c. S. 155); eine Annahme, die nicht haltbar sein wird. Diese Werthe sind wie man sieht, ohnedies nur das Resultat einer vagen Schätzung (und können der Natur der Sache nichts anderes sein), worüber man verschiedener Ansicht sein kann; ob damit wirklich ein glücklicher Griff gemacht sei, müsste erst der Erfolg zeigen. Zu wichtigeren Bedenken giebt aber die Behandlung derselben Veranlassung. So unanfechtbar es sein wird, dass die innere Erdwärme über alle Breitegrade hin gleichmässigen Zuschuss liefern wird und nur der Zeit (Formation) nach proportional abnehme, so unrichtig wird es sein, den Wärmezuschuss durch Meeresströmungen unter dem nämlichen Gesichtspunkt zu behandeln. Gerade die em- pirische Erforschung der climatischen Eigenthümlichkeiten des Seeclimas, die das Verdienst von Sartorius ist, giebt Aufschluss, dass jene Werthe nicht überall d. h. in allen Breitegraden gleichmässig angesetzt werden dürfen, sondern dass sie, ganz so wie das Seeclima gegenüber dem Normalelima, nach der geographischen Breite ab- und zunehmen (ef. Tabelle I). Das See- clima bewirkt unter den Tropen keinen Zuwachs an Wärme gegenüber dem Normalelima; in mittleren Breiten eine mittleren, in hohen Breiten erst einen sehr beträchtlichen Zuwachs. Die Meeresströmungen, die von dem Meere selbst prineipiell gar nicht zu trennen sind, müssten eine geradezu unerklärliche Ausnahmsstellung einnehmen, wenn durch sie die Temperatur so- wohl der niederen und mittleren als auch der hohen und höchsten Breiten überall um 2° R. oder einen anderen, aber überall gleichbleibenden Werth, erhöht wurde. Es bedarf keines Beweises, sondern nur einer Hinweisung, dass die Art der Erwärmung durch Meeresströmungen — 303 — sich ganz im Einklang mit dem Seeclima selbst vollziehen muss, dass also der von denselben ausgehende Wärmezuwachs in höheren Breiten, dem Normalclima gegenüber, stetig wächst. Ebenso sind Regen und Winde mit der Oberflächenbedeckung der Erde in engem Zusam- menhang, können desshalb auch nicht über alle Breitengrade hin eine gleichmässige Er- höhung der Temperatur um 1° R. bewirken. Es ist auch hier wieder nicht die Frage, ob diese Ziffer an sich zu klein oder zu gross sein könnte, sondern nur, ob ein gleichbleibender Werth für alle Breiten in Anwendung gebracht werden dürfe. Ein warmer Regen wird in niedrigen Breiten die Temperatur nicht erhöhen, sondern etwas abkühlen; aber in höheren Breiten wird er dieselbe oft steigern und je näher den Polen, desto kräftiger. Also auch hier ist eine Anschmiegung an den Typus des Seeclimas nicht zu verkennen. Die Behandlung, wie sie durch Sartorius vorgezeichnet ist, wird somit hier zu verbessern sein. Ueber den Zuschuss von Seite der inneren Erdwärme wird im folgenden Artikel noch besonders gesprochen werden. An Stelle der von Sartorius sub 2 und 3 aufgenommenen Factoren eines Wärme- zuwachses haben wir desshalb die constante Dunsthülle von den Tropen polwärts eingeführt und in Art. 3 darzulegen gesucht, dass für dieselbe besondere Gesetze über die Art und Weise der mit ihr verbundenen Ausgleichung und Erwärmung nicht erst zu suchen sind, dass dieselben vielmehr schon gegeben sind in den Normen des Seeclimas selbst, deren Ver- stärkung sie harmonisch bewirken. Dieser Zustand der constanten Dunsthülle besteht aber heutzutage nicht mehr; sie ist unterbrochen über Land und Meer hin; die Folgeerscheinungen machen sich überall geltend; auf den Continenten selbstverständlich mehr, als auf den insularen Punkten des Oceans und in den oceanischen Räumen selbst. Das Normalclima steht desshalb von dem Typus des Cli- mas der alten Formationen deutlich weiter ab, als das reine Seeclima der Gegenwart, ob- wohl auch letzteres infieirt ist und nur annähernder den Typus, nicht aber die wirkliche Be- schaffenheit desselben bewahrt hat. Um wie viele Grade nun das reine Seeclima der Gegen- wart und das Clima der alten geologischen Formationen in ihrer mittleren Jahreswärme un- gefähr von einander abweichen, soll gesucht werden. Versuchsweise wollen wir annehmen, dass das Normalelima von dem Clima der. alten Perioden um zwei Stufen abgewichen sei, das reine Seeclima der Gegenwart aber nur um eine Stufe; dann muss die Differenz zwischen Normal- clima und Seeclima zu letzterem noch addirt werden, um so eventuell zu dem gesuchten Clima der alten Perioden zu gelangen; es folgt desshalb: — 304 — Tabelle II. A. B. c. Breitegrad. Temperatur des reinen Differenz gegenüber ie düıkon von A. und B. Seeclimas der Gegen- dem Normalelima annähernd Clima der wart nach Satorius. |auf Tabelle I. Colonne 4. alten Perioden. 90° + 0%,84 R. | + 14°,04 R. eirca + 14° R. 80° + 19,49 + 120,69 » + 14 70° + 83°,36 + 10°,46 » + 14 60° + 6,20 + 7,00 » + 14° 50% + 90,68 + 5938 >» +19 45° + .11°,50 + 39,90 » + 159,50 40° + 130,33 + 20,43 6! 30° + 16°,70 — 0°,10 » + 1% 20° + 190,34 2 2 ge 10° + 20°,89 —_ D-17900 0° — 21°,14 _ BEREIT) Dass bei dieser Tabelle in der letzteren Rubrik zugerundet, theils auf- theils abgerundet wurde und die Endziffer mit circa bezeichnet wurde, wird keiner Entschuldigung bedürfen. Diese Zahlenwerthe selbst sind für das Clima der alten geologischen Perioden ziemlich wohl befriedigend. Es ergiebt sich für den Polarkreis die namhafte Wärme von ca. 14°R., für den 45° der Breite 15°,50 R. und für die Tropen 20° R. Bei den Tropen wurde kein Zuwachs in Anrechnung gebracht nach unserer früher schon vorgetragenen Voraussetzung, dass unter den Tropen der Zustand der Heiterkeit und Trübung des Himmels schon in den alten geolo- gischen Perioden so gewesen sei, wie er heutzutage noch über dem tropischen Theil des atlan- tischen und stillen Ocean ist; man sieht jedoch, dass der Zuwachs auch ohne diese Voraus- setzung sehr unwesentlich sein würde und eine namhafte Aenderung sich nicht ergeben würde. Die Gleichförmigkeit der Temperaturscala ist sodann eine recht grosse; zwischen Polarkreis und Tropen besteht nur ein Unterschied von 6—7° R. Damit ist nun freilich noch kein Beweis geliefert, dass die Zustände des Climas sich wirklich so und nicht anders gestaltet haben. Es möchte aber bei dem Stand der climatischen Frage, wie dieselbe bisher behandelt wurde, schon genügen, zu einer Temperaturscala that- sächlich gelangt zu sein, welche erkennen lässt, dass das Clima der alten Periode und jenes der Gegenwart sich keineswegs in einem unlösbaren Widerspruch befinden. Beide lassen sich durch eine einfache und nicht unstatthafte Annahme in genügenden Einklang setzen und stehen unter sich in einer einfachen Proportion. Doch wird es nicht überflüssig sein, sondern die Statthaftigkeit des angewandten Ver- a fahrens noch bekräftigen, wenn auch noch auf einem andern Wege, durch Vergleichung ander- weitiger Zahlenreihen das gleiche Ziel angestrebt und erreicht wird. In der Tabelle II wurden die mittleren Jahrestemperaturen des Normal- und Seeclimas zur Grundlage genommen. Der Einfluss der Continente auf die Abänderung der climatischen Zustände im Verlauf der geologischen Periode macht sich jedoch nicht blos in der Differenz (resp. Abminderung) der mittleren Jahrestemperatur geltend, sondern offenbart sich auch in der vergrösserten Oscillation der Temperaturen während der entgegengesetzten Jahreszeiten, des Sommers und des Winters. Es ist für das reine Seeclima eine ganz charakteristische Eigenschaft, dass seine Winter mild und seine Sommer kühl sind, somit seine Temperaturschwankungen gering sind, wie für das Normalclima und noch in höherem Grade für das ächte Continentalclima, dass seine Winter streng, die Sommer aber heiss sind, somit die Schwankungen gross sind. Das Clima der alten Periode weicht hierin am stärksten von dem ächten Continentalelima ab, aber auch von dem Normalclima, das Land und Meer zugleich umfasst; seine Oscillationen sind aber selbst noch geringer, als jene des heutigen reinen See- climas. Die vergrössertg Schwankungsamplitude ist somit ein Gradmesser der Ab- weichung von dem Clima der Vorzeit nicht minder, als die mittlere Jahrestemperatur; sie kann also auch zum Ausgangspunkte dienen, um zu dem Clima der alten Perioden zu gelangen Einige Beispiele zur Veranschaulichung des Unterschieds der Oseillationen wurden schon im 1. Artikel mitgetheilt. Für die nördliche Halbkugel lässt sich jedoch die Verschiedenheit der Schwankungen der entgegengesetzten Jahreszeiten in einer vollständigen Scala mittheilen, da sowohl Dove (1. c. S. 14; Colonne 1.3) für das Normalclima, als auch Sartorius für das reine Seeclima (1 e. 8. 124 Col. 4.5) die Temperatur des Sommers und des Winters in abgesonderten Rubriken anführen. Die Temperatur dieser entgegengesetzten Jahreszeiten zeigt die Grenzen an, innerhalb derer sich Normalclima und Seeclima gegenwärtig bewegen und die man kurz die Schwankungsamplitude nennt. In der Colonne A der nachstehenden Tabelle III ist deshalb aufgenommen a) die Temperatur des Sommers, b) des Winters und c) die Schwankungs- amplitude desselben nach Dove bei dem Normalclima. In der Colonne B sind dieselben Werthe angeführt für das reine Seeclima nach Sartorius. Die Colonne C enthält a) die Schwankungs- amplitude des Normalclimas, b) des reinen Seeclimas und c) den Mehrbetrag derselben bei dem Normalclima gegenüber dem Seeclima. (Tabelle III siehe Seite 306.) Bei Benützung dieser Tabelle wird von den gleichen Grundanschauungen ausgegangen, wie zuvor bei Tabelle II; insbesondere wird auch hier die versuchsweise Annahme gemacht, dass das Normalclima um zwei Stufen, das reine Seeclima der Gegenwart aber nur um eine % 306 — Tabelle III. Breitegrade. A. Normalclima: a) Sommertemperatur, b) Wintertemperatur, c) Amplitude der Reines Seeclima: a) Sommertemperatur, b) Wintertemperatur, c) Amplitude der C Die Amplitude a) des Normalelimas ist grösser, als jene des reinen Seeclimas b) Schwankung. Schwankung. um I). A a) — 105R. a) + 502 R. a) 2204 R. 90° b) — 23°,9 b) — 395 b)n 8,1 c) 299,4 c) 87 c) 130,7 a) + 091 a) + 598 a) 22°,0 g00 b) — 2199 b) — 28 b) 806 29,0 ) 80,6 BE hihi a) + 45 a)+ 75 a) 210,9 709 1) be 007 b) 8%2 2109 co) 892 c) 189,7 a) + 95 a) + 10% a) 200,9 60° b) — 1104 b) + 203 b) 802 c) 2009 802 0) 1997 a) + 129,9 a) + 130,1 a) 179,4 500 b) — 25 + 6% b) 6%9 c) 179,4 c) 6°%,9 c) 10°,5 a) + 1703 a) + 160,3 a) 120,9 40° b) + 494 b) + 10%3 b) 6°%,0 ec) 120,9 e) 6°,0 ROM a) + 20°,8 a) + 19%,1 a) 8°%6 300 b) + 1202 p) + 1082 09 A e) 80,6 e) 2) c) 3%7 a) + 220,0 a) + 2102 a) 403 90° b) + 1907 b) + 1704 b) 30,8 €) 49,3 c) 38 0).0°5 a) + 21,7 a) + 2291 a) 102 109 b) + 20°%5 b) + 199,6 b) 215 c) 10,2 c) 205 2 oa 129 a) -+ 209,9 a) + 21,07 a) 008 Dt b) + 2102 ) + 20%5 b) 192 008 c) 102 ec) 009 Stufe sich von dem Clima der alten Perioden entfernt habe, Mit andern Worten wird ange- nommen, dass mit dem Auftreten der Continente und der hierdurch vergrösserten Schwankungs- amplitude eine Temperaturabnahme zwar sowohl bei dem Seeclima, als auch bei dem Normal- — 307 — clima stattgefunden habe, aber bei dem Normalclima in doppelt so starkem Betrag, als bei dem Seeclima. Es ist desshalb zu der Temperatur des reinen Seeclimas noch der Mehrbetrag der Schwankungsamplitude des Normalclimas gegenüber dem Seeclima zu addiren, um eventuell zu dem Clima der alten Periode zu gelangen, wie schon oben und in Art. 3 näher dargelegt wurde. Hiernach ergiebt sich Tabelle IV. A. B. C. Mehrbetrag der Breitegrad. Seeclima nach | Schwankungsampli- | mma von A. B. Sartorius. tude beim Normalclima. 90° 0%,84.R. 13°,70 R. 149,54 R. 80° 10,49 13°,40 14°,89 70° 30,36 13°,70 17°,06 60° 6°,20 12,70 18,90 50° 90,28 10°,50 190,78 40° y 13°,33 6°,90 20°,23 30° 16°,70 3°,70 20°,40 20° 190,34 0,50 10° 20°,89 — 1,30 cy21 0° 219,14 — 0°%,90 Bei genauerer Betrachtung der Tabellen III und IV und Vergleichung derselben mit Tabelle II machen sich einige Puncte bemerklich, die einer einlässlicheren Besprechung bedürfen. Zunächst ist zu bemerken, dass die Zahlen der Tabelle II und IV nicht ganz gleich sein können; denn sie sind der Ausdruck für Verhältnisse, die wohl unter sich nahe verwandt sind und in inniger Verbindung stehen, aber doch keineswegs zusammenfallen. Wenn letzteres der Fall wäre, so hätte es ja auch gar keinen sachlichen Werth, dieselben abgesondert zu be- handeln; der Unterschied besteht vorzüglich in nachstehendem Umstande. In Tabelle II ist die mittlere Jahreswärme zu Grunde gelegt, die das Resultat sämmtlicher Tage des Jahres oder wenigstens aller vier Jahreszeiten ist. Die Tabelle IV legt die Amplitude der Schwankungen zwischen den zwei entgegengesetzten Jahreszeiten, Sommer und Winter oder zwischen dem kältesten und wärmsten Monat des Jahres zu Grund. Es sind hier zwei verschiedene, wenn auch verwandte Seiten des Gegenstandes in Betracht gezogen, die jedoch aus dem Grunde mit einander in Verbindung gebracht werden können, weil beide mit dem Character des Climas selbst innig verknüpft sind. Wenn man nun mit Rücksichtnahme darauf die Tabellen IT und IV vergleicht und be- sonders die Uolonne C in beiden Tabellen ins Auge fasst, so ist nicht zu verkennen, dass der — 308 — allgemeine Typus der Vertheilung der Wärme, der bei einer Warmwasserheizung unter guter Umhüllung zu erwarten ist, auch hier in seinen characteristischen Zügen sich herausstellt. Die Temperatur der ganzen Oberfläche der Erde ist recht gleichmässig, schwankt nur in den sehr mässigen Grenzen von + 14° R bis 21° R; es ist somit auch nach diesem Verfahren in den mittleren und hohen Breiten eine recht ansehnliche Wärme vorhanden und die Uebereinstim- mung mit Tabelle II ist besonders in den Zahlen für die Tropen und für die höchsten Breiten ganz zutreffend. Auffallend aber sind die niedrigen Wintertemperaturen, die bei dem Normal- clima (Tabelle III Colonne A) theilweise, namentlich auch noch in mittleren Breiten zu ver- zeichnen waren, ungeachtet bei denselben eine Reduction auf den Meeresspiegel vollzogen ist. Beispielsweise sind hervorzuheben bei dem fünfzigsten Grad n. B. eine Wintertemperatur von -— 4,%5 R. und bei dem 60° mit — 11°4 R., wobei die entsprechenden Sommertemperaturen doch ziemlich hoch sind. Hiedurch wird offenbar die Ziffer der Schwankungsamplitude sehr gross, was auf das Resultat bei der Summirung der Temperatur des Seeclimas und des Mehrbetrags der Schwan- kungsamplitude des Normalclimas (Tabelle IV. Colonne C.) einen fühlbaren Einfluss ausüben muss. Der Grund dieser auffallenden Temperaturdifferenz ist aber gar nicht zu verkennen. Die grossen Landmassen von Asien und des nördlichen America bewirken in einem breiten Gürtel ein scharf ausgeprägtes continentales Clima mit sehr kalten Wintern und warmen Sommern und rufen dadurch eine sehr extreme Amplitude der Temperaturschwankung hervor, die selbst noch bei den Mittelwerthen des Normalclimas in den betreffenden Parallelkreisen sich recht fühlbar macht. Dass wirklich hier eine Abnormität vorhanden sei, die in nichts Anderem ihren Grund haben kann, lässt sich durch solche Localitäten, die kein extremes continentales Clima haben, klar machen. Das Clima von Stuttgart,*) welches unter 48° 47 n. B. liegt, somit dem 50° so nahe steht, dass es ohne Gefahr mit demselben verglichen werden kann, weist eine Sommer- temperatur von 18%,6 C. und dagegen eine Wintertemperatur von 4 1°,0 C. auf, wobei keine Reduction auf das Niveau des Meeresspiegels vorgenommen wurde. Stuttgart liegt 268 m über dem Meeresspiegel. Die Schwankungsamplitude ist somit 17%,6 C. = 14°,0 R. und stimmt damit das Mittel von 22 Stationen in Württemberg (1. c. S. 231) fast genau überein. Das Normalclima des gesammten 50° aber hat eine Öscillation von 17°,4 R, somit um 304 R mehr, als Stuttgart und die sämmtlichen Stationen in Württemberg. Diese bedeutende Erweiterung ist offenbar auf Rechnung des excessiven Climas jener Gegenden zu schreiben, *) Das Königreich Württemberg, herausgegeben vom statistisch-topographischen Bureau 1882. — 309 welche unter dem gleichen Breitegrad in den Continenten von Asien und Nordamerika liegen; diese machen die Schwankungsamplitude des Normalclimas des ganzen Parallels erheblich zu gross. Wenn esnun als selbstverständlich angesehen werden darf, dass leztere abnorm stark ist, so muss es gestattet, wenn nicht geboten sein, eine Abminderung derselben eintreten zu lassen Diese Abminderung wird sich aber auf den ganzen Gürtel zu erstrecken haben, in welchem sich die ausgedehnten Continente von Asien und Nordamerika befinden, somit vom 70° n. B. bis zum 30° n. B. In der Tlıat lässt auch die Colonne C der Tabelle IV vom 70° an abwärts einen auffallenden Sprung in der Temperaturzunahme erkennen, dersich auch in mittleren und niedrigeren Breiten, trotz der gesetzlichen allmählichen Abnahme, noch implieite forterhält. Als Betrag der Abminderung möchte sich der bei Württemberg ermittelte Werth mit 3°%,4 R an die Hand geben, obwohl zu vermuthen ist, dass derselbe für die niedrigeren Breiten, wo die Oseillationen an sich geringer werden, schon etwas zu hoch sein könnte. Es wird deshalb die Tabelle V entworfen, in welcher die Werthe der Colonne B, der Tabelle IV gegenüber, vom 70°-30° n. B. um den Werth von 3°,4 R vermindert sind: Tabelle V. A. B. C. ba Corrigirter Mehrbetrag | Summe von A. und B. Bieltenrad, Seeclima. ee annähernd Clima der beim Normalclima. alten Formationen. 90° 0°%,84 R. 13°,70. R. circa 14° R. 80° 19,49 | 13°,40 | » 14° 70° 30,36 | 10°,30 | » 14° 60° 6°,20 90,30 | » 15° 50° | 99,28 | 7°,10 » 16° 40° 130,33 39,50 » 160 30° 16°,70 0°,30 Sl 209 190,34 —. » 19° 10° t 20°,89 — 22,202 0° 21,14 - »2j1° l Hierdurch wird nun, wie die Colonne C zeigt, eine climatische Scala für die Temperatur gewonnen, welche wenigstens, was den gesammten Typus, die Abstufung der Wärme und die Gleichförmigkeit und den allmählichen Uebergang der Zonen anbelangt, hinter den Anforderungen der Paläontologie an das Clima der alten Formationen, kaum zurückbleiben dürfte und mit Tabelle II gut übereinstimmt. Dieses Resultat ergab sich einfach, wie auch bei der Tabelle II, durch die Annahme des Princips der Warmwasserheizung unter einem Schutz vor Abkühlung durch eine constante Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 40 — 310 — Bewölkung von den Tropen an polwärts. Hierdurch wird, wie in Art. 3 ausgeführt wurde, sowohl die Schwankungsamplitude eingeengt, als auch die Wärme des von den Tropen auszu- fliessenden Wassers zusammengehalten und deshalb die Temperatur der gesammten Oberfläche, auch der zerstreuten Inseln, entsprechend erhöht. Incongruenzen in einem breiten Gürtel, welche die Anwendbarkeit dieser Methode zu beeinträchtigen schienen, liessen sich erklären und möchten schliesslich mehr zur Consolidirung als zur Erschütterung des Verfahrens dienen. Dass auch hier Zurundungen wie bei Tabelle II vorgenommen wurden, wird keiner besondern Entschuldigung bedürfen. Eine genauere Betrachtung der Temperaturcurven, wie sie durch den von Secchi erfundenen Apparat hervorgebracht werden, kann ebenfalls, wenn von wesentlich gleichen Grund- sätzen bei Verwerthung derselben zum Zwecke der Temperaturberechnungen ausgegangen wird, zu einem gut übereinstimmenden Resultat führen. Jene Temperaturcurven geben jedenfalls eine klare und bestimmte Vorstellung davon, wie die Schwankungen der Temperatur durch die Heiterkeit oder Trübung des Himmels wesentlich beeinflusst werden. ) Man müsste sich jedoch im Besitz einer grösseren Anzahl von Jahrgängen von Curven befinden und zudem solche Temperaturcurven benutzen können, die nicht blos an Orten in mittleren, sondern auch in sehr hohen und niedrigen Breiten, aufgenommen sind, um zu einer genügend gesicherten Grundlage der Operation zu gelangen; das wird jedoch schwer, vielleicht unmöglich zu erreichen sein. Der oben von uns eingeschlagene Weg, bei welchem die literarischen Angaben bewährter Me- teorologen zu Grund gelegt wurden, wird daher ohne Zweifel grössere Sicherheit bieten. Es ist hier nur zu bemerken, dass die Verwerthung jener Temperaturcurven, die im Jahre 1568 in Stuttgart beobachtet wurden, in der That den Massstab direct an die Hand gab, in welchem Betrag die Teımperatur des reinen Seeclimas der Gegenwart zu verstärken sei, um zu dem Clima der alten geologischen Formationen zu gelangen (cf. Württ. naturwiss. Jahreshefte 1881, 8. 72). Correeturen, die durch die Fortschritte der beobachtenden Meteorologie hierbei eintreten werden, sollten in Bezug auf die Mittelwerthe, die hier überall in Anwendung kommen, keine auf- fallende und belangreiche Aenderung hervorrufen können. 5. Artikel. Möglichkeit einer weiteren Steigerung der Wärme. Der Betrag von 14° R. mittlerer Jahreswärme für die hohen und höchsten Breiten möchte ganz genügen, um die Existenz von Baumfarren und andern Gewächsen daselbst zu begreifen. Dieselben verlangen mehr ein sehr gleichförmiges als ein sehr warmes Clima, wie das Vor- !) Vergleiehe: Württ. naturwiss. Jahreshefte 1881. S. 68 und folgende. a kommen derselben besonders in Neuseeland beweist. Aber es ist nicht in Abrede zu ziehen, dass die in der Silurzeit und überhaupt in den ältesten Perioden vorkommenden riffbauenden Corallen bis hinauf in das Grinell-Land bei fast 82° n. Br. (ef. Heer: Polarflora V. S. 18) eine etwas höhere Temperatur beanspruchen. Es handelt sich deshalb darum, ob die bisher gefundenen Ziffern sich nicht für die alten Perioden noch um einige Grade steigern lassen. Ein ganz nahe liegendes Auskunftsmittel ist hier der Beitrag der innern Erdwärme, der in der That für die alten Perioden der Erde nicht wird ganz beseitigt werden dürfen. Sartorius von Waltershausen berechnet (l. c. S. 155) den Zuschuss der inneren Erdwärme für die sulirische Zeit auf 3%,200R.; für die devonische auf 2°%,190 R. und für die Steinkohlen- tormation auf 1°,242 R.; somit im Durchschnitt auf c. 2° R. Wenn jedoch die Ziffern betrachtet werden, die derselbe für die Mächtigkeit der Forma- tionen zu Grund legt !), so möchte man fast glauben, dass Sartorius einen thunlichst geringen Werth derselben unterlegt habe und es wäre somit möglich, dass selbst diese bescheidenen Zahlen immerhin noch etwas zu hoch gegriffen wären. Ein anderes Hilfsmittel, um die Ziffer des Wärmebetrags noch zu steigern, ist die An- nahme einer voluminoseren, daher auch schwereren und dichteren luftförmigen Hülle des Planeten (die mit Bewölkung nicht-zu verwechseln ist), in den alten Perioden. Wenn man bedenkt, wie gross die Masse der Kohlensäure und des Kohlenstoffes ist, die in den Schichten der Erde niedergelegt sind, so kann man nicht umhin einen grösseren Gehalt von Kohlensäure in der Luft während den alten Perioden anzuerkennen. Wenn die Atmosphäre durch ein grös- seres Quantum beigemengter Kohlensäure höher und schwerer war als heutzutage, so war sie auch in jenen Schichten, welche der Erdoberfläche zunächst sich befanden, einer intensiveren Erwärmung fähig. Man braucht sich die Quantität der Kohlensäure durchaus nicht allzu gross zu denken, um auf solche Weise wenigstens noch um ein paar Grade die Temperatur der alten Perioden zu steigern. Es mag jedoch hier ein gewisser Spielraum offen behalten bleiben, um so mehr als das Wärmebedürfniss der Thiere und Pflanzen der ältesten Aera doch nur im Allgemeinen, aber nicht mit irgend welcher Genauigkeit geschätzt werden kann. Immerhin sieht man die Möglichkeit, die Temperatur der Urzeiten, ohne dass eine bestimmte Endziffer festgesetzt wird, soweit zu steigern, dass selbst innerhalb des Polarkreises die Corallen ihre Existenzbedingungen finden konnten. Allein wir erklären ausdrücklich, dass wir die beiden oben angeführten Gesichtspunkte nur insoweit herbeiziehen, als dieselben dienlich sind, den Wärmebetrag um einige Grade ')l. ec. S. 154; andererseits wären zu vergleichen die Angaben bei Heer: Urwelt 2. Auflage. S. 646. zu steigern. Prineipiell, d. h. zur selbständigen Erklärung der climatischen Verhältnisse der Urzeiten sind dieselben völlig unbrauchbar. Abgesehen davon, dass es durchaus nicht angeht, die innere Erdwärme oder die Dichtigkeit der Atmosphäre nach Belieben bis zu den höchsten Beträgen zu steigern, so sind diese beiden Hypothesen ihrer Natur nach nicht geeignet, den thatsächlichen climatischen Charakter der Urzeiten zu erklären. Man sieht ohne weiteren Beweis ein, dass die innere Erdwärme und die schwere Atmosphäre in allen Breitegraden die gleiche Wirkung haben müssten. Würde aber durch die innere Erdwärme beispielsweise die Temperatur der Pole um 20° R. erhöht werden können, so würde auch die Temperatur der Tropen und überhaupt aller Breiten durch die nämliche Ursache um den gleichen Betrag er- höht. Aber es verbliebe immerhin jene Ungleichförmigkeit bestehen, welche in verschie- denen geographischen Breiten durch die Sonnenstrahlen hervorgerufen wird. Die Temperatur sowohl des Aequators, als auch der Pole, überhaupt aller Breitegrade, würde zwar um 20° erhöht, aber hierdurch würde keine Gleichförmigkeit des Climas hergestellt, was doch eine ganz charakteristische Eigenschaft der alten Erdperioden ist. Wenn man Gleiches zu Un- gleichem addirt, so kommt wieder Ungleiches heraus. Dasselbe ist zu sagen von der schweren Atmosphäre; die Ungleichförmigkeit der Temperatur, die in verschiedenen Breiten durch die Sonne hervorgerufen wird, bliebe vor wie nach ungemindert bestehen, nur würde die Wärme überall um einige Grade, oder, wenn man will, viele Grade gesteigert. Um aber das auffallend gleichförmige Clima der alten Perioden, in welchem die zonenweisen Unterschiede verwischt sind, zu erklären, bedarf man eines Factors, der im Stande ist, die Wirkung der in höheren Breiten immer schiefer auffallenden und deshalb immer schwächer wirkenden Sonnenstrahlen bis auf einen gewissen Grad zu ergänzen und sich so zu sagen an ihre Stelle zu setzen. Ein solches physicalisches Agens ist das Wasser des Oceans und man darf sagen nur dieses. Das- selbe erwärmt sich unter den Tropen und ist nun durch seine hohe specifische Wärme im Stande, seine Temperatur mit ansehnlicher Zähigkeit zu bewahren und somit der Oberfläche der Erde auch in hohen Breiten eine Wärme zu verschaffen, welche den Abmangel der Son- nenwärme ergänzt, um so mehr, je vollständiger der Ocean selbst in höheren Breiten vor Aus- strahlung durch Bewölkung geschützt ist. Auch die meisten andern Hypothesen scheitern vorzüglich an der nämlichen Klippe. Die Annahme, dass das gesammte Sonnensystem zu verschiedenen Zeiten durch verschieden warme Regionen des Weltraums sich bewege, leidet an dem gleichen Missstand. Diese, die ganze Oberfläche des Planeten beschlagende periodisch wärmere oder kältere Temperatur addirt sich zu jener Temperatur, welche durch die Sonnenbescheinung in den verschiedenen Zonen sehr a - verschieden sich gestaltet; aber eben deshalb vermag sie die Ungleichförmigkeit nicht zu besei- tigen. Es bestünden in dem angenommenen Falle zwei Wärmequellen, wovon die eine (Welt- raum) zu verschiedenen Zeiten verschiedene Temperaturen mittheilt, die jedoch zur gleichen Zeit für die ganze Oberfläche gleich bleibt. Die andere aber (Sonne) ruft jeder Zeit un- gleichförmige Temperaturen auf der Erdoberfläche hervor. Durch den Hinzutritt dieser letzteren Wärmequelle wird die Gleichmässigkeit der ersteren wieder aufgehoben. Nicht min- der ergibt sich die Unzureichenheit der schon an sich sehr gewagten Annahme einer Verän- derung in der Stellung der Erdachse. Würde man auch zugestehen, dass vor alten Zeiten der Aequator in der Nähe von Spitzbergen verlaufen sein könnte, und damit die dortige Fauna und Flora der Steinkohlenzeit erklären, so müsste doch nothwendig irgendwo zu jener Zeit auch eine gemässigte und kalte Zone bestanden haben. Aber hievon wissen die Paläontologen nichts. Selbst die um mehr als 30 Erdgrade von dort entfernten Steinkohlenschichten in Deutschland etc. sind in sehr vielen Arten übereinstimmend und der gesammte Typus der orga- nischen Wesen identisch. Die Theorie ferner, welche die Schwankungen und Ortsveränderungen des Perihels und Aphels zu ihrer Grundlage nimmt, ist nicht blos nicht geeignet eine grössere Gleich- förmigkeit des tellurischen Climas zu motiviren, sondern führt zu noch grösseren Ungleich- förmigkeiten, Diese Theorie wurde in der That auch hauptsächlich ausgebildet, um die Con- traste der Temperatur zwischen Molassezeit und Eiszeit zu erklären. Nur die, hauptsächlich von Lyell vertretene, Ansicht einer andern Vertheilung von Land und Wasser vermag eine annähernd gleichförmigere Temperatur zu begründen. Allein sie öffnet offenbar der Willkür einen sehr weiten Spielraum und schliesslich ist dieselbe doch ausser Stand eine noch grössere Gleichförmigkeit zu produeiren, als sie das reine Seeclima der Gegenwart (Sartorius) darbietet. Offenbar besteht die höchst mögliche Stufe der Gleichförmig- keit, die auf diesem Wege angestrebt und erreicht werden kann, darin, dass das feste Land, als die unzweifelhafte Ursache der excessiven Temperaturen nicht blos anders vertheilt, sondern überhaupt eliminirt wird. Man sieht aber aus Tabelle I, dass selbst eine solche Temperatur, sowohl was den Grad der Wärme als auch der Gleichförmigkeit anbelangt, weit hinter den Anforderungen der Paläontologen zurückbleibt. Die Auffassung aber, welche vorzuführen und zu begründen in Obigem gesucht wurde empfiehlt sich dadurch, dass sie einerseits die Erklärung einer hohen Temperatur in den hohen Breiten an die Hand gibt, und auch andererseits zugleich die sehr grosse Gleichförmigkeit des Climas in den verschiedensten Breiten erklärt. Nachdem eine solche Grundlage gewonnen ist, leistet die Annahme eines bescheidenen Wärmezuschusses durch die innere Erdwärme und durch eine schwere Atmosphäre gute Dienste, weil man derselben nur soweit bedarf, um die Temperatur noch um einige Grade über alle Breiten hin zu erhöhen. Wenn somit beispiels- weise in den höchsten Breiten statt einer Temperatur von 14° R, eine solche von 17° R. ge- wonnen wird; oder in mittleren Breiten statt 16° R. der Betrag auf 19° R. und unter den Tropen statt 20° R. auf 23° R. sich steigert, so wird hierdurch den Anforderungen der Palä- ontologen nur um so besser entsprochen und die Gleichförmigkeit des Climas hierdurch keines- wegs alterirt. Dass dieser Zuwachs an Wärme nur für die alten geologischen Perioden in Betracht und Geltung komme, ergibt sich aus einer einfachen Betrachtung. Mit zunehmender Dicke der festen Erdrinde in den jüngeren Perioden schwächt sich die Wirkung der inneren Erdwärme von selbst bis zur völligen Unbedeutendheit ab. In den jüngeren Perioden fällt sodann auch die Wirkung der schwereren Atmosphäre weg, weil die ehemals der Luft beigemischte Kohlensäure durch die später entstandenen Schichten gebunden wurde. Bei der grossen Gleichförmigkeit der Temperatur in allen Zonen mussten auch die Schwankungen derselben in den verschiedenen Jahreszeiten ganz in den Hintergrund treten. Nicht so fast der Stand der Sonne ist es, der das Clima der alten Perioden in den mittleren und höhern Breiten beherrschte, sondern die Anwesenheit und Temperatur der in unge- schwächter Kraft wirkenden Gewässer des Oceans. Die warmen Wasser desselben, durch eine constante Wolkenhülle vor den Wirkungen der Ausstrahlung geschützt, verliehen der ganzen Erdoberfläche ein ebenso warmes als gleichförmiges Clima. Innere Erdwärme und dichtere At- mosphäre wirkten ihrerseits, jedoch nur als untergeordnete Factoren, in der gleichen Richtung mit, sofern sie die Wärme um einige Grade steigerten, ohne dadurch an der Gleichförmigkeit des Olimas etwas zu äudern. 6. Artikel. Rückblick auf die climatischen Verhältnisse der alten geologischen Perioden. Das reine Seeclima der Gegenwart trägt, gegenüber dem Normalclima der gegenwärtigen Erdperiode nicht blos einzelne deutliche Züge einer Aehnlichkeit mit dem Clima der alten geologischen Perioden an sich, sondern der gesammte Charakter beider trifft in über- raschender Weise zusammen. Beide stimmen typisch zusammen in der grössern Gleich- föürmigkeit, in der grössern Wärme und besonders in der eigenthümlichen Verthei- lung der Wärme. Während unter den Tropen die gleichen oder wenigstens nahezu gleichen Wärmeverhältnisse bestehen, gibt sich sowohl bei dem reinen Seeclima der Gegenwart gegen- über dem Normalclima, wie auch bei dem Clima der alten Perioden in den mittlern und be- sonders höhern Breiten ein relativ stetig zunehmender !) Wärmebetrag zu erkennen, wo- durch bei beiden eine beträchtlich grössere Gleichförmigkeit der Temperatur in den verschie- denen Zonen hervorgebracht wird. Diese sämmtlichen Eigenschaften wurden als Effect einer natürlichen Warmwasserheizung bezeichnet und nachgewiesen. Sobald man einmal durch tabellarische Gegenüberstellung von dieser gemeinsamen climatischen Physiognomie sich volle Klarheit verschafft hat, so drängt sich die zuversichtliche Hoffnung auf, dass in dem reinen Seeclima die feste Basis und der Schlüssel zu finden seien, von wo aus es gelingen werde, zu dem räthselhaften Clima der alten Perioden aufzusteigen. Diese Ueberzeugung wird um so lebhafter, da ja in der That während der alten Perio- den das oceanische Clima nahezu vollständig im Besitz sich befinden musste, Es handelt sich blos darum, einen Factor ausfindig zu machen, durch welchen die in dem reinen Seeclima zu Tag tretenden Züge noch verstärkt werden. Durch den Umstand, dass die Wärmeziffern des reinen Seeclima der Gegenwart dem Grade nach unzureichend sind, um die Erscheinungen der fossilen Organismen der alten Formationen zu begreifen, darf man sich nicht abschrecken lassen, auf diesem Wege voranzugehen und auf dieser soliden Basis fortzubauen. Das reine Seeclima der Gegenwart ist ja selbst nur eine Abstraction, und zwar eine unvollständige, die sich zunächst nur die Aufgabe stellt, die unmittelbaren sozusagen greifbaren Einflüsse des festen Landes auf die Temperatur der Erdoberfläche zu eliminiren. Letzteres ist allerdings eine sehr wichtige Seite, aber es ist doch nicht der einzige Punkt, wodurch sich das reine Seeclima und das Normalclima unterscheiden. In jenen geo- logischen Zeiträumen, da das Seeclima nicht eine Abstraction war, sondern in dem thatsäch- lichen Besitz sich befand, mussten durch seinen gewaltigen Einfluss auch noch anderweitige Wirkungen hervorgerufen werden, namentlich auch auf den Zustand der Atmosphäre Die trockenen Continente, die heutzutage ungefähr ein Drittel der Erdoberfläche einnehmen, beeinflussen ihrerseits die Beschaffenheit der Atmosphäre, besonders ihren Wassergehalt. Der- selbe ist von dem Umfang der verdunstenden nassen Oberfläche abhängig, ist deshalb in der gegenwärtigen Periode kleiner, als in den alten Perioden. Die Anwesenheit grosser trockener Erdtheile bringt sodann durch die trockenen Luftströmungen Wirkungen in der Atmosphäre Do o © 1!) s. Tabelle 1. — 316 -— hervor, die denen des Oceans theilweise geradezu entgegenarbeiten und dieselben zum Theil aufheben. In der Hauptsache wird die Behauptung keinem Anstand unterliegen, dass die con- tinentale oder vielmehr gemischte Beschaffenheit der Oberfläche der Erde auch ähnliche, ge- mischte Zustände der Atmosphäre hervorrufe, dass wechselvolle und gemischte Zustände der Trübung und Heiterkeit in ihrem Gefolg auftreten. Andererseits ist nicht zu beanstanden, dass eine rein oceanische Beschaffenheit der Erdoberfläche durch ihre eigene Gleichförmigkeit, auch gleichförmige Zustände der Atmosphäre begünstigt, welche aber mehr zu einer constanten Trübheit, als zur wolkenlosen Heiterkeit des Himmels sich hinneigen mussten. !) Wie man sich nun diese Zustände näher vorstellen soll, das ist Sache der Hypothese; aber die Hypothese hat hier eine Berechtigung, vorausgesetzt, dass dieselbe sich innerhalb der Schranken der physicalischen Möglichkeit bevregt. Willkommen ist, dass aus den astrono- mischen Beobachtungen an solchen Planeten, welche ohne Zweifel in einem jugendlicheren Sta- dium ihrer geologischen Entwicklung sich befinden, einige Anhaltspunkte sich ergeben, wie man sich die Zustände unseres Planeten in seinen früheren Perioden vorstellen soll. Ferner ist willkommen, dass auch die Beschaffenheit der Organismen der alten Perioden, der Pflanzen insbesondere, einigen Aufschluss darüber zu geben geeignet sind. Ein sumpfiger Boden, trüber Himmel, beträchtliche Regenmengen, Gleichförmigkeit der Temperatur entsprechen ihren Existenz- bedingungen am besten ?). Die Annahme einer constanten Wolkenhülle von den Wendekreisen polwärts ist nun ganz geeignet, solche Dienste zu leisten, dass das oceanische Clima in allen seinen Eigen- schaften zu verstärkter Geltung gelangt. °) Die meteorologischen Aufzeichnungen sodann geben die Mittel an die Hand, um den Betrag *) der Verstärkung wenigstens annä- hernd zu eruiren. Auf diesem Wege ergeben sich als Mittelzahlen der Temperatur in den alten Perioden für die polaren Gegenden ec. + 14° R., für die mittleren Breiten, genauer für den 45. Breitegrad, ce. + 16° R. und für die Tropen c. — 20° R. (Tabelle II und Tabelle V). Hierdurch möchte schon die hauptsächlichste Kluft zwischen dem Clima der Urzeiten und dem der Gegenwart als ausgefüllt betrachtet werden können. Da jedoch ein Zuschuss der innern Erdwärme und eine Temperaturerhöhung durch die grössere Dichtigkeit der Atmosphäre in den alten Erdperioden nicht ganz von der Hand gewiesen werden können, auch einige Orga- !) Artikel 1. 2) Artikel 2. °) Artikel 2. *) Artikel 4. nismen der alten geologischen Perioden eine noch grössere Wärme verlangen, so lässt sich mit Vorbehalt eines gewissen Spielraums, eine Steigerung um c. 3° R., somit für die polaren Gegenden eine Temperatur von c. + 17° R., für die mittleren Breiten von ec. + 19° R. und für die Tropen von c. + 23° R. !) motiviren. Das ist nun eine Temperaturscala, welche den Anforderungen der Paläontologen an das Clima der Urzeiten entsprechen dürfte, sowohl was den Grad der Wärme anbelangt, als auch in Betreff der Gleichförmigkeit der Temperatur innerhalb der verschiedenen Zonen. — Eine nicht unbeträchtliche Schwierigkeit dürfen wir je- doch nicht mit Stillschweigen übergehen. Für das Gedeihen der Organismen, der Pflanzen insbesondere, ist nicht blos ein gewisses Quantum von Wärme erforderlich, sondern auch Licht. Es wurde schon oben darauf hin- gewiesen, dass Farne und Lycopodien das directe Sonnenlicht leichter entbehren können, dass ihnen schattige Standorte gut zusagen. Allein in den hohen und höchsten Breiten handelt es sich nicht blos um abgeschwächtes Licht, sondern um die langen Winternächte, in welchen das Tageslicht ganz fehlt. Die Tertiärzeit bietet in dieser Beziehung schon keine grossen Schwie- rigkeiten mehr dar. Die zur Tertiärzeit in Spitzbergen lebenden Pflanzen hatten nach Heer sämmtlich fallendes Laub; sie waren somit auf einen Stillstand der Vegetation während der Winternacht eingerichtet. Allein das Gleiche kann schon von den Pflanzen der Kreideformation in Grönland und Spitzbergen nicht mehr gesagt werden, so wenig als von den Steinkohlen- pflanzen daselbst. Ob nun die immergrünen Pflanzen dieser Perioden die lange Winternacht ertragen konnten ? Wir beschränken uns darauf, das zu wiederholen, was Heer in seiner Polarflora I. S. 73 darüber sagt: »Es ist bekannt, dass in Petersburg zahlreiche Pflanzen südlicher Zonen in Ge- wächshäusern überwintert werden, welche während langer Zeit sehr wenig Licht erhalten; wie denn auch in unsern Breiten die Gewächshäuser wochenlang wegen der strengen Kälte zugedeckt werden müssen. Allerdings leiden darunter die Pflanzen, diejenigen indessen am wenigsten, welche Winterruhe halten. Eine solche Winterruhe halten alle Pflanzen mit fallendem Laub, aber auch manche wintergrüne Bäume, so die Nadelhölzer und unsere Alpenrosen, welche letz- tere in den Alpen während mehrerer Monate von einem Schneemantel bedeckt, also dem Licht unzugänglich sind.« Auch Arago ?) hebt hervor, dass wegen der Refraction des Lichts der Sonne und weil erst völlige Finsterniss eintritt, wenn die Sonne 18° unter dem Horizont steht, die Polarnächte 1) Artikel 5. *) Populäre Astronomie IV, S. 486. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 41 El == reducirt werden und bemerkt, dass »in den Polargegenden der Tag nur selten absolut aufhört und die vollständige Nacht von den Beobachtern daselbst fast nicht gekannt ist.« Das Hinderniss wegen Mangels an Licht darf somit als ein absolutes Hinderniss des Gedei- hens der Vegetation in hohen Breiten nicht aufgefasst werden. Ob diese Schwierigkeit durch Annahme der Blandet’schen Hypothese (Mercur-Sonne) besser und ganz beseitigt werde, ist sehr zweifelhaft, wenn für den angenommenen damaligen Zustand der Sonne der Maassstab der Leuchtkraft des Zodiaecallichts in Anwendung gebracht werden darf (cf. Einleitung). Zweites Oapitel. Erklärung der climatischen Verhältnisse der jüngern geologischen Perioden, besonders der Miocänformation. 1. Artikel. Verhbältniss des Tertiärclimas zu dem der vorhergehenden Perioden. Wie schon in der Einleitung erwähnt wurde, bieten jene geologischen Perioden, welche auf die Steinkohlenformation zunächst folgen, keine hervorragenden Unterschiede der clima- tischen Verhältnisse gegenüber den vorangegangenen Perioden dar. Die Pflanzen und Thiere treten zwar nach und nach vom Schauplatze ab und andere mehr oder weniger nahe stehende Formen treten dafür auf; aber die climatischen Verhältnisse bleiben sich in der Hauptsache gleich, d. h. die zonenweisen Unterschiede treten auch hier noch nicht hervor, obwohl der Charakter der Pflanzen nach Graf Saporta grössere Wärme und Trockenheit anzeigt. Es folgt daraus, dass die tellurischen Verhältnisse, nämlich oceanische Beschaffenheit der Erdoberfläche und damit zusammenhängend constante Bewölkung nicht, oder besser, so wenig sich geändert haben, dass die unbedeutenden Aenderungen keinen deutlich wahrnehmbaren Ein- fluss auf das Clima ausüben konnten. Erst mit der obern Kreideformation tritt, nicht ganz unerwartet, sofern auch der schon in der untern Kreide eine erste Spur (Grönland) sich ein- gestellt hatte, eine grössere Zahl der dicotyledonen Pflanzen hervor und zugleich damit ein bemerkbarer Unterschied in der Temperatur der verschiedenen Zonen. Aber erst in der ter- tiären und zwar miocänen Formation sind namhafte climatische Unterschiede nachweisbar und — 319, — zugleich ist jetzt die Flora und beziehungsweise Fauna den lebenden Gattungen sehr nahe stehend, zum grossen Theil mit denselben identisch, so dass eine Vergleichung mit den clima- tischen Ansprüchen der Organismen der Jetztwelt sich durchführen lässt. Unterdessen sind aber auch in den tellurischen Verhältnissen nachweisbar Aenderungen vor sich gegangen, durch welche der gesammte Charakter der Erdoberfläche ein ganz anderes Gepräge erhalten hat. Schon zur Zeit der eocänen Formation hat sich ausgebreitetes Land in beiden Halb- kugeln gebildet. Zeuge davon sind die zahlreichen Landsäugethiere, hauptsächlich Pachydermen. Dazu lichtliebende Landpflanzen mit der Organisation der Dicotyledonen und Monocotyledonen. Noch besser sekannt ist die miocäne Formation, die in Europa, Asien und America, unter den Polen, in mittleren Breiten und unter dem Aequator zahlreiche Schichten mit ver- steinerten Organismen zurückgelassen hat. Pachydermen sind überall verbreitet, dazu Wiederkäuer und Nager ete.; auch die Aus- beute fossiler miocäner landbewohnender Pilanzen vermehrt sich gewaltig. Das sind lauter sprechende Zeugnisse, dass die tellurischen Verhältnisse selbst, gegenüber den alten Perioden, sich beträchtlich geändert haven müssen. Jene fast einförmige Gleich- förmigkeit der tellurischen Verhältnisse und damit des Climas und auch der Organismen, wie sie in den alten Perioden herrschend war, war nicht dazu bestimmt, dass sie immer und zu allen Zeiten bestehen sollte. Die Anlage zu Veränderungen in all’ diesen Beziehungen war von Anfang an vorhan- den, nur brauchte es Zeit, bis dieselben sich zur Geltung zu bringen vermochten. Diese Anlage können wir nach Bronn !) als die terripetale Entwicklung der Erde kurz bezeichnen. Die Bewegung der oceanischen Gewässer griff da und dort die starr gewordene Erdrinde an und schüttete an andern Stellen Sedimente auf. Stellenweise erhob sich Land über den Meeresspiegel, wenn auch nur wenig. Andererseits drangen die Sickerwasser allmählich immer tiefer in die fest gewordene, langsam erkaltende Erdrinde ein, wodurch der Umfang des Meeres verkleinert, der Umfang des Landes aber vergrössert wurden. Ob und inwieweit auch vul- canische Kräfte im gleichen Sinn gewirkt haben, mag eine offene Frage bleiben. Aber die Anfänge des festen Landes waren noch zu schwach, um eine irgend wahrnehmbare Rückwir- kung auf die climatischen Zustände auszuüben. Die Zeit musste aber kommen, wenn auch !) Untersuchungen über die Entwicklungsgesetze 1858. S. 351 und 123. ee ganz allmählich, da die sporadischen Flecken des Festlandes sich zusammenschlossen und die Continente ins Dasein traten. Sobald aber festes Land in einer Ausdehnung vorhanden war, dass dasselbe den Namen eines Continents verdiente, so konnte dieser Umstand nicht mehr ohne Rückwirkung auf das Clima bleiben. Die bisherige Gleichförmigkeit musste bis auf einen gewissen Grad aufgehoben werden wodurch in mittleren und höheren Breiten ein Verlust an Wärme verbunden war. Die grosse Gleichförmigkeit und hohe Wärme der alten geologischen Perioden ist ja, wie zuvor ausgeführt wurde, in erster Reihe durch die physikalischen Eigenschaften des allverbreiteten Wassers bedingt, wenn auch nicht durch sie ganz allein, Mit dem Erscheinen der Continente traten aber noch andere Erscheinungen auf, welche die Wirkung des festen Landes verstärkten. Die Landwinde, welche zur Ausgleichung der gestörten Gleichgewichts der Lufttemperatur sich erhoben, waren im Stande die Wolkenhülle theilweise aufzusaugen und zeitweise zu zerstören. Ohnehin musste die Wolkenbildung in der tertiären Zeit spärlicher sein als in den alten geologischen Perioden, weil die Continente we- niger Wasserdampf lieferten als das Meer, das zuvor ihre Stelle einnahm,. Mit der Zerreissung der zuvor constanten Dunst- und Wolkenhülle, wurde nun die Ungleichförmigkeit des Climas in den verschiedenen Breiten gesteigert; Zustrahlung und Ausstrahlung fingen an ihr Spiel energischer zu treiben, Ein solcher Zustand der Oberfläche der Erde und des Climas liegt nach den paläontolo- Untersuchungen zur tertiären Zeit in der That klar vor Augen. Aber einen hohen Grad der Ausbildung haben diese Zustände noch keineswegs erreicht. Die Continente waren vielfach noch durchbrochen von Meeresarmen, wie jede geognostische Karte lehrt, oder auch von grossen Süsswasserseen, von welchen die weitverbreiteten Schildkröten und Krokodile Zeugniss geben; überdiess war das Land niedrig. Heer nimmt die Meereshöhe der Molasselandschaft mit rich- tigem Tact, wie uns scheint, auf nicht mehr als 250° über dem Meeresspiegel an (cf. Urwelt S. 478). In der 2. Auflage der Urwelt nimmt er dafür 100 m. Die Flüsse hatten wenig Gefäll, das Flussadernetz war wenig entwickelt. Wir können sagen: in der Tertiärzeit waren in der That Continente vorhanden, aber sie befanden sich noch im Anfangsstadium ihrer Aus- bildung. Im Zusammenhang mit diesen Verhältnissen wird man annehmen dürfen und müssen, dass zwar die constante Bewölkung der alten Perioden nicht mehr bestand, aber sie mag immer- hin noch um ein beträchtliches Maass stärker gewesen sein als heutzutage. Dank den Bemü- hungen der Paläontologen (besonders Heer’s) ist man im Stande, von dem Clima der Tertiär- zeit (Miocänzeit hauptsächlich) nicht blos eine allgemeine, immerhin unbestimmte Darlegung zu — 321 — geben, sondern bestimmte Ziffern aufzuführen, welche ein deutliches, ziemlich scharf umgrenztes Bild desselben erkennen lassen. Schon Bronn hat in seinen Entwicklungsgesetzen S. 198 die climatischen Verhältnisse der Tertiärzeit dargesteilt; allein durch die merkwürdige Ausbeute von fossilen Pflanzen in den höchsten Breiten, deren Untersuchung sich Heer !) unterzog, haben sich noch viel bestimmtere Resultate ergeben. Hiernach berechnete Heer (im VII. Bande seiner Polarflora) als Minimalbetrag der mittleren Jahrestemperatur zur Miocänzeit für Spitzbergen (78° n. B.) + 9° C.; für Grönland (70° n. B.) + 12° C. und für Grinnellland (82° n. B) + 8° C. Im Beginn seiner Untersuchungen über die polare Flora hatte Heer die Wärme dieser Localitäten um einige Grade niedriger geschätzt. Allein schon Graf Saporta machte aufmerk- sam, dass jene Schätzung ohne Zweifel noch zu niedrig sein werde. Dadurch und durch eigene Prüfung sah auch Heer sich veranlasst, etwas höher zu greifen und mit der Aufstellung der oben angeführten Zahlen befinden sich nun diese beiden Forscher auf dem Gebiete der Phy- topaläontologie in vollkommener Harmonie. Für die Schweiz (47° n. B.) berechnet sodann Heer die Temperatur der untern Süss- wassermolasse auf 20—21° C., die der obern auf 18—19° C., somit im Mittel beider auf 19°,50 C. = 15°,60 R. Die tropischen Breiten aber (Sumatra, Java, Borneo) weisen, wenn auch das genaue Alter der Formation, aus welcher die Pflanzenreste stammen, noch nicht ganz sicher gestellt ist, auf eine dem recenten Clima entsprechende Temperatur hin, nach den über- einstimmenden Untersuchungen von Heer ?), Göppert °) und Geyler %). Das climatische Bild der Tertiärzeit, das aus diesen Ziffern entgegentritt, steht schon ziemlich weit ab von dem Clima der Urzeit; es ist durchaus nicht mehr so gleichförmig wie jenes. Es steht aber noch weiter ab von dem Normalclima der Gegenwart, sofern es doch viel gleichförmiger in den ver- schiedenen Breitegraden ist, als das heutige. Nur in den Tropen selbst stimmen sowohl das tertiäre Clima, als das Clima der ältesten Perioden, als das Seeclima der Gegenwart, sowie auch das Normalclima bis auf eine überraschend geringe Abweichung hin überein. Relativ am nächsten kommt das Tertiärclima mit dem reinen Seeclima der Gegenwart überein. Allein die Abweichung ist auch hier noch zu gross, wie es andererseits sicher ist, dass zur Tertiärzeit die Erdoberfläche keineswegs mehr eine rein oceanische war. Wir werden wohl die Eigen- thümlichkeit dieses Climas am besten verstehen lernen, wenn wir dasselbe so analysiren: 1) Flora fossilis arctica. VII Bände von 1868—1883. 2) Fossile Pflanzen von Sumatra. S. 9. 3) Tertiärflora von Java. S. 69. 4) Fossile Pflanzen von Borneo. S. 69. a u 1. Das oceanische Clima der alten Perioden war zur mittleren Tertiärzeit zurückgedrängt, aber noch nicht soweit, dass schon ein Continentalelima im heutigen Sinn hätte Platz greifen können. 3. Auch die constante Bewölkung der alten Perioden wurde unterbrochen, aber nicht in dem hohen Grade wie heutzutage. Durch das Zusammenwirken dieser beiden Umstände wurde “ein Clima hervorgerufen, welches zwischen dem sehr gleichförmigen und warmen der alten Pe- rioden und zwischen den ungleichförmigen und abgekühlten der Gegenwart einigermassen in der Mitte steht, jedoch so, dass es noch mehr zu den Eigenschaften der alten Perioden Annä- herung zeigt, als zu denen der Gegenwart. Ein Zuschuss von Wärme durch das Erdinnere ist in diesen jungen Perioden, wenn auch nicht absolut abzulehnen, aber so uubedeutend, dass man von ihm ganz absehen kann. Sobald aber die tellurischen Zustände in der bisherigen lichtung sich noch weiter entwickelten, als ungefähr zur mittelmiocänen Periode geschehen war, so mussten auch die climatischen Differenzen noch schärfer hervortreten. 2. Artikel. Climatische Zustände gegen Ende der Plioeänzeit. Während der Pliocänzeit haben die Continente ihre Gestalt und ihren Umfang gewonnen, wie sie in der Gegenwart noch bestehen, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch in der Hauptsache. In Folge dieser Aenderung der tellurischen Verhältnisse, treten nun aber auch climatische Abänderungen ein, welche das Ende der Tertiärzeit von ihrem Anfang und ihrer Mitte beträchtlich unterscheiden. Die paläontologischen Untersuchungen über diesen Ab- schnitt der Tertiärformation sind leider nicht ganz so ergiebig, wenigtens nach dem gegen- wärtigen Stand, als über die früheren Abtheilungen. Der Grund mag in der Natur der Sache selbst liegen. Zeiten der Hebung, wie die pliocäne Periode offenbar in hervorragender Weise war, sind weniger geeignet zur Schichtenbildung und zum Einschluss von Organismen in die- selben, als Zeiten der Senkung oder des ruhigen Beharrens. Wo aber Untersuchungen an- gestellt werden konnten, z. B. in England, lassen sich starke Veränderungen der Temperatur- verhältnisse während dieser Zeit daraus abnehmen, Die pliocäne Formation (Crag) daselbst, lässt nach Wood !) bei den Meeresmuscheln von Stufe zu Stufe ein Abnehmen jener Arten er- kennen, welche einem wärmeren Clima angehören; dagegen ein stetiges Zunehmen jener Arten, die kälteren Gegenden zu eigen sind, so dass zuletzt die Meeresbevölkerung schon am Schlusse der pliocänen Zeit einen Charakter annimmt, der heutzutage nur in höhern Breiten gefunden !) ef. Lyell: Alter des Menschengeschlechts. S. 162. u wird. Es wurde sogar der Versuch gemacht, Pliocän und Eiszeit geradezu zu identificiren, was jedoch von anderer Seite abgelehnt wurde (cf. Rütimeyer: Pliocän und Eiszeit). Dagegen wird die von Heer vertretene Ansicht (Urwelt. 2. Auflage, S. 659), dass die Temperatur am Ende der pliocänen Zeit mit jener der Gegenwart gleich zu setzen sei, der Wirklichkeit am meisten entsprechen. Daraus ergibt sich unmittelbar, dass der stärkste relative Absprung der Temperaturerniedrigung zwischen die Miocänzeit und das Ende der Pliocänzeit fällt. Heer ver- zeichnet für mittlere Breiten (Schweiz) der obermiocänen Zeit 18°,5 C., für das Ende der Plio- eänzeit nur noch 9° C., ein Abstand, der grösser ist als je vorher und nachher zwischen zwei zeitlich einander so unmittelbar nahe gerückten Perioden (cf. Urwelt. 2. Auflage, S. 659). Befremden können solche climatische Zustände nicht. Weil sich die tellurischen Verhältnisse während der Pliocänzeit beträchtlich änderten, so mussten auch die climatischen Zustände im Sinne derselben sich beträchtlich abändern; der continentale Charakter des Climas konnte und musste jetzt in einer gewissen Schärfe in die Erscheinung treten. Letzterer zeichnet sich aber aus sowohl durch Ungleichförmigkeit der Temperatur in verschiedenen Breiten und in verschiedenen Jahreszeiten, als auch durch einen Rückgang der mittleren Jahreswärme in den mittleren und hohen Breiten, wie das schon in den vorangegangenen Artikeln auseinandergesetzt wurde. Wenn Dove auf S. 25 seiner öfter eitirten Schrift bemerkt, dass die Temperatur der Erdoberfläche sich im Allgemeinen bei jeder Vermehrung des festen Areals vermehrt haben müsse, so ist uns diese Aeusserung unverständlich. Wir verweisen jedoch auf die Angabe der näm- lichen Schrift, S. 22, welche ganz richtig sagt: »dass das feste Land in der heissen Zone im Jahresmittel heisser wird, als das Meer, in gemässigten und kalten Zonen aber das Umgekehrte stattfindet.« Es musste somit das pliocäne Clima nicht blos von den alten geologischen Perioden stark abweichen, sehr annähernd wie das heutige Clima, sondern auch von dem der anfänglichen und mittleren Tertiärzeit selbst, während welcher der continentale Charakter erst in seinen Anfängen sich befand. Die Continente, die am Ende der Pliocänzeit vorhanden waren, vermochten sich ihr spezifisches Clima selbst zu schaffen. Das feste und trockene Land ist ein vielmal besserer Wärmeleiter als das Wasser, man nimmt an, fünfmal besser. Dass daraus grössere Ungleichförmigkeit der Temperatur entstehen müsse, leuchtet ein. Sodann sind die trockenen Landwinde jetzt, seitdem die continentale Beschaffenheit der Erdoberfläche noch schärfer her- vorgetreten ist, noch weit mehr geeignet, die Wolkenhülle zu zerreissen und der Ausstrahlung und Zustrahlung freien Pass zu gewähren. Dass aber in mittleren und höheren Breiten der Effect der Ausstrahlung überwiegen musste, lehrt eine einfache Betrachtung. Die Zustrah- lung von der Sonne her ist in diesen Breiten schon an sich wegen des schiefen Auffallens der Sonnenstrahlen geschwächt; dagegen hat die Ausstrahlung überall mit keinem schiefen Winkel zu schaffen und kann sich in ungeschwächter Kraft auch in hohen Breiten vollziehen, so dass sich bei dem vorherrschend heitern Himmel des continentalen Climas ein Ueberschuss der Ausstrahlung in höheren Breiten ergeben muss, was gleichbedeutend ist mit einem Deficit an Wärme. Hiezu kommt der climatische Einfluss, der sich aus den Unebenheiten der Erdoberfläche (Gebirgen) ergab, und sich in dieser letzten Zeit der Tertiärformation vor- züglich einstellte. Die Gebirge trugen wesentlich dazu bei, das Clima nicht blos ungleichför- miger, sondern auch kälter zu machen. Da jedoch dieselben über die Continente hin sehr unregelmässig zerstreut sind und unter sich in Höhe und Ausdehnung sehr bedeutend abweichen, so ist es sehr schwierig, hiefür eine bestimmte Ziffer anzuführen und dieselbe von der Wirkung des continentalen Climas allein (auch ohne Gebirge) auszuscheiden. Es ist um so unthun- licher darauf einzugehen, als die Geographen und Meteorologen, in Würdigung der durch die gebirgigen Erhebungen verursachten Unregelmässigkeiten der Temperaturverhältnisse, eine Re- duction auf die Meeresfläche zur Anwendung zu bringen sich zum Grundsatz gemacht haben, Immerhin sieht man, dass auch in den Unterabtheilungen der Tertiärformation der Satz sich bestätigt, der unserer ganzen Auffassung zu Grunde liest, dass die climatischen Verhältnisse wesentlich mit der tellurischen Oberflächenbeschaffenheit zusammenhängen. Sodann ist aber noch ein dritter Umstand zu beachten. Wie das Clima zu Ende der Pliocänzeit dem heutigen Clima in der Hauptsache gleichzusetzen ist, so wird dazumal, wie heutzutage, in mittleren und höheren Breiten der Charakter der Niederschläge ebenfalls der gleiche gewesen sein; d. h. durch einen guten Theil des Jahres hindurch werden die Nieder- schläge in der festen Form des Schnees erfolgt sein. Eine Schneedecke lagerte sich auf weite Räume während des Winters längere oder kürzere Zeit auf der Erde nieder. Für die wärmere Jahreszeit erwuchs nun aber die nächste und unvermeidliche Aufgabe, den Schnee wegzuschmelzen, bevor eine positive Erwärmung erfolgen konnte. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass durch diese Leistung eine Abminderung der mittleren Jahrestemperatur statt- finden musste, sowohl gegenüber den alten Erdperioden, welche diese Erscheinung überhaupt nicht kannten, als auch gegenüber der Molasseperiode, wo dieselbe vielleicht in der Nähe der Pole aber nur auf engem Raum eine schnell vorübergehende-Erscheinung gewesen sein Konnte. Die Condensationswärme bei der Krystallirung des Schnees dürfen wir als einen Ersatz für diesen Verlust an Wärme nicht in Anschlag bringen. Eine einfache Betrachtung über die Regionen, in welcher das Schmelzen des Schnees einerseits und das Krystallisiren — a desselben andererseits stattfindet, wird darüber genügendes Licht verbreiten. Das Abschmelzen der Schneedecke geschieht unmittelbar an der Oberfläche der Erde selbst. Die hierzu erforder- liche Wärme wird entnommen jenen Luftschichten und jenen Sonnenstrahlen, welche ohne diese Leistung direct auf die Erhöhung der Temperatur der Erdoberfläche einwirken würden. Die Erstarrung des Schnees aber findet in hohen Regionen der Luft statt, welche mit der Oberfläche der Erde jedenfalls in keinem unmittelbaren direeten Contact stehen; die Conden- sationswärme zerstreut sich im freien Himmelsraum, während die zum Schmelzen des Schnees erforderliche Wärme aus der unmittelbaren Nähe der Erdoberfläche entnommen wird. Da- durch entsteht ein weiterer nicht gering anzuschlagender Verlust an effectiver, den Organismen sonst zu gut kommender Wärme der Erdoberfläche. Hiemit sind drei Factoren namhaft gemacht, die continentale und die gebirgige Beschaffen- heit der Erdoberfläche und dazu die Erscheinung des Schnees, welche zusammenwirkend wohl im Stande waren ein so gewaltiges Resultat hervorzurufen, wie dasselbe in der Abminderung der Temperatur seit der Molassezeit in mittleren Breiten von 18°,50 C. auf 9° C. sich dar- stellte. In der That wird in keiner andern geologischen Periode ein Zusammentreffen so man- nigfacher und energischer Umstände nachgewiesen werden können, welche eine solche Abände- rung des zuvor im Besitz befindlichen Climas zu bewirken im Stande waren. Eine weitere wichtige Frage möchte nun die sein: ob nicht die abgeänderten climatischen Verhältnisse von sich aus im Stande waren, auf die Umgestaltung der Erdoberfläche zurückzuwirken? Mit andern Worten, ob nicht ein Verhältniss der Wechselwirkung zwischen climatischen und tellurischen Zuständen sich einstellen konnte, und ob dieses Verhältniss sich nicht schon zur pliocänen Zeit selbst geltend gemacht habe? Wir glauben diese Frage mit Bestimmtheit bejahen zu können; wollen jedoch, um den Gegenstand nicht verwickelt zu machen, die Besprechung desselben aufschieben und späterhin abgesondert behandeln. (cf. II. Abtheilung Capitel 2. 3.) Drittes Capitel. Erklärung der climatischen Verhältnisse der Quartärzeit. Als Erbschaft aus der Tertiärzeit empfing die quartäre Zeitperiode nicht blos die Continente im Gegensatz zu der mehr oder weniger oceanischen Beschaffenheit der früheren Perioden, sondern auch die Gebirge. Diese letztere Seite ist es, welche der quartären Periode ihr Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIIT. 42 spezifisches climatisches Gepräge verleiht, und die deshalb noch näher in Betracht zu ziehen sein wird. Ein ausgedehnter Continent vermag, auch wenn er eine niedrige Lage über dem Meer einnimmt, ein excessives Clima hervorzurufen und, wenn dasselbe sich in hohen Breite- graden befindet, so wird auch das Jahresmittel der Temperatur tief herabgedrückt; aber die Erscheinung der Gletscher wird hierdurch allein noch nicht hervorgerufen. Sibirien hat nach Middendorf !) trotz seiner sehr tiefen jährlichen Durchschnittstemperatur, keinen bleibenden Schnee und keine Gletscher, weil die Sommerwärme im Stande ist, den Schnee wegzuschmelzen. Middendorf äussert sich aber, »dass eine nur unbedeutende Hebung des Taymirlandes um einige hundert Fuss oder auch das Vorhandensein eines einzigen Gipfels in einem Gebirgsstock, der sich um ein paar tausend Fuss erhöbe, hinreichend wäre, um das Land in eine Schneewüste zu verwandeln. Nur ein wenig mehr Seeclima, d. h. nur gedämpfte Sommermonate und einzelne Schneetriften würden übersommern, Kerne hinterlassend, welche, begünstigt durch einen darauf folgenden kalten Sommer, sich grossartig entwickeln und ihrer- seits auf das Clima zurückzuwirken vermöchten«. Die Vorbedingung der Entwickelung der Gletscher, besonders jener grossartigen Gletscher, wie sie in der quartären Zeit erscheinen, sind hiernach die Gebirge, auf welchen sich die Massen von Schnee ansammeln können. Es wurde schon in einer frühern Abhandlung ?) der Zusammenhang der Gebirge und der Gletscherzeit zu erörtern gesucht und möchten wir uns desshalb hier darauf beschränken können, nur die wichtigsten Gesichtspunkte hervorzuheben. Die Gebirge erheben sich in Regionen des Luftkreises, in welchen wegen der Dünnheit der Luft und ihrer dadurch verminderten Wärmecapacität die Niederschläge, je nach der geographischen Breite, einen grossen Theil des Jahrs in fester Form (Schnee) erfolgen. Die geringe Wärme des kurzen Sommers ist nicht im Stande den Schnee ganz zu bewältigen, es bleibt ein Rest übrig und so bildet sich die Zone des sogenannten ewigen Schnees, Man mag sich nun die Entstehung der Gebirge denken, wie man will, soviel wird sicher sein, dass die- selben anfänglich weniger zerstückelt, mehr in sich geschlossen waren, als heutzutage. Dass die Menge von Thälern, insbesondere von Querthälern, erst nachträglich durch die Erosion und die mit ihr Hand in Hand gehende Verwitterung enstanden sind, aus dem Gebirge heraus- modellirt wurden, scheint bei dem heutigen Stand der Untersuchung kaum mehr zweifelhaft zu sein; wobei jedoch selbstverständlich durchaus nicht ausgeschlossen ist, dass sich die erodiren- 2) Reise in den äussersten Osten und Norden Sibiriens. IV, S. 435. 2) Württ. naturwissenschaftliche Jahreshefte. 1875. 8. 85. — 327 — den Gewässer die vorhandene Terrainbeschaffenheit (Risse und Spalten im Gebirge) möglichst zu Nutzen machten und sich an dieselben anschlossen. Die Anfänge der Erosion können gleichzeitig mit der Erhebung der Gebirge begonnen haben. Sobald durch die Unebenheiten da und dort das Wasser ein stärkeres Gefäll erlangte, fing dasselbe an, Rinnen in das Gebirge zu graben. Aber diese Rinnen (Thäler) nahmen ihren Anfang am Fusse des Gebirgs und zogen sich langsamer oder rascher von unten nach oben, von aussen nach innen. Die Erosion konnte der Hebung nicht vorauseilen und auch nicht ganz gleichen Schritt mit derselben halten, weil das zu erodirende Object (der Berg), nothwendig vorher sein muss, als das Product der Erosion (das Thal). So brach sich die Erosion von dem Fuss und dem äussern Abhang ausgehend, nach oben und nach der Mitte des Gebirgs Bahn mit ungleicher Geschwindigkeit, aber immerhin langsamer als die Hebung. Ist ja heutzutage die Erosion in Gebirg und Hügelland auch da, wo keine Spur von recenter Hebung vorhanden. ist, iinmer noch in Thätigkeit und lässt sich bei genauer Beobachtung der Fortschritt derselben, von Jahr zu Jahr erkennen. Das Wasseradernetz fährt immer noch fort sich auszubilden und neue Thäler und Thälchen untergeordneten Ranges in diagonaler oder rechtwinkliger Richtung auf das Hauptthal zu bilden. Das langsamere oder raschere Fortschreiten der Erosion durch die fliessenden Wasser, womit die Verwitterung Hand in Hand geht, hängt von verschiedenen Umständen ab, besonders von der Beschaffenheit der Schichten und Schichtenstellung. Selbst in dem leicht möglichen Falle, dass alte, d. h. vorangegangene Erdperioden, oder auch einem früheren Abschnitt der gleichen Periode angehörige Thalwege, durch eine spätere Hebung mit emporgehoben wurden, werden sich die Verhältnisse der Erosion zur Hebung nicht wesentlich ändern. Sobald nämlich der alte Thaiboden von der Hebung mitergriffen wurde, veränderten sich die Terrainverhältnisse so, dass derselbe nicht mehr die Functionen als Thalweg verrichten konnte. Der alte Thalweg war als solcher ausser Curs gesetzt und musste warten, ob und wann und wie weit bei den veränderten Terrainverhältnissen der Fortgang der Erosion ihn ergriff oder bei Seite liegen liess. Aus all’ diesem folgt, dass auf den inneren Zügen jener Gebirge, welche die Grenze des ewigen Schnees erreichten, die im Lauf der Jahre niedergehenden Schneemassen sich eine Zeit lang ansammeln mussten. Es bedarf kaum einer Rechnung, um zu zeigen, dass in Zeit- räumen, welche in geologischem Sinne sehr klein sind, schon in einigen Jahrhunderten, sich gewaltige Schneemassen angesammelt haben mussten. Erst, wenn die der Hebung nachfolgende Erosion tiefer und tiefer ihre Querthäler eingefurcht hatte und gegen die inneren Gebirgszüge vorgerückt war, trat die Möglichkeit einer Abfuhr der Schneemassen durch die Querthäler ein. Sie flossen nun ab als Gletscher und die sämmtlichen alten grossen Gletscher der Alpen flossen nur durch Querthäler ab. Ob die Gletscher selbst direct zur Ausfurchung und Ausweitung der Thäler kräftig mit- gewirkt haben, ist nach den Beobachtungen der alpinen Geologen zweifelhaft. Aber ihre indirecte diesbezügliche Wirkung ist sicher sehr hoch anzuschlagen. Dieselben schafften den Gebirgsschutt weg und führten ihn weit fort in Gegenden ausserhalb des Gebirges. Dadurch wurde für die Verwitterung immer neues Feld hergestellt, während ohne sie, durch die Schutthalden, die Thalwände vor tiefer gehender Verwitterung geschützt worden wären. Dass diese Thätigkeit der Gletscher schwer ins Gewicht fällt, wird alsbald klar, wenn man die ausgedehnten, mehrere hundert Fuss mächtigen Schuttmassen betrachtet, welche die alten Gletscher über ganze Landstrecken, über hunderte von Quadratmeilen hin transportirt haben. Die Gletscher flossen durch die Querthäler in die Niederungen herab; aber die Wärme der Niederung war offenbar nicht im Stande dieses seit vielleicht manchen Jahrhunderten an- gesammelte Material alsbald zu bewältigen und zu schmelzen. Sie breiteten sich am Fuss des Gebirges in der Ebene fächerförmig aus. Die bisher in der Ebene lebende Fauna und Flora wurde verdrängt und climatische Zustände hervorgerufen, auch in der Ebene, die durch Fern- wirkung auf benachbarte Mittelgebirge auf so kräftige Weise sich äussern konnte, dass auch auf diesen eine Linie des ewigen Schnees und Gletscherbildung ins Leben treten konnte. Für die Nachbarschaft des Rheinthalgletschers sind hier zu erwähnen: der Jura, die Vogesen und der Schwarzwald. In dem Fall aber, dass die Gletscher sich in das Meer ergossen, strandeten die Eisberge in vielleicht erst grosser Entfernung, überall die climatischen Zustände ver- schlimmernd. So war es möglich, dass weithin in Gegenden, die ihrer Lage nach zuvor eines vielleicht schon mehr oder weniger continentalen, aber immerhin gemässigten Climas, theilhaftig waren, eine Umänderung der climatischen Verhältnisse sich vollzog, die man mit Recht mit dem Namen der Eiszeit belegte. Viele Geologen sehen sich aus Gründen der Lagerung und der eingeschlossenen orga- nischen Reste veranlasst, eine doppelte Eiszeit, unterbrochen durch eine interglaciale Periode (Utznach) anzunehmen. Für Norddeutschland wird von Dr. A. Penk ') eine wenigstens drei- malige Wiederholung und Unterbrechung verlangt, eine Zahl, die in neuester Zeit von ihm auch auf Bayern ausgedehnt wird’°). ’) Zeitschrift der deutschen geolog. Gesellschaft 1879. III. Band S. 117. 2) Vergletscherung der deutschen Alpen 1882. a — Es kann sich blos fragen, ob diese Erscheinungen unter dem Gesichtspunkt einer sellist- ständigen geologischen Unterabtheilung aufgefasst werden dürfen und müssen, oder aber unter dem Gesichtspunkt von Schwankungen in der Abwicklung des Prozesses, welcher in seinen hauptsächlichsten Zügen dargestellt wurde. Unsere Auffassung legt den letzteren Gesichtspunkt näher. Die Entstehung der Gebirge, sei es durch Faltung oder durch irgend eine andere Ursache, war nicht Sache eines Moments, trat auch sicher nicht ausschliesslich nur in einer einzigen Periode ein, obwohl dem Ende der tertiären Zeit eine hervorragende Bedeutung zufällt; sie mag in manchen Gegenden der Erde schon früher angefangen haben und setzte sich jedenfalls durch die quartäre Zeit hindurch noch da und dort fort. Bedeutende Niveauschwankungen in England und Amerika während der quartären Zeit legen davon bestimmte Zeugnisse ab. Durch die fortgesetzte Faltung oder Hebung wurden nun bald da bald dort die schon eröffneten Wege zur Abfuhr des Schnees oder zum Abfluss der Gletscher verstopft. Die weitere Abfuhr gerieth vielleicht auf längere Zeit ins Stocken, oder traten Senkungen selbst unter den Spiegel des Meeres ein. In der Zwischenzeit konnte nun da und dort ein gelinderes Clima sich geltend machen, weil die Ursache der Verschlech- terung des Climas, mehr oder weniger vollständig, auf kürzere oder längere Zeit beseitigt, wenigstens in die Ferne gerückt war. Sobald aber durch die Erosion wieder neue Bahnen gebrochen waren, so begann auch wieder der Prozess der Entladung der indessen im Gebirge wiederholt angesammelten Schnee- massen mit all’ seinen begleitenden Erscheinungen. Wollte man aber den durch Beobachtung an mehreren Orten (cf. Heer: Urwelt. 2. Auflage, S. 574) nachgewiesenen Temperaturschwankungen innerhalb der Quartärzeit die Bedeutung einer allgemein verbreiteten geologischen Unterabtheilung zuerkennen, so würde man dadurch auf einen ganz anderen principiellen Standpunkt hingedrängt; auf jenen Standpunkt, der eine fortlaufende Reihe abwechselnd warmer und kalter Perioden durch die ganze Zeit der Entwick- lung der Erde hindurch fordert (Croll. Da jedoch die paläontologischen Untersuchungen hiemit keineswegs im Einklang stehen (cf. Heer: Urwelt. 2. Auflage, S. 668), so wird es misslich sein, auf diese Auffassung sich einzulassen, so lange noch die Möglichkeit einer ander- weitigen Erklärung besteht. Jedenfalls gereicht es zum Nachtheile dieser Theorie, dass die Zahl der Eiszeitperioden in sehr verschiedener Weise anzugeben sich veranlasst sehen. Dass Dr. Penk für Norddeutschland und Bayern drei verschiedene Vergletscherungen verlangt, wurde schon bemerkt. In England aber wollen, nach der Angabe bei Dr. Schmick (ef. Sonne und Mond als die Bildner der Erdschale, S. 90), zwischen den Forest-beds und heute nicht weniger ggg als fünf warme Zwischenperioden gezählt werden. Ferner wird von Schmick ein Beispiel aus Schottland (nach Croll) mitgetheilt (l. a. S. 91), »dass der Bohrer innerhalb einer Tiefe von 86 Fuss nicht weniger als 6 Schichten mit Gletscherblocklehm, wohlgeschieden durch Fluss- sandschichten, in zwei Fällen 5, in einem Fall 4, in zehn Fällen 3, in fünfundzwanzig Fällen 2 Blocklehmlagerungen, jedesmal klar getrennt durch Flusssand und Kieslager«, erreichte, Man kann daher sicher sein, fügt Schmick hinzu, dass, wenn der Blocklehm irgendwo sechstheilig ist, er es allenthalben sein müsse, obschon die Trennung nicht überall festgestellt werden kann; ja es liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, dass die Sechstheiligkeit nicht einmal die höchste Zahl iste. Bei solchem Stande der Sache empfiehlt sich doch der Gesichtspunkt der ÖOseillationen einer einmaligen Gletscherzeit viel besser, als die Zerlegung in eine fast unabsehbare Reihe von selbstständigen Eiszeiten. Störungen, Verlangsamungen und Beschleunigungen in der Aus- bildung und Fortbewegung der Gletscher sind aber auch noch aus anderen Gründen als un- abwendbar zu erkennen. Wenn es richtig ist, dass der Austritt der angesammelten Schneemassen aus dem Gebirg und ihre Vorwärtsbewegung erst durch die von aussen nach innen erfolgende allmähliche Erosion der Querthäler ermöglicht wurde, so musste nothwendig der Gletscher sich ruckweise vorwärts bewegen. Mit der Durchschneidung jeder weiter nach einwärts liegenden Kette des Gebirges wurde wieder ein neues Längsthal eröffnet, welches nun seinen angesam- melten Vorrath von Material ablassen konnte. Aber bis zur Eröffnung des nächstfolgenden Längsthals durch Erosion verstrich ein Zeitraum, während dessen nicht die gleichen Massen von Material stetig abgingen. Die Fortbewegung des Gletschers wurde dadurch verlangsamt oder gerieth ins Stocken und erhielt erst wieder einen starken Anstoss, wenn eine neue weitere nach innen gelegene Gebirgskette eröffnet wurde. Jedes grössere Querthal in den Alpen und anderwärts,‘ durch welches in der Quartärzeit sich ein Gletscher hinbewegte, wird auch eine grössere oder kleinere Anzahl von Längsthälern oder Längsketten des Gebirgs durchschnitten haben. Und selbst das in den Längsthälern und an ihren Gehängen angesammelte Material hatte keineswegs eine so offene Bahn, dass dasselbe in ununterbrochenem und gleichmässigem Erguss in die Querthäler vorrücken konnte. Auch innerhalb der Längsthäler selbst waren Hindernisse mannigfaltiger Art, Biegungen, Verengungen und Unebenheiten zu überwinden, so dass Störungen des gleichmässigen Fortganges unvermeidlich waren. Nachweisbar werden aber diese Störungen nur in seltenen und ausnahmsweisen Fällen sein, da die schliesslich doch erfolgte Besitzuahme des Terrains durch die Gletscher ihre Spuren in den meisten Fällen verwischte, — 3a, Es ist hier nicht der Ort, specielle Beobachtungen über Lagerungsverhältnisse anzuführen. Aber wir könnten solche aus dem Nordrand des Rheinthalgletschers (bei Biberach) namhaft machen, woselbst in einer rasch aufeinander folgenden Reihe von Aufschlüssen ganz bedeutende Abweichungen in den Lagerungsverhältnissen vorhanden sind, die unseres Erachtens nicht anders, denn als locale Abänderungen aufgefasst werden können. Einige Punkte haben wir in den Württemb. Jahresheften 1874, Seite 68, namhaft gemacht. Aber auch die Untersuchungen der Schweizer Geologen selbst, welche innerhalb des Molassegebiets der Schweiz Reihen von hintereinander liegenden Endmoränen nachgewiesen!) haben, sind ganz geeignet den Beweis zu liefern, dass der Rückzug des Gletschers mehrfachen localen Schwankungen unterlag. An solchen Stellen und zu solchen Zeiten, wo die Endmoränen sich anhäuften, erlitt derselbe offenbar Verzögerungen, die sich oft wiederholten. Noch mehr mögen Stillstände stattgefunden haben beim Vordringen der Gletscher, da gerade hier zugleich oft die bedeutendsten Terrainschwierigkeiten zu überwinden waren, die dem Vordringen derselben recht lang dauernde Hindernisse in den Weg gelegt haben mögen. Die characteristischen Erscheinungen der Eiszeit sind somit nach dieser Auffassung zunächst an bestimmte, oft verwickelte, locale Bedingungen gebunden; sie sind eine Folge- erscheinung der ursprünglichen Beschaffenheit des Gebirgs und haben eine grosse räum- liche Ausdehnung annehmen können und müssen, aber sie sind ihrer Natur nach nicht universell. Wir können desshalb dem Grafen Saporta nicht principiell widersprechen, wenn derselbe auf Grund einiger fossilen Organismen der quartären Periode ein wärmeres Clima zuzuschreiben geneigt ist (l. c. $. 122). Die tellurischen Verhältnisse konnten zur Quartärzeit an ver- schiedenen Orten sehr verschieden gewesen sein. Dort Gebirge, auf welchen sich die Schnee- massen ansammelten und schliesslich auf die Ebene hinab entluden; anderwärts aber Ebenen oder Hügelland, welche von dem Einfluss der Gebirge und der daselbst sich vollziehenden Vorgänge so weit entfernt waren, dass dieselben nicht oder kaum merklich davon beeinflusst wurden, während vielleicht erwärmende Einflüsse sich geltend machen konnten. Ein Blick auf die Karte, welche von Professor Rütimeyer?) zur Veranschaulichung der Verbreitung der alpinen Gletscher in der Quartärzeit entworfen wurde, zeigt auch in der That, dass auf das französische Territorium die Gletscher nur sehr wenig Eingang gefunden haben; es ist nur die Gegend von Grenoble bis Lyon. Deutschland aber wurde nicht blos in seiner ganzen ) cf. Heer: Urwelt. 2. Auflage, S. 543. 2) Pliocän und Eiszeit. Tafel I. Breite von Süden her (von den Alpen aus) mit Gletschern weithin überdeckt, sondern gleich- zeitig wurde der Norden durch die scandinavischen Eisberge überschüttet und die mittel- deutschen Gebirge und Landstriche in die Mitte genommen. Es konnten somit in dieser Zeit die mannigfaltigsten und nicht selten scheinbar oder wirklich sich widersprechende climatische Erscheinungen auftreten und sich eine Zeit lang aufrecht erhalten, deren Ausgleichung erst der folgenden Periode, der recenten Erdperiode, vorbehalten waren. Ein ganz specielles Interesse nimmt die Erscheinung für sich in Anspruch, dass der Fauna der Quartärzeit vielfach ein nicht zu verkennendes Element von Steppenthieren beige- mischt ist, das besonders durch die verdienstvollen Bemühungen von Professor Dr. Nehring bekannt wurde (Alactaga jaculus, Spermophilus ete.). Dass die Thiere der Quartärzeit für ein rauhes Clima ausgerüstet waren, oder trotzige Raubthiere, die der Rauhigkeit des Climas einerseits widerstanden, andererseits in Höhlen Schutz suchten und fanden, das ist mit den Vorstellungen, die man sich von dem Clima der Quartärzeit machen muss, ganz im Einklang. Aber auffallend ist ein Steppenclima in Gegenden von Centraleuropa, die heutzutage ganz anders geartet sind. Ohne Bodenschwankungen zu Hilfe zu nehmen, wird man sich nicht leicht eine Vorstellung davon machen können. Wenn man sich aber davor nicht scheut, so wären die Gegenden um das heutige Dänemark ins Auge zu fassen. Dort greifen eine Anzahl von sehr seichten Meeren in einander (Ostsee, Nordsee, Belt, Canal), deren mittlere Tiefe nach den einzelnen Berechnungen von Dr. Krümmel (cf. Vergleichende Morphologie der Meeres- räume, S. 95 und 96) auf nicht mehr als 57 m mittlerer Tiefe sich herausstellt. Wenn in dieser Gegend im Laufe der Quartärzeit oder im Anschlusse an sie, wenn auch nur vorüber- gehend, statt Meer, Land war, so wurden dadurch bedeutende Ländermassen in festen Zu- sammenhang gebracht: Norwegen und Schweden mit Russland und Deutschland und mit ihnen auch noch Frankreich und England verbunden. Dadurch konnte sich das Clima dieses Länder- complexes bedeutend ändern und Aehnlichkeit mit dem heutigen asiatischen Clima erreichen, Ob dabei auch der weitere Gesichtspunkt noch von Bedeutung sein konnte, dass durch die Ansammlung der Schneemassen auf gewaltigen Strecken (sogenanntes Inlandeis in Nordeuropa und Nordamerika, sowie Schneeansammlungen auf den meisten Hochgebirgen und sogar Mittel- gebirgen in höheren Breiten), ein fühlbarer Theil der gesammten Wassermengen der Erdober- fläche so zu sagen suspendirt wurde, latent gemacht wurde, will hier nur berührt, nicht erörtert werden. Für jene Gegenden Mitteldeutschlands, welche von dem Gletscher selbst nicht occeupirt waren, aber unter dem Einfluss der in Nord und Süd in colossalem Massstab entwickelten — 333 — Eismassen standen, beansprucht Herr Prof. Sandberger ') eine Temperatur, wie sie heutzutage Petersburg besitzt, nämlich 3'° R., wofür ihm sowohl die Beschaffenheit der Conchylien als der Wirbelthiere den Maassstab an die Hand geben. Für Würzburg speciell, mit 8° R, Jahres- wärme, beträgt sonach die Differenz gegen das heutige Clima eine Abnahme von 4'/° R. Ganz nahe übereinstimmend hiemit ist das Resultat, welches von Heer für die Schweiz ?) gewonnen wird. Er nimmt für dieselbe während der ersten Gletscherperiode 5° C. und während der zweiten 4° C. als mittlere Jahrestemperatur an. VrertesrCapibel. Erklärung der climatischen Verhältnisse der Gegenwart. Von dem Schluss der quartären Zeit bis zur Gegenwart haben bedeutende Senkungen und Hebungen, welche im Stande gewesen wären, das gegenseitige Verhältniss des festen Landes und des flüssigen Elements in grossem Maassstab zu ändern, nicht stattgefunden. Die quartären Schichtencomplexe zeigen, soweit bekannt, überall ungestörte, ursprüngliche, horizontale Lagerungsverhältnisse; kleinere Abweichungen haben nur locale Bedeutung. Wenn aber auch die tellurischen Verhältnisse nach dieser Richtung hin eine wesentliche Aenderung nicht erlitten haben, so fehlte es doch nach anderer Seite hin nicht an belang- reichen Alterationen der in der vorhergehenden Periode bestandenen Zustände. Im vorigen Capitel wurde auf die Thätigkeit der Erosion und der dadurch bewirkten Zerstücklung der Gebirge hingewiesen, durch welche die anfängliche Geschlossenheit derselben durchbrochen wurde. Eine langdauernde Ansammlung der Schneemassen war nunmehr nicht mehr möglich. Damit wurde die Erscheinung der Gletscher auf ein bescheidenes Maass zurückgeführt. Die noch vorhandenen Gletscher der Hochgebirge führen das ganze Jahr hin- durch den Gebirgsschnee ab und stellen nach den Untersuchungen von Tyndall selbst während des Winters ihre Thätigkeit nicht ganz ein. Mit solchen zeitlich zertheilten Mengen weiss die Wärme der Niederungen bald fertig zu werden. Die recenten Gletscherreste werden, mit Aus- nahme derjenigen, die in sehr hohen Breiten sich befinden, nach kurzem Lauf in Wasser um- gewandelt und setzen als Flüsse ihre Bahn fort. 1) Deber Ablagerungen der Glacialzeit und ihre Fauna. S. 13, 1879. 2) Urwelt der Schweiz. 2. Auflage, S. 650. Abhandl. d. Serckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 43 — 334 — Hiermit ist eine wesentliche Milderung des recenten Climas gegenüber der quartären Zeit gegeben. Allein eine Rückkehr zu dem warmen und gleichförmigen Clima der alten geologischen Perioden, oder auch nur der Molassezeit konnte nicht stattfinden. Wenn es möglich wäre, dass das feste Land sich soweit erniedrigen würde, wie zur Molassezeit, somit einen sehr wichtigen Theil seiner continentalen Beschaffenheit verlieren würde, wenn damit dann auch die Bewölkungsverhältnisse und der Charakter der meteorischen Niederschläge sich in Einklang setzen würden, so würde auch das Clima der Molassezeit wieder in Wirksamkeit treten können. Und wenn die Erniedrigung des festen Landes noch weiter gehen würde, wenn die Continente sich auflösen würden, die oceanische Beschaffenheit der Erdoberfläche wieder weit- aus dominirend würde und sich die Bewölkungsverhältnisse damit in Einklang setzen würden, dann könnte auch selbst das Clima der alten Perioden in der Hauptsache sich wieder geltend machen. Nur das Clima und die Beschaffenheit der Erdoberfläche am Ende der Pliocänzeit bietet einen Charakter dar, welcher mit dem der Gegenwart im Einklange steht. Die Gebirge der Pliocänzeit hatten wohl eine andere Qualität als die der Jetztzeit, es konnten sich dort wegen ihrer grösseren Geschlossenheit die Anfänge zu einer climatischen befremdenden Umänderung bilden; aber doch nur die Anfänge, denn die volle wirkliche Ausbildung dieser Zustände ist nicht mehr die Pliocänzeit, sondern die Eiszeit selbst. Heutzutage aber vermögen sich nur noch verhältnissmässig geringe Reste der grossartigen Erscheinung der Gletscherzeit zu halten. Das Anfangsstadium zur Pliocänzeit und das Endstadium in der recenten Periode werden, wenigstens was den climatischen Effect anbelangt, kaum von einander verschieden sein. Wie gross und welcher Art die Temperaturdifferenzen gegenüber den früheren Erd- perioden seien, findet man durch Vergleichung der jetzt bestehenden Temperatur mit jener, welche sich aus den Fossilresten der früheren Erdperioden annähernd abnehmen lassen. Heer und Graf Saporta haben sich eingehend mit diesen Untersuchungen beschäftigt, wie schon früher hervorgehoben wurde. Wir haben jedoch gesucht, die Abnahme der Temperatur auch noch auf einem andern Wege darzulegen. Für das Clima der alten Erdperioden kann man nach Tabelle II und V unter Hinzufügung von 3° R., welche in Art. 5 des ersten Abschnitts als eine zulässige nach- zuweisen gesucht wurde, in den Hauptzonen annehmen: für die polaren Gegenden. . ...„ em" R fürndenAsSder Breite ec OR für,die Tropen 7.0 res lc E02 Sn m Das Normalclima der Gegenwart aber (Dove) ergiebt als einen Mittelwerth der nämlichen Zonen (cf. Tabelle I): fürsdielBolarzonenme Mitteln er a lEER. füraden@As. der Breiten vr 760. fürszdieRropenumee Dar BR N KERIIS R: Die Abminderung der Wärme wäre somit seit den alten geologischen Perioden: infderäpolarenaRecione er ee SIE. inemittlereng Breiten gun REIS AORR: unterkdent Tropentanua ea re Ra or EZ: der mittlere Durchschnitt der Abnahme in allen drei Zonen circa 14° R. Legt man aber die von den Paläontologen auf Grund der Fossilreste gemachten Anfor- derungen zu Grund, so ergiebt sich kein beträchtlich abweichendes Resultat. Die Paläontologen verlangen, wie früher schon angeführt, dem Wortlaut nach ein gleich- mässiges Clima über alle Breiten für die alten Erdperioden im Betrag von ca. 20° R. So- mit ergiebt sich gegenüber dem Normalclima der Gegenwart eine Differenz von durchschnittlich : inwder=Polarzoner. ae.) Zur er alt R, unteradempAnderBreitenn re OL AGER: unterzdeneDropen@ Erna ee ee iR: beziehungsweise hier eine Zunahme von 1’ R. Der mittlere Durchschnitt der Abnahme in allen drei Zonen beträgt 14°,46 R., somit ähnlich wie oben. Wir glauben jedoch, dass die Paläontologen kein grosses Gewicht auf eine unter allen Breiten ganz strict gleichmässige Temperatur selbst nur der alten Perioden legen wer- den, dass vielmehr die oben in Rechnung gebrachte sehr mässige Ungleichmässigkeit des Climas sich in manchen Punkten der natürlichen Ordnung der Dinge besser accommodiren werde. In allen Faunen- und Florengebieten der Jetztwelt kommen ähnliche und noch viel stärkere mitt- lere Temperaturdifferenzen vor, was nicht hindert, dass der grösste Theil der Pflanzen und Thiere über das ganze Gebiet hin ein gutes Gedeihen findet. Sodann ist zu beachten, dass, wenn wirklich die Temperatur zwischen Aequator und Polen im strieten Wortsinn eine gleiche gewesen wäre, dann auch die meridionalen Meeres- strömungen, welche hauptsächlich auf der Ungleichheit der Temperatur des oceanischen Wassers in verschiedenen Breiten beruhen !), in Wegfall gekommen wäre. Auch nach der oben aus- !) cf. Otto Krümmel: Die äquatorialen Meeresströmungen etc. S. 36. Fe geführten Auffassung ist der Temperaturunterschied keineswegs gross, aber er ist immerhin vorhanden und konnte, beziehungsweise musste eine Strömung zur Ausgleichung desselben, wenn auch in abgeschwächtem Maasse, stattfinden. Wenn ferner angenommen wird, dass unter den Tropen die Verdampfung des Wassers so unbehindert wie heutzutage vor sich gehen konnte, während dieselbe unter den höheren und hohen Breiten durch die constante Wolken- umhüllung behindert wurde und der Zustand einer Uebersättigung der Luft mit Wasserdampf sich einstellte, so wurde eine Verminderung des Vorraths an flüssigem Wasser unter den Tropen hervorgerufen, in den hohen Breiten aber, ein Ueberfluss desselben. Auch hiedurch gewann die Strömung einen Anstoss, so dass die Meeresströmungen auch in den alten Perioden doch eine gewisse Energie erreichen konnten. Aus der oben angeführten Zusammenstellung der Temperaturen geht unmittelbar hervor, dass, wenn man die Gegenwart und die alten Erdperioden mit einander vergleicht, der Betrag und die Abstufung der Wärmeabnahme sich in verschiedenen Breiten sehr verschie- den darstellt. Die kleinste Differenz findet sich unter den Tropen; namhaft stärker ist die- selbe in mittleren Breiten, am stärksten in hohen Breiten. Eine derartige Vertheilung der Wärme ist ganz charakteristisch und kann nur mit dem Fortschritt der terripetalen Entwick- lung der Erdoberfläche in Einklang gebracht werden; sie ist sozusagen der climatische Reflex des Zurückweichens der oceanischen Beschaffenheit der Erdoberfläche seit den alten Erdperio- den bis zur Gegenwart. Zur Bestätigung dient auch die Vergleichung der Temperatur der Mo- lassezeit mit jener der Gegenwart. Nach Heer ist zur Molassezeit für Spitzbergen und Grinellland eine mittlere Temperatur vorhanden von + 9° C. und 8°? C. (= 7°,2 R. und 6°%4 R), während der Parallelkreise von 80° Breite in der Gegenwart ein Normalclima von — 11° R. aufweist; somit zwischen Gegen- wart und Molassezeit eine Differenz von ca. 18° R. Die Insel Disko (70° n. Br.) zeigt in der Tertiärzeit nach Heer + 12° C. (= 9,60 R.); in der Gegenwart hat der 70° der Breite eine normale Mitteltemperatur von — 7° R., somit eine Differenz von ca. 16,60 R, In den mittleren Breiten (Schweiz) gestaltet sich die Wärmeabnahme schon anders. Heer berechnet für die Schweiz zwischen Gegenwart und Molassezeit eine Differenz von 7°—9° C’ (— 6,40 R.), wobei er eine Reduction auf 100 m Meereshöhe vornimmt. Unter den Tropen dagegen lassen sich, soweit die Untersuchungen bisher gediehen sind, keine Temperaturunterschiede zwischen Gegenwart und Tertiärzeit nachweisen. Es bestehen somit auch hier, zwischen Gegenwart und Molassezeit jene, man darf sagen, typischen Unterschiede und Abstufungen der zonenweisen Wärmevertheilung, nur in a ya abgeschwächtem Grade. Eine in den Hauptzügen ganz übereinstimmende Temperaturscala hat sich schon bei Vergleichung der alten Erdperioden mit der Gegenwart ergeben, nur dort in noch grösseren Distanzen sich bewegend, als zur Molassezeit. Dass in der Tertiärzeit (Miocän- zeit) die Unterschiede nicht mehr in solcher Grösse sich darstellen, wie in den alten Erdperio- den, steht ganz im Einklang mit der principiellen Anschauung von der allmählichen Umänderung der tellurischen und damit auch der elimatischen Verhältnisse. Nicht minder steht hiemit in Uebereinstimmung die grosse climatische Aehnlichkeit zwischen dem Ende der Pliocänzeit und der Gegenwart, da in beiden Zeitaltern die tellurischen Verhältnisse der Erdoberfläche schon unter einander ganz ähnlich geworden sind. Die Paläontologen haben diese climatischen Zustände nicht blos in ihren allgemeinen Umrissen erkannt, sondern auch den speciellen Thatbestand mit den Folgerungen, die sich daraus ergeben, scharf genug hervorgehoben. So äussert sich Heer in der 2. Auflage seiner Urwelt (S. 510): »Der Abstand zwischen der miocänen und lebenden Flora ist daher in der arctischen Zone noch viel grösser, als in der gemässigten, so dass nach Norden hin der- selbe an Grösse zunimmt.« Und auf S. 51l: »Wir erfahren von diesen Pflanzen (aus Su- matra), dass im tropischen Asien zur Tertiärzeit dasselbe Clima herrschte, wie gegenwärtig; die grossen Aenderungen im Clima beschlagen daher nur die aussertropischen Theile der Erde.« Desgleichen äussert sich Graf Saporta (l. ec. S. 124): »es besteht demnach eine Fortbewe- gung der Wärme in der Richtung der Breitegrade, welche die hohen Temperaturen um so mehr nach Norden vorschiebt, als man in die Vergangenheit zurückgeht. Diese Progression ist natürlich weit fühlbarer, wenn man in die Miocänzeit gelangt, die dem Pliocän vorausging und selbst einer noch wärmeren Periode folgte, welche als Eocän bezeichnet wird.« Die Eigenthümlichkeit der Wärmevertheilung ist somit durch die paläontologischen Beobachtungen auch in den concreten Verhältnissen der einzelnen Zonen scharf eruirt. Die fernere Frage kann nur diese sein: welches Agens ist im Stande eine solche Wirkung her- vorzubringen, dass in den verflossenen Erdperioden gegenüber dem heutigen Clima unter den Tropen das Clima keine Aenderung erleidet, während dasselbe in mittleren Breiten ziemlich stark, unter den höchsten Breiten aber am stärksten zu Gunsten der Wärme sich gestaltet hatte? Ein Blick auf die Tabelle I zeigt ganz deutlich, dass schon durch das oceanische Clima alle diese Modificationen in der That hervorgerufen werden, und dass dasselbe nur noch einer graduellen Verstärkung bedarf, um die climatischen Verhältnisse der früheren Erd- perioden darzustellen. Ein anderes Agens aber, das die gleichen Wirkungen hervorzurufen im Stande wäre, wird wohl vergebens gesucht werden, es sei denn, dass die Wirkung desselben m geradezu auf die des Wassers zurückgeführt werden kann, wie bei der constanten Wolken- umhüllung von den Wendekreisen an polwärts nachzuweisen gesucht wurde. Auch die Blan- det’sche Hypothese (Mercursonne) wird nicht ausreichen, alle diese Modificationen in der Ver- theilung der Wärme zu erklären. Insbesondere wird es derselben nicht gelingen können zu erklären, weshalb gegen die höchsten Breiten zu die Wärmezunahme relativ (gegenüber dem Normalclima) am stärksten sich darstelle. Man mag sich die Beschaffenheit der Sonne vor- stellen wie man will, mit dem schieferen Auffallen ihrer Strahlen gegen die Pole zu vermindert sich ihre Kraft in gleichem Verhältnisse und es ist auch in dieser Hypothese kein Factor gegeben, der diese Wärmeabnahme so modificiren könnte, wie die paläontologischen Beobach- tungen es verlangen. Nur das Wasser des Oceans, besonders wenn es gegen Ausstrahlung genügend geschützt ist, vermag durch das Hervortretenlassen seiner Eigenschaft der hohen spezifischen Wärme gerade in solchen hohen Breiten zu bewirken, dass die absolute Wärme des Climas in den höheren und höchsten Breiten sich verhältnissmässig viel langsamer ver- mindert und dass sich dadurch polwärts relativ, dem Normalclima unter gleichen Breite- graden gegenüber, eine stetig wachsende Wärmezunahme ergiebt. Auch in den mitt- leren Breiten wird durch die nämliche Eigenschaft des Wassers eine gleichartige Wirkung her- vorgebracht, aber inminder hohem Grade und unter den Tropen neigt sich die Wirkung desselben zu einer Abkühlung hin, die jedoch so unbedeutend ist, dass Normalelima und See- clima hier kaum differiren (cf. Tabelle I) und als gleich betrachtet werden können. Eine solche Uebereinstimmung der theoretischen Auffassung mit den paläontologischen Untersuchungen bis auf die coneretesten Züge hinaus, wird bei den anderweitigen Hypothesen vermisst. Werfen wir einen Blick zurück auf den Gang der Entwicklung und Abänderung der climatischen Verhältnisse in den verschiedenen Perioden der Erde. In den alten geologischen Perioden finden wir ein sehr gleichförmiges und warmes Clima über alle Zonen hin; mit der Tertiärzeit hauptsächlich fängt die deutliche zonenweise Aus- scheidung der Climate an; und mit dem Ende der Tertiärzeit (Pliocän) machen sich Zustände geltend, die mit der heutigen Periode nahezu oder ganz übereinstimmen. Für die alten Perioden haben wir eine Abnahme der Temperatur von dem Aequator bis zu den Polen gefunden, von + 24° R. bis + 17° R., somit auf jeden Breitegrad durch- schnittlich nur 0,07° R. Zur Erklärung dieser climatischen Beschaffenheit wurde herbeigezogen das reine Seeclima, verstärkt durch eine constante Bewölkung von den Wendekreisen polwärts. Das Molasseclima ergiebt eine Temperaturscala von + 21° R. unter den Tropen bis zu + 6° R. an den Polen, —ı 339 — somit eine Abnahme auf jeden Breitegrad vom Aequator an mit 0,16° R. Zur Erklärung dieses Climas gegenüber den Zuständen der alten Perioden wurde herbeigezogen das Zurückweichen der oceanischen Beschaffenheit der Erdoberfläche oder die Anfänge der auftauchenden Continente, welche auch einen Einfluss auf die Verminderung der Bewölkung ausübten und eine grössere Differenzirung des Climas hervorriefen. Das Ende der Tertiärzeit zeigt eine beschleunigte Abnahme der Temperatur, ganz ähnlich wie das heutige Clima, somit von + 21° R. am Aequator bis zu — 13° R. an den Polen; eine Abnahme von 0,4° R. auf jeden Breitegrad durchschnittlich vom Aequator zu den Polen, welche Abnahme jedoch sehr ungleichförmig über die verschiedenen Zonen sich vertheilt. Die Beschaffenheit der Erdoberfläche hatte am Ende der Tertiärzeit in ihrer gereiften continentalen und gebirgigen Beschaffenheit und in ihren meteorischen Niederschlägen (Schnee) einen Charakter angenommen, der mit der heutigen, sowohl was die Erdoberfläche selbst, als auch die Bewölkung betrifft, in guter Uebereinstimmung steht. Die Folge davon ist auch die Uebereinstimmung der climatischen Zustände. Bis dahin macht die Entwicklung des Climas den Eindruck, dass dasselbe ganz allein unter der Herrschaft eines Naturgesetzes stehe, nämlich der continentalen oder terripetalen Entwicklung der Erde. Das quartäre Clima (Eiszeit) aber droht in diese gute Ordnung der Dinge eine Störung zu bringen. Es wurde jedoch darauf hingewiesen, dass dasselbe eine Folgeerscheinung der Erhebung der Gebirge sei, auf welchen anfänglich die Schneemassen sich ansammeln mussten. Die Gebirge waren anfänglich ausser Stande, wegen ihrer grösseren Geschlossenheit, die angesammelten Schneemassen alsbald und stetig zu entlassen. Die Anhäufung derselben und ihre schliessliche Dislocation war geeignet, aber doch nur vorübergehend, die normale Entwicklung des Climas zu stören und sehr fremdartige climatische Erscheinungen hervorzurufen Als aber diese Krisis sich vollzogen hatte, so trat das heutige Clima, sich anschmiegend an die vorhandenen Gestaltungen der Erdoberfläche und ihrer Bewölkung, als das letzte Glied in die normale Reihe der climatischen Entwicklungen ein. Man erkennt ohne Schwierigkeit, dass das recente Clima, weil es sich an die. bestehenden Zustände der Erdoberfläche anschliesst und von ihnen abhängt, entschieden ungleichförmiger und zugleich kälter sein muss, als jenes der alten Erdperioden, welche tellurische Zustände besassen, die der Gleichförmigkeit des Climas und zugleich der höheren Wärme günstig waren. Dass dasselbe aber auch die fremdartigen Erscheinungen der Eiszeit abstreifen musste, ergiebt sich aus der einfachen Thatsache, dass die anfängliche Beschaffenheit der Gebirge, ihre — 340 - grössere Geschlossenheit, im Verlaufe der Eiszeit selbst durchbrochen wurde. Am nächsten steht das Clima der Gegenwart dem tertiären Clima, aber noch nicht dem der früheren und mittleren Tertiärzeit, sondern erst dem Ende derselben. In dieser Zeit waren die Zustände der Ober- fläche der Erde mit denen der Gegenwart schon sehr nahe übereinstimmend, Die Ansammlungen der Schneemassen auf den Gebirgen, durch welche später die Eiszeit sich auszeichnete, war erst im Werden und noch wenig vorangeschritten ; sie erlangte ihren ganzen Umfang erst während der Eiszeit. Sobald dieselbe eine bedeutende Ausdehnung erlangt hatte, hört die Pliocänzeit auf und beginnt die Eiszeit. In jenem anfänglichen Stadium, das die Ansammlung der Schneemassen während der Pliocänzeit selbst erreichte, war deshalb auch die climatische Bedeutung derselben weniger stark. Heutzutage Kann die Ansammlung keinen hohen Grad erreichen, wegen der Durchfurchung des Gebirges; in der Pliocänzeit war die Möglichkeit der Ansammlung zwar vorhanden, aber sie selbst hatte tbatsächlich noch keinen hohen Grad erreicht, so dass die climatische Einwirkung derselben in beiden Zeitaltern ungefähr als gleich stark betrachtet werden kann. Wir glauben, dieses Capitel nicht abschliessen zu sollen, ohne eine spezielle Vergleichung mit der Theorie von Professor Sartorius von Waltershausen in ihren Hauptpunkten zu geben. Wir sparen diese Vergleichung bis an den Schluss, weil bei jeder wichtigen Phase der Entwicklung des tellurischen Climas sowohl eine Uebereinstimmung als auch eine Divergenz der beiderseitigen Auffassungen hervorzuheben ist. Sartorius von Waltershausen hat das bedeutende Verdienst, dass er die clima- tischen Verhältnisse der Erde principiell und eonsequent als von den tellurischen Verhältnissen abhängig und durch dieselben hervorgerufen, auffasst. Diese Grundlage wird unseres Erachtens nicht mehr verlassen werden können. Niemand wird von Sartorius abweichen können in der Auffassung, dass den alten Erdperioden eine sehr vorherrschend oceanische Beschaffenheit und somit auch ein oceanisches Clima zu eigen gewesen sei. Desgleichen wird Niemand An- stand nehmen, für die ältesten Erdperioden einen bescheidenen Zuwachs der Temperatur durch die Wirkung des Erdinnern anzunehmen. Ferner kann es keinem Anstand unterliegen, dass (l. ce. S. 151—153) ein Wärmetransport durch Winde und Niederschläge, sowie durch Meeres- strömungen stattgefunden habe, und hiedurch die Temperatur der hohen Breiten gemildert worden sei. Dass auch die Bewölkung einen Einfluss auf die Verminderung der Schwankung der Temperatur ausgeübt habe, dürfte ohne Anstand bejaht werden. Sartorius, dem noch keine thermographischen Tabellen zu Gebot standen, schätzt den Einfluss derselben nur auf 1° 70 R., offenbar zu wenig. Er nimmt jedoch nur eine Ausgleichung der Temperatur- — 341 — schwankungen durch Bewölkung an und nimmt keine Rücksicht darauf, dass diese Ausgleichung zu Gunsten der Wärme ausfalle. Leider sieht sich Sartorius bei der numerischen Behandlung dieser Factoren auf eine Schätzung angewiesen, die man nicht anders als eine willkürliche bezeichnen kann. Um nun das Clima der Silurzeit in mittleren Breiten (45°) zu berechnen, legt er (l. c. S. 153) das reine Seeclima jener Breiten mit 10°%,69 R. zu Grunde, addirt hiezu den Zuschuss der inneren Erdwärme mit 3°,20 R. (für jene Zeit); ferner einen Zuschuss durch Transport der Winde und Niederschläge mit 1° R. und durch Meeresströmungen mit 2° R., so dass er für die silurische Zeit in mittleren Breiten eine Temperatur von 16°,89 R. erhält. Für mittlere Breiten ist diese Ziffer wohl zufriedensteilend wie auch der Werth der Temperatur, der von ihm für den Aequator gefunden wird, mit 24% 24 R. Allein für die höheren und höchsten Breiten lässt sich das nicht sagen. Offenbar hat Sartorius in jenen Werthen, welche er zu der Temperatur des reinen Seeclimas addirt, Gegenstände aufgenommen, welche unter sich ziemlich ungleichartig sind. Die innere Erdwärme giebt für alle Breitengrade ohne Zweifel den gleichen Wärmezuschuss ab. Ob aber auch die Meeresströmungen und Winde in allen Breitegraden gleich wirken oder ungleich und wie? — darüber spricht sich Sartorius nicht ganz bestimmt aus. Er spricht nur von einer der Zeit (Formation) proportionalen Ab- nahme derselben (l. ec. S. 155). Es müssen sich somit ihm ganz andere Zahlen ergeben, als bei der Annahme, die wir gemacht haben, dass nämlich die Zunahme und Abnahme der Tem- peratur unter verschiedenen Breitegraden durch den Einfluss der Bewölkung sich gerade so verhalte wie der Einfluss des reinen Seeclimas gegenüber dem Normalclima. Das Resultat für Sartorius ist, dass er für die Silurzeit eine Temperatur der Pole von 9°,54 R. berechnet. Gegenüber den mittleren Breiten ergiebt sich somit nach seiner Unterstellung schon in jener frühen (silurischen) Zeit ein Temperaturunterschied von 7°,35 R. und gegenüber dem Aequator eine Differenz von 14°,70 R. Ein so namhafter Unterschied würde aber offenbar schon eine nicht zu verkennende zonenweise Abstufung des Climas schon in jener frühen Periode in sich schliessen, womit die paläontologischen Beobachtungen nicht im Einklang stehen. Auch ist eine Temperatur von nur 9° oder 10° R. in den hohen Breiten für den typischen Charakter der Organismen jener Zeit offenbar zu niedrig. Noch weniger entsprechen die von Sartorius berechneten Temperaturen für die späteren Erdperioden. Die Juraformation hätte nach ihm an den Polen nur noch + 2°13 R., die Tertiärformation daselbst nur —+ 0°,93 R. Gegen solche Temperaturen legen die Paläontologen auf Grund reeller Untersuchungen entschieden Protest ein (cf. Heer: Polarflora I, $. 73 und 76). Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII 44 Wenn wir Sartorius in der Zugrundlegung des reinen Seeclimas überhaupt gefolgt sind, so konnten wir ihm nicht oder nur mit wesentlichen Modificationen folgen in der Bemessung jener Werthe, welche er zu der Temperatur des reinen Seeclimas hinzufügt. Es wurde von uns die Annahme einer constanten Dunsthülle von den Tropen polwärts eingeführt, und ausgeführt (Art. 3), dass dieselbe in ganz homologer und harmonischer Weise wirke, wie das oceanische Clima selbst, nur eine Verstärkung desselben bewirke und in einer einfachen Proportion zu demselben stehe. Um den Betrag des Wärmezuwachses durch dieselbe zu eruiren, wurde ein doppelter Weg eingeschlagen, nämlich zuerst mit Grundlegung der Scala der mittleren Jahrestemperaturen (Tabelle II) und sodann mit Grundlegung der Schwankungsamplituden (Tabelle III, IV und V). Auf beiden Wegen wurde für die alten Perioden zu einer Temperaturscala gelangt, welche an sich schon in ihren Hauptzügen den Anforderungen der Paläontologie befriedigend entsprechen dürfte; überdies wurde noch eine Ewendation durch einen sehr mässigen Zuschuss der Wärme von Seiten des Erdinnern und einer dichteren Atmosphäre für die alten Perioden hinzugefügt. Das Tertiärclima mit seiner grösseren Differenzirung der Temperaturen wurde als in Uebereinstimmung befindlich mit diesen Prineipien dargestellt. In Betreff des Quartärclimas geht Sartorius von der unseres Erachtens ganz richtigen Auffassung aus, dass die niedrige Temperatur dieser Periode (in der Ausdehnung der Gletscher sich manifestirend) nicht von universeller, sondern nur von localer Beschaffenheit sei und durch die Erhebung der Gebirge sich erklären lasse. Er nimmt dabei eine Höhe der Gebirge während der Quartärzeit an, welche die jetzige Höhe derselben um ebensoviel übertraf, als die Temperatur jener Zeit niedriger war als die jetzige. Was den letzteren Punkt anbelangt, so konnten wir Sartorius darin nicht folgen. Es wurde vielmehr auf die unvermeidliche An- sammlung der Schneemassen in dem noch nicht oder jedenfalls weniger zerstückelten jungen Gebirge hingewiesen, welche Annahme die Erscheinungen der Quartärzeit ebenso gut erklären dürfte, als die immerhin gewagte Annahme von Sartorius. Was sodann das recente Clima anbelangt, so kommt Sartorius zu dem gleichen Resultat wie wir, sofern er das Clima der Gegenwart als ein solches betrachtet, in welchem eine Rückkehr von den climatischen Ausschreitungen der Quartärzeit sich vollzieht; nur sind die Wege verschieden. Sartorius nimmt ein Zurücksinken der Gebirge von der Höhe der- selben zur Quartärzeit an. Unsere Ansicht haben wir dahin entwickelt, dass die Ansammlung der Schneemassen auf den Gebirgen und ihre schliessliche Entladung wohl eine gewaltige, aber doch nicht eine bleibende climatische Wirkung hervorbringen konnte, dass aber dieser — 343 — Einfluss allmählich hinschwinden musste, als die Möglichkeit einer längeren Ansammlung der Schneemassen im Innern der Gebirge durch Bildung und Vervielfältigung der Querthäler beseitigt war und die Schneemassen durch Gletscher fortgeführt wurden. Die Eiszeit erreichte zwar jetzt erst extensiv durch das weite Vordringen der Gletscher ihren Höhepunkt, aber gleichzeitig wurden ihre Hilfsquellen im Gebirge selbst geschwächt und erschöpft. Die zu weit vorgeschobenen Eismassen, welche durch mechanischen Druck von dem tiefeingeschneiten Ge- birge herab, nicht durch die eigenen elimatischen Zustände der Ebene sich hier eingefunden hatten, konnten der einheimischen höheren Temperatur der Ebene nicht auf die Dauer Stand halten; die Position musste aufgegeben werden und die Gletscher mussten sich, nicht ohne Schwankungen, allmählich in die Hochthäler der Gebirge zurückziehen. Das Resultat all’ dieser Entwicklungen und Vorgänge auf der Oberfläche der Erde ist das Clima der gegenwärtigen Erdperiode. — 344 — II. Abtheilung. Ueber die Modificationen und Wechselbeziehungen der elimatischen Entwicklung. In der vorhergehenden Abtheilung I wurde der Versuch gemacht, die Beschaffenheit des Clima’s der alten geologischen Periode auf rein telurische Grundlagen, nämlich auf die oceanische Warmwasserheizung, verstärkt durch constante Bewölkung in mittleren und höheren Breiten, zurückzuführen und von ihnen abzuleiten. Die beiden namhaft gemachten Factoren wurden durch das allmähliche Auftauchen der Festländer mehr und mehr geschwächt und dadurch das Clima der Erdoberfläche so verändert, dass, nach Ueberwindung der sogenannten Eiszeit, schliess- lich sich das heutige Clima einstellte. Das reine Seeclima der Gegenwart hat, wenn auch abgeschwächt, bis heute noch die wesentlichen typischen Züge der alten Climate bewahrt, grössere Gleichförmigkeit und Wärme, und es bedurfte nur einer näheren Darlegung und Begründung einer Verstärkung des reinen Seeclima’s, um einen bestimmten Ausdruck der Temperatur für alle Breitegrade zu gewinnen, welcher den climatischen Verhältnissen der verflossenen Perioden gut entspricht. Die allmählich auftauchenden und wachsenden Continente aber stellten sich als die Ursache der excessiven Temperaturen dar, wie sie dem heutigen Clima zukommen. Ein so wichtiger und tiefgreifender Vorgang, wie die Umänderung des Climas, vollzieht sich jedoch nicht als eine in sich ganz abgeschlossene und isolirte Erscheinung und wird auch nicht überall in ganz gleicher Weise vor sich gehen, sondern wird im Zusammenhang, in Wechselwirkung mit anderweitigen Erscheinungen stehen und kann auch da und dort belangreiche Modificationen erleiden. Es wird ein Prüfstein für die Richtigkeit oder Un- richtigkeit der prineipiellen Auffassung der climatischen Frage sein, wenn auch die wichtigsten Modificationen der climatischen Entwicklung und die wichtigsten begleitenden Erscheinungen zur Erklärung und Beleuchtung aus dem geltend gemachten principiellen Standpupkte herbei- gezogen werden. — 8345 — In erster Reihe stellt sich hier die merkwürdige Modification des Climas der südlichen Halbkugel dar, die bei ihrer sehr ausgedehnten Meeresbedeckung eine im Mittel höhere und gleichförmigere Temperatur haben sollte, als die nördliche Halbkugel, aber, auffallender Weise eine, wenn auch gleichförmigere, doch niedrigere Temperatur besitzt, besonders in mittleren und höheren Breiten. Sodann werden zu betrachten sein eine Reihe von Erscheinungen, meist geographischer Natur, durch welche die Wechselwirkung zwischen Clima und Oberflächen- gestaltung sich Kundgiekt. Mit dem Clima der südlichen Hemisphären beschäftigt sich das erste Capitel; die geo- graphischen Erscheinungen, Senkungen und Hebungen, bilden den Inhalt des zweiten und dritten Capitels. Im vierten Capitel wird der Versuch gemacht, auch die Zeit der Erhebung der Con- tinente und der hohen Gebirge aus dem gleichen Princip abzuleiten. Erstes Capitel. Das Clima der südlichen Hemisphäre. 1. Artikel. Die Untersuchungen über dasselbe von Sartorius und Hann. Da auf der südlichen Halbkugel die Meere eine beträchtlich grössere Ausdehnung als auf der nördlichen haben, so sollte, nach ganz allgemein anerkannten Grundsätzen, daselbst auch ein oceanisches Clima vorherrschen, oder das Clima sollte dort nicht blos gleichförmiger sondern auch, besonders in mittleren und hohen Breiten, zugleich wärmer sein. Eine grössere Gleich- förmigkeit ist vorhanden, denn die Isothermen des Juli und Januar verlaufen hier weniger ge- krümmt als auf der nördlichen Halbkugel (cf Wettstein: Die Strömungen der Festen etc. Charte 19—20). Allein die südliche Halbkugel ist, besonders in mittleren und hohen Breiten, anerkannt und deutlich weniger warm, als die nördliche, was besonders von dem reinen See- clima gilt. Sartorius von Waltershausen hat, nach der Methode der kleinsten Quadrate, das reine Seeclima beider Hemisphären berechnet!) und wird eine klare Einsicht in diese Verhältnisse durch eine Gegenüberstellung der Ziffern der betreffenden Tabellen zu gewinnen sein. !) Untersuchungen über die Climate der Gegenwart und Vorwelt S. 124. 346 — Nach Sartorius v. Walthershausen. Tabelle VI. Reines Seeclima der | Reines Seeclima der Geringere Wärme Breitegrad. nördlichen südlichen der südlichen Hemisphäre. Hemisphäre. Hemisphäre. 0° 219,14 R. 21°,14 R. _ 10° 209,89 20°,03 0°,86 R 20° 190,14 170,62 19,72 300 16°,17 14°,19 20,51 40° 130,33 10°,10 30,23 50° 99,68 50,83 30,85 60° 6,20 1°,36 40,34 70° 3,36! — 19,37 40,73 80° 10,49 — 30,46 40,95 90° 00,84 — 4,19 5°,03 Wie die Tabelle zeigt, ist das reine Seeclima der südlichen Halbkugel durchgängig kälter, als das der nördlichen. Bei genauerer Betrachtung fällt aber auf, dass die Temperatur nach dem südlichen Pole hin constant eine stärker wachsende Abnahme zeigt als gegen den Nordpol; der Unterschied besteht nicht darin, dass die Temperatur der Südhalbkugel auf jede Decade von Graden um einen gewissen überall gleichbleibenden Werth geringer ist, als die der nördlichen, sondern die charakteristische Eigenthümlichkeit der Wärmevertheilung besteht darin, dass die Abkühlung auf der südlichen Hemisphäre nicht blos einfach, was selbstverständ- lich ist, sondern auch gegenüber der nördlichen Halbkugel, von Decade zu Decade gegen die Pole hin sich steigert. Eine solche Wärmeabstufung weist mit Sicherheit auf ihre Ursache hin. Sartorius drückt sich darüber kurz, aber mit Bestimmtheit, aus (l. c. S. 142 und S. 144): »Dass die niedrige Temperatur des Seeclimas der südlichen Erdhälfte nur die Folge eines bis jetzt wenig be- kannten Continents sein könne; eine vollständige Meeresbedeckung kann einen solchen Einfluss nicht ausüben.« Jedenfalls kann es sich hier nicht um einen geringeren Wärmeempfang wegen un- günstigeren Standes der Sonne auf dieser Seite der Erde handeln. Wenn letzteres der Fall wäre, so müsste jeder Breitegrad diesen absoluten Minderempfang (hervorgebracht durch das verkürzte Sommer- und verlängerte Wintersemester der ganzen Halbkugel), durch den constanten Abmangel eines gewissen in allen Breitegraden gleichbleibenden Betrags Wärme zu er- kennen geben. Das trifft aber nicht zu, sondern wie die Radien eines Kreises auf ihren Mittel- punkt, so weisen die gegen den Pol stetig wachsenden Ziffern der Temperaturabnahme auf eine — . 341 — im Polarkreise selbst befindliche Ursache dieser Erscheinung hin und dieselbe kann nichts anderes sein, als der antarctische Continent. Die äusserst ungünstige Position jenes Continents, der in centraler Lage am Pol fast den ganzen Polarkreis ausfüllt, erzeugt, wie allgemein an- erkannt ist, gewaltige Kälteproducte, welche derselbe allseitig und ungehindert als schwimmendes Eis in das Meer abgiebt und damit die Temperatur des Meerwassers und zugleich das Insel- und Seeclima abkühlt bis auf die weiteste Erstreckung hin; je näher dem Herde der Kälte, desto fühlbarer. Im Sommer macht sich die Erniedrigung der Temperatur ver- hältnissmässig noch fühlbarer als im Winter, weil in jener Jahreszeit der Abschmelzungsprocess am lebhaftesten ist. Auf der nördlichen Halbkugel walten nicht so ungünstige geographische Verhältnisse ob. Auch hier findet sich Land innerhalb des Polarkreises, aber die Landmassen sind anders ver- theilt; sie liegen mehr auf der Peripherie als im Centrum, die Verbindung des nördlichen Eis- meeres mit den übrigen Meeren ist mehr beengt, besonders zwischen America und Asien sehr wenig geöffnet, die Absendung der Eisberge und Schollen ist zum Theil auf sehr schmale Räume beschränkt (Behringsstrasse, Smithsund), die Kälteproducte selbst sind weniger massen- haft und somit der erkältende Einfluss auf die benachbarten Meere überhaupt geringer. In neuester Zeit wurde das Clima der Südhemisphären zum Gegenstand einer neuen sorgfältigen Untersuchung von Prof. Haun in Wien gemacht‘). Da der Verfasser der genannten Abhandlung in der Lage war, zum Theil ganz neue, zum Theil verbesserte Beobachtungen seinen Berechnungen zu Grunde zu legen, so ist seine Arbeit in hohem Grade verdienstlich. Die Berechnung selbst geschieht, wie bei Sartorius v. Waltershausen, nach der Methode der kleinsten Quadrate, aber seine gesammte Auffassung der Grundlage weicht von jener des Sartorius ab. Er bemerkt (S. 15), dass es doch nur ein Seeclima geben könne und dass die Inseln der nördlichen Hemisphäre durchgängig kein normales Seeclima besitzen, zu warm seien, während das Seeclima der Südhemisphäre, der »Wasserhalbkugel« sich viel besser dazu eigne, das reine Seeclima überhaupt darzustellen, deshalb als solches aufzufassen sei. Darüber wird man nun nicht streiten wollen, ob es nur ein Seeclima geben könne; allein jeder Ocean giebt doch in Wirklichkeit wieder andere Nuancen desselben, die unter einander zu vergleichen ein verdienstlicher Gedanke von Sartorius ist. Die Aufgabe wird ihren Schwerpunkt darin haben, sich die Grundsätze klar zu machen, die man in Anwendung bringen muss, um den störenden Einflüssen von Seite der Continente aus dem Wege zu !) Ueber die Temperatur der südlichen Hemisphäre. Band 85 der Sitzungsberichte der k, Akademie der Wiss. II. Abth. Jahrgang 1882 S. 6. — 7948 — gehen und dieselben, soweit möglich, zu eliminiren. Die Annahme von Hann, dass das See- clima der (vorherrschenden) Wasserhalbkugel das ächtere Seeclima sei, ist zu unbestimmt; denn es kommt wesentlich darauf an, nicht blos wieviel Land oder Wasser sich auf einer Halbkugel befinde, sondern auch in welcher geographischen Lage dasselbe vorhanden sei. In gewissen Lagen vermag ein Continent das Seeclima nur sehr wenig zu beeinflussen; in andern Lagen aber, bei unveränderter Grösse desselben, sehr stark. Eine Alteration des reinen Seeclimas durch erwärmende Einflüsse ist so viel wie gar nicht in Betracht zu ziehen. Wenn auch die fliessenden Gewässer eines Continents in wärmeren Gegenden sich, durch Be- rührung mit dem Land, um einige Grad im Sommer mehr erwärmen und ihre erwärmten Ge- wässer in das Meer senden, so gleicht sich das vielfach durch ihre grössere Abkühlung im Winter aus und bleibt dieser Einfluss jedenfalls auf die Temperatur der Gewässer nahe an der Küste beschränkt, während die massgebenden Stationen für das reine Seeclima möglichst weit von der Küste entfernt gewählt werden. Hann findet das auch bestätigt, wenn er S. 19 be- merkt, dass auf der südlichen Halbkugel die Temperaturen der Landflächen, selbst zwischen dem Aequator und 40° südlicher Breite, keinen merklichen Einfluss auf die mittlere Temperatur der Breitekreise haben. Bei den Strömungen der Luft verhält es sich ganz übereinstimmend. Die Landwinde mögen im Sommer etwas zur Erhöhung der Temperatur des Meeres beitragen, aber im Winter kühlen dieselben den Meeresspiegel ab, können somit die mittlere Temperatur des Jahres nicht wesentlich ändern. Dagegen sind die Einflüsse im Sinne der Erkältung des Seeclimas durch die in sehr hohen Breiten befindlichen Landmassen sehr mächtig und wirken auf sehr weite Distancen. Die specifische Eigenthümlichkeit der Kälteproducte solcher Länder besteht darin, dass dieselben in einem andern Aggregatzustand, nämlich als Eis in das Wasser der offenen Meere übergehen und als solches ganz andere Anforderungen bei der Wärmeausgleichung stellen, als wenn sie in tropfbar flüssigem Zustande sich befinden würden. Ein Pfund Eis von 0°, vermischt mit ein Pfund Wasser von 79° ©. gibt zwei Pfund Wasser von 0°. Es werden somit 79 Wärmeeinheiten verbraucht nur allein zur Aenderung des festen Aggregatzustandes. Während die Einflüsse der von den Continenten ausgehenden Wärme auf das Seeclima sehr schwach sind, weiss sich der Einfluss der Kälte, besonders da, wo mit dem Meere eine un- mittelbare Verbindung besteht, durch schwimmende Eisberge und Eisschollen in sehr energischer Weisse geltend zu machen. Um nur ein Beispiel hierfür anzuführen, Neufundland hat in 47°,36 n. B. eine mittlere Jahrestemperatur von nur 4°,5 C. (Hann); Thorshaven (Faröer) aber hat in 62° n. B. eine mittlere jährliche Temperatur von 6°,3 (Hann). — 349 — Welche von diesen beiden so stark contrastirenden Stationen unterliegt nun einem störenden Einflusse? Bei Neufundland schmelzen die Eisberge von Grönland ab; hier ist der starke erkältende Einfluss der fernen nordischen Landmassen evident. Woher hat aber Thorshaven seine hohe Temperatur? Von dem Lande sicherlich nicht, sondern von dem Golfstrome. Das ist aber in Wirklichkeit doch nichts Anderes, als die vom Lande unbeeinflusste eigene warme Temperatur des Meeres selbst. Wenn auch zugegeben ist, dass das Meer ausserhalb des Golfstromes nicht die gleiche Wärme besitzt, so ist andrerseits auch nicht in Abrede zu stellen, dass selbst der Golfstrom sich dem Einflusse der continentalen Kälteproducte keineswegs ganz zu entziehen vermag, dass somit das die Küsten der Faröer bespülende und ihr Clima bestimmende Wasser die wirk- liche ächte Temperatur des Meeres jener Breiten viel mehr annähernd darstellt, während die Temperatur von Neufundland weit davon abliegt. Nach solchen Grundsätzen verfährt nun Sartorius in seinem Werke in Wirklichkeit, ohne gerade dieselben ausdrücklich zu formuliren. Bei seiner Auswahl der Stationen, die zur Berechnung des reinen Seeclimas die physicalische empirische Grundlage bilden, nimmt er die warmen Stationen, wenn nur die Inseln fern genug vom Land liegen, ohne Bedenken auf, schliesst aber die auffallend kalten Stationen, als solche, die den Einflüssen der Continente unterliegen, aus, und glaubt selbst auf diesem empirischen Weg den Einfluss der Continente im Sinne der Erkältung des Meerwassers noch nicht vollständig beseitigt zu haben (l. c. S. 126). Er nimmt jedoch bei beiden Halbkugeln den empirisch beobachteten Werth der Temperaturen an; nur schliesst er in beiden Halbkugeln die am meisten auffallend niedrigen Stationen, z. B. Neufundland auf der nördlichen und Kergueleninseln auf der südlichen Halbkugel aus. Genauer wäre allerdings zu sagen, dass Sartorius die Temperatur der Kerguelen (S. 121) mit Stillschweigen übergeht, sei es nun, dass ihm dieselbe überhaupt nicht bekannt war, oder unzuverlässig erschien, oder dass er dieselbe als zwar empirisch richtig, aber als zu sehr von continentalen Einflüssen heruntergedrückt, als unbrauchbar absichtlich ausschloss, oder dass mehrere Gesichtspunkte zusammenwirkten. Wenn nun auf solcher Grundlage die Berechnung des reinen Seeclimas eine höhere Tem- peratur für die nördliche Halbkugel liefert, als für die südliche, so stellt und beantwortet Sartorius v. Waltershausen die interessante Frage: worin ist die Ursache dieser Differenz zu suchen? Spezieller, worin liegt die Ursache der deutlich grösseren Kälte der südlichen Hemisphäre? Sie liegt in der Existenz eines für die Entwicklung und Ausbreitung der Kälte sehr wirksam gelegenen Continents im antarctischen Polarkreise. Im Gebiete der nördlichen Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 45 —. 25350. Hemisphäre lässt sich der Einfluss der Continente noch annähernd ausscheiden, sofern hier Stationen vorhanden sind, welche dem erkältenden Einflusse des Landes wenig ausgesetzt sind; auf der südlichen Halbkugel gelingt das nicht mehr, weil alle Stationen mehr oder weniger diesem erkältenden Einflusse unterliegen, selbst wenn auch die am meisten abgekühlten aus- geschlossen werden. Professor Hann aber nimmt ohne Bedenken die empirischen Grundlagen der südlichen Halbkugel, weil sie die grössere Wasserbedeckung hat, als normale an und be- trachtet die abweichenden Temperaturen der nördlichen Halbkugel als anormal, als überhitzt, ohne einen Grund anzuführen, woher diese Ueberhitzung rühren könnte. Wie schon oben bemerkt, hat Professor Hann weitere und verbesserte Temperatur- beobachtungen für seine Berechnung der Temperatur der Südhemisphäre benützt und gibt das Resultat derselben, das Seeclima der südlichen Hemisphäre, worauf er sich beschränkt, auf S. 22 seiner Abhandlung an. Nach Umwandlung in R&aumur’sche Grade der Hann’schen Scala ergibt nun die Ver- gleichung derselben mit dem Seeclima der nördlichen Halbkugel nach den Angaben bei Sartorius folgende Ziffern: Tabelle VII. Nördliche Südliche On an Breitegrad. Halbkugel nach Halbkugel nach ANCHEERN i betrag der südlichen Sartorius. Hann. Halbinsel 0° ist gemeinsam ist gemeinsam _ 10° 20°,89 R. 20°,72 R. D1TR. 20° 190,34 18°,62 0°,72 30 16°,70 15°,12 19,58 40° 130,33 10°,40 20,93 50° 9,68 59,20 40,48 60° 6,20 0,24 5°,96 70° 30,36 — 30,34 79,20 80° 1°,49 — 6,56 8,05 90° 0,84 — 7,44 80,28 Diese Zusammenstellung lässt die Abweichung zwischen dem Seeclima der Nord- und ‘Südhemisphäre in typisch ganz übereinstimmender Weise hervortreten, wie die Tabelle VI. Auch hier steigert sich die Abkühlung gegen den Südpol zu stetig zu Ungunsten der süd- lichen Hemisphäre. Die Differenzen treten aber hier sogar noch bedeutend stärker hervor, was seinen Grund darin haben mag, ‘dass Hann auch die ausnahmsweise kalten Stationen der — Bl Kergueleninseln bei den Grundlagen seiner Berechnung aufgenommen hat, während Sartorius dieselben, wie schon oben bemerkt, ausgeschlossen hat. | Prof. Hann berechnet noch eine andere Temperaturscala aus oceanischen Stationen im strengsten Sinn (1 ce. S. 20); dieselbe erstreckt sich vom 20° — 60° s. Breite; die Ziffern weichen aber von jenen die auf $. 22 ermittelt wurden, so unwesentlich ab, dass es nicht nöthig erscheint, dieselben hier noch besonders beizusetzen. Etwas anders gestaltet sich die Sache, wenn nicht das reine Seeclima, sondern das Normalelima in Betracht gezogen wird. Unter Normalclima versteht Dove bekanntlich jene Summe von Wärme, welche auf einem Breitegrad (sowohl Land als Meer) wirklich vorhanden ist, aber ungleich vertheilt ist. Prof. Hann weist nun nach, dass das Normalclima auf beiden Halbkugeln im mittleren Durchschnitt wahrscheinlich nahezu gleich ist. Allein das ist in der That nur ein weiterer Beleg dafür, dass das Clima der Südhemisphäre in der That eine Anomalie in sich schliesst. Da nämlich die Südhemisphäre thatsächlich beträchtlich mehr Seebedeckung hat, als die nördliche, die, besonders in höheren und hohen Breiten, weit- gedehnte Landmassen aufweist, so sollte, nach allgemein anerkannten Grundsätzen, die südliche Halbkugel nicht blos ein gleichförmigeres, sondern auch ein wärmeres Normalclima, wenigstens n mittleren und hohen Breiten haben. Ihre vorherrschende oceanische Beschaffenheit müsste auch das Normalclima in der Richtung beeinflussen, dass dasselbe im Durchschnitt höher wäre, als das der anderen Halbkugel und nicht blos ihm nahezu gleich. Da dies aber nicht der Fall ist, so muss noch irgend ein anderes Hinderniss entgegentreten. Auch das Normal- clima der Sudhemisphäre weist somit auf einen Factor hin, der, wenn auch räumlich nicht sehr gross, sich doch in einer geographischen Position befindet, von welcher aus derselbe das Clima der-ganzen Halbkugel auf sehr wirkungsvolle Weise beeinflusst und seine Temperatur herabdrückt. Dies kann aber Nichts anders sein, als der antarctische Continent. Man kann den antarctischen Continent einen hypothetischen nennen, weil derselbe in seinem Innern noch gar nicht erforscht ist, selbst seine Umrisse theilweise problematisch sind; aber derselbe erweist sich in seinen climatischen Einflüssen auf die ganze Hemisphäre als eine wirklich vorhandene Macht, die von Sartorius nach unserm Dafürhalten mit richtigem Blick ge- würdiget wurde. Die Auffassung dieses um die Beleuchtung der climatischen Entwicklung sehr verdienten Gelehrten fand jedoch nicht die Beachtung und Zustimmung, welche dieselbe nach unserem Ermessen verdient. In neuester Zeit wird vielmehr wieder mit Vorliebe auf jenen astronomischen Standpunkt zurückgegriffen, der in der Hauptsache von Adhemar aufgestellt wurde. a2 — 2. Artikel. Der Adhömar’sche Standpunkt. Dieser französische Mathematiker wies im Jahre 1842 darauf hin, dass wegen der Excentrieität der Erdbahn die zwischen den beiden Aequinoctien liegenden Jahresabschnitte nicht gleich lang seien und das gegenwärtig auf die Südhemisphäre entfallende Wintersemester (Aphel) länger, ihr Sommerhalbjahr (Perihel) dagegen kürzer sei, als auf der Nordhemisphäre, auf welcher die umgekehrten Verhältnisse stattfinden. Die Nachtstunden, Zeiten der Ausstrahlung der Wärme, betragen gegenwärtig auf der südlichen Halbkugel zusammengerechnet 4464 Stunden; die Tagesstunden, Zeiten des Wärmeempfangs, nur 4294. Auf der südlichen Halbkugel ist somit die Zeit des Wärmeempfangs gegenwärtig um 170 Stunden oder ungefähr 7 Tage kürzer, als die Zeit der Wärmeausstrahlung. Die Differenz ist hiernach gegenwärtig nicht sehr be- deutend, kann sich aber nach der Berechnung von Leverrier so steigern, dass ein Maximal- betrag von 36 Tagen sich herausstellen kann. Auf der andern Halbkugel findet eine Umkehrung der Ziffern statt, weil hier der Sommer in das längere Aphel, der Winter aber in das kürzere Perihel fällt. In Halbperioden von 10,500 Jahren wechseln dieselben für die beiden Hemisphären. Dies die Hauptpunkte der Theorie. Wenn nun die Sache so einfach liegen würde, dass ein absoluter Unterschied (zwischen den Zeiten der Wärmeausstrahlung und des Wärmeempfangs) auf den beiden Hemisphären nicht blos in Bezug der Länge der Zeit, sondern überhaupt Alles in Allem genommen, bestände, so könnte man ohne Bedenken sagen: weil gegenwärtig der Südhemisphäre der längere Aphel- winter und kürzere Perihelsommer zukommt, der Nordhemisphäre aber umgekehrt der längere Aphelsommer und kürzere Perihelwinter, so muss die erstere (Südhemisphäre) kälter sein, als die letztere. Man müsste dann diesen Standpunkt als einen solchen anerkennen, welcher die vielfach so räthselhaften climatischen Erscheinungen in den früheren geologischen Perioden zu beleuchten geeignet sein könnte und sogar schliesslich zugleich den Schlüssel in die Hand geben könnte, um für die Zeitdauer der geologischen Formationen absolute Ziffern ausfindig zu machen. Aber die Sache liegt anders. Wenn das Wintersemester der südlichen Hemisphäre auch strenger und länger ist, die Zeit der Wärmeausstrahlung daselbst eine längere Dauer hat (Aphel), so ist dafür das Sommersemester daselbst zwar kürzer der Zeit nach, aber wegen der grösseren Sonnennähe um so heisser und zwar in der Weise, dass nach Vollendung des ganzen Jahres eine vollständige Compensation eintritt. Der gesammte Betrag des — 0 — Wärmeempfangs während des ganzen Jahres ist auf beiden Halbkugeln genau gleich. (Lambert’sche Theorem). Darüber sind die Mathematiker einig; nur soviel kann und muss zugegeben werden, dass eine ungleiche Vertheilung der Wärme in den verschie- denen (einander correspondirenden) Jahreszeiten oder Monaten des Jahres auf der einen und auf der andern Halbkugel stattfindet. Arago sagt darüber im 4. Band seiner populären Astronomie S. 462: »Werden alle Umstände in Rechnung genommen, so ergibt sich eine voll- ständige Compensation; man findet, dass die Sonne trotz der Verschiedenheiten ihrer Entfernung doch beiden Halbkugeln genau die gleiche Wärmemenge spendet; also nicht in einem astro- nomischen Umstande, der mit der elliptischen Form der Sonnenbahn zusammenhängt, nicht in der Verschiedenheit der Entfernungen dieses Gestirns von der Erde haben wir den Grund zu suchen für die Ungleichheiten der mittleren Temperatur der beiden Erdhalbkugeln. Ich wiederhole nochmals, fährt Arago fort, Alles, was jene Verschiedenheit in der Entfernung herbeiführen kann, beschränkt sich auf eine ungleiche Vertheilung der Temperaturen in den verschiedenen Monaten des Jahres; in Bezug auf den Mittelwerth ist sie gänzlich ohne Einfluss.« In gleichem Sinn äussert sich J. Herrschel, dessen Aeusserung wir aus einer Abhand- lung von Pilar') entlehnen: »John Herrschel befasste sich schon 1832 eingehend mit der Discussion dieser astronomischen Ursachen (der Ungleichheit der Temperatur auf beiden Erd- hälften), kam aber damals zu dem Resultate, dass eine Veränderung der Excentrieität der Erdbahn von keinem Einfluss auf die Temperatur der Erdhälften sein könne, da die Wärme- menge, welche die Erde von der Sonne erhält, in jedem Theile ihrer Bahn im Verhältniss steht zu dem Winkel, den die Erde zum Sonnenmittelpunkt beschreibt. Im Laufe seiner späteren Arbeiten kam J. Heerschel zur Ueberzeugung, dass grosse Veränderungen der Excentricität der Erdbahn dennoch von einem beträchtlichen Einfluss auf die climatischen Verhältnisse der Erdhälften sein müssen, da sie doch direct auf den Charakter der Jahreszeiten einwirken. Wenn bei grosser Excentricität der Erdbahn die Lage des Perihels dieselbe bleibt wie gegen- wärtig, so würde man auf der nördlichen Halbkugel einen kurzen und milden Winter und zugleich einen langen und kälteren Sommer haben; die Gegensätze der Temperaturen würden sich ausgleichen: die südliche Halbkugel aber wäre benachtheiligt und minder bewohnbar durch die grosse Temperaturdifferenz zwischen dem kurzen und heissen Sommer in der Sonnennähe und dem kalten langen Winter in der Sonnenferne. Da aber dieser Zustand von keiner Dauer ist, sondern in einem Zeitraum von circa 11,000 Jahren stets in sein Gegentheil übergeht, so ') Ein Beitrag zur Frage über die Ursache der Eiszeit. 1876. S. 49. ist es sehr wahrscheinlich, dass die von der Geologie constatirten zahlreichen Wechsel der Temperatur und der Climate, in einer Beziehung wenigstens, auf diese Ursachen zurück- zuführen sind. « Wenn nun diese Aeusserung J. Heerschels so aufgefasst wird, als ob ein Unterschied im Wärmeempfang des ganzen Jahrs stattfinde, so ist das sicher ein Missverständniss. Es ist theoretisch richtig, dass bei grosser Excentrieität die Jahrszeiten der einen Halbkugel (mit dem Aphelwinter) mehr excessiv verlaufen müssen, somit unangenehmer, stürmischer, für den Anbau mancher Früchte etc. weniger geeignet oder, wie Heerschel sagt, »weniger bewohnbar« sind, aber die mittlere Jahreswärme, der mittlere Wärmeempfang des Jahres ist gleich; und um letzteres allein handelt es sich hier. Heerschel weicht in der That darin von Arago nicht ab. Letzterer drückt sich nur schärfer und entschiedener aus; ersterer (Heerschel) will ein Zugeständniss an die Adhemar’sche Theorie nicht gänzlich von der Hand weisen, aber auch sein Zugeständniss bezieht sich nur auf den »Charakter der Jahreszeiten«, auf den grösseren Contrast der Jahreszeiten unter sich, nicht auf die mittlere Wärmemenge des ganzen Jahres selbst. Das ist nur ein geringes Zugeständniss, dem überdies die erfahrungsmässigen Temperatur- beobachtungen besonders auf der Südhemisphäre nicht einmal zur Seite stehen. Wollte man nämlich die Resultate dieser theoretischen Auffassung practisch verwerthen und dieselben ‚mit den wirklichen bestehenden Temperaturbeobachtungen der Südhemisphäre und Nordhemisphäre vergleichen, so würde genau das Gegentheil derselben sich ergeben. In der That sind nicht die Wintertemperaturen der südlichen Erdkugel als Ganzes betrachtet, excessiv kalt, wie sie sein müssten nach dieser Theorie, sondern gelind; !) dagegen aber sind die Sommertemperaturen der Südhemisphäre, die nach der obigen theoretischen Auffassung hoh sein müssten, daselbst in der That viel zu niedrig. 2 Selbst die oceanischen Inseln, deren Temperatur Hann anführt, zeigen auf der Nord- hemisphäre viel stärkere Temperaturschwankungen des wärmsten und kältesten Monats, als die ungefähr gleich situirten Inseln der südlichen Hemisphäre, während doch theoretisch das Gegentheil stattfinden sollte. Wir heben nur ein einziges Beispiel hervor, das in wirklich charakteristischer, fast extremer Weise die climatischen Zustände der Südhemisphäre nach ver- schiedenen Seiten zu illustriren geeignet ist. Die Kergueleninseln liegen unter ce 49° südlicher Breite und haben eine mittlere Jahrestemperatur von 4°,3 C.; der wärmste Monat zählt 7°,0 C, der kälteste + 2°%,0 C. (Hann 1 c. S. 14). Man sieht hier ausser der sehr geringen ') F. Hann. c. 8. 18. 19. Es wird dasebst die Temperatur oceanische Inseln sowohl der nördlichen als südlichen: Hemisphäre tabellarisch angegeben. ae mittleren Jahrestemperatur eine sehr grosse Gleichförmigkeit der Jahreszeiten beziehungs- weise des wärmsten und kältesten Monats, deren Differenz nur 5° C. beträgt; ferner eine sehr geringe Sommerwärme, aber einen gelinden Winter; das sind in allweg vol- lendete Gegensätze gegen die theoretischen Aufstellungen der Anhänger Adh&mars, wie sie gegenwärtig in Folge der Excentrieität auf der südlichen Halbkugel stattfinden sollten. Prof. Hann nimmt ebenfalls Act von diesen Temperaturverhältnissen und äussert sich aut S. 2 seiner Schrift: »es ist dies eine ganz auffallend niedrige Jahrestemperatur für den 49° und zwar ist es die Sommertemperatur von nur 6°,4 C. (etwas geringer als die Temperatur des wärmsten Monats, die oben angeführt wurde), welche diese Anomalie hervorbringt, während eine Wintertemperatur von c. + 2° gemässigt genannt werden kann.« Nicht minder befremdend ist die Thatsache, dass die excessivsten Schwankungen der Temperatur mit der strengsten Winterkälte auf die Nordhalbkugel fallen. Hier sollten, wenn die Adh&mar’sche Theorie mit den wirklichen Verhältnissen übereinstimmen würde, gelinde Wintertemperaturen vorhanden sein, weil das sonnennahe und kürzere Semester (Perihel) gegen- wärtig mit dem Winter der Nordhalbkugel zusammentrifft. Dagegen finden sich hier thatsächlich die eigentlichen Kältepole sowohl im nördlichen America als im nördlichen Asien, begleitet, selbst in hohen Breiten, von überraschend warmen Sommern (Sibirien und Canada). Europa hat allerdings ein mildes Clima mit schwachen Temperaturschwankungen, allein dieser Erdtheil ist geographisch eine Halbinsel von Asien und participirt somit, wie auch allgemein anerkannt ist, an den Eigenschaften des milden insularen Climas. Ueberdies finden auf der nördlichen Halbkugel (62°) die grössten Temperaturgegensätze: Faröer und Jakutzk. Raum zu ihrer Existenz. Die Temperatur des antarctischen Continents selbst ist freilich gänzlich unbekannt. Eine derartige Incongruenz mit den Beobachtungen ist misslich. Sie beweisst nicht, dass die Adh&mar’sche Auffassung theoretisch falsch sei, aber sie beweist, dass unter den Factoren, welche das Clima bestimmen, und wären es auch nur, was die Vertheilung der Wärme auf die verschiedenen Jahreszeiten und Monate anbelangt, die Folgen der Excentrieität durchaus nicht in erster Reihe stehen, sondern in concreto so schwach sind, dass sie von anderen Factoren leicht ganz verdeckt und vielfach sogar in ihr Gegentheil verkehrt werden. In der That ist auf der Südhalbkugel der mehr maritime Charakter und auf der Nord- halbkugel der bestehende mehr continentale Charakter derselben weit mehr ins Gewicht fallend bei der concreten Gestaltung des Climas und macht sich empirisch allein geltend, un- geachtet ihm theoretisch die Einflüsse der Excentriecität direct entgegengesetzt sind. Die ge- linden Winter der oceanischen Inseln in den südlichen Meeren haben offenbar in der stark — 356 — hervortretenden oceanischen Beschaffenheit der ganzen Hemisphäre ihren Grund: ihre sehr kühlen Sommer sind auf das massenhafte Abschmelzen des Eises vom Rande des antarctischen Continents in dieser Jahreszeit zurückzuführen. Auf der mehr mit festem Land ausgestatteten Nordhalbkugel treten andere climatische Erscheinungen auf. Weil dieselbe weniger maritim ist, so haben selbst die Inseln vielfach kältere Winter und weil auch die Abschmelzung des Eises der arctischen Länder im Sommer weniger massenhaft ist, so sind ihre Sommer wärmer, Die oceanischen Inseln der Nordhalbkugel und überhaupt die ganze Nordhalbkugel haben empirisch stärkere Schwankungen der Temperaturen trotz ihres theoretisch kurzen und milden Perihelwinters und längeren aber kühleren Aphelsommers; die südliche Halbkugel aber hat trotz ihres theoretisch längeren und strengeren Aphelwinters, empirisch mildere Winter und durchaus keine heissen, sondern sehr kühle Sommer, wenigstens auf den dem Eisgang ausgesetzten Inseln. Das sind die realen Zustände. Allerdings ist die Excentricität heutzutage nur eine ganz mässige, und, wenn dieselbe eine höhere Stufe erreicht, könnte in sich auch für die Beobachtung fühlbarer machen; allein es bleibt sehr fraglich, ob sie je den Einfluss einer vorherrschend continentalen oder maritimen Beschaffenheit einer Halbkugel ausgleichen oder gar überbieten könne. Aber auch einen solchen Einfluss noch als möglich zugestanden, so würde doch der Wärmeempfang des ganzen Jahres immer der gleiche bleiben auf beiden Hemisphären, wenn auch auf die Monate verschieden vertheilt. Nur in einem Falle dürften die Einflüsse der Excentricität auf die Vertheilung der Wärme der Jahreszeiten sich in der Wirklichkeit wahrnehmbar machen, wenn nämlich eine vollständige Gleichförmigkeit der Erdoberfläche, sei er nun vollständige Meeresbedeckung oder vollständige Festlandbildung bestünde. In diesem Falle würden je nach Maassgabe und Stärke der Excentrieität auch die Sommer und Winter beider Hemis- phären den entsprechenden Charakter empirisch wahrnehmbar an sich tragen, wenn auch schliesslich der Wärmeempfang des ganzen Jahres sich auch hier ausgleichen würde.. So lange aber die Erdoberfläche einen gemischten Charakter hat, Land und Meer und diese zudem in sehr ungleicher Vertheilung und Position in den beiden Erdhalbkugeln sich befinden, so überwiegt dieser viel stärkere Einfluss jenen der Excentrieität so stark, dass derselbe als empirisch nicht vorhanden anzusehen ist. In der That kann man auch nicht umhin, zuzugestehen, dass ein directer Einfluss der Excentricität auf das gesammte gegenwärtige Clima nicht vorhanden sei; es wird desshalb von mehreren Schriftstellern der Versuch gemacht, einen thatsächlichen, wenn auch indirecten Ein- fluss aus der Lage der Calmen abzuleiten. =# 3b — Die mittlere Lage der Calmen im Atlantischen und Stillen Ocean fällt nicht auf den geographischen Aequator, sondern ist immer um mehrere Grade auf die nördliche Halbkugel übergeschoben und fällt ziemlich genau mit dem Wärmeäquator zusammen. Das wird als eine thatsächliche, wenn auch indireete Folge davon betrachtet, dass die südliche Halbkugel gegen- wärtig den längeren (Aphel) Winter habe, die nördliche aber den längeren (Aphel) Sommer. Man wird keinen besondern Werth darauf legen dürfen, dass es an sich difficil sein möchte, eine indirecte Wirkung noch festzuhalten, nachdem die directe Wirkung principiell aufgegeben worden ist. Aber abgesehen hiervon, darf bei dem Studium über die Lage der Calmen doch der dritte grosse Ocean, der Indische, nicht ausser Betracht gelassen werden. Wenn dieselbe in irgend welcher directen oder indirecten Weise abhängen würde von dem Sonnenstand, der offenbar die ganze Hemisphäre beeinflussen muss, so müsste auch dieser Ocean die ent- sprechenden Erscheinungen zeigen; die Calmen müssten auch hier das ganze Jahr über auf die Nordseite, über den Aequator hinüber fallen. Das ist nun aber nicht der Fall. Die Lage derselben schwankt hier vielmehr so, dass dieselben im Juli ca. 20° nördlich vom Aequator liegen und im Januar nahezu ebenso weit südlich vom Aequator (cf. Wettstein: Strömungen etc. Charte 15 und 16, Seite 276). Wettstein bringt die stark schwankende Lage derselben un- bedenklich in Zusammenhang mit der Lage des Strichs der höchsten Temperatur, welche im Juli selbstverständlich im Norden des Aequators und im Januar im Süden desselben sich be- findet. Es erscheint somit nicht so fast die Lage der Calmen im Indischen Ocean, als viel- mehr die Lage derselben im Atlantischen und Stillen Ocean als eine in der That anomale, die aber nach Allem, was bisher schon erörtert wurde, nicht auf die Excentricität der Erdbahn zurückzuführen ist, sondern auf die erniedrigte Temperatur der Südhemisphäre durch den Ein- fluss des antarctischen Continents. ü Dass diese Ursache auf dem einen Ocean stärker, auf einem andern schwächer einwirken kann, wird nicht zu beanstanden sein. Viel sachlicher und den thatsächlichen Verhältnissen besser entsprechend wäre eine Hin- weisung darauf, dass durch das vorspringende Horn der brasilianischen Küste, das Cap S. Roque, der Aequatorialstrom zu einem überwiegenden Theile in die nördliche Hemisphäre hinüber- gelenkt werde, wenn auch ein schwächerer Theil desselben, die brasilianische Strömung, nach Süden sich wendet. Solche concrete geographische Thatsachen, die freilich lediglich kein Prineip darstellen, und auch nur auf den Atlantischen Ocean allein Anwendung finden würden, könnten in der That einen ausschlaggebenden Einfluss in der Vertheilung der warmen Wasser ausüben und könnte speciell hierdurch der Nordhalbkugel mehr erwärmtes Wasser zugeführt werden, Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 46 — 358° — als ihr geographisch gebührt, wie umgekehrt der Südhemisphäre weniger, als ihr zukommt. Allein Dr. Krümmel, der (ef. Die äquatorialen Meeresströmungen des atl. Oceans 5. 49) diesen Umstand auch in Erwägung zieht, betont, dass diese Mehrzufuhr warmen Wassers in die Nord- halbkugel durch die Guineaströmung alsbald ausgeglichen werde, indem durch sie ein jenen Gewässern entsprechendes Aequivalent warmen Wassers wieder zurück in den Busen von Guinea und in die südliche Aequatorialströmung geführt werde. Krümmel hebt noch besonders hervor, dass gerade dann, wenn die Aequatorialströmung ihre nördlichste Grenze und höchste Geschwindigkeit erreicht, wenn somit die stärkste Zufuhr warmen Wassers in den nördlichen Theil des Atlantischen Meeres stattfindet, die Guineaströmung auch ihrerseits den stärksten _ Stromgang entfaltet und das Gleichgewicht wiederherstellt (I. c. S. 49). Unseres Erachtens bietet somit auch die Lage der Calmen im Atlantischen und Stillen Ocean keinerlei reellen Anhaltspunkt dar, um auf einen ungleichen Wärmeempfang, wäre es auch nur durch ungleiche Vertheilung der Gewässer der äquatorialen Meeresströmung, zurückzuschliessen. Adh&mar’s Theorie bietet aber noch eine andere Seite dar, die selbst noch von den heutigen Vertretern derselben als selbstverständlich ohne weiteres Bedenken in Anwendung gebracht wird, die aber einer sachlichen Prüfung bedarf. Man nimmt es als ganz selbstver- ständlich an, dass jene Erdhalbkugel, welche den langen strengen Aphelwinter hat und den kurzen aber entsprechend warmen Perihelsommer, vorzüglich dazu geeignet sei, die Eis- anhäufungen und Gletscherbildung in hohem Grade zu begünstigen. Die andere Halbkugel mit dem langen aber kühlen Aphelsommer und dem kurzen milden Winter, der dem Perihel ent- pricht, soll hierzu nicht geeignet sein. Das ist jedoch gar nicht selbstverständlich. Die erstere Halbkugel (heutzutage die Südhalbkugel mit dem Aphelwinter) müsste somit ein Clima (theo- retisch) haben, welches dem Gontinentalelima, nicht der Ursache, aber dem Charakter, dem wirklichen Verlauf der Temperatur nach, entspricht. Aber gerade das Continentalelima begünstigt trotz seines langen strengen Winters und kurzen heissen Sommers die Schnee- und Eisanhäufungen entschieden nicht. Ein bekanntes Beispiel ist Sibirien, das, trotz seines langen strengen Winters, wegen seines kurzen heissen Sommers keine permanenten oberflächlichen Eisanhäufungen und Gletscher besitzt. Die andere Halbkugel aber (heutzutage die nördliche mit dem langen aber kühlen Aphel- sommer und milden kurzen Perihelwinter) soll für Eisanhäufungen ungeeignet sein. Dieses Clima stimmt in seinem Charakter mit dem oceanischen überein. Nach unbestrittenen Be- obachtungen, nicht blos in den Alpen, sind aber gerade kühle oceanische Sommer und gelinde Winter der oberflächlichen Eisanhäufung sehr günstig. — Ra) — Dass in Neuseeland und an der Südspitze von Südamerica die Gletscher ein so üppiges Gedeihen haben und sogar an die Eiszeit in Europa lebhaft erinnern, rührt durchaus nicht von einem excessiven Clima daselbst, nicht von einem sehr bedeutenden Unterschied der Jahres- zeiten mit strenger Winterkälte her, sondern ist im Zusammenhang mit der gleichmässigen oceanischen kühleren Temperatur besonders des Sommers. Wenn in diesen Gegenden ein langer scharfer Winter, aber auch ein kurzer warmer Sommer Platz greifen könnte, so würde auch dort wie im continentalen nördlichen Asien eine Entblössung, jedenfalls eine be- deutende Einschränkung der Gletscher erfolgen. Eine sibirische Kälte des Winters mag tief in den Boden eindringen (Scherginschacht), aber der sibirische kurze und warme Sommer lässt keine Eisanhäufungen auf der Oberfläche aufkommen, sondern schafft dieselben jedjährlich hinweg. Man kann bei diesem Thema kaum die Bemerkung unterdrücken, dass sich unter manchen Vertretern der Adh&mar’schen Theorie, wohl ganz unbewusst, eine Art abgekürzten Sprach- gebrauchs zu bilden angefangen hat, der das einemal vielfach den langen strengen Winter betont, ohne des kurzen, aber wegen der Sonnennähe heissen Sommers zu gedenken; das anderemal des langen Sommers, ohne hinzuzufügen, dass dieser trotz seiner längeren Dauer von Anfang bis zu Ende ein kühlerer Sommer ist, weil er in das Aphel fällt. Auf solche Weise kann man dann ganz unvermerkt zu Aeusserungen gelangen wie zum Beispiel: während des langen Winters wächst das Eis an, wie ein Geschwür und breitet sich immer mehr aus etc. Allein der kurze warme Sommer übt auch seine Macht aus; denn je kürzer derselbe ist in Folge der Excentricität, desto heisser ist er in Folge der nämlichen Excentrieität, der grösseren Sonnennähe entsprechend. Den Winter und seine Wirkungen kann man einseitig nur betonen auf Hochgebirgen und in sehr hohen Breiten; bei den ersteren, weil die Dünnigkeit der Luft eine irgend ausgiebige Erwärmung auch zur Sommerszeit nicht zulässt; in sehr hohen Breiten aber fallen die Sonnenstrahlen auch im Sommer so schief auf, das wiederum keine namhafte Erwärmung eintreten kann. Zeuge davon ist der ewige Schnee an beiden Oertlichkeiten. Allein die Excentricität bleibt hier ganz aus dem Spiel; jene beiden Localitäten haben vermöge ihrer tellurischen Lage einen stark prononcirten Winter, dem immer nur ein schwächlicher Sommer entgegensteht, falle nun letzterer mit dem Perihel oder Aphel zusammen und würde sich daran nichts ändern, wenn auch die Erdbahn ganz genau kreisförmig wäre, Aber das Beispiel von Sibirien beweist, dass schon in etwas weniger hohen Breiten (Jakutzk in 62° n. B.) die kurzen aber warmen Sommer nicht mit Stillschweigen übergangen — 360 — werden dürfen und das gilt offenbar noch in erhöhtem Grade von niedrigem ebenem Land in mittleren Breiten. Selbstverständlich ist, dass, wie bei allen Temperaturerscheinungen, so auch hier der Satz gilt, dass die Maxima sich verspäten. Das Maximum der Kälte des Aphelwinters fällt über das Wintersolstitium hinaus und die winterlichen Erscheinungen ziehen sich noch eine Zeit lang über das Frühjahrsäquinoctium hinüber. Allein auch das Maximum der Wärme des Perihel- sommers fällt über das Sommersolstitium hinaus und die Wärme greift noch über das Herbst- äquinoctium hinüber. Es findet einige Verschiebung, einige Retardation der Temperaturen, wie heutzutage statt, sowohl bei dem Sommer- als bei dem Wintersemester; aber ebendeshalb kann von einer absoluten Präponderanz der einen, nämlich der kalten Jahreszeit keine Rede sein, ausser in Hochgebirgen und in sehr hohen Breiten. Ferner ist selbstverständlich, dass die Hinwegräumung der Kälteprodukte des Winters unter allen Umständen für sich ein Quantum Wärme in Anspruch nimmt. Allein die Kälteproducte werden nicht durch die Excentrieität allein hervorgerufen ; selbst bei seiner genau kreisförmigen Balın würde in gewissen Breiten und in gewisser Höhe über dem Meere Schnee und Eis im Winter sich bilden, die durch den Sommer wegzuschaffen sind. Der Excentricität könnte blos insofern eine Rolle zufallen, als der kühlere Aphelsommer eine längere Zeit hierzu brauchen würde als der intensivere Perihelsommer. Aber beide bewältigen schliesslich doch die Producte des Winters; der Aphelsommer langsamer, aber er kann seine längere Dauer dafür einsetzen; der wärmere Perihelsommer wohlrascher, aber seine Dauer ist auch geringer. Nur in den höchsten Breiten und in den höchsten Gebirgslagen erlahmt die Kraft des Sommers gegenüber jener des Winters. Das würde aber bei einer genau kreisförmigen Bahn der Erde in gleicher Weise zutreffen, sofern die Stellung der Erdachse unverändert bleibt. Dass aber dem Aphelwinter eine Bevorzugung nach der Seite hin nicht einzuräumen sei, dass er Schnee- und Eisanhäufungen auf der Oberfläche begünstige, wurde schon oben auseinandergesetzt. 4 Von manchen Vertretern der Adhemarschen Theorie wird sodann auch die regelmässige Alternation der kalten und warmen Halbperiode auf je der einen oder anderen Halbkugel preisgegeben. Nach Penk (Vergletscherung der deutschen Alpen S. 452) wird dieser Schritt von Wallace gethan: »ja fragen muss man sich mit Wallace ob denn je überhaupt jene gewaltigen Eis- massen, welche einst in Europa 115 000 Quadratmeilen und #n Nordamerica 361 000 Quadrat- meilen bedeckten, in einer Interglacialzeit von 10 500 Jahren gänzlich redueirt werden konnten. A. R. Wallace verneint in seinem neuesten Werk diese Möglichkeit; nach ihm werden die 30 — Perioden grosser Fxcentricität nur anfänglich durch Eisanhäufungen ausgezeichnet, welche auf beiden Hemisphären alterniren, später jedoch, wenn die Eismassen so beträchtlich werden, dass sie in einer Interglacialzeit nicht weggeschmolzen werden können, sammelt sich auf beiden Hemisphären zugleich Eis an und in ihrem weiteren Verlauf werden die Perioden grosser Excentrieität durch gleichzeitige Vergletscherung auf beiden Halbkugeln charakterisirt.« Unwillkürlich drängt sich aber hier die Frage auf: wenn wirklich unter dem Einflusse und durch die Kraft einer Periode mit langem Aphelwinter sich auch nur auf der einen, sagen wir nördlichen Halbkugel, einmal solche Massen Eises sollten angehäuft haben, dass die kurzen aber heissen Perihelsommer derselben Periode mit diesen Kälteproducten nicht mehr aufzuräumen sollten vermocht haben, dass auch ferner, nach erfolgter Umkehrung der Halbperiode, die jetzt eintretenden langen aber kühleren Aphelsommer sie nicht mehr zu bewältigen vermocht hätten, sondern Eisanhäufung auf Eisanhäufung folgte; — man fragt sich, wenn durch den Einfluss der Excentricität sich solche Zustände herausbilden konnten, wie ist es dann jemals möglich geworden, dass die Oberfläche der Erde doch noch zu irgend einer Zeit von der Last dieses Eispanzers befreit werden könnte? In der Gegenwart insbesondere ist der Unterschied, der durch die Excentrieität hervorgerufen wird, wenn man sich auf den Boden der Theorie selbst stellt, nur mässig, wie schon oben angegeben wurde. Sollte eine so wenig stark prononeirte Periode wie die gegenwärtige im Stande gewesen sein, die Eismassen der Quartärzeit auf den nördlichen Hemisphären wegzuschmelzen? Die Quartärzeit ist doch keine entlegene geologische Periode, sondern geologisch der recenten unmittelbar vorangegangen. Oder sollte sich zwischen Quartärzeit und Gegenwart eine sehr scharf prononeirte Periode der Excentricität eingeschoben haben? Welchen Charakter müsste dann diese Periode gehabt haben, um die im Besitz befindlichen Eismassen wegzuräumen ? Das sind Fragen auf die man keine Antwort hat. Es wurde oben auseinanderzusetzen gesucht, dass die Jahreszeiten selbst, möge die Ex- centrieität sein, welche sie wolle, sich schliesslich doch das Gleichgewicht setzen, dass also eine Anhäufung der Kälteproducte über alle Jahreszeiten hinüber nicht stattfinden könne, oder doch nur auf Hochgebirgen und in sehr hohen breiten Platz greifen könne. Sieht man aber einen Augenblick davon ab, lässt man die Möglichkeit einer fast unbegrenzten Anhäufung der Kälte- producte auch anderwärts zu, so ist die finale Abschmelzung derselben die doch in der That stattgefunden hat, geradezu unerklärlich. Die Jahreszeiten und Halbperioden mussten doch jenen Grundcharakter, den ihnen die Ex- centrieität aufdrückte, bewahren und geltend machen und eben dieser Charakter schliesst solche masslose Störungen des Gleichgewichts der Jahreszeiten der Halbperioden unter einander aus, — 362 — denn den langen Aphelwintern einer Halbperiode stehen kurze aber wegen der Sonnennähe um so heissere Sommer gegenüber und umgekehrt, den milden Perihelwintern folgen zwar lange aber nur kühle Sommer. Die Jahreszeiten jeder Periode, soweit sie von der Excentrieität be- einflusst werden, stellen unter sich im Laufe jedes Jahres die gleiche Summe der mitteleren Jahreswärme wieder her. Wenn nun aber doch Eisanhäufungen im Laufe der Quartärperiode, welche eben desshalb den Namen Eiszeit sich erworben hat, aus irgend welchem Grund als vollendete Thatsache, in überraschend grossem Masstab stattgefunden haben, was nicht bestritten wird, so kann dieser Zustand nicht von der Excentrieität veranlasst worden sein und ebenso muss auch für die Remedur eine andere Ursache gesucht werden. Die Sommer insbesondere konnten niemals unter dem Einflusse der Excentricität ein solches Uebergewicht erlangen um ein einmal that- sächlich vorhandenes Uebergewicht der Eisanhäufung hinweg zu räumen. Und doch ist jene Eisanhäufung der Quartärzeit auf der nördlichen Halbkugel, von der Wallace spricht, nicht mehr vorhanden. Wie ist sie wesgekommen? Wenn man auf den Gedankengang von Wallace sich noch soweit einlassen dürfte und könnte, dass man die Möglichkeit einer ununterbrochenen Anhäufung des Eises über warme und kalte Jahreszeiten und sogar Halbperioden hienüber noch anerkennen wollte, so ist keine Möglichkeit vorhanden, ein Ende derselben zu irgend einer Zeit ab- zusehen. Die Eisdecke müsste dann bis heute fortbestehen und für alle Zeiten die Oberfläche des Planeten, mit Ausnahme etwa der Tropen bedecken, wie auch in der That die höchsten Höhen der Hochgebirge und die höchsten Breiten der Erde nie von Schnee und Eis frei sind. Und doch ist es nicht so. Die Eiszeit der nördlichen Halbkugel in ihren mittleren Breiten ist vorüber und die Quartärperiode trägt sichtlich den Charakter einer ausnahmsweisen und vorübergehenden Periode an sich. Man wird sich dem Eindruck nicht verschliessen können, dass durch Wallace die Adh@mar’sche Theorie auf eine Spitze getrieben wird, wo sie zusammenzubrechen droht. Sobald die Alternation der in ihrer Eigenthümlichkeit verlaufenden, wenn auch schliesslich sich doch das Gleichgewicht haltenden Jahreszeiten und Halbperioden verlassen wird, so ist das Prineip schon in einem so wesentlichen Punkte beseitigt, dass es als verlassen anzusehen ist. Aber gerade desshalb ist es bedeutungsvoll, wie nun bei Wallace und bei Dr. Penk, der sich ihm anschliesst, ein anderweitiges Prineip emporzutauchen beginnt. Dr. Penk sieht sich veranlasst, die Bedeutung der geographischen Bedingungen hervorzuheben: »das Auftreten von Gletschern ist an bestimmte geographische Verhältnisse ge- bunden, wie man leicht aus der Vertheilung der heutigen Eisströme entnehmen kann. Gletscher finden sich heute nur in Gebirgen und selbst die eiszeitlichen Gletscher gingen stets von Gebirgen — 363 — aus. Fehlen Gebirge, so fehlt der Ausgangspunkt irgend welcher Vereisung,. Würden wir uns die scandinavischen und schottischen Hochlande vom Norden Europas entfernt denken, so würden wir keinerlei quartäre Vergletscherung derselben beobachten können und ebensowenig würden wir uns eine Vergletscherung Nordamericas denken können, ohne das im Norden gelegene Grönland. Aber nicht alle Gebirge sind in gleichem Masse zur Gletschererzeugung geeignet. Die in maritimen Climaten gelegenen Gebirge erzeugen die verhältnissmässig grössten Gletscher. « DrsBenk l2c, 82451. Dass hiermit von Penk und Wallace jenes Prineip, welches Sartorius von Walters- hausen zuerst aufstellte und consequent durchführte (und dem auch wir schon in einer früheren Abhandlung vom Jahr 1875 in den Württ. naturwiss, Jahresheften S. 85 gefolgt sind, wenn auch mit wesentlichen Modificationen) wenigstens aushilfsweise beigezogen werde, ist deutlich genug ersichtlich, obwohl die Excentrieität als Grundlage und Prineip von ihnen noch immer beibehalten wird. Nun drängt sich aber diesem solchergestalt abgeänderten Standpunkte gegenüber wieder die Frage auf: wenn den Gebirgen nach Penk zwar eine Mitwirkung für die Herbeiführung der Eiszeit zugestanden werden will, als Hauptursache aber doch die Excentricität beibehalten wird, — welche Macht war dann im Stande, die mit Beihilfe der Gebirge vollbrachte That- sache der Vereisung so zu reduciren, wie sie auf der nördlichen Halbkugel heutzutage re- dueirt ist und damit die Eiszeit zu beendigen ? Wenn durch die langen und strengen Aphelwinter einer Halbperiode auf einer Hemis- phäre, und zwar unter Beihilfe der Gebirge, die Vereisung zu Stande kam und ihre schon damals bestehenden Perihelsommer nichts dagegen vermochten, so konnten-auch die kurzen, warmen Perihelsommer irgend einer anderen folgenden Halbperiode dieselbe nicht wieder verdrängen; denn schon während des Zustandekommens dieser Vereisung bestan- den ja die, den langen Aphelwintern entsprechenden, von ihnen unzertrennlichen, kurzen und warmen Perihelsommer. Die bleibende Vereisung hätte somit, wenn den Perihelsommern eine so stark eingreifende Kraft überhaupt zugeschrieben werden dürfte, gar nie zu Stande kommen können, sondern wäre in ihren ersten winterlichen Anfängen jedesmal wieder durch den unmit- telbar folgenden warmen kurzen Perihelsommer unterdrückt worden. Ebensowenig vermochten das die langen aber kühlen Aphelsommer der nächsten oder irgend einer der folgenden Halbperioden, da anerkannt ist, dass gerade kühle Sommer in den Gebirgen (Alpen) das Wachsthum der Gletscher besonders befördern. — 364 — . Wollte man aber, freilich im Gegensatz wohl zu allen Vertretern der Adh&mar’schen Theorie, dahin seine Zuflucht nehmen, dass man gerade jene Halbperioden, welche kühle und lange Sommer und milde Winter auf einer Halbkugel bedingen, als die eigentlichen förder- lichen Zeiten der Vereisung im Gebirg auffasst, so würde man sich wieder in andere Wider- sprüche verwickelt sehen. Da nämlich gegenwärtig, wie schon oben dargelegt wurde, dieser Zustand in Folge der Excentrieität auf die nördliche Halbkugel Anwendung finden würde, so müsste diese jetzt ihre Eiszeit haben und die südliche Halbkugel ınüsste jetzt das ent- gegengesetzte Clima haben. Das widerspricht aber allen Beobachtungen und widerspricht ins- besondere der Thatsache, dass für die nördliche Halbkugel die Eiszeit entschieden der Ver- gangenheit angehört, somit nach der Adh@mar’schen Theorie selbst, einer früheren Periode, welche einen anderen, also entgegengesetzten Charakter getragen haben müsste, als die gegen- wärtige. Dr. Penk hebt wohl den an sich ganz richtigen Gedanken hervor (l. e. S. 449), dass die Gletscher die Kälte der höheren Regionen in die Niederungen herabbringen und dadurch eine Ueberhandnahme der Eismassen auch in die tiefere Lagen bewirken. Aber die Schwie- rigkeiten werden auch hierdurch nicht beseitigt. Wenn nämlich die Sommer jener Halbperiode, während welcher die Gletscher sich bildeten und ihre grosse Ausdehnung erlangten, gleich- viel ob sie kurz und warm oder lang und kühl waren, nicht im Stande waren, die Ausbrei- tung des Eismassen und das Herabsteigen der Gletscher aus der Höhe in die Niederung zu verhindern, so sind auch die Sommer irgend einer späteren Halbperiode, haben dieselben einen Charakter, welchen sie wollen, ausser Stande, eine solche Leistung zu vollbringen. Denn auch diese sind jeder Zeit entweder kurze und warme oder aber lange und kühle Sommer, je nachdem sie in das Perihel oder Aphel fallen. Eine Periode aber, welche lange und zugleich heisse Sommer hätte, deren man für eine solche Leistung wohl bedürfte, ist gerade auf dem Standpunkte der Adh&mar’schen Theorie unbedingt als unzulässig ausgeschlossen. Die Verwickelungen lösen sich somit nicht auf, auch wenn man die Gebirge als mitwir- kende Ursache hinzunehmen wollte, so lang die Excentrieität als das Hauptprincip festgehalten werden will. Man wird all diesen logischen Schwierigkeiten nur dann entgehen können, wenn man die Gebirge selbst, unter Verzicht auf die Excentricität, je nach ihrem Entwickelungsstadium, sowohl für das Eintreten der Vereisung, als auch für das Aufhören derselben verantwortlich macht. So lange nämlich die Gebirgs- ketten in sich geschlossen und durch keine Querthäler zerstückelt sind, bewirken dieselbe eine — Bla — Anhäufung der Schneemassen, die nicht aus dem Gebirg herausgeschafft werden können. Wenn die Gebirge aber späterhin, durch Erosion der Querthäler, in sich zerstückelt worden und Bahnen nach der Niederung am Fusse des Gebirgs hin eröffnet sind, so wälzen sich die ange- sammelten Eismassen als Gletscher von grosser Mächtigkeit in die Niederungen hinab, durch deren einheimische Wärme sie erst im Laufe der Zeiten der Schmelzung unterliegen mussten. Diese Auffassung wurde von uns schon in der oben eitirten Abhandlung aufgestellt (1875 W Jahreshefte) und näher begründet, während Sartorius glaubte, eine anfängliche grössere Höhe und späteres Niedersinken der Gebirge annehmen zu sollen, um den Eintritt und das Aufhören der Eiszeit zu motiviren. Die nächsten Capitel werden die Verbindung zwischen der geographischen und climatischen Zuständen behandeln. Die Untersuchungen darüber schliessen sich an die Erörterungen über das Clima der Süd- hemisphäre aus dem Grunde am geeignetsten an, weil gerade die geographische Beschaffenheit dieser Halbkugel hervorstechende Eigenthümlichkeiten aufweist. Die Vertheilung des Festen und Flüssigen daselbst ist so, dass eigentlich nur eine einzige Zone derselben im Verhältnisse zu ihrem Rauminhalt stark, sei es mit festem Land, oder mit stets gefrorenem Wasser besetzt ist, die südliche Polarzone; die andern Zonen besonders die gemässigten haben im Verhältnisse zu ihrem Umfang wenig Land aufzuweisen; dagegen breiten sich hier die Oceane um so mehr aus. Hier drängt sich nun die Frage auf: Ist das ganz zufällig? Ist dies eine vollendete Thatsache, wofür keinerlei Grund einzusehen ist? Ist insbesondere das eigenthümliche Clima der Südhemisphäre nur eine Folge dieser Anordnung des Festen und Flüssigen, oder haben vielleicht die elimatischen Zustände selbst ihren Theil dazu beigetragen, dass die geographische Beschaffenheit sich gerade so gestaltet hat, wie sie dermalen ist? Wir glauben in den folgenden Capiteln nachweisen zu können, dass hier in der That eine Wechselwirkung obwaltet zwischen climatischen und tellurischen Zuständen. Zweites Oapitel. Die südliche Hemisphäre als ein Gebiet vorherrschender Senkungen. Die Geographen weisen auf eine Anzahl Erscheinungen hin, welche einen nicht zu ver- kennenden Unterschied zwischen der Nord- und Südhemisphäre erkennen lassen. Dieselben sind: die grössere Ausdehnung und Tiefe der Meere der südlichen Halbkugel, das auffallend zahl- Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 47 — 366 — reiche Auftreten von Laguneninseln in dem Stillen Ocean und im Indischen Ocean und die auf- fallend verschiedene Form der Landmassen, die nach den südlichen Gegenden hin sich schmal zuspitzen (Südspitze von Südamerica, Africa und die beiden indischen Halbinseln), andererseits nach den nördlichen Gegenden hin breit und flach auslaufen (breite Landmassen des nördlichen Asien und America). Peschel nennt das Homologien der Form. Diese Erscheinungen ver- rathen offenbar eine gewisse Beziehung untereinander und lassen sich unter dem gemeinsamen Gesichtspunkt einer vorherrschenden Senkung im Bereich der südlichen Hemisphäre zusammen auffassen. Wenn das Gebiet der südlichen Hemisphäre gegenüber der nördlichen Halbkugel als der Schauplatz einer stärkeren Senkung des Meeresbodens aufgefasst werden darf, so sind diese Erscheinungen keineswegs räthselhaft, sondern ergeben sich ganz einfach als Consequenzen. Wenn der Meeresboden der Südhalbkugel sich lebhafter senkt, so wird er vom Meere in weiterem Umfang und grösserer Tiefe bedeckt, so werden an geeigneten Stellen die Erscheinungen sinkender Laguneninseln sich einstellen; so werden auch auf dem stärker sich senkenden Gebiet die Landmassen vorherrschend geschmälert werden, während dieselben auf der entgegengesetzten Halbkugel in breiten und flachen Massen aus den seichteren Meeren auftauchen. Die Thatsachen sind vorhanden; die Frage ist aber diese, ob die Ursachen einer stärkeren Senkung auf der Südhemisphäre sich darlegen lassen und ob dieselben mit den climatischen Verhältnissen in einem Zusammenhang stehen ? Unsere Antwort geht kurz gefasst dahin, das Vorhandensein eines antarctischen Continents in so ungünstig centraler Lage um den Pol herum und die mit, demselben zugleich ins Dasein gerufenen climatischen Vorgänge sind die Ursache der stärkeren Senkung der Südhemisphäre Diese Auffassung ist aber näher zu begründen. Denkt man sich das Vorhandensein des antarctischen Landes als eine gegebene Thatsache, so ist unzertrennlich damit in seinem Bereich ein continentales Clima verbunden. Sobald ein Continent sich herausgebildet hat, so ist damit auch das continentale Clima in jener Beschaffen- heit, wie sie durch die geographische Lage (Breite) bedingt wird, inaugurirt. Wie beschaffen das Clima dieses Continents sein müsse und welche Vorgänge sich in Folge desselben ein- stellen mussten, lässt sich bestimmt sagen, weil ja diese Vorgänge noch heutzutage fortdauern In der langen Winternacht gewinnt die Ausstrahlung der Wärme gegen den freien Himmels- raum, d. h. die Kälte, eine gewaltige Kraft. Darauf folgt zwar der ebenso lange Sommertag, aber in jenen Breiten, die der antarctische Continent einnimmt, fallen die Sonnenstrahlen jeder- zeit sehr schief auf und vermögen kaum ausgiebige Wärme hervorzurufen, während die Aus- = a — strahlung der langen Nacht mit keinem Winkel zu schaffen hat. Desshalb ist die Kraft des Winters sehr stark, die des Sommers sehr schwach. Das trifft besonders für die antarctischen Landmassen in voller Stärke zu; anderwärts liegen die Verhältnisse schon etwas günstiger, wie beispielsweise in Sibirien (Jakutzk). Unter dem 62° der nördlichen Breite hat die Kraft der Sonnenstrahlen im Sommer eine nicht mehr zu unterschätzende Bedeutung; aber der antarctische Continent bedeckt mit seiner Masse nahezu central den ganzen Polarkreis und ragt nur mit spitzen Zipfeln und schmalen Säumen über denselben da und dort hervor. Die Sonnenstrahlen fallen somit auf dem ganzen Gebiet desselben sehr schief auf. Sieht man von der gebirgigen Beschaffenheit desselben, die heutzutage besteht, ganz ab, so müssen sich schon um dieser geographischen Lage willen, die Kälte und die Kälteproducte in ausserordentlich hohem Grade geltend machen können. Auf jene Kälte, welche den Boden des Continents selbst beschlägt und die sich durch Luftströmungen weiterhin mittheilen kann, ist aber das Hauptgewicht nicht einmal zu legen, sondern darauf, dass die Producte der Kälte massenhaft und direct allseitig in das offene Meer übergeleitet werden. Die grossen Eismassen, die sich an den Rändern des erkalteten Continents bilden, brechen ab und schwimmen fort; die Gletscher ergiessen sich in das Meer und es ist allseitig zugegeben, dass das antarctische Gebiet darin Gewaltiges leistet, Gewaltigeres noch als die Landmassen der arctischen Polarländer. Diese Eismassen schwimmen fort, schmelzen nach und nach ab und das kalte Wasser sinkt zu Grunde. Das Meerwasser hat nach den neuesten Untersuchungen seine grösste Dichtigkeit bei + 0,45° C. So niedrig stellt sich die Temperatur der tiefsten Gewässer des Meeres; und in der That schwankt nach den gemachten directen Beobachtungen die Temperatur der tiefen Gewässer der Oceane um diesen Betrag herum, gleichviel, ob diese Gewässer unter den Tropen, oder in mittleren Breiten, oder im Polarkreise sich befinden. Sobald nun eine solche kalte Strömung auf dem Grund der Oceane durch alle Breiten- und Längengrade hin sich geltend zu machen anfing, so wurde an den Meeresgrund, an den festen Boden, welcher die Erstarrungsrinde der Erdkugel auch unter den Meeren bildet, eine ganz bedeutende Wärmeabforderung gestellt, oder was die gleiche Bedeutung hat, eine Abkühlung desselben hervorgerufen. Wir halten den Ausdruck »Wärmeabforderung« für richtiger, weil derselbe die besondere Art und Weise der Abkühlung bezeichnet. Die Ab- kühlung des Meeresgrundes geht in der That so vor sich, wie wenn über eine Steinplatte von mässig hoher Temperatur ein eisig kalter Strom Wasser hingeleitet wird. Wie energisch diese Art von Abkühlung sich vollzieht, davon kann man jederzeit sich überzeugen, wenn man einen erwärmten Stein in kaltes fliessendes Wasser legt und andererseits einen gleich grossen — 568 — Stein mit gleicher Erwärmung an der Luft abkühlen lässt. Die Wärmeabforderung von dem Stein, der in das kalte fliessende Wasser gelegt ist, ist vielmal stärker, ungestümer, als jene von dem Stein, der an der Luft erkaltet, auch wenn die Temperatur der Luft und des Wassers die gleiche ist. Bei sehr grossen Temperaturunterschieden des Wassers und des heissen Steines giebt nicht nur das zischende Geräusch Zeugniss von der Heftigkeit der Wärmeabforderung, sondern auch die schnelle fast augenblickliche Zunahme der Temperatur des Wassers. Das Wasser hat wegen seiner Eigenschaft als flüssiger Körper sowohl vor festen als auch luft- förmigen Körpern den Vorzug einer besonderen Energie der Wärmeabforderung von solchen Gegenständen, mit denen es in Berührung kommt; schon das gefrorene Wasser, das Eis, hat als ein fester Körper diese Eigenschaft in viel geringerem Grade. Wenn also das kalte Grund- wasser der Meere mit dem Meeresboden in Berührung kommt, so muss letzterer in sehr kräf- tiger Weise abgekühlt werden. Faye drückt sich ganz richtig aus, wenn er sagt, dass unter den Meeren die Abkühlung der Erdkugel lebhafter und tiefer vor sich gehe, als unter den Continenten, während neuere Autoren das Gegentheil annehmen zu müssen glauben. Im nächsten Capitel werden wir nochmals auf diese Vorgänge zurückkommen. Vorerst wäre anzuerkennen dass auf dem Meeresboden der südlichen Erdhälfte mehr noch als der nördlichen, Jahr aus Jahr ein, Tag und Nacht, ohne dass ein erwärmender Sonnenstrahl einzudringen vermag, ein eisigkalter Strom sich ergiesst, der mit nachhaltiger und ungeminderter Kraft die Wärme desselben abfordert und entführt; denn sobald die Temperatur des Wassers sich zu heben an- fängt, durch die dem Meeresboden entzogene Wärme, so steigen die leichter gewordenen Ge- wässer empor und an ihre Stelle tritt wiederum Wasser von niedrigerer Temperatur, um den Wärmeabfluss nie stille stehen zu lassen. Die scheinbar viel näher liegende Ausgleichung der in verschiedener Tiefe verschieden warmen Wasserschichten des Oceans unter einander selbst, kann nicht stattfinden, weil dieselben einander fliehen. In dem weiten Raum der Meerestiefe werden die kalten Gewässer unten, die warmen oben durch ihr verschiedenes Gewicht fest- gehalten, streben auseinander, anstatt ineinander, so dass eine Ausgleichung derselben unter einander nicht erfolgen kann. Zusammenstösse, wie zwischen dem warmen Golfstrom und kalten Labradorstrom, sind Ausnahmen. Es ist somit der Meeresboden allein oder wenigstens in der grössten Ausdehnung, der den Anforderungen des kalten Wassers erreichhar ist und in An- spruch genommen werden muss, um die Temperaturausgleichung zu vollziehen. Die weitere Folgerung ist nun ganz einfach: wenn auf dem Meeresboden, namentlich der Südhemisphäre, eine so lebhafte Wärmeabforderung und Abkühlung vor sich geht, so findet daselbst eine entsprechende Verminderung des Volumens des Meeresboden statt, das ist: — 8369 — eine Senkung und als sichtbarer Ausdruck desselben stellen sich jene geographischen Eigen- thümlichkeiten ein, deren Eingangs Erwähnung geschah; insbesondere wird die Meeresbedeckung dasselbst umfangreicher und tiefer sein. Dem Einwurf muss jedoch wiederholt begegnet werden, als ob dem antarctischen Continent bei der Abkühlung eine unmotivirte Ausnahnstellung ein- geräumt worden wäre; es wurde demselben in der That keine andere Stellung zuerkannt, als diejenige, die er seiner geographischen Lage und seiner Beschaffenheit nach in Wirklichkeit beansprucht und besonders auch gegenüber den arctischen Landmassen behauptet. In dem nördlichen Polarkreise liegen die Landmassen nicht central, sondern mehr oder weniger auf die Peripherie vertheilt, so dass Nordenskiöld') neuerdings sich sogar zu einem offenen, eisfreien nordpolaren Eismeere zu bekennen geneigt ist. Im Gebiet des südlichen Polarkreises liegen die Verhältnisse anders; die Landmassen nehmen dort eine ganz centrale Lage ein. Hiermit ist nicht ausgeschlossen, sondern sogar wahrscheinlich, dass im antarctischen Gebiet nicht eine ununterbrochene wirkliche Landbildung bestehe; es mag dort in Wirklichkeit ein Archipel aus einer grössern Anzahl von Inseln zusammengesetzt bestehen; aber diese Inseln sind durch nie aufthauendes Eis verbunden und gewinnen hierdurch vollständig den Charakter eines Con- tinents. Dem Eis kommen die physicalischen Eigenschaften des Wassers in Betreff der Wärme nicht mehr zu; dasselbe hat die Eigenschaften fester mineralischer Körper und ein durch Eis bleibend zusammenhängender Archipel ist in der That ein Continent. Die antarctischen Land- massen, auch wenn sie im Grunde nur ein Archipel waren, sind ein antarctischer Continent geworden, der von den nordischen Polarländern die centrale Lage voraus hat. Dies ist der Grund seiner überwiegenden climatischen Bedeutung. Die Seefahrer, die es versucht haben, in die südlichen Polargegenden vorzudringen, sind auch alle darin einig, dass die Kälteproducte desselben unbestreitbar überwiegend seien, »Die bedeutenden Eismassen des südlichen Eismeers, die sich oft in einer Höhe von 100 m in die südlichen Theile der andern Oceane erstrecken, sind die Hauptlagerstätten des kalten Wassers« (Andree); sind desshalb auch, darf hinzugefügt werden, die Hauptursache der überwiegenden Senkung des Meeresgrundes dieser Hemisphäre. Wie im vorigen Capitel, so besteht auch hier eine Concurrenz mit der Adhemar’schen Auffassung, welche eine weitere Darlegung verlangt. Die Vertreter dieses Standpuuktes ermangeln nicht zu betonen, dass ihre Auffassung sie befähige, die namhaft gemachten geographischen Erscheinungen der Südhemisphäre befriedigend zu erklären. Dieselbe nehmen zu diesem Zwecke eine, unter dem Einflusse des spezifischen 1) Die Umsegelung von Asien etc. I. S. 237. — 3710, — Climas der südlichen Halbkugel entstandene meilendicke Anhäufung von Schnee und Eis auf dem antarctischen Continent an, dem ein so grosser Umfang und so grosses Gewicht beigemessen wird, dass durch den Einfluss desselben der Schwerpunkt der Erde selbst eine Verrückung er- litten habe und in Folge dessen ein Zudrang der Flüssigkeit auf der Oberfläche der Erde gegen die antarctischen Gegenden hin stattgefunden habe, Mit dieser Annahme einer so gewaltigen und einseitig überwiegenden Vereisung ist zwar nicht recht gut in Einklang zu bringen, dass auch in den Nordpolarländern Anhäufungen des Schnees thatsächlich stattfinden (Grönland), so dass beide Gewichte einander entgegenarbeiten und sich zu paralysiren suchen; und ferner, dass nicht blos Anhäufung statt hat, sondern auch massenhafter Abgang von Eisbergen und Eisschollen. Will man aber auf diesen Einwand keinen endgültigen Werth legen, da immerhin ein relativer Ueberschuss auf der Südhemisphäre sich doch herausstellen kann, so ist nicht in Abrede zu stellen, dass hierdurch für die geographischen Eigenthümlichkeiten der südlichen Halbkugel einiges Licht gewonnen ist. Die vom Meere be- deckten Räume werden daselbst umfangreicher und die Meere selbst tiefer sein; auch die abweichenden Umrisse der Continente gegen Süd und gegen Nord hin, sowie die Lagunen, als überfluthete Inseln, gewinnen dadurch eine Beleuchtung. Diese Erklärung kann aber doch nur bei oberflächlicher Betrachtung befriedigen. Das Hauptgebrechen des Adh&mar’schen Standpunktes, abgesehen von der Schwierigkeit der Motivirung einen Eisansammlung von solchem Umfang, liegt darin, dass durch denselben nur ein Zudrang der Gewässer nach dem Südpol hin, nicht aber eine wirkliche überwiegende Senkung des Meeresboden, der südlichen Halbkugel begründet werden kann. Wenn aber nur ein Zudrang der Gewässer und keine weitverbreitete Senkung des Meeres- boden stattfinden würde, so müssten die Erscheinungen des tiefern Eintauchens auf allen Punkten der Südmeere gleichmäs sig vorhanden sein, wie umgekehrt ein allgemeines gleich- förmiges Auftauchen der Landmassen auf der Nordhalbkugel; denn die Gewässer halten ihr Niveau überall ein und stellen, wo sie unter sich communieiren, dasselbe im Fall der Störung alsbald wieder her. Das ist aber nicht der Fall; Die Westküste von Neuseeland sinkt, seine Ost- küste steigt; die Westküste von Südamerica steigt und sofort; — und umgekehrt auf der Nord- halbkugel sinkt die Nordküste von Deutschland und Frankreich und die Südküste von England. Das sind nur einige Beispiele, die leicht vermehrt werden könten; sie sind aber nicht zu vereinigen mit dem Adh&mar’schen Standpunkt; jedenfalls müssten noch andere Gesichtspunkte und Ursachen herbeigezogen werden um diese räthselhaften abweichenden Vorgänge zu erklären. Die von uns ge- gebene Erklärung wird hierdurch nicht beeinträchtigt. Durch eine vorherrschende und über- — 371 — wiegende wirkliche Senk ung des Meeresboden der Südhemisphäre ist eine theilweise da und dort auftretende Hebung im Bereiche desselben gar nicht ausgeschlossen, sogar, wie im nächsten Capitel dargelegt werden wird, eingeschlossen. Sodann müssten nach Adh&mar’scher Auffassung gegen den Südpol hin die Wassermassen stetig zunehmen und dort ihre grösste Tiefe zeigen, weil dort die Ursache der Störung des Gleichgewichts ist. Das ist aber auch nicht der Fall. Die grössten Tiefen der Meere befinden sich in den niedrigen geographischen Breiten und vorzüglich unter den Tropen. Im Atlantischen und Indischen Ocean fällt die grösste Tiefe deutlich innerhalb der Tropen (ef Krümmel: Ver- gleichende Morphologie der Meeresräume Tabelle I. II. III.). Im Stillen Ocean sind zwar die Tiefen innerhalb der Tropen auch grösser, als die mittleren Durschschnittsziffern (l. c, Tabelle IV.), sowohl südlich als nördlich vom Aequator; die grösste Depression fällt jedoch hier auf den 40°—50° nördlicher Breite (Tuskarora-Tiefe). Die Meerestiefe convergirt somit keineswegs gegen den Südpol zu, wie es nach Adh&mars Theorie sein müsste, sondern sie divergirt von beiden Polen weg gegen die mittleren und niedrigen Breiten hin. Man könnte noch hinzu- fügen, dass man keinen Grund einsieht, warum, nach der Adh&marschen Auffassung, das antarc- tische Polarland nicht schon längst von dem zudrängenden Meere überfluthet sein sollte, da doch der Andrang gerade nach dieser Region hin, in welcher die Ursache der Gleichgewichtsstörung liegen soll, gerichtet sein muss. Mit der oben von uns vorgetragenen Auffassung steht auch die Anordnung bei Abstufung der Meerestiefe in ihren Hauptzügen im Einklang. Die Ströme des kalten Meerwassers laufen auf dem Grund des Meeres von den Polarländern weg nach dem Aequator zu. Dieselben kommen zwar dadurch in den Bereich höherer Wärmegrade, aber die Temperatur der Grund- wasser wird hierdurch, wie auch die Beobachtung bei den Lothungen zeigt, kaum geändert, weil immer die kältesten, besser die dichtesten Wasser auf den Grund uachsinken. Desshalb kann sich auch die abkühlende Kraft derselben und was sonst in ihrem Gefolge eintritt, auf dem Meeresgrunde forterhalten bis zu den Tropen und bis zum Aequator. Die Umwandlung des Wassers in Dampf geschieht hier (unter dem Aequator) am stärksten; zur Wiederherstellung des Niveaus nehmen desshalb hier, wie auch die Beobachtung bestätigt!), die kalten Gewässer des Meeresgrundes eine vertical aufsteigende Richtung nach der Oberfläche zu an und veran- lassen jenes System von Strömungen, das unter den Tropen eine so grosse Regelmässigkeit zeigt. Aber nicht blos die warmen Gewässer der Oberfläche zeigen hier eine lebhafte Bewegung, !) ef Krümmel die äquatorialen Meeresströmungen S. 16. — 372 — sondern auch in der Tiefe des Oceans unter den Tropen muss, correspondirend, eine raschere Bewegung des Zuströmens der kalten Wasser bestehen und durch dieselbe wird auch die Ab- forderung und Fortführung der Wärme des Meeresgrundes beschleunigt und gesteigert; oder was die gleiche Bedeutung hat, es treten dort die stärkeren Senkungen des Meeresgrundes ein, die Meere erlangen unter den Tropen durchschnittlich die grösste Tiefe. Jene mehr abge- schlossenen Binnenmeere, welche, wie das romanische Mittelmeer, durch untermeerische Barren vor dem Eintritt der kalten Grundwasser des Oceans geschützt sind, bewahren auch in ihrer Tiefe eine beträchtlich höhere Temperatur. So findet man in dem Mittelmeer, dessen Ver- bindungspforte mit dem Atlantischen Ocean bei Gibraltar nur 500 m beträgt, noch in einer Tiefe von 3000 m eine Wassertemperatur von 12 8 C, während in den grossen Oceanen in solcher Tiefe schon Teperaturen von 2°—3° C. vorkommen (cf. Krümmel: Vergleichende Morphologie der Meeresräume $. 104) Dagegen erreichen, ohne Zweifel aus der gleichen Ursache, die Gewässer der Binnenmeere auch nie jene grossen Tiefen, welche den offenen Oceanen zukommen. Drittes Capitel. Hebungen als Correlat der Senkungen. Wenn die Oberfläche einer bis zu einem gewissen Grad erwärmten und dann der Abküh- lung ausgesetzten Kugel so beschaffen ist, dass dieselbe sich überall ganz gleichmässig abkühlen kann, so wird auch eine gleichmässige Verminderung ihres Volumens eintreten. Anders verhält es sich, wenn die Abkühlung an verschiedenen Stellen ungleich vor sich geht. Letzteres trifft wenigstens heutzutage zu bei der Erdkugel, schon aus dem Grunde weil ihre Oberfläche theils aus festem Land, theils aus Wasser besteht, die sich bei der Ab- kühlung jedenfalls nicht ganz gleich verhalten. In jenen Theilen, welche der Abkühlung in höherem Grade günstig sind, wird die Volumenverminderung stärker sein; sie verwandeln sich in Gebiete der Senkung, wovon im vorigen Capitel die Rede war; jene Theile aber, die zur Abkühlung weniger geneigt sind, können sich unter Umständen in Gebiete der Hebung ver- wandeln, dann nämlich, wenn die Energie der Senkung in dem eigentlichen, überwiegenden Senkungsgebiete stark genug ist, um in den weniger sich abkühlenden Gegenden eine Senkung nicht nur nicht zu Stande kommen zu lassen, sondern dort das Correlat der sinkenden Bewe- gung, eine Hebung, hervorzurufen. — 373 — Von Seite der Physik steht hierbei kein prineipielles Hinderniss entgegen. Pfaff äussert sich darüber in seinem Grundriss der Geologie S. 158: »das Niedersinken einzelner Theile der Erdrinde veranlasst auf der anderen Seite Hebungen, so dass die letztere nur eine Folge der ersteren sind.e In der Einleitung zu seiner neuesten Schrift (Mechanismus der Gebirgs- erhebung $. 3) constatirt er sogar, dass, so verschieden auch sonst die Anschauungen sein mögen, darin alle neueren Ausführungen über Gebirgsbildung übereinstimmen, dass sie die Schwere der Erdrinde als das bewegende Princip bei der Gebirgsbildung annehmen, durch welche ein Druck ausgeübt werde. Pfaff berührt hierbei nicht einmal die Nothwendigkeit einer ungleichen Abkühlung, ohne Zweifel weil er die Ungleichheit als selbstverständlich voraus- setzt. Wir werden jedoch dieselbe einlässlicher nachweisen müssen. Dagegen halten wir die von Pfaff verlangte und betonte Bedingung eines in feurig flüssigem Zustand befindlichen Erd- innern, doch nicht für ein absolutes Erforderniss. Es wird genügen anzunehmen, dass das Erdinnere, dem jedenfalls eine sehr hohe Temperatur zukommt, gegen einen Druck der von der Oberfläche aus wirkt, schon seiner hohen Temperatur wegen nicht unnachgiebig im stricten Sinne des Wortes sei, was auch mit einer festeren Öonsistenz desselben im gewöhnlichen Sinn dieses Wortes, recht wohl zu vereinbaren ist. Jene Gebiete somit, welche der stärksten Ab- kühlung unterliegen, üben durch ihre Senkung einen Druck auf ihre Unterlage aus, und da diese Unterlage als nicht unnachgiebig anzunehmen ist, so werden die unterlagernden Theile demselben auszuweichen suchen. Da ferner eine ungleiche Abkühlung und ein ungleicher Druck stattfindet, so werden dieselben nach jenen !) Seiten hinauszuweichen suchen, welche keinem oder auch einem relativ viel geringeren Druck unterliegen. Im vorigen Capitel wurde auf die tiefen Meeresräume hingewiesen, in welchen durch starke Wärmeabforderung starke Senkung hervorgerufen wird, woselbst somit auch ein starker Druck auf die Unterlage besteht. Diesen Meeresräumen stehen gegenüber die Continente, oder zunächst besser gesagt: jene Archipele, die sich später zu Continenten entwickelt haben, welche jedoch immerhin einen Gegensatz zu den tiefen Meeren bilden, nicht blos sofern ihre Oberfläche nicht von Wasser bedeckt ist und mit der Luft in Berührung steht, sondern auch darin schon, dass deren untermeerische Sockel !) Bei Annahme eines feurig-flüssigen und zwar tropfbar flüssigen Erdinnern würde ein Druck, der von einer Stelle ausgeht nach allen Seiten hin gleichmässig wirken und dem entsprechend eine gleich- mässige Hebung aller andern Seiten veranlassen. Das ist ein Grund, der die Annahme eines tropfbar-flüs- sigen Erdinnern unräthlich erscheinen lässt, denn die Unebenheiten des festen Landes sprechen dafür, dass die Hebungen (in Folge der Senkungen) sich ungleichmässig ausbreiteten. Dagegen äussern sich die Wirkungen eines Drucks bei zwar nicht unnachgiebiger, aber auch doch nicht tropfbar-flüssiger, sondern schwerer zu bewegenden Beschaffenheit der Unterlage so, dass sie sich in der Nachbarschaft der Gegend, von welcher der Druck ausgeht, am stärksten zeigen. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 48 — al — sich aus den eigentlichen Meerestiefen herausheben. Wie werden sich nun diese Regionen des festen Landes bei der Abkühlung verhalten? Kühlen sie sich schneller ab oder langsamer als die den tiefen Meeresräumen unterlagernden Theile der Erdrinde ? Auf dem Festland kommen an sich höhere Kältegrade vor, die jene der Gewässer am Meeresgrund bedeutend übertreffen. Sieht man von den Tropen ganz ab, so kommen in den gemässigten Zonen in gewissen Jahreszeiten mehr oder weniger bedeutende Ueberschreitungen des Nullpunktes des Thermometers in negativer Richtung vor. In den Polarländern fällt so- gar die mittlere Jahrestemperatur ansehnlich unter den Gefrierpunkt. Ein tieferes Eindringen in die Tiefen der Erde gehört jedoch zu den Ausnahmen. In mittleren Breiten (Paris) ist in einer Tiefe von ca. 80° keine Spur einer Temperaturschwankung von der Oberfläche her mehr zu finden, weder im Sinne der Erwärmung noch der Erkältung. In Sibirien (Jakutzk) mit einer Mitteltemperatur von — 10° C., besteht jedoch ein sogenannter ewiger Eisboden und erstreckt sich dort auf eine wahrscheinliche Dicke von ca. 600° (Scherginschacht). Dass auch Grönland und andere arctische Gebiete einen Beitrag zu dem ewigen Eisboden liefern können, und dass insbesondere das Innere des antarctischen Continents tief von ewigem Froste gebun- den sein könne, ist wohl möglich, aber keineswegs sicher, weil die dort bestehende Kruste von Eis und Schnee dem Vordringen des Frostes in die Tiefe hinderlich ist. Sicher ist, dass die Hochgebirge der Continente keinen ewigen Eisboden haben ; die verschiedenen Durchbohrungen in den Tunnels geben darüber ganz bestimmten Aufschluss. Die Einwirkungen der Kälte auf die Tiefe ist somit doch nur eine local begrenzte und es fragt sich überdies, ob man die Tiefe von 600‘, welche schon mehr als der mittlere Betrag des gesammten Eisbodens in Sibi- rien zu sein scheint, überhaupt wirklich eine Tiefe nennen könne. Für den menschlichen Be- trieb ist dieselbe ansehnlich genug, aber für das was man die Erdrinde zu nennen pflegt, ist dieselbe schon verschwindend klein und noch mehr für den ganzen Erdradius. Mögen auch die Wirkungen des Frostes auf der Oberfläche des Festlandes für Pflanzen und Thiere von sehr grosser Bedeutung sein, der Einfluss auf das, was man die Erdrinde nennt, deren Dicke unter allen Umständen auf eine Anzahl von Meilen geschätzt werden muss, ist verschwindend klein. Es könnte fast auffallen, warum die oft intensive Kälte der Winter in mittleren und hohen Breiten so wenig in die Tiefe greift. Allein die Schneedecke hält die Wärme des Erd- bodens zusammen und wehrt dem Vordringen der Kälte der Luft; und zudem sind die Zeiten der Kälte kurz bemessen und zerstückelt; sie sind schon innerhalb 24 Stunden in zwei un- gleiche Hälften, Tag und Nacht, zertheilt, wo der Tag oft schon hereinbringt. was in der Nacht an Wärme verloren ging; die grossen Unterbrechungen aber geschehen durch den Wechsel — all) — der warmen und kalten Jahreszeiten. Die geringen Erfolge des Frostes beim Eindringen in die Tiefe erklären sich hierdurch genügend. Bei der Abkühlung auf dem Grund der Meere liegen die Verhältnisse ganz anders. Von einer Unterbrechung der Abkühlung des Meeresgrundes durch Tages- oder Jahres- zeiten ist selbstverständlich keine Rede. Eine schützende Hülle für den Meeresgrund, wie die Schneedecke für die Oberfläche der Erde ist, gibt es nicht; der unersättlich die Wärme ab- fordernde und fortführende eisige Strom des kalten Wassers hält sich ununterbrochen in un- mittelbarer Berührung mit der festen Rinde. Es wurde schon im vorigen Capitel auf ein ganz einfaches Experiment hingewiesen, um ermessen zu können, welch’ tiefgehende Abkühlung daraus erfolgen muss. Eine grosse Bedeutung kommt aber ferner dem Umstande zu, dass die Abkühlung des Meeresgrundes erst in sehr ansehnlichen Tiefen einsetzt. Wenn der Scherginschacht in Sibi- rien lehrt, dass dort erst in ca. 600 Fuss Tiefe eine Temperatur von 0° sich einstellen wird, so lehren die Lothungen in der Tiefsee, dass dort in einer Tiefe von 20,000 Fuss und darüber keine höhere Temperatur als ca. 0° besteht. Unter dem Scherginschacht fängt die Temperatur von der Tiefe von 600° abwärts in positivem Sinne zu steigen an, und zwar wie ander- wärts um ungefähr 1° C. ca. für 100°; sie wird somit dort in einer Tiefe von 20,000’ schon un- gefähr nahezu 200° C. erreicht haben. In solcher Tiefe setzt aber die abkühlende Kraft, welche auf den Meeresgrund einwirkt, erst ihre ganze ungebrochene Energie ein, um von da aus eine Temperaturausgleichung nach der Tiefe zu erwirken und es lässt sich ermessen, dass ihre Wirkung, nämlich die Abkühlung und Volumverminderung des Meeresgrundes sich sehr weit in die Tiefe der festen Rinde hinab erstrecken wird. Wenn nun auch das Thermometer hier seine weitere Dienste versagt, so ergeben sich doch Aufschlüsse durch die geodätischen Arbeiten d. h. durch die Beobachtung der Dichtigkeit aus den Pendelschwingungen. Wir entnehmen darüber einen Passus aus Prof. Pilar: Grundzüge der Abyssodynamik 1881 S. 74. »Zu Ende des vorigen Jahrhunderts, sagt Pilar, und im ersten Drittel dieses Jahrhunderts erwachte ein reges Interesse für die Pendelbeobachtungen. Man trug das Pendel überall hin und beobach- tete auf Continenten, an Meeresküsten, in der Mitte des Meeres, auf den Inseln und selbst auf den kleinen Corallenriffen. Als es aber dazu kam, die Resultate der verschiedenen Expe- ditionen zu vergleichen und nach der Clairaut’schen Formel auszurechnen, fand man, dass die Schwere auf die Continenten schwächer wirkt, obwohl ein Ueberschuss an Masse vorhanden ist, während andererseits über den Meeren, trotz des augenscheinlichen Mangels an Masse, die Schwerkraft sich beständig viel grösser erweist. Nach Faye hat Saigny die erhaltenen Resul- — al — tate so zusammengestellt, dass er auf die eine Seite die unter der durchschnittlichen Anzie- hungsstärke zurückbleibenden Beobachtungen brachte, auf die andere Seite aber jene Beo- bachtungen stellte, welche eine grössere Anziehungskraft aufweisen. Er fand, dass bis auf zwei alle zu starken Attractionsbeobachtungen auf die offene See fielen und alle zu schwachen, bis auf eine einzige, auf den Continenten vorkamen. Es genügt somit nicht mehr mit den Geo- däten zu behaupten, dass unterhalb der Continente Hohlräumen vorhanden wären; denn es müssten sich unterhalb der Oceane ungemein dichte Stoffe befinden.« Das sind Beobachtungen !), die kaum einen Zweifel darüber bestehen lassen, dass die grössere Verdichtung der Erdrinde nicht auf Seite der Continente sich befindet, sondern auf Seite der Oceane, und ebenso wenig kann unseres Frachtens darüber ein Zweifel bestehen, dass diese grössere Verdichtung in der weit stärkeren Abkühlung ihren Grund habe, welche die kalten Meeresströmungen auf ihre Unterlage, auf den Meeresgrund, ausüben. Erwägungen, wie sie von Wepfer?) angeregt wurden und wie sie wohl auch sonst sich aufdringen möchten, dass das trockene Land der Abkühlung gegen den kalten Raum mehr (fünfmal mehr) ausgesetzt sei, Kommen hier gar nicht in Anwendung. Sie kämen in Anwendung und wären richtig, wenn es sich darum handelte, ob die Oberfläche des Landes oder die Oberfläche des Wassers schneller sich abkühlen, somit bei Untersuchung der Frage des reinen Seeclimas gegenüber dem Continentalelima. Hier ist allerdings bekannt, dass das Wasser, d. h. seine Oberfläche sich langsamer abkühlt als das Land. Allein die Frage ist eine ganz andere; die Frage ist, wie sich die Erdrinde unter dem Wasser abkühlt. Es kommt somit gar nicht die Temperatur der Oberfläche des Wassers zur Sprache, sondern die Temperatur der tiefsten Schicht des Wassers, seiner Unterfläche, wenn der Ausdruck gestattet ist. Die Temperaturen der Unterfläche des Wassers im tiefen Ocean sind aber erwiesenermassen von jenen der Oberfläche so stark abweichend, dass ein Schluss, der aus letzteren gezogen wird, nothwendig ein unrichtiges Resultat geben muss. !) Es darf jedoch nicht mit Stillsechweigen übergangen werden, dass diese Beobachtungen nicht jegliches Misstrauen zu beseitigen vermochten. Arago in seiner populären Astronomie (4. Bd. S. 59 der deutschen Ausgabe) kann die Bemerkung nicht unterdrücken, dass den localen Anziehungen vielleicht eine zu grosse Bedeutung beigelegt werde, da dieselben sehr oft viel natürlicher blossen Beobachtungsfehlern zuzuschreiben seien. Ferner wurde in neuerer Zeit darauf hingewiesen, dass die Meeresoberfläche keine normale Sphäroid- fläche sei, sondern dass dieselbe gegen die Continente hin ansteigt. Hierdurch werden die durch die Pendel- beobachtungen erlangten Zahlen vielfach in ein anderes Licht gestellt, ohne dass dieselben jedoch ihre Be- deutung verlieren. ?) Württemb. naturwissensch. Jahreshefte 1876. S. 168. — 317 — Wenn nun die grössere Abkühlung und Senkung auf Seite der oceanischen Gebiete der Erdrinde liegt, so muss das Correlat der Senkung, die Hebung, auf jene Theile der Erdrinde sich erstrecken, welche nicht oceanisch sind, d. h. trockenes Land sind oder auch nur mit seichtem, wärmeren Wasser bedeckt sind. Die Geographen weisen nun in der That darauf hin, dass die hohen Gebirge der Erde zumeist nahe den Rändern der Meere, besonders der grossen Oceane liegen und gegen das Meer zu ihren steileren Abhang wenden. ®) Das Hauptgebirge von Nord- und Südamerica umsäumt die eine Seite des Stillen Oceans; aber auch die asiatische Seite desselben wird durch die Gebirge der Mandschurei bis nach Hinderindien hinab umsäumt. Dem Indischen Ocean legt sich (in einiger Entfernung) gegenüber der Himalaya und das Gebirgsland, das die Ostseite von Africa erfüllt. Um den schmaleren Atlantischen Ocean sind die Gebirge weniger hervortretend und weniger zusammenhängend. In dem vielgegliederten Europa hält vorzüglich das scandinavische Gebirg die Richtung als Randgebirge des atlantischen Meeres streng ein, dem auf der andern Seite das grön- ländische Gebirg entspricht; erst tiefer unten folgt in Nordamerica das Alleghanygebirg. Dana hat die Anordnung der Gebirge in Nordamerica besonders betont: dem grossen Stillen Ocean gegenüber liegt das hohe Felsengebirg, dem schmaleren Atlantischen Ocean gegenüber das weniger hohe Alleghany-Gebirge und in der Mitte das tiefe Stromgebiet des Mississippi. Aber auch in der Umgebung des südatlantischen Meeres stellt sich das brasilianische Küstengebirge ein, wie die Gebirge auf der westlichen Seite von Africa. Der weitere nicht unwichtige Umstand ist noch dabei hervorzuheben, dass, wie die grössten Meerestiefen sich unter den Tropen oder in ihrer Nähe vorfinden, so auch die höchsten Erhebungen der Gebirge. Ferner weisen die Geographen auf eine Zone von Vulcanen hin, welche ebenfalls die Meere umgürten und den Continenten vielfach auf Inseln vorgelagert ist. Es fällt ihnen somit jene Zone zu, welche zwischen den Gebieten der Senkung, (Oceanen) und den Gebieten der Hebung (Continenten) zwischen inne liegt. Da wo diese beiden Gebiete sich berühren, darf man wohl mit Recht eine Zone annehmen, deren Boden Zerrungen und Spannungen unterliegt, als deren sichtbarer Ausdruck die vulcanischen Erscheinungen sich darzustellen scheinen. Wieder ist es das grosse Senkungsgebiet des Stillen Oceans, welches auch diese Zone zum deutlichsten Ausdruck gelangen lässt; dem asiatischen Gestade legen sich von Kamtschatka an die Vulcan- reihen der Kurilen, der japanesischen Vulcane, Philippinen, Molukken, Sundainseln ete. in dicht gedrängtem Kranze vor; dem americanischen Gestade entlang ziehen dieselben in langgedehnten ®) cf. Peschel: Neue Probleme, 4. Aufl. 8. 86. — 378 — Reihen von den Aleuten an und setzen sich dann vielfach in Verbindung mit dem umsäumenden Kettengebirge selbst. Der Indische Ocean partieipirt auf seiner Ostseite an den Vulcanreihen des Stillen Oceans, weist aber auch auf seiner Nordseite (Indien) und Westseite (Madagaskar) Vulcane auf. In der Umgebung des schmaleren Atlantischen Oceans sind grosse Lücken vor- handen. Gut besetzt sind nur die tropischen Gegenden auf beiden Seiten desselben; auf der americanischen Seite die Antillen und auf der andern Seite die Canarischen Inseln, Azoren und Capverdischen Inseln. Auch bei dem Stillen und Indischen Ocean sind wiederum die Tropen mit den dichtesten Reihen von Vulcanen besetzt. Die Meerestiefen einerseits und die Gebirge und Vulcanreihen andererseits, stehen unter sich, trotz aller Freiheit in einzelnen Partien, in so gutem Zusammenhang, dass die Berechtigung zur Annahme einer gemeinsamen Ursache nicht von der Hand gewiesen werden kann. Andererseits stellt die ungleiche Abkühlung, welcher die Erdrinde in den oceanischen und nicht oceanischen Gebieten unterliegt, die Forderung, dass die Gebiete der Senkung und Hebung in ihrer gegenseitigen Lage nachgewiesen werden, weil dieselben nothwendig zu einem geogra- phischen Ausdruck gekommen sein müssen. Beide in ihrem Ausgangspunkt verschiedenen Wege treffen somit zusammen und sind dadurch geeignet, einer dem andern zur Stütze zu dienen und sich gegenseitig zu bestätigen. In hohem Grade interessant ist desshalb eine Berechnung von Dr. Krümmel), wonach es »mehr als wahrscheinlich ist, dass zwischen dem Gewicht des Wassers der Meere undder Erdfesten (im Sinn Krümmels) ein Gleichgewicht besteht. Was Krümmel unter »Erdfesten« versteht, gibt er auf S. 106 seiner eitirten Schrift an: »was wir Continente heissen, ist ja nur der oberste Theil der gesammten Erdfesten, soweit sie von der Luft be- spült sind. Denken wir uns das Meer trocken gelegt, so würden die Erdfesten, nach Hum- boldts Ausdruck, wie gewaltige Plateaux aus dem Meeresboden aufsteigen. Die unsichtbaren Festländer ruhen also auf mächtigen Sockeln, deren Höhe gleich ist der Mitteltiefe der Meere.« Die Erdfesten in diesem erweiterten Sinn, gegen dessen Berechtigung nichts einzuwenden ist, können nach Krümmels Rechnung nur 2,43 mal in die Meerestiefen hineingeschüttet werden. Krümmel begründet das durch weitere Ausführung und man ersieht aus diesem Er- gebniss alsbald, dass hier nahezu ein Gleichgewicht zwischen der Masse der Gewässer des Meeres und jener der »Erdfesten« obwalten wird, weil das specifische Gewicht der Mineralien, » ') Versuch einer vergleichenden Morphologie der Meeresräume S. 109. — 379 — aus denen die Erdrinde besteht, jedenfalls um 2,5 herum beträgt, was mit der obigen Ziffer (2,43) fast genau zusammenfällt. Etwas wesentlich anderes ist das Volumen jener Landmassen, welche frei über dem Meeresspiegel sich erheben und von der ‚Luft umspült werden. Nach der Berechnung von Krümmel, der sich hierbei auf die neuesten und, soweit möglich, zuverlässigsten Grundlagen stützt, könnte man das Volum derselben (das über den Spiegel des Meeres frei emporragt), 21,4 mal in die Meeresräume hineinschütten (1 c. S. 106). Es ist offenbar ein fruchtbarer Gedanke Krümmels, nicht blos die Ausdehnung des wirklich sichtbaren festen Landes zu berechnen, sondern auch den Sockel desselben bis zur Mitteltiefe der Meere und das beiderseitige Gewicht der Gewässer des Meeres und der Erd- festen in diesem weiteren Sinn mit einander zu vergleichen. Die allgemeinen Begriffe der Correlation von Senkung und Hebung leiden, trotz ihrer physicalischen Zulässigkeit, doch bei der Anwendung auf conerete Verhältnisse an einer gewissen Vagheit, welche zu überwinden man sich bestreben muss. Der Druck insbesondere setzt nicht blos eine Volumverminderung sondern ein Mehrgewicht an den betreffenden Stellen voraus, oder mıt anderen Worten, es ist eine Vermehrung nicht blos des specifischen Gewichtes erforderlich, die durch die Volumverminderung bewirkt wird, sondern eine Vermehrung des reellen Gewichts der drückenden Masse. Die Krümmel’sche Erörterung ist nun ganz dazu geeignet, darüber grössere Klarheit zu verbreiten. In jenen Gegenden, welche durch die stärkste Abkühlung eine stärkere Volum- verminderung erlangt haben, legt sich das Meerwasser in entsprechend grösserer Tiefe hinein; sein Mehrgewicht addirt sich zu dem schon zuvor vorhandenen Gewicht der Mineralien der Erdrinde und ruft so einen Druck hervor, der auf die Unterlage eine ent- sprechende Wirkung ausübt. Da die Unterlage nicht unnachgiebig ist, so werden die Theile derselben diesem Druck auszuweichen suchen nach solchen Gegenden hin, welche keinen oder einen geringeren Druck erleiden und rufen dort Hebungen hervor, welche dem Druck pro- portional sind. Dass nun die Massengewichte der »Erdfesten« und der Meeresgewässer sich ungefähr das Gleichgewicht halten, ist jedenfalls ein überraschendes Verhältniss, das geeignet ist, auf die gegenseitigen Beziehungen zwischen Meer und Land, Senkung und Hebung und auf die Ursache der Gebirgserhebung selbst, ein neues Licht zu werfen. Damit ist eine andere Annahme, dass nämlich die auf dem Grunde des Meeres sich niederschlagenden Sedimente den Druck veranlassen, nicht blos wesentlich verbessert, sondern als überflüssig beseitigt. Die Sedimente, die auf dem Grund des Meeres sich nieder- — 380 — legen, entziehen sich selbstverständlich jeder genaueren Schätzung und Berechnung, sowohl was das Volum als das Gewicht derselben anbelangt; die Annahme, dass durch sie ein Druck auf ihre Unterlage ausgeübt werden könne, ist keineswegs absurd, aber es fehlt ihr jede nähere Bestimmtheit. Dagegen ist der Druck, der durch die Gewässer des Meeres veranlasst wird, der Berechnung zugänglich und stellt sich als ein so gewaltiger heraus, dass die Herbeiziehung anderer mitwirkenden Ursachen überflüssig wird. | Wenn man nun Volumverminderungen und Senkungen der Erdrinde in Folge der (un- gleichen) Abkühlung zugibt, wenn man zugibt, dass die feste Erdrinde ungleichen Druck er- leidet und ihrerseits wieder auf ihre Unterlage ausübt, so möchten sich die weiteren Folgen unbeanstandet von selbst ergeben. Wenn man wirkliche Senkungen zugesteht, so wird man auch wirkliche verticale Hebungen nicht ablehnen können. Die Kraft zu letzteren ist vorhanden und es müssten die hemmenden Ursachen bezeichnet werden, wenn die Aeusserung dieser Kraft nicht sollte ins Dasein getreten sein. Dass im Gefolge der Senkungen und Hebungen sich dann auch horizontale Bewegungen einstellen können, bedarf keiner weiteren Darlegung; aber die nothwendige Voraussetzung der letzteren sind die erstgenannten verticalen Bewegungen. Die Ueberwindung der unvermeidlichen Friction bei der Bewegung der Erd- schollen wird freilich noch überdies ganz ausserordentlich grosse Kräfte für sich in Anspruch nehmen. Allein der ununterbrochen durch Jahrtausende hindurch wirkende Druck, der von den Senkungsgebieten ausgeübt wird, vermag durch seine Dauer Wirkungen zu erzielen, die ohne diese allerdings unmöglich wären. Scheinbare Unregelmässigkeiten in der Vertheilung von Land und Meer (Senkung und Hebung), können nicht irre leiten. Wenn der tiefe Ocean durch seine kalten Grundwasser- strömungen in der Hauptsache sich als Gebiet der Senkung qualifieirt, so ist damit nicht ausgeschlossen, dass bei kleineren Partien innerhalb desselben auch Hebungen sich einstellen. Es ist bekannt, dass Neuseeland auf der einen Seite sich hebt, auf der andern sinkt und neben vielen sinkenden Laguneninseln treten auch andere Punkte mitten im Ocean auf, die sich heben. Es ist ganz im Einklange mit der Ursache der Senkung und Hebung, dass der Haupt- effect der Senkung dem Meere selbst zufällt, der Haupteffeet der Hebung aber auf die Peripherie des Meeres, an den Rand der Continente hinausgeschoben wird; dessungeachtet kann sich da und dort auch innerhalb des Senkungsgebietes selbst eine Hebung geltend machen. Die kalten Strömungen auf dem Grunde des Meeres halten sicher nicht zu allen Zeiten und an allen Orten genau die gleiche Richtung ein, sondern können, innerhalb nicht unbedeutender Grenzen, hin und her schwanken, so dass eine Abwechslung zwischen Senkungs- und Hebungsfeldern statt- — 3831 — finden kann und eine Wiederholung der Schwankungen zu verschiedenen Zeiten selbst in entgegengesetztem Sinn. Die zahlreichen Schwankungen, die von der beobachtenden Geologie während des Verlaufs der geologischen Entwicklung nachgewiesen sind, werden wohl in der That auf keine anderen Ursachen zurückgeführt werden können. Ohne den Gegenstand weiter zu verfolgen, möchte es erwünscht sein, für diese Erscheinung ausser jener Umsetzung der Oceane von der einen Halbkugel auf die andere, wie sie von Prof. D. Schmick befür- wortet wird, noch eine andere Ursache zur Disposition zu haben. Man möchte sogar versucht sein, ein solches erst in einer jüngeren Erdperiode ver- lassenes Meeresstromgebiet, von dem sich nur noch Reste erhalten haben, zu vermuthen. Das Mittelmeer besonders trägt mehrere solcher Kennzeichen an sich; es ist ausgezeichnet durch ansehnliche Gebirge, die dasselbe umkränzen und ihren Steilrand ihm zukehren (spanische Gebirge, Alpen, Atlas) und weist an seinen Rändern auch eine nicht unbedeutende Zahl von Vulcanen auf. An dasselbe schliesst sich das Schwarze Meer, das in der Richtung gegen das Caspische Meer durch das Hochgebirge des Caucasus noch eine besondere Bedeutung erhält. Auch die fast unmittelbare Nähe des Rothen Meeres, des Ausläufers des Indischen Oceans, muss wohl beachtet werden. Von Norden her aber erstreckt sich durch ein weites Tiefland hindurch das Uralgebirge nach Süden weit herab, so dass man dem Eindruck sich hingeben möchte, als ob hier ein alter verlassener Stromweg des Meeres von Pol zu Pol vorhanden sei, der indessen unterbrochen wurde, aber noch in seinen Ueberresten, nicht blos in den Meeren, sondern auch in den begleitenden Gebirgen und Vulcanen sich kund giebt. Die Geologie wird wohl ihrerseits in ihrem weiteren Fortschreiten derartige Probleme ins Auge fassen müssen, wie die Geographie, nach dem Vorgange Peschel’s und Anderer, bereits gethan hat, wenn auch ein abschliessendes Urtheil noch ferne liegt. Mit der Adhemar’schen Theorie besteht bei dem Capitel von den Hebungen keine Con- eurrenz, da dieselbe keinerlei Gesichtspunkte eröffnet, welche auf diesen Gegenstand irgend ein Licht zu werfen geeignet wären. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 49 —.,332 — Viertes Capitel. Ueber die Zeit der Hebung der Continente und Gebirge. Die Zeit, beziehungsweise die geologische Periode, innerhalb deren sich die Unterschiede zwischen Meer und Festland gebildet haben, wie sie ungefähr heute noch bestehen, wurde bei den bisherigen Erörterungen in der Schwebe gelassen; es wurde das Vorhandensein der- selben als eine gegebene Thatsache angenommen. Wenn nun aber auch der Frage näher getreten wird, wann, in welcher geologischen Periode das heute noch in den Haupzügen bestehende Verhältniss zwischen Festem und Flüssigem auf der Erdoberfläche sich festgesetzt habe, so muss man sich mit zwei vielfach Hand in Hand gehenden Fragen beschäftigen, nämlich : Wann traten die Continente auf und wann die hohen Gebirge ? Was den ersten Punkt betrifft, so glaubt Peschel, !) dass das Flächenverhältniss zwischen Wasser und Land, annähernd wie 5:2, auch in früheren Erdzeitaltern das nämliche gewesen sein möge. Somit würden die ÖContinente in ihrem wesentlichen Umfang und Flächeninhalt bis in die alten Erdperioden zurückzudatiren sein. Allein die Beobachtungen der Paläontologen sind hiermit nicht in Einklang zu bringen. Wäre es wirklich Thatsache, dass die Continente in ihren Hauptzügen tief in die Reihe der geologischen Perioden zurückreichen, so müssten auf ihrem Gebiete die meerischen Sedimente fehlen oder jedenfalls nur sehr untergeordnet an den Rändern der Continente auftreten; das Innere der Continente aber müsste von auf- einanderfolgenden Süsswasserbildungen erfüllt werden, oder auch, im Falle dass das Land trocken war, müssten Sedimentbildungen überhaupt fehlen. Nun ist aber bekannt, dass meerische Schichteneomplexe nicht nur nicht fehlen, sondern eine sehr grosse Verbreitung aut den Continenten haben, während Süsswasserbildungen erst in den jungen geologischen Perioden eine Rolle spielen. Schon in den mittleren und noch mehr in den alten Perioden treten dieselben gegenüber den Meeresbildungen entschieden zurück, im Durchschnitt desto stärker, je älter die Formation ist. Die Kärtlein, welche oft zur Illustration über die Vertheilung von Meer und Land entworfen werden, geben hiervon eine Anschauung, jedoch nur eine ungenügende. Dieselben begnügen sich in der Regel, jene Schichten, z. B. des Jurameers einzutragen, welche zu Tage treten; wo dieselben aus irgend welchem Grund, z. B. wegen Denudationen, fehlen oder auch nur nicht zu Tage treten, nicht direct nachweisbar sind, weil verdeckt, werden sie auch nicht eingetragen und wird hier der Vermuthung Raum gelassen, !) Neue Probleme der Erdkunde, S. 110. — 383 — dass hier Land gewesen sein könne. Man wird an solche Illustrationen selbstverständlich keine sehr strengen Anforderungen stellen können, aber sie räumen in vielen Fällen den Landmassen einen viel zu grossen Spielraum ein. Wollte man nach dem gleichen Grundsatz verfahren und Land blos da angeben, wo dasselbe durch Süsswasserbildungen nachgewiesen ist, den ganzen Rest aber als Meer bezeichnen, so würde sich ergeben, dass, mit Ausnahme der jüngsten Perioden, das Festland und die Süsswasserbildungen eine in hohem Grade untergeordnete Rolle spielen. Die Zeit ist freilich noch fern, da ein richtiges Bild von der ursprünglichen Vertheilung von Land und Wasser in jeder Periode gegeben werden kann; aber diese wenigen Bemerkungen mögen genügen, um zu zeigen, dass die Auffassung Peschel’s nicht stichhaltig ist. Hierzu kommen noch die climatischen Verhältnisse, welche in neuester Zeit, besonders auf Grund der fossilen Pflanzen, man darf sagen, festgestellt werden konnten. Die Unter- suchungen von Heer und des Grafen Saporta geben ganz feste Anhaltspunkte dafür, dass, je weiter man in die alten Perioden zurückgeht, das Clima immer mehr den Charakter des oceanischen Climas erlangt. Gleichförmigkeit bis zur gänzlichen Verwischung der climatischen Zonen und zugleich ansehnliche Wärme sind so stark hervortretende Züge der alten Perioden, dass an der sehr vorherrschend oceanischen Beschaffenheit der Erdoberfläche nicht gezweifelt werden kann und eben damit Continente im heutigen Sinne ausgeschlossen sind. Erst in der Tertiärzeit (beziehungsweise in der obersten Kreideformation) machen sich zonenweise Abstufungen der Temperatur allmählich geltend. Das ist aber zugleich die Zeit, in welcher auch in der That der heutige Zustand der Vertheilung des Festen und Flüssigen sich allmählich anbahnt. Aber noch zur eocänen und mittelmiocänen Zeit ist das Clima vom heutigen weit genug entfernt, ganz im Einklang damit, dass das Numulitenmeer, Molassenmeer und sarma- tische Meer damals wenigstens unsern Continent mehr oder weniger zerstückelten und in Inseln auflösten. Erst in der pliocänen Formation nähert sich das Clima ganz deutlich dem heutigen. Das war aber auch die Zeit, in weicher die Landmassen in der Hauptsache ihre heutige Gestaltung erlangt haben und die Untersuchung der quartären Schichten ergiebt, dass, mit Ausnahme localer Oscillationen, die Continente in die quartäre Zeit schon fertig eingetreten sind. »Das quartäre Glacialphänomen entwickelte sich auf dem heutigen Boden« (Penk: Vergletscherung der deutschen Alpen, S. 445). Hand in Hand mit der Frage nach der Zeit der Bildung der Continente geht die andere Frage: nach der Zeit der Erhebung der hohen Gebirge. Bei einer Anzahl der wichtigsten Hochgebirge sind die Untersuchungen der Geologen so weit gediehen, dass der Abschluss der hauptsächlichsten Erhebung direct durch Beobachtung der Lageruug constatirt ist. In den — 384 — Alpen z. B. ist die obere Süsswassermolasse noch mitgehoben worden ; die Zeit der letzten, den gegenwärtigen Zustand bedingenden Erhebung fällt somit in die Pliocänperiode, Des- gleichen hat in der Tertiärzeit die Hebung des Himalaya, der Anden und Cordilleren, des Caucasus, stattgefunden; überhaupt wird dem Grundsatz, dass die höchsten Gebirge die jüngsten und die jüngsten die höchsten seien, Geltung zuerkannt. Eine Unsicherheit wird nur durch das Bedenken hervorgerufen, dass in den alten Perioden wohl schon Hochgebirge bestanden haben könnten, aber durch Verwitterung abgetragen worden seien. (cf. Peschel 1. c. S. 134.) Diesen Bedenken möchte jedoch kein grosser Werth beizulegen sein. Wenn grosse Gebirge im Laufe der Zeiten durch Erosion und Verwitterung auch in der That zerstört werden können, so bilden sich dabei ganz charakteristische Zerstörungsproducte, welche von denselben auch nach ihrer Zerstörung noch Kunde geben müssten. An den heutzutage bestehenden Hochgebirgen, welche ja auch den zerstörenden Einflüssen schon lange unterliegen, lassen sich diese Producte leicht studiren. Es sind vorzüglich Gerölle, die sich als Erzeugniss von stark fliessenden Gebirgsgewässern zu erkennen geben und die als Geröllbänke, Nagelflue, in die Reihe der Schichten eintreten, ohne ihren specifischen Charakter je ganz zu verlieren. Erst in weiter Entfernung vom Gebirge setzen sich Lehmschichten ab, oder Schichten von Schlamm und Sand, die eine mehr homogene Beschaffenheit zeigen, während in der Nähe der Gebirge selbst die Gerölle sehr gemischt sind, dem mannigfaltigen mineralischen ‚Charakter der Gebirgsketten entsprechend, durch welche die Bäche und Flüsse ihren Lauf genommen haben. Eine ganz eigenthümliche und sehr sorgfältig untersuchte Beschaffenheit tragen ferner die Produete der Gletscher an sich (erratische Blöcke und gekritzte Steine etc.). Allein alle diese Erzeugnisse sind vor der Tertiärzeit nicht nachzuweisen und die Gletscherproducte selbst nicht vor der Quartärperiode. Nach dem Zeugniss der Polarfahrer sind selbst in den Polar- ländern in den Schichten der Tertiärzeit und der früheren Perioden keinerlei Gletscherproducte vorhanden. !) Jedenfalls treten jene Schichten, welche der Abtragung von Gebirgen ihre Entstehung verdanken, als eigentliche Gebirgsformen erst in der Tertiärzeit auf (Nagelflue) und setzen in die quartäre Zeit und in die Gegenwart herein, indem sie überall ihren Ursprung deutlich genug verrathen. Die Conglommerate des Rothliegenden etc. dürfen nicht damit verwechselt werden. Dieselben sind nach Naumann ?) eine Bildung »die gleichzeitig mit !) cf. Heer: Kreideflora der arctischen Zone im Ill. Band der Flora fossilis arctica, S. 30 und dessen Urwelt der Schweiz, II. Auflage, S. 668 Note, woselbst das sehr auffallende Vorkommen von erratischen Blöcken im Miocän der Superga besprochen und gedeutet wird. 2) Lehrbuch der Geognosie, II. Band, S. 593. — 385 — Eruptionen porphyrartiger Gesteine, oder doch gleichzeitig mit solchen Erzeugnissen stattfand, wie sie dergleichen Eruptionen entweder vorangehen oder nachzufolgen pflegen.« Bei letzteren handelt es sich somit gar nicht um allmähliche Abwitterung eines alten Gebirgs, sondern um Zertrümmerung der Schichten durch Eruptionen. Selbst die Nagelfluen der Tertiärperiode setzen noch nicht eine bedeutende Höhe des abzutragenden Gebirgs voraus. Die gewaltige Mächtigkeit derselben lässt sich nur erklären, wenn man eine stetige Senkung des Bodens an dem Orte ihrer Bildung annimt, wobei dann die Höhe des Gebirgs selbst nicht weiter von Bedeutung ist. Ferner wurde von manchen Paläontologen darauf hingewiesen, dass die sonderbare Mischung der Flora der Tertiärzeit, besonders der Miocänzeit, die Annahme be- günstige, dass in derselben Erzeugnisse der Ebene und der Gebirge vorliegen. Allein an vielen Orten kommt genau die gleiche Mischung vor, olıne dass man irgend einen Anhaltspunkt besässe für obige Annahme; der ganze Bau mancher Gegenden (Oeningen, Heggbach etc.) spricht dafür, dass die miocänen Schichten, die heutzutage nur ganz geringe Niveauunterschiede unter sich zeigen, in der Tertiärzeit selbst auch flacher gewesen sein mögen, als jetzt. Die Standorte jedoch der Pflanzen können mannigfaltig gewesen sein, entweder sehr sandig, felsig und trocken, oder aber auch sehr feucht, womit eine ausreichende Erklärung des Vorkommens gegeben ist. Nach Erörterung dieser Fragen erscheint es mehr als wahrscheinlich, dass die Continente, wie auch die Gebirge, in einer verhältnissmässig sehr jungen geologischen Periode ins Dasein getreten sind. Was befand sich nun ehedem an Stelle der heutigen Continente? Wir können mit der Antwort nicht zögern: Archipele von kleineren und grösseren Inseln. Sie erfüllten mehr oder weniger dicht gedrängt den Raum, den heute die Continente einnehmen und ohne Zweifel auch noch andere Räume, hauptsächlich in dem weitgedehnten Stillen Ocean. Die Coralleninseln daselbst werden oft als Zeugniss eines untergesunkenen Continents betrachtet; mit gleichem und vielleicht besserem Recht wird man dieselben als Anzeichen eines versinkenden Archipels auffassen können. Freilich spricht sich auch Professor Heer auf Grund seiner reichen Erfahrungen über die paläontologischen Zustände der nordischen Gegenden im Sinne von Festlandmassen daselbst schon zu einer früheren Tertiärzeit, vielleicht schon zu Ende der Kreidezeit aus. Im VII. Bande seiner Flora fossilis aretica, S. 220 heisst es: »Welche Gestalt Grönland zur Tertiärzeit gehabt habe, lässt sich nicht bestimmen. Der grosse Reichthum seiner Flora lässt uns aber nicht zweifeln, dass wir es hier nicht mit kleinen Inseln, sondern mit einem grossen Festland zu thun haben.... Zur Tertiärzeit bestand wahrscheinlich eine Landverbindung mit Europa —. BB über Island, die Farör und Schottland, wodurch wir eine Brücke für die zahlreichen Pflanzen erhalten, welche Grönland mit Europa gemeinschaftlich hat und die wahrscheinlich von Norden ausgegangen sind. Die Tiefseekarten zeigen uns, dass das Meer zwischen Europa und Ost- grönland eine geringe Tiefe hat. Dass dieses tertiäre Festland von Grönland hoch in den Norden hinaufreichte, zeigt uns das Pflanzenlager von Grinnellland, das noch bei fast 82° n. B. die Grönländer Tertiärflora ausweist ; und dass es zeitweise bis Spitzbergen reichte, macht die beträchtliche Zahl ihrer gemeinsamen Arten sehr wahrscheinlich.« Aber ich glaube doch nicht, dass die aufgeführten Thatsachen zu einem solchen Schlusse nöthigen, aus folgenden Gründen: 1) Wenn eine Festlandverbindung zwischen Grinnellland, Grönland, Spitzbergen und Island bis nach England und dem europäischen Continent auch nur zeitweilig bestanden hätte, so wäre hier ein so gewaltiges Stück Festland im hohen Norden vorhanden gewesen, dass es undenkbar ist, wenigstens auf unserem Standpunkt, dass hier ein Clima herrschen konnte, wie gerade die Paläontologen dasselbe mit Recht fordern. Dieser ansehnliche Continent (den auch Wallace skizzirt), hätte sich mn hohen Breiten unausbleiblich ein Clima gebildet, das mit jenem von den Paläontologen geforderten in schroffstem Gegensatze gestanden wäre. 2) Zur Steinkohlenzeit ist unbestritten die Uebereinstimmung der Flora unter sich in allen Breitegraden eine noch ansehnlich grössere, als zur Miocänzeit. Sollte man sich genöthigt erachten, daraus zu schliessen, dass zur Steinkohlenzeit über alle jene Breitegrade hin, auf welchen sie sich vorfindet, ein zusammenhängendes Festland sich ausgebreitet habe ? Das wäre ein Continent, der die heutigen Continente nicht blos an Ausdehnung erreicht, sondern, besonders in hohen Breiten, noch übertrifft. Ich kann nicht glauben, dass man sich zu einem solchen Wagniss entschliessen kann ; es steht dem nicht blos der meerische Bergkalk dieser Periode entgegen, sondern der gesammte Charakter der Flora selbst, der nicht auf ein grosses Festland, sondern auf insulare Lage hinweist. Ich glaube, dass für die Steinkohlen- periode die Annahme von niedrigen sumpfigen zerstreuten Inseln und Archipelen allein ent- sprechen kann; dass somit auch für die Miocänzeit ein solcher geographischer‘ Zustand nicht absolut abzulehnen sein wird, wenn auch die Inseln und Archipele in dieser Zeit an Umfang und Erhebung gewonnen haben. Eine nähere Verbindung der Archipele selbst unter sich und durch andere Archipele in dem jetzt leeren Raume der Oceane ist damit nicht ausgeschlossen, sondern wird unbeanstandet zuzulassen sein; nur muss auch Raum gelassen werden für die Cireulation der oceanischen Gewässer, namentlich für den Erguss warmen Wassers bis in die höchsten Breiten hinauf. Das kann aber nur eintreffen bei der Annahme von Archipelen. Eine wirkliche ununterbrochene Landverbindung von Grönland über Island und die Farörinseln nach Schottland hätte, auch wenn man sich nur eine schmale aber ununterbrochene Verbindung vorstellt, den Erguss warmen Wassers in die hohen Breiten abgeschnitten und damit die Erhöhung der Wärme in jenen Gegenden ausgeschlossen. Der im siebenten Band der Flora fossilis arctica mitgetheilte, auf Autopsie beruhende Bericht Steenstrups (l. c. S. 230) über die Lagerungsverhältnisse der Grönländischen Schichten ist in der That unserer Auffassung günstig. Er glaubt, dass die Wälder auf Gneissfelsen daselbst gewachsen seien und die Pflanzenschichten nur die durch das Meerwasser abgelagerten Ueberreste aufweisen. Beide aber, Heer und Steenstrup, sprechen sich gegen Nordenskiöld aus, welcher dem Grönländischen Festland den Charakter einer von Oasen unterbrochenen Sandwüste zur Zeit der Kreide- und Tertiärformation beilegt (ef. 1. c. S. 226 und 230). Das Stadium des Archipels ist überhaupt eine ganz naturgemässe Entwickelungsstufe. Wenn ein Continent niedersinkt, so löst er sich zunächst in einen Archipel auf und wenn ein Continent sich erheben will, so muss er zuvor die Stufe eines Archipels zurückgelegt haben. Man kann sich auch gar nicht denken, wie dieses Stadium übersprungen werden könnte. Ein ganz gleichmässiges Auftauchen einer gewaltigen Fläche, wie die Continente sind, ohne alle Höhenunterschiede, ist an sich schwer vorzustellen ; sind aber Höhenunterschiede da, so ist auch ein Archipel gegeben. Wenn aber in abstracter Weise auch diese Möglichkeit angenommen würde, so wird das nie rastende, durch Stürme und Ebbe und Fluth bewegte Meer eine solche Fläche allseitig an den verwundbaren Punkten angreifen, in dieselben einzudringen suchen und schliesslich sie in Theile ‘zerlegen oder, was das gleiche ist, dieselbe nachträglich in einen Archipel umzugestalten suchen. Mit der Existenz von Archipelen an Stelle der Continente sind am besten auch die climatischen Zustände der Vorzeit zu vereinigen. In einem Continent ändert sich das Clima alsbald ab im Sinne und in der Richtung eines excessiven Verlaufes ; ein Archipel vermag das nicht; hier bleibt das oceanische Clima herrschend. Es weisen somit alle Beobachtungen, welche der frühen Existenz von geschlossenen Continenten entgegenstehen, positiv auf Archipele hin, sowohl die, gegenüber den meerischen Sedimenten, spärlichen Sedi- mente von süssem Wasser, als auch die wichtigen climatischen Zustände der alten und mittleren Formationen. In der Tertiärzeit erst machte die terripetale Tendenz (Bronn) raschere Fort- schritt, um gegen das Ende derselben jenen Umfang zu erreichen, der gegenwärtig besteht. Damit Hand in Hand geht auch die Scala der climatischen Entwicklung. In der ersten Abtheilung wurde jedoch schon hervorgehoben und zu begründen versucht, dass, um die hohe Gleichförmigkeit und Wärme der alten und mittleren Perioden zu begreifen, noch eine — 3858 — Umhüllung, eine Dunsthülle, von den Wendekreisen zu den Polen hin angenommen werden müsse. Wenn eine Berechtigung zu der Annahme, dass die Continente und hohen Gebirge erst in sehr jungen geologischen Perioden ins Dasein getreten seien, nach dem Standpunkte, der in obiger Darleguug zu begründen gesucht wurde, auf keine unüberwindlichen Hindernisse stossen dürfte, so ist damit doch nur der empirische Sachverhalt constatirt. Die weitere Auf- gabe, der man sich nicht wird entziehen können, wird sein, die Gründe dieser Vorgänge wie sie in der Natur und Entwicklung der Verhältnisse liegen, aufzusuchen und darzulegen. Erst wenn es gelingt, auch die Zeit der Erhebung der Continente und Gebirge in Zusammen- hang zu bringen mit der terripetalen Entwicklung und climatischen Umgestaltung der Erd- oberfläche und dieselben schliesslich unter dem allgemeinen Prineip der (ungleichen) Abkühlung der Erdoberfläche unterzubringen, — wird die angestrebte Lösung der Frage befriedigen können. Die bisherigen Versuche, die Zeit der Erhebung der Gebirge zu motiviren, bewegen sich wesentlich vielfach um die Vorstellung, welcher Pilar (Abyssodynamik, S. 192) einen bündigen Ausdruck verleiht: »Der Wärmeverlust und folglich auch die Contraction des Erdkerns wird ja progressiv stärker«, wobei die Vorstellung zu Grunde liegt, dass die Gebirge das Product der Contraction der Erdrinde seien. Allein diese Annahme einer progressiven Verstärkung ist physikalisch nicht haltbar. Mousson !) sagt über das Erkalten einer sehr grossen Kugel: »Bei einer ungemein grossen und schlecht leitenden Kugel kann die oberflächliche Temperatur so weit sinken, dass der äussere Wärmeabfluss sehr schwach wird; zum Ersatz braucht nur sehr wenig nachzufliessen und der Körper stellt einen grossen Wärmevorrath dar mit nahezu unveränderlicher Temperatur, der seine Wärme sehr lange bewahrt«. Der Wärmeverlust der Erde wird demnach nicht n dem Sinne progressiv stärker, dass durch ihn progressiv immer stärkere Wirkungen hervorgebracht würden; im Gegentheil, die Energie desselben nimmt immer mehr ab und die Wirkungen werden stets schwächer. Jene Vorstellung hätte nur in dem Falle etwa eine gewisse Berechtigung, wenn man sich der Ansicht hingeben dürfte, als ob die Erhebung der Continente und ganzer Kettengebirge durch die Spannkraft von Gasen verursacht worden wäre. Bei solcher Annahme könnte man zugestehen, dass, je dicker die Erdrinde wurde im Laufe der geologischen Perioden, die Ausbrüche der Gase wegen des Widerstandes in immer grösseren, längeren Pausen, aber dann um so energischer sich ein- stellten und ihre Wirkung eine um so grössere war. Allein jene Ansicht ist mit vollem Recht längst verlassen worden. !) Physik auf Grundlage der Erfahrung, II. Theil, S. 153. — 389 — Eine andere Vorstellung fasst die Gebirge unter dem Gesichtspunkte der Runzelung auf, als ein Nachsinken der Rinde auf den zu klein gewordenen Kern. Dieselbe geht von der Vor- aussetzung aus, dass zur Zeit, als die hohen Gebirge entstanden, der Kern der Erde sich aus irgend welcher Ursache beträchtlich stärker abgekühlt habe, als die Rinde, so dass ein Nieder- sinken der zu grossen Rinde auf den zu kleingewordenen Erdkern unter kräftiger Runzelung der ersteren erfolgt sei. Aber abgesehen davon, dass mit dem Niedersinken der Rinde eine wirkliche Hebung der Gebirge in die Höhe nicht begriffen werden kann, geht diese Auffassung in ihrem Wesen von der sehr gewagten Voraussetzung aus, dass bei einer Kugel der Kern sich stärker abkühlen könne, als die Oberfläche. Pfaff bezeichnet diese Annahme !) geradezu als »physicalisch unmöglich.< Man darf sich in der That auch nur vergegenwärtigen, dass die Abgabe der Wärme von innen, wie die Abkühlung von aussen her, ihren Weg durch die Rinde hindurch nehmen muss; dass die Rinde die unvermeidliche Hülle ist, durch welche hindurch die Wärme der Erdkugel nach aussen hin, sei es gegen den Luftocean oder gegen den Wasserocean dringen muss; und ferner, dass diese Rinde, soweit sie aus erystallinischem Gestein besteht, den Process der Abkühlung und Erstarrung auch ihrerseits zuvor schon durch- gemacht hat, um zu erkennen, dass einer solchen Annahme kein Raum gegeben werden kann, Wenn freilich nachgewiesen werden könnte, dass der Ausdehnungseoöfficient (resp. Ab- kühlungscoöfficient) der Mineralien des inneren Erdkerns bedeutend grösser wäre, als jener Mineralien, welche die Rinde bilden, so könnte damit eine Grundlage für die Runzelung durch Nachsinken der Rinde auf den zu klein werdenden Kern gewonnen werden. Allein soweit die Stoffe des Erdinnern und der Rinde der Untersuchung zugänglich sind, so weichen sie von einander wenig ab, weil sie sämmtlich ganz vorherrschend Silicate sind. Gmneusse und Granite einerseits und Basalte und Laven andrerseits stellen die äussersten Glieder der gesammten Reihe dar, soweit man von ihr Kunde hat. Und doch müsste der Unterschied in den beiderseitigen Werthen der Ausdehnungscoöfficienten sehr bedeutend sein, wann so grossartige Wirkungen, wie die Unebenheiten der Erdoberfläche mit Meerestiefen und Hochgebirgen, daraus erklärt werden sollten. Die Untersuchungen von Mallet?) berechtigen jedoch nicht zu einem solchen Urtheil; zu schweigen davon, dass keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, warum gerade in der Tertiärzeit und am Schlusse derselben diese, die Oberfläche der Erde umgestaltenden Ereignisse, sollten eingetreten sein. Die populäre Vergleichung mit einer sich runzelnden Orange ist jedenfalls nicht geeignet, über diese Schwierigkeit hinwegzuhelfen. Die Orange wirft Runzeln überhaupt 1) Mechanismus der Gebirgsbildung S. 56 und 105. 2), Ueber vulkanische Kraft, übertragen von Lassaulx. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 90 — 390 — nicht wegen Abkühlung ihres inneren Kernes, sondern wegen ihres Verlusts an Saft, Es liegt also hier ein ganz anderes Motiv der Runzelung zu Grunde. Das Erdinnere erleidet zwar auch einen Verlust an Substanz durch die vulcanischen Eruptionen; allein die Masse der vulcanischen Auswürfe ist viel zu gering, um hierdurch eine Runzelung der Erde hervorzubringen, welche der Masse der Kettengebirge auch nur annähernd entsprechen würde. Will man nun der Lösung dieser Frage nach der Zeit der Erhebung der Gebirge näher treten, so enthält dieselbe zwei Fragepunkte: 1) warum war die lange Reihe der alten geo- logischen Perioden so wenig geeignet, Continente und hohe Gebirge hervorzubringen und 2) welche Umstände begünstigten das Hervortreten derselben in der Tertiärzeit, hauptsächlich gegen das Ende derselben? ad 1). Eine ungleiche Abkühlung musste sich auf der Erdoberfläche schon in der azoischen Periode, d. h. in jener Periode geltend machen, da der allumfassende Ocean, nach einer sehr allgemein angenommene Theorie, noch eine so hohe Temperatur besass, dass lebende Organismen in ihm nicht bestehen konnten. Wenn in dieser Periode auch die Warmwasserheizung eine sehr durchgreifende war und die damals bestehende constante Wolkenumhüllung eine sehr grosse Gleichförmigkeit der Temperatur überall, unter allen Breitegraden, herbeiführen musste, so musste doch das Wasser an den Polen und in ihrer näheren Umgebung eine, wenigstens um einige Grade geringere Temperatur annehmen, als am Aequator und unter den Tropen. Die Abkühlung ging unter dem Schutz der constanten Wolkenhülle sehr langsam vor sich, aber sie machte doch Fortschritte und in den höchsten Breiten etwas schnellere, als unter den Tropen. Somit stellte sich auch eine Strömung zum Zweck der Temperaturausgleichung der Gewässer in ihren schwachen Anfängen ein. Die Gewässer an den Polen waren sicher nicht kalt im absoluten Sinne des Wortes, aber sie waren doch weniger warm, als die des Aequators; dadurch wurde eine Ausgleichung nöthig. Die relativ weniger warmen Gewässer flossen, nach- dem sie auf den Meeresgrund niedergesunken waren, daselbst dem Aequator zu, während die wärmeren Gewässer des Aequators oberflächlich in die hohen Breiten abflossen. Sobald aber einigermassen abgekühlte Wasser auf den Meeresboden niedersanken, fingen sie auch an, daselbst Wärme abzufordern, veranlassten auf dem Grund des Meeres langsame Verminderungen des Volumens oder Senkungen. Durch die Senkung des Meeresgrundes auf den besuchtesten Strom- wegen der relativ abgekühlten Gewässer wurde so von Anfang an die Lage der Oceane vorgebildet. In anderen Gegenden des Meeresgrundes aber, die nicht oder weniger von abge- kühlten Wassern besucht wurden, traten ebenso langsam, als Correlat der Senkungen, Hebungen ein mit dem Charakter säcularen, ruhigen, gleichmässigen Aufsteigens. Die Hebungen blieben — 391 — aber zunächst noch lange Zeit submarin; es wurden die submarinen Sockel der späteren Continente langsam aufgebauet. Da der allumfassende Ocean der ältesten Zeiten nach der Berechnung Krümmel’s (Ver- such einer vergleichenden Morphologie der Meeresräume S. 107) eine gleichmässige Tiefe von 1375 Faden oder 2461 m besass und die Wolkenhülle nur eine sehr langsame Abkühlung zuliess, so war eine sehr lange Zeit säcularer Senkung und Hebung erforderlich, bis nur der Meeresspiegel selbst erreicht wurde. Nur vereinzelte, wenig umfangreiche Inseln und nachher Archipele tauchten nach und nach auf; doch waren sie wegen des Fortganges der ungleichen Abkühlung trotz vieler Schwankungen in stetem Zunehmen begriffen. Die terripetale Tendenz (Bronn) der Erdoberfläche ist nur eine Folge der ungleichen Ab- kühlung derselben und gelangt nur durch das Stadium der vorherrschenden Archipelbildung hindurch zur Geltung. Wenn der Annahme überhaupt eine Wahrheit zu Grunde liest, dass durch das Zusammenwirken von Senkung und Hebung der gegenwärtige unebene Zustand der Erdoberfläche hervorgebracht worden sei, so ist ein allmähliches Sinken des Meeresgrundes und allmähliches Steigen des trockenen Landes über die Meeresfläche, das ist das Stadium der Archipele, als nothwendige Consequenz nicht in Abrede zu ziehen. So lange jedoch das feste Land selbst in Archipele zerstückelt war, so lange war selbstredend auch noch keine Möglich- keit da für die Existenz jener Gebirge, welche die Räume von Continenten in Anspruch nahmen. Da der Process der ungleichen Abkühlung sich sehr langsam vollzog, so kann es nicht befremden, dass die alten und selbst die mittleren geologischen Perioden weder Continente noch Gebirge zeigen, die den Continenten entsprachen. Dies der Grund der Abwesenheit der Gebirge in den Urzeiten. ad 2.) Allein die terripetale Entwicklung der Erdoberfläche machte stetige Fortschritte und die Zeit musste kommen, wenn auch spät, dass das feste Land einen Umfang gewann, der bei den climatischen Zuständen sich geltend zu machen anfıng. Auf der Oberfläche be- wirkt das feste Land gegenüber dein Ocean stärkere Schwankungen der Temperatur; das Land begünstigt durch Laudwinde Unterbrechungen der constanten Wolkenhülle, wodurch der Unter- schied zwischen Zustrahluong und Ausstrahlung der Wärme vermehrt wird. Die seitherige Gleichförmigkeit des Climas musste somit Einbusse erleiden, zumeist in jenen Gegenden, welche schon wegen des ungleichen Standes der Sonne in ihrem jährlichen Umlaufe, an sich stärker ausgeprägte Unterschiede der Jahreszeiten haben; in hohen und mittleren Breiten machten sich, gegenüber der früheren Gleichförmigkeit, andere climatische Zustände geltend, — 32 — die elimatischen Zonen scheiden sich aus. In den Polarländern der nördlichen Hemisphäre sind in der That solche Zusände nachgewiesen. Zur Zeit der Steinkehlenformation, selbst noch zur Zeit der Juraformation bestand kein nachweisbarer Unterschied der Zonen; zu Ende der Kreide- formation tauchen dieselben in schwachen Anfängen auf; in der Miveänzeit sind sie so weit vorhanden , dass Grinellland 8° ©. mittlere Jahrestemperatur zeigt und Spitzbergen 9° C. gegenüber von c. 20° C. in mittleren Breiten (Schweiz) (cf. Heer Urwelt, zweite Auflage S. 657). In den genannten Polarländern war die Pflanzenwelt schon auf einen Winter ein- gerichtet; denn die Laubbäume daselbst trugen sämmtlich nur fallendes Laub. Die Winter waren sicher nicht streng, die Temperatur mochte vielleicht wenig unter 0° fallen, aber bei der langen Winternacht sich doch schon ziemlich lang auf einem niedrigern Stand halten, wenn auch nur auf dem Lande selbst mit Ausschluss des Meeres. Vergleicht man mit diesen nordischen Zuständen jene des antarctischen Porlarkreises, so fehlen hier freilich directe Be- obachtungen ganz, aber es darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass der antarctische Continent eine viel centralere Lage einnimmt und nahezu den ganzen Polarkreis ausfüllt. Man braucht auch hier nicht anzunehmen, dass zur Tertiärzeit daselbst schon ein geschlossener Continent bestand; wenn auch nur ein Archipel daselbst sich vorfand, so wird wegen der un- günstigen centralen Lage desselben die Winterkälte daselbst eine strengere gewesen sein, als im Norden (Spitzbergen). Es ist eine Annahme, aber keine zu gewagte, dass zur Miocänzeit während des Winters der Frost hier seine Wirkungen nicht blos auf das Land ausübte, sondern auch auf die Buchten des Meeres erstreckte, dass sogenanntes Baieneis sich bildete; es ist möglich, dass zwischen den innersten Inseln dieses Archipels vielleicht monatelang eine Ueber- brückung durch Eis stattfand, so dass dann die Mächtigkeit und die Masse des Eises beträcht- lich werden konnte. Eine solche climatische Beschaffenheit, die ganz im Bereich der Möglichkeit und sogar der Wahrscheinlichkeit liegt, musste nun die tiefstgehenden und sehr weitverbreiteten Folgen nach sich ziehen. So lange überhaupt kein Eis bestand oder dasselbe nur auf dem Land selbst sich bildete, aber das Meer sich frei erhielt, bestanden immer nur relativ schwache Temperatur- differenzen im Meerwasser selbst, die ebendeshalb auch nur langsame Folgen haben konnten. Die Ausgleichungen der Temperaturdifferenzen gingen auch jetzt nicht spurlos vorüber, aber ihre Folgen vertheilten sich in ruhigem Verlauf auf die lange Reihe der geologischen Reformationen. Nun tritt aber das Eis mit ganz andern Ansprüchen an Temperatur- ausgleichung heran, als zuvor je gemacht wurden. Wir haben schon oben angeführt, —ı mel) —— wiederholen aber absichtlich, dass ein Pfund Eis von 0°, vermischt mit einem Pfund Wasser von 79° C, zwei Pfund Wasser von 0° gibt!). Das Eis tritt somit, wenn es in einiger Ergiebig- keit gebildet worden ist, mit ungeheuren Ansprüchen hervor, mit vielmal grösseren, als das flüssige Wasser des Meeres selbt je machen kann und diese Ansprüche werden an den Meeres- boden gerichtet. Nachdem nämlich das Eis selbst geschmolzen ist, sinken die kältesten, dichtesten Wasser zu Boden und verbreiten nun über den Meeresboden hin eine eisige Tem- peratur, die ausschliesslich auf Ausgleichung vom Meeresboden aus angewiesen ist, von da Wärme abfordert und den Meeresboden zu Volumverminderungen und Senkungen ver- anlasst, wie sie in solcher Stärke und Ausdehnung zuvor nie geltend gemacht wurden. Es beginnt also nun ein rascheres Tempo der Senkungen und Hebungen. Nicht als ob eine neue andere Ordnung der Dinge eingeführt würde; die alten Gesetze der ungleichen Abkühlung walten fort, aber mit grösserer Energie und wachsender, sich steigernder Kraft. Und in gleicher Weise verstärken sich nun auch die Wirkungen, nämlich: die Vertiefung des Meeres und die Erhebung der Continente und Hochgebirge. Die Archipele schliessen sich zusammen und werden zu Continenten und um die Hauptsenkungsplätze der Meere herum gruppiren sich die Hochgebirge. Auch die Zone, die zwischen ihnen liegt, zwischen den Gebieten der Senkung und Hebung, thut sich in der äussern Erscheinung hervor; auf ihr gruppiren sich vorzüglich die Vulcane und gibt sich die innere Spannung und Bewegung des Bodens kund in zahlreichen Erdbeben. All das konnte nicht schon in den alten geologischen Perioden geschehen; erst in den Jüngsten war die terripetale Entwicklung so weit vorangeschritten, dass sie climatische Wirkungen hervorrief und die climatischen Zustände riefen von sich aus wieder geographische Gestaltungen ins Dasein. Ursachen und Wirkungen greifen in verschlungenen Wechselbeziehungen in einander ein. Da die entscheidenden Ursachen zu diesen Vorgängen erst in sehr jungen geologischen Zeiten eingetreten sind, so sind die geographischen und climatischen Folgen derselben noch ganz deutlich wahrzunehmen; sie werden auch nicht leicht verwischt werden können, weil kein weiterer physicalischer Vorgang sich denken lässt, der mit so gewaltiger Kraft in die diesbezüglichen bestehenden Verhältnisse eingreifen könnte, als durch das Gefrieren des Wassers zu Eis geschehen ist. Insbesondere war auch die Quartärzeit trotz ihrer climatischen Ausschreitungen doch nicht dazu geeigenschaftet, die Spuren der in der Tertiärzeit in das Dasein getretenen vollen- deten Thatsachen zu verwischen. Die quartäre Zeit zeichnet sich bekanntlich durch das über- 1 !) Das gilt von dem aus süssem Wasser gebildeten Eis. Das Meerwasser gefriert erst bei c. 3° unter dem Nullpunkt; seine Ansprüche beim Aufthauen werden deshalb noch gesteigert; man kann jedoch davon absehen. N — raschend weite Vordringen der Gletscher aus. Aber das Eis selbst trat ohne Zweifel nicht erst in der quartären Zeit auf, sondern schon gegen den Schluss der tertiären, deren Clima schliesslich dem heutigen gleich oder ganz ähnlich wurde Ein principieller Gegensatz besteht daher wohl zwischen dem Ende der Tertiärzeit und der früheren geologischen Periode, aber nicht zwischen dem Schluss der Tertiärzeit und der Quartärzeit. Die gewaltigen Wirkungen, die das Eis hervorbrachte, fallen ebendeshalb schon in die zu Ende gehende Tertiärperiode. In der That lassen die geognostischen Untersuchungen nicht daran zweifeln, dass die Quartär- zeit sowohl die Continente, als die hohen Gebirge als Erbschaft aus der vorhergehenden Tertiärperiode herüber empfangen hat. Die Zeit der Senkungen auf den Meeresgrund lässt sich zwar selbstverständlich aus directen Beobachtungen nicht erkennen; wenn aber zur Tertiär- zeit schon ein eisigkalter Strom auf dem Grund des Meeres sich auszubreiten anfıng, so mussten nothwendig auch die Volumverminderung und Senkung desselben damals sich vollziehen. Durch Senkungen und Hebungen accommodirte sich dazumal schon die Erdrinde an die neue Ordnung der Dinge; es wurde ein Zustand der Anpassung hergestellt, der zur Quartärzeit nicht: mehr verändert wurde. Man kann auch nicht behaupten, dass durch die vergrösserte Masse von Eis, die zur Quartärzeit vorhanden war und auch sicher ins Meer sich ergoss, die Zustände seit der Tertiärperiode eine wesentliche Abänderung erlitten hätten. Den Ausschlag bei den Senkungen gibt die Temperatur der untersten, den Meeresboden direct berührenden und von ihm Wärme abfordernden Schicht kalten Wassers. Da die grösste Dichtig- keit und Schwere des Meerwassers bei + 0,45° vorhanden ist, so wird diese Temperatur die mittlere Durchschnittstemperatur des Wassers unmittelbar am Boden der tiefsten Meere sein, sowohl für die gegenwärtige Periode, wie für das Ende der Tertiärzeit und kann auch für die (uartärzeit nicht wesentlich höher oder niedriger gewesen sein. Seit der bewegungsvollen Aus- gleichung am Ende der Tertiärzeit trat dann die Erdoberfläche wieder in das Stadium der ruhigen säcularen Hebungen und Senkungen zurück, die durch die vulcanischen Erscheinungen nicht beträchtlich beeinflusst werden. Die Adh&mar’sche Theorie darf, wo es sich um Zeitbestimmungen in geologischan Dingen handelt, nicht unberücksichtigt bleiben. Darin liegt ja gerade der bestrickende Reiz, den diese Theorie ausübt, dass dieselbe eine weite Perspective eröffnet, um nicht blos in den etwas ver- wickelten Reigen der geologischen Formationen eine chronologische Ordnung hineinzubringen, sondern sogar die Hoffnung erweckt, positive Ziffern zu liefern, durch welche die Dauer und das Alter derselben schliesslich festgestellt werden könnten. Sie ist in der That die einzige Auf- fassung, die, auf astronomischer Grundlage ruhend, solche erfreuliche Aussichten eröffnen kann. — 395 — Um dieses in Aussicht stehenden Vortheils willen ist es nicht blos begreiflich, sondern aller Anerkennung werth, dass dieser Standpunkt erfasst und nach Kräften festgehalten wurde. Allein die Frage besteht vor wie nach, ob dieser Standpunkt in seinem Princip endgültig behauptet werden könne? Nach Allem, was wir zuvor schon gesagt haben, ist diese Frage nicht zu bejahen. Insbesondere, wenn es sich herausstellen sollte, dass die Alternation der warmen und kalten Halbperioden der Hemisphären preisgegeben werden müsste, so verlöre diese Theorie auch noch ihren eigenthümlichen Reiz; denn ebendamit würde auch die Möglichkeit, absolute Ziffern für die geologischen Perioden zu liefern, hinwegfallen. In die bisherige leid- liche Ordnung der geologischen Formationen aber würde durch die Annahme der modifieirten Adhemar’schen Theorie keineswegs eine grössere Ordnung gebracht, sondern eine nicht ge- ringe Verwirrung hereinzubrechen drohen. Paläontologen und Geologen würden sich darauf hingewiesen sehen, ganze Reihen von kalten und warmen Halbperioden auf jeder Erdhälfte auszuscheiden, die aber unter sich wieder nicht gleiche climatische Verhältnisse darbieten würden, sondern wegen der schwankenden Grösse der Excentricität in allen Abstufungen variren und vielfach ihren Charakter gänzlich einbüssen würden. Ueber die Frage, ob eine Fauna und Flora einer bestimmten kälteren oder wärmeren Halbperiode angehöre, oder in wie viele solche Zeitabschnitte eine grosse geologische Periode zerfalle, welche Schichtencomplexe der einen oder der anderen zuzuschreiben seien etc. würde man sich schwer vereinigen können. Noch weniger aber möchte es gelingen, die paläontologischen Forschungsresultate nun auch noch mit den ganz selbstständigen astronomischen Berechnungen über die Excentricität nur einigermassen befriedigend in Zusammenklang zu bringen. Zum Beleg hiefür erinnern wir nur daran, dass man die Quartärperiode in Deutschland schon in drei Eiszeiten aufzulösen anfängt und in England und Schottland sich kaum mehr mit sechs Eiszeiten begnügen will, die sämmtlich nach der pliocänen Periode erst existirt haben sollen und in einem Schichtencomplex von nur 86 Fuss Gesammtmächtigkeit sich zu erkennen geben sollen (cf. Schmick: Sonne und Mond als Bildner der Erdschale 8. 91). Nachträglicher Zusatz: Eine ganz übereinstimmende Auffassung wird von Prof. Ed. Süss in Wien in seinem neuesten Werk: Das Antlitz der Erde (I. Band S. 5) ausgesprochen, der sich über das Alter der Continente äussert, wie folgt: »die hohen Sockel, auf denen unsere Continente liegen, mögen also sehr alt sein, sie mögen zum grossen Theil weit in die mesozoische Zeit zurückreichen; aber für die paläozoische Periode könnte man der Voraussetzung allgemein persistender Festländer nicht zustimmen.« — 396 — Rückblick. In den vorstehenden Capiteln wurden für eine Reihe von climatischen, geographischen und geologischen Gegenständen die bestehenden, thatsächlichen Beobachtungsresultate vor- geführt und besprochen und das Ineinandergreifen derselben darzustellen gesucht, um eine empirische Grundlage für die principielle Deutung derselben zu gewinnen. Zum Schlusse mag es auch gestattet sein, den umgekehrten Weg zu versuchen, d. h. die leitenden prineipiellen Grundsätze aufzustellen und durch Entwicklung derselben zu den der Beobachtung ent- sprechenden thatsächlichen Zuständen überzuleiten. Als das oberste Princip der climatischen, geographischen und geologischen Entwicklung ist die Abkühlung und zwar die ungleiche Abkühlung der Erdoberfläche aufzufassen. Zu jeder Zeit kühlte sich die Oberfläche der Erde an den Polen mehr ab, als unter den Tropen; mag auch eine constante Wolkenhülle die Abkühlung des allumfassenden Oceans verlangsamt und bis auf einen gewissen Grad ausgeglichen haben, ganz und gar Konnten die Unterschiede der Abkühlung nie verwischt werden. Nun sinken aber die relativ mehr abgekühlten Wasser wegen ihres grösseren specifischen Gewichtes auf den Grund des Meeres und an ihre Stelle treten wärmere Wasser, deren Heimath die mittleren Breiten und die Tropen sind. Die mittleren und niederen Breiten aber erhalten wieder Ersatz dadurch, dass die untergesunkenen, relativ am meisten abgekühlten Wasser auf dem Grunde des Meeres denselben und dem Aequator zuströmen. So entsteht eine geschlossene Strömung des Meerwassers zur Ausgleichung des gestörten Gleichgewichts. Aber eine Ungleichheit der Temperatur bleibt vorhanden, wenn dieselbe auch auf der Ober- fläche des Wassers theilweise ausgeglichen wird, so besteht ungeschmälert der Unterschied zwischen der Temperatur der Oberfläche und der Unterfläche des Oceans fort. Die feste Erdrinde, der Grund des Meeres, ist aber gegen die Vorgänge innerhalb der sie unmittelbar berührenden Wasserhülle nicht unempfindlich. Da, wo die lebhaftesten Strö- mungen der am meisten abgekühlten Wasser sich auf dem Grunde des Meeres hinziehen, wird auch die Temperatur der Erdrinde selbst am meisten in Mitleidenschaft gezogen, sie — ak — wird selbst abgekühlt. Hierdurch wird eine Verminderung ihres Volumens und Erniedrigung des Niveaus dersellben hervorgebracht; aber nicht überall gleichmässig, sondern da am meisten, wo die lebhaftesten Strömungen abgekühlten Wassers sich hinbewegen. Das Meer wird hier tiefer, der Druck durch das addirte Gewicht der festen Rinde und des überlagernden tieferen Meeres vermehrt und durch diese Senkungen der Erdrinde in der einen Gegend werden Hebungen in einer anderen hervorgerufen, wo die Strömungen des kälteren Wassers nicht oder weniger sich bewegen. Das allmähliche Auftauchen von Inseln und Archipelen über den Meeresspiegel ist das Resultat und zugleich das äusserlich wahrnehmbare Zeugniss einer schon seit langer Zeit stattgehabten ungleichen Abkühlung in der Tiefe des Meeresgrundes. Zunächst ist nun der climatische Einfluss wie der Umfang der einzelnen Inseln und Archipele gegenüber dem immer noch übermässig stark dominirenden Ocean verschwindend oder sehr unbedeutend, um so mehr, wenn eine der oceanischen Beschaffenheit entsprechende constante Dunsthülle, zumal in mittleren und hohen Breiten einen starken Schutz gegen Abkühlung der Gewässer gewährte. Die natürliche Warmwasserheizung besteht noch in fast ungeminderter Kraft und bewirkt auf der Oberfläche ein sehr gleichförmiges und zugleich warmes Clima. Aber es ist doch ein neuer Factor (Land) eingetreten, der geeignet ist, im Laufe seiner weiteren allmählichen Ausbildung die Ungleichheit der Abkühlung noch mehr zu fördern; denn Wasser und Land halten bei der Abkühlung nicht gleichen Schritt und gehen verschiedene Wege; Unterschiede, welche hauptsächlich für die Organismen, die auf der Oberfläche des Landes leben, von grosser Bedeutung werden. In der Tertiärzeit fangen in der That die Landmassen an, selbst dem Ocean gegenüber ihre specifischen climatischen Eigenthümlichkeiten geltend zu machen. Die nivellirende Kraft der Gewässer des Oceans und zugleich der Dunsthülle wurde durch die Wirkung des Landes geschwächt und in hohen Breiten geben sich die anfangenden Spuren von Temperaturschwankungen und Temperaturabnahmen zu erkennen ; die climatischen Zoneu scheiden sich langsam aus und die Wirkungen einer niedrigen Temperatur in hohen Breiten, des Frostes, während eines Theils des Jahres werden sichtbar in‘ dem abfallenden Laub der Bäume und in dem Haarkleid der Säugethiere. Freilich bewegt sich die Schwankung der Temperatur noch in sehr mässigen Schranken und berührt mehr nur die Oberfläche des Landes, als dass sie in die Tiefe eindringt. Nur in einem Falle vorzüglich ist auf diesem Wege der ungleichen Abkühlung eine tiefere und raschere Einwirkung zu erwarten, wenn nämlich der Frost, der vom Lande aus- Abhandl. d. Senckenb, naturf. Ges. Bd. XTIT. 51 — 398 — geht, sich von seinen Ufern aus auch auf das benachbarte Meer hinauserstrecken konnte, Wenn die Buchten eines Meeres vom Land aus in grösserer Erstreckung auf längere Zeit und somit auch in grösserer Mächtigkeit sich mit Eis bedeckten, so wirkte die Kälte mittelbar auf das Meer ein, weniger durch das Zufrieren, als durch die Aufthauung des Eises. Das Eis bewegte sich hinaus in das offene Meer, schmolz dort ab und sandte beträchtliche Massen kalten Wassers auf den Grund des Meeres hinab. Auf der Erde befindet sich nur ein Punkt, eine Gegend, welche einen entschiedenen Vorsprung vor anderen voraus hatte, um solche Wirkungen in die Wirklichkeit treten zu lassen. Das ist jener Archipel, der sich in der sehr wichtigen Lage central um den Südpol herum aufgebaut hatte und selbst vor dem im Nordpolarkreis befindlichen Land hauptsächlich die centrale Lage voraus hat. Hier, in den antarctischen Gegenden, wird deshalb auch die Ursache und der Schlüssel zum Verständniss einer Reihe von wichtigen Erscheinungen liegen. Der Wirkungskreis der Südhalbkugel wird dadurch nach verschiedenen Seiten hin der um- fassendere. Als die erste und zugleich unmittelbarste Wirkung, die von dem antarctischen Archipel ausgeht, ist das auffallende Clima der Südhalbkugel zu verzeichnen. Aeltere und neue Tem- peraturbebachtungen lassen gar keinen. Zweifel darüber, dass die Ursache der niedrigen Tem- peratur derselben nicht etwa in einem Mindermass der empfangenen Wärme durch die Sonne bestehe, sondern in greifbarer Weise innerhalb des Polarkreises der Südhemisphäre selbst liegen müsse. Es ist der antarctische Archipel, der mit Hülfe der Eisverbindung sich zu einem Con- tinente gestaltet hat und durch seine gewaltigen Kälteproducte die Temperatur der gesammten Halbkugel zu beeinflussen vermag. Dieser Einfluss äussert sich aber seit der Tertiärzeit vorzüglich, nicht blos in der Tem- peratur, sondern die eisigen Kaltwasserströme riefen auf dem Meeresgrunde entsprechende stärkere Senkungen hervor, so dass die südliche Halbkugel in grösserem Umfang und im Durchschnitt auch in bedeutenderer Tiefe vom Meere bedeckt wurde, als die nördliche. Andrer- seits stellen sich jetzt als Gorrelat der Senkungen correspondirende Hebungen ein, nämlich umfangreichere Archipele, die sich dann mehr und mehr zu Continenten zusammenschliessen, deren Ränder zugleich durch eine dem Meere zugewandte Zone von Hochgebirgen markirt werden, während weiter einwärts, gegen das meerische Gebiet, noch eine zweite Zone von Vulcanen sich vorlegt als mittlere Zone zwischen den Gebieten der Senkung und Hebung. Es ist ein überraschendes Ergebniss, dass das Gewicht der Massen des Meeres und der Erdfesten (im erweiterten Sinne Krümmels) sich nahezu das Gleichgewicht hält. Auch die Form der — ao grossen Landmassen, die gegen Süd schmal, gegen Nord breit auslaufen, ist bedeutungsvoll und lässt sich unter den gleichen Gesichtspunkt unterbringen. Weil nämlich, um der stärkeren Senkung des Meeresgrundes der südlichen Hemisphäre willen, hier die grössere Meerestiefe sich vorfindet, so verlieren hier die Landmassen an Aus- breitung in gleichem Masse, als das Meer sich ausdehnt. Auf der nördlichen Halbkugel aber sind die Gewässer seichter, wodurch der Ausbreitung der Landmassen daselbst Vorschub ge- leistet wird. Wo das Meer sich breit macht, muss das Land schmal werden und umgekehrt. Nachdem nun die Vertheilung von Land und Meer und Gebirgen in ihren grossen Zügen am Ende der Tertiärzeit festgestellt war, fiel den letzteren, jenen Gebirgen, welche die Schnee- linie ihrer geographischen Breite erreichten und überragten, eine eigenthümliche und wichtige Rolle zu. Dass die Gebirge nicht in jenem stark zerstückelten Zustande, den sie jetzt allerorts mehr oder weniger zeigen, entstanden sind, dass insbesondere die Querthäler erst nachträglich erodirt wurden und Zeiträume erforderlich waren, um dieselben vom Fusse des Gebirges soweit nach innen und nach oben zu verlängern, dass dieselben die Centralketten erreichten, ist kaum mehr anfechtbar. Indessen, bevor die Querthäler fertig waren, mussten die Schneemassen, die alljährlich über der Schneelinie niederfielen, sich auf den Höhen der Gebirge ansammeln und die Ausdehnung des ewigen Schnees gewann dadurch weiteren Raum nach unten und nach oben. Das ist der Beginn der Eiszeit. Nachdem dann durch Erosion die äusseren niedrigen Ketten durchbrochen waren, die Wege gegen die Centralkette geöffnet waren, setzten sich die Schneemassen auf diesen Wegen in Bewegung nach der Niederung zu, wodurch letztere mit Gletschermaterial überschüttet wurde. Man könnte dies den Höhepunkt der Eiszeit nennen, Aber schliesslich überwältigte die Wärme der Niederung die ihr aufgeladenen Eismassen; die Gletscher schmelzen zurück und lassen nur die Gesteine der Moränen in der Niederung liegen, als unverkennbare Zeichen ihrer ehemaligen Anwesenheit. An die Stelle der Eiszeit tritt nun ein gemässigtes Clima, das von der geographischen Breite und von der Meereshöhe bedingt wird, aber auch noch anderen Einflüssen unterliegt, besonders den Wirkungen einer mehr continentalen oder mehr maritimen Lage. Inhaltsverzeichniss, I. Abtheilung. Climatische Zustände der geologischen Formationen. Einleitung: Ueber den Stand der Frage. 1. Capitel: Clima der alten geologischen Formationen. Artikel 1. Bedeutung des reinen Seeclimas Artikel 2. Von den Bewölkungsverhältnissen . Artikel 3. Art der Ausgleichung der Temperatur . RE: Artikel 4. Betrag der Ausgleichung und Erwärmung der Derigerakın Artikel 5. Möglichkeit einer weiteren Steigerung der Wärme . Artikel 6. Rückblick 2. Capitel: Clima der jüngeren geologischen Formationen. Artikel 1. Verhältniss des Tertiärclimas zu dem der vorangegangenen Formationen Artikel 2. Climatische Zustände gegen Ende der Pliocänzeit 3. Capitel: Erklärung der climatischen Zustände der Quartärzeit Capitel: Erklärung der elimatischen Zustände der Gegenwart ge II. Abtheilung. Modificationen und Wechselbeziehungen der climatischen Entwickelung. 1. Capitel: Clima der südlichen Hemisphäre. Artikel 1. Untersuchungen von Sartorius und Hann Artikel 2. Der Adhemar’sche Standpunkt . 2. Capitel: Die südliche Hemisphäre als Gebiet vorherrschender Senkungen 3. Capitel: Hebungen als Correlat der Senkungen . 4. Capitel: Ueber die Zeit der Hebung der Continente uud Hochgebirge . Rückblick Mahlau & Waldschmidt. Frankfurt a. M. a NW Beitrag zur Kenntniss der Crustaceenfauna des Behringsmeeres. Von Dr. Ferd. Richters. Mit einer Tafel. Auf Veranlassung der Bremer Geographischen Gesellschaft unternahmen die Gebr. Dres, Arthur und Aurel Krause in den Jahren 1881 und 1882 eine Expedition nach der Tschuktschen Halbinsel und Alaska. !) Seit Brandt’s Beschreibung der Krebse der Midden- dorf’schen Expedition nach Sibirien ist über die Krebsfauna jener Gegend nichts veröffentlicht und sind folgende Mittheilungen über die von den Herren Gebr. Krause dort gesammelten Decapoden daher nicht ohne Interesse, zumal unter der Ausbeute, die sich auf 21 Arten be- läuft, 12 Arten sind, die von Middendorf nicht beobachtet wurden. Manche dieser Formen haben offenbar eine circumpolare Verbreitung und ist deshalb die Bestätigung ihres Vorkommens im Behringsmeer von Wichtigkeit; von ganz besonderem Interesse aber ist die Wiederauffindung des so seltenen Platycorystes Isenbeckiüi, von dem bisher eine Abbildung in der Krebslitteratur fehlte. Hyas coarctatus Leach. 36 Exempl. 13 männl., 18 weibl. Grösstes Männchen 8,5 cm lang, 5,8 cm breit. Eier- trächtiges Weibchen 4,6 cm lang, 3,4 cm breit. Emmahafen, Lütkehafen, St. Paul, St. Mathews, Ploverbai, Lorenzinsel. Die von Leach und Milne Edwards gelieferten Beschreibungen stimmen sehr gut; als auffälliges Merkmal möchte ich noch das constante Auftreten von 8—9 Warzen am hinteren Seitenrande des Cephalothorax erwähnen. Brandt’s (nach einem 1‘ 31. grossen Exemplar aufgestellte) Varietät alutacea, die sich durch die »etwas stärker chagrinirte Oberseite des Cephalothorax, durch den etwas breiteren Hintertheil des Körpers und durch etwas breitere Scheeren«e von coarctatus unterscheiden soll, scheint mir nicht haltbar. Die Oberflächen- beschaffenheit des Cephalothorax ist je nach dem Alter des Thieres recht verschieden. Die !) Vergl. deren Reiseberichte in: »Deutsche Geogr. Blätter«. Bd. V. Abhandl. d. Senckenb, naturf. Ges. Bd. XIII. [Si uw — A0dr jüngeren Exemplare sind viel stärker behaart; z. B. stehen zwischen den erwähnten Warzen kräftige, gekrümmte Haare, die den alten Exemplaren vollständig fehlen; je älter die Thiere, desto schärfer grenzen sich die Regionen des Cephalothorax gegen einander ab. Das Abdomen der jungen Weibchen hat fast parallele Ränder, das des geschlechtsreifen ist fast kreisrund. Auffällig ist es, dass die jüngeren Exemplare mit Schwämmen und Polypenstöckchen, die älteren, von 4—5 cm Länge an, mit Balaniden bedeckt sind. Bei allen älteren Exemplaren meines Materials findet sich nun die Bemerkung »Dredge«, bei den jüngeren fehlt dieselbe. Ich möchte daher vermuthen, dass die Thiere sich in verschiedenem Alter in verschiedenen Tiefen aufhalten und deshalb verschiedene Commensalisten tragen. Dass die Balaniden die jüngeren Hyas perhorresciren sollten, weil die kurze Dauer des Panzers derselben für sie un- günstig sein würde, darf man doch kaum annehmen. Die Eierablage geschieht im September; ein am 19. September in Emmahafen gefangenes Weibchen hat wenige, eben gelegte Eier im Brutraum; ein am 17. October bei St. Paul ge- fangenes trägt eine grosse Menge weit entwickelter Eier. In Massachusetts Bay (S. J. Smith) ist die Art schon im August eierträchtig. Chionoecetes opilio Kröyer. 13 Exempl. Grösstes Exemplar 4,6 cm lang, 4,3 cm breit. Bis 25 Faden tief gefangen. Lorenzbai, St. Paul, St. Mathews, zwischen Metschigmenbai und Seniavinsund, Ploverbai. Öregonia gracilis Dana. 3 Exempl. Bis zur Unkenntlichkeit mit einem Wald von Polypenstöckchen, Flustren etc. bedeckt. Von Dana im Puget Sound, C. Pickering im westlichen Nordamerika beobachtet. Die Exemplare stammen von St. Paul. Platycorystes Isenbeckii Brandt. 1 Männchen. Brandt giebt von dem von ihm begründeten Genus Platycorystes in »Krebse von Middendorf’s Reise in Sibirien« folgende Charakteristik: Thorax fere sub-rhombeo-rotundatus, lateribus ungulatus vel sub-elongato-tetragonus et subovalis lateribusque haud angulatus, lateribus sex-vel septemdentatus, dentibus denticulatis. Frons quadri-vel sexdentata, parte media prominula. Dentes frontales medii pares lateralibus magis prominentes. Antennae !/s vel circiter 'J thoracis longitudinis aequantes. Pedum maxil- larium externi paris tertius articulus latus, secundo oblongo-tetragono cireiter !/« brevior eique — 403° — mediae partis latitudine fere aequalis, margine externo et interno rotundatus; subpentagono- ovatus, reliqui tres articuli in corpus unum comprehensi articulo secundo paulo longiores. Pedes mediocres vel saltem parum elongati, articulis latis instructi. Digiti secundi paris et reliquorum conico-elongati, tetragoni, profunde longitudinaliter suleati. Marium adultorum pars urogastrica quinque-articulata, articulo tertio lateribus in angulum producto. Zu dieser Gattung gehören, wenn wir zunächst von dem von White in der Samarang- reise pag. 14 Taf. III beschriebenen, offenbar hierher gehörigen Telmessus serratus absehen, zwei Arten: Platycorystes cheiragonus Brandt (-ambiguus Brandt) und Isenbeekii Brandt. Von ersterer Art giebt Brandt op. cit. pag. S5 eine detaillirte Beschreibung, ersetzt aber leider die nach seinem Urtheile ungenügende Abbildung des Tilesius durch keine bessere; von letzterer Art existirt gar keine Abbildung, sondern nur folgende Beschreibung im Bulletin scient. de l’academie de St. Petersbourg T. VII (1849) pag. 179. Frons dentibus quattuor armata, quorum bini in frontis medio conspieui. Thorax ovato- tetragonus, marginibus lateralibus modice arcuatis et dentibus subseptus, quorum quattuor anteriores magnitudine subaequales vel primus reliquis paullo major, ornatus. Carpus et meta- tarsus porro secundi, tertii, quarti et quinti pedum paris basis marginibus superioribus, nee non margine inferiore dentibus seu spinulis hamatis in series longitudinales dispositis armati. Digiti valde angusti et longius acuminati, in superioris et inferioris faciei marginis anterioris et posterioris basi spinosi, dimidio apicali vero spinulis et denticulis destructi. Es ist mir nach dieser Beschreibung nicht zweifelhaft, dass ich den ?. Isenbeckii vor mir habe; nur die Bezeichnung: digiti valde angusti ist nicht ganz zutreffend; siehe Fig. 2. Im übrigen habe ich der Brandt’schen Beschreibung nichts Wesentliches hinzuzufügen und beschränke mich darauf, diese interessante Form Fig. 1 abzubilden. Platycorystes Isenbeckii ist nach Brandt »eine sehr seltene Erscheinung, so dass Mertens nur ein von Isenbeck (einem St. Petersburger Arzte) geschenktes Exemplar be- sass, Wosnesenski aber nur fünf Exemplare in acht Jahren auftreiben konnte.« Er wurde zuerst auf der Lütke’schen Expedition an der Insel Unalaschka aufgefunden; das mir vorliegende Exemplar stammt von St. Paul. Unter dem Material finden sich ferner zwei ganz jugendliche Platycorystes, deren Cephalo- thorax nur 4 mm in der Länge misst, sowie eine grössere Anzahl Megalopa, die im stillen Ocean zwischen 35 ° 16° und 55 ° 8° n. Br. an schwimmenden Tangen gefangen und ohne Zweifel die Jugendformen von Platycorystes sind. Was die ersteren betrifft, so lässt die Bildung des — 404 — Cephalothorax Fig. 3 über die Zugehörigkeit zur Gattung Platycorystes keinen Zweifel, doch scheinen es mir keine P. Isenbeckii, sondern cheiragonus zu sein; erstlich deutet darauf die Prävalenz des vierten Stachels am Seitenrande, dann aber vorzüglich die deutlich angelegte Gliederung der Stirnpartie in sechs Zähne. Die Megalopaformen Figg. 4—6 scheinen eben- falls dem cheiragonus anzugehören. Ihr Cephalothorax misst bis 3 mm in der Länge; bei den jüngeren lässt er einen Theil des Thorax unbedeckt und ist hinten breiter als vorn, während er bei älteren parallele Seitenränder hat. Die Stirn hat ausser zwei seitlichen, einen kürzeren medianen Stachel; bei einem kurz vor der Häutung stehenden Exemplar war indess bereits die zukünftige Bildung dieser Partie zu erkennen, Fig. 7; offenbar sind sechs Stirnzähne angelegt; der Carpus dieser Megalopa, Fig. 8, zeigt bereits die Anlage der bei den Platycorystes auftretenden sechs stacheltragenden Kanten. Lithodes camtschaticus Tilesius. 7 ganz junge Exemplare eines Lithodes, das kleinste 6,5 mm lang und 5 mm breit, das grösste 9 mm lang und 7,5 mm breit, halte ich, allerdings nur wegen ihres Fundortes St. Paul, für L. camtschaticus. Zum Unterschiede von den Erwachsenen ist, wie die angegebenen Maasse zeigen, ihr Cephalothorax länger als breit; die ganze Oberfläche desselben ist fein gekörnelt, die zukünftigen, grossen Stacheln der Erwachsenen in genauer Uebereinstimmung durch kräftige Warzen angedeutet. Ganz abweichend ist die Bildung der Stirn; dieselbe endet median in einen mit 2 warzigen Ecken versehenen Vorsprung (a), an dessen Unterseite ein nach unten und vorn gerichteter, gekrümmter Dorn (b) sich findet, der den Stirnvorsprung (a) etwas nach vorn überragt. Ist dieses nun der zukünftige mediane, nach vorn gerichtete, an seiner Spitze sehr schwach gegabelte Stirnstachel des erwachsenen Z. camtschaticus, oder der nach unten gerichtete Stachel? Nach meinem Material lässt sich das nicht entscheiden. Es ist ebensowohl möglich, dass es der untere Stachel ist und der Stirnvorsprung ihn nach vorn überwächst, als dass er zum medianen Stirnstachel wird und der nach unten gerichtete, Stachel erst später erscheint. Auch bei diesen jungen Exemplaren ist die Asymmetrie der Scheeren, sowie die von Brandt op. eit. pg. 96 geschilderte Asymmetrie des weiblichen Abdomens stark hervortretend. Pagurus BernhardusL. var. granulato-denticulata Brandt. 1 Exempl. in Buceinum undatum. 30 Meilen süd-östlich von St. George, Das Endglied des zweiten und dritten Fusspaares ist bei dem vorliegenden Exemplare von dem gewöhnlichen (der Brandt’schen Varietät granulatus entsprechenden) Pag. Bernhardus —- 405 — der Nordsee dadurch unterschieden, dass die an der Innenseite derselben bei granulata vor- handene, tiefe Furche fehlt und nur durch eine Linie angedeutet ist. Pagurus pubescens Kröyer. 13 Exempl. Lorenzbai, St. Paul, Ploverbai. Von dieser Art finden sich viele Larven mit noch vollständig entwickelten Abdominalfüssen unter dem Material; sie sind leicht und sicher an der charakteristischen Bildung der Scheeren kenntlich. Pagurus splendescens Owen. 2 Exempl. Lorenzbai ; Ploverbai; 80° n. Br. Crangon (Cheraphilus) boreas Phipps. 3 Exempl. Emmahafen. Argis (Nectocrangon Brdt) lar Owen. 3 Exempl. Ploverbai. Pandalus annulicornis Leach. Circa 20 Exmpl. Beringmeer, nördl. von Akutanpass 70 Faden; Ploverbai. Die mir vorliegenden Vertreter der Gattung Pandalus zeigen durchaus die Charaktere, die Brandt für P. annulicornis gegenüber seinem P. lamelligerus angiebt. Das grösste meiner Exemplare misst von der Spitze des rostrum bis zum Ende der Schwanzflosse ca. 4'/a cm Brandt’s kleinster Zamelligerus 3 Zoll. Sollte vielleicht Tamelligerus nur die ältere Form von annulicornis sein? Hippolyte Fabricii Kröyer. 5 Exempl. Lorenzbai. Hippolyte Gaimardi Kröyer. 6 Exempl. Ploverbai. 2 eierträchtige Weibchen von 53 resp. 55 mm Länge zeigen eine deutliche carina auf dem dritten Abdominalsegment; ca. 100 mm lange Männchen haben einen 1 mm langen Dorn auf demselben. Hippolyte Sowerbyi Leach. 3 Exempl. Lorenzbai, Ploverbai. Hippolyte turgida Kröyer. 7 Exempl. Lorenzbai, Ploverbai. — 46 °— Hippolyte groenlandica Fabr. 2 Exempl. Lorenzbai. Hippolyte polaris Ross. S. J. Smith. Transact. of Connectieut. Acad. Vol. V. Pt I pag. 80 u. f. Es ist schon früher von Go&s, neuerdings von S. J. Smith die Identität der H. borealis und polaris behauptet worden. Die mir vorliegenden 20 Exemplare dieser Art bestätigen mir die Richtigkeit dieser Ansicht. Vier Exemplare, welche ein ganz gerades rostrum haben (also die bisherigen borealis) sind grosse Männchen, 41—56 mm lang; bei jedem sind, wenn auch nur mit der Loupe, 3—4 Zähne auf der Basis des rostrum erkennbar; bei andern Männchen und Weibchen, deren rostrum ein wenig aufwärts gerichtet ist, sind diese deutlich vorhanden, aber der Vordertheil des rostrum zahnlos; bei andern wieder das rostrum, wie Kröyer es für seine polaris abbildet, gleichmässig mit 5—7 Zähnen besetzt. Von den von mir Fig. 11—15 abgebildeten Rostrumformen bis zu der typischen Polaris-Form fehlt mir der allmähliche Uebergang; Smith, der über ein sehr zahlreiches Material verfügte, hat ihn jedoch beobachtet. Ich will erwähnen, dass der von Smith entdeckte secundäre Geschlechtsunterschied bei den Hippolyten op. eit. pg. 84 sehr gut zur Unterscheidung‘ der Geschlechter dienen kann, dass man aber fast noch leichter und ebenso sicher zum Ziel kommt, wenn man die relative Länge der innern Fühler ins Auge fasst: die äusseren Geisseln derselben ragen bei den Weibchen bis an den Vorderrand der Schuppen der äusseren Antennen, bei den Männchen aber reichen sie weit (über die Hälfte ihrer eigenen Länge) über dieselben hinaus. Mysis oculata Fabr. 3 Exempl. Lorenzbai; nördl. von Akutanpass 70 Faden. Mysideis grandis Go&s. Carcinologiske Bidrag til Norges Fauna. Monogr. Mysider III. Heft pag. 106 Taf. 41. 42. 1 Männchen 15 mm. Nördl. von Akutanpass 70 Faden. Pseudomma truncatum. S. J. Smith. Transact. of the Connecticut Academy, Vol. V pag.99 Taf. XII Fig. 3. 4. 4 Exempl. Thysanopoda norvegica Sars (?) 2 Exempl. Beringsmeer N. W. v. St. Paul 35 Faden. Frankfurt a. M., Michaelis 1882. Fig. le a SO DSZEE 8. Erklärung der Abbildungen. Platycorystes Isenbeckiü Brandt. Carpus desselben. Cephalothorax eines Platycorystes spec. juv. Jüngere, Fig. 5 u. 6. ältere Megalopa von Platycorystes. Stirnrand einer Megalopa. Carpus einer Megalopa. 9 u. 10. Lithodes camtschatieus juv. 11—15. Rostra von Hippolyte polaris Ross. = = 3-5 2 = nz = S = Sn Se N > I IST =S u S Be ichters 2A nat. del, Lıch Anser- Werner & Winter Frankfere SD] Ueber Wachsthumsvorgänge an Embryonen von lacerta agilis. Von Dr. H. Strahl. Marburg. In dem Nachstehenden soll eine Uebersicht über eine Reihe von Entwicklungsvorgängen gegeben werden, welche man an Embryonen von lacerta agilis beobachtet zur Zeit der Anlage des canalis neurentericus. Es erscheint diese Entwicklungszeit für eine Vergleichung nicht zu weit auseinander liegender Entwicklungsstadien insofern besonders günstig, als einmal die in Betracht kommenden Vorgänge sich auf einem verhältnissmässig kleinen, in einer ungebogenen Fläche gelegenen Raum abspielen, und weil ausserdem in der oberen Eingangsöffnung zum canalis neurentericus ein Anhaltspunkt gegeben ist, der für die Beziehung von Lageverhältnissen der Keimscheiben verwendet werden kann. Dass man diese Stelle in genannter Weise verwerthen darf, da man an derselben eine Ortsveränderung zunächst nicht annehmen kann, wird durch die unten mitgetheilten Beobachtungen deutlich. Für die Art und Weise der Darstellung wurde eine von den üblichen etwas abweichende, bereits früher von His empfohlene, gewählt: es wurde versucht durch eine grössere Zahl von Serien, die vollständig abgebildet wurden, die Auseinandersetzungen zu unterstützen. Die sämmtlichen Ernbryonen, welche für diesen Zweck verwandt wurden, sind vorher bei gleicher (etwa 17 maliger) Vergrösserung nach erhärteten Objecten gezeichnet, wobei Ver- ziehungen die hier und da im Rande der Keimscheiben vorkommen oder Schiefheiten der ganzen Keimscheiben ausgeglichen wurden. Dann wurde ein bestimmtes Stück aus den Keimscheiben (etwa 1,4 mm vor und 1 mm hinter der oberen Eingangsöffnung zum canalis neurentericus) ausgeschnitten und dieses Stück bei allen Embryonen in Querschnittserien zerlegt, von welchen jeder Schnitt eine Dicke von 0,025 mm besitzt. Die Schnitte wurden hier absichtlich nicht dünner angefertigt, damit die Serien bei der Darstellung nicht aus gar zu vielen Schnitten Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 53 —...El) — beständen. Ausserdem wurde vor dem Einschmelzen der Keimscheibe, nachdem dieselbe durch- sichtig gemacht war, von jeder bei durchfallendem Licht eine Umrisszeichnung der Embryonal- ‚anlage allein angefertigt und diese den Serien beigefügt. Der Umstand, dass die ganzen Keimscheiben bei auffallendem, die Umrisszeichnungen bei durchfallendem Licht angefertigt wurden, erklärt einzelne kleine Abweichungen in den Contouren. Wenn man nun bei diesen Serien denjenigen Durchschnitt als Null bezeichnet, der die obere Eingangsöffnung zum canalis neurentericus enthält und von hier aus nach vor- und rückwärts die Durchschnitte nummerirt, so werden bei den sämmtlichen Serien die gleichen Nummern die Durchschnitte entsprechender Stellen der Keimscheibe bezeichnen. Für die Darstellung durch Abbildungen wurden nun von allen Serien 40 Durchschnitte nach vorn und 10 nach hinten von der oberen Eingangsöffnung zum canalis neurentericus gewählt. Da diese Durchschnitte vor dem Canal nun gerade einem Stück der Keimscheibe von 1 mm Länge entsprechen, so wurden an den den ganzen Figuren nachgebildeten Schematen diese Strecken eingetragen und in 8 Abtheilungen zerlegt, ebenso ein Maassstab für die nach hinten vom Canal gelegene auf den Durchschnitten abgebildete Partie zugefügt. Man kann also hier von 5 zu 5 Durchschnitten die Stelle controliren, von welcher die betreffenden Durchschnitte entnommen sind. Die Entwicklungsstadien, um welche es sich handelt, sind bisher genauer nur von Kupffer in seinen ausführlichen Untersuchungen über Reptilienentwicklung (Die Gastrulation an den meroblastischen Eiern der Wirbelthiere und die Bedeutung des Primitivstreifs. Arch. f. Anat. u. Phys. Anat. Abth. 1882 p. 1.), von Balfour und in einigen Abhandlungen von mir selbst berücksichtigt. ') Kupffer giebt an genannter Stelle eine Anzahl von Flächenbildern und Durchschnitten von welchen in den wesentlichen Punkten die meinigen nicht abweichen. Was die Ausbreitung des Mesoderm anlangt, so kommt er durch seine Untersuchungen zu dem Schluss, dass es, von dem Rande der Einstülpungsöffnung ausgehend, sich bald in drei am Ausgangspunkte unter einander zusammenhängende, peripherisch sich sondernde Abschnitte gliedert, die er als Axenplatte, Sichel und Bekleidung des eingestülpten Sackes unterscheidet. Er giebt auch an, dass die Zellenmasse des Mesoderm an dem Rande der Einstülpung mit dem Eetoderm und den Zellen, welche die Einstülpung auskleiden, zusammenhänge und dass dies Mesoderm hier eine compacte Zellschicht darstelle, während es nach vorn in ein lockeres Gewebe übergehe. — Eu — In meinen bereits veröffentlichten Untersuchungen aus gleicher Zeit hatte bezüglich der Anlage der Chorda festgestellt werden können, dass dieselbe in ihren verschiedenen Theilen nicht gleichmässig angelegt wurde. Es konnte unterschieden werden ein Theil, der sich unmittelbar aus der oberen Wand des canalis neurentericus aulegt und seitlich mit dem Mesoderm von Anfang an im Zusammenhang steht und ein Theil nach vorn von diesem, der sich nicht direct aus der Canalwand anlegt und seitlich im Zusammenhang mit dem Entoderm steht. Dagegen liess sich aus jenen Präparaten nicht nachweisen, wie die erwähnte Entoderm- verdickung entstanden war, ob mit oder ohne Zusammenhang mit dem nach hinten gelegenen Abschnitt der Chorda. Auf die weiteren hierher gehörigen Darstellungen will ich nicht eingehen, sondern gleich zur Schilderung der Präparate übergehen. Die Durchschnitte wurden sämmtlich bei etwa 45 facher Vergrösserung mit der camera entworfen. Eine stärkere Vergrösserung, die auch Einzelheiten mehr hervortreten liesse, hätte dem Zweck der Darstellung nicht entsprochen, Doch werden später noch einzelne der besonders wichtigen Präparate besonders abgebildet werden. I. Beschreibung der Objecte. Serie I. An der Keimscheibe (Fig. 1) unterscheidet man eine innere ovale Scheibe (e), die nach dem Vorgang von Kupffer Embryonalschild genannt werden soll. Der Embryonalschild ist nicht scharf an seinen Rändern abgesetzt, tritt in seinen vorderen Theilen auch etwas mehr hervor als in den hinteren. In letzterem liegt inmitten einer verdickten ebenfalls ovalen Stelle, die annähernd die Ausbreitung des Mesoderm?) im Flächenbilde angiebt, die obere Eingangsöffnung zum canalis neurentericus. Dieselbe besteht in einem zur Längsaxe des Embryonalschildes senkrecht gestellten Spalt, an den sich nach hinten ein Ausläufer anschliesst, so dass das Ganze T förmig erscheint. Der Embryonalschild ist umgeben von einem im Flächenbild nicht immer gleichmässig hervortretenden, bei auffallendem Licht dunkleren Hof (a), der nach aussen in einen helleren Hof (5) übergeht. Anmerkung. Die beiden Höfe a u. b sind in dieser und den folgenden Figuren im Interesse der Uebersicht der Figur deutlich hervorgehoben. An der von dem Dotter abgehobenen Keimscheibe tritt dieser Unterschied bei Weitem nieht mit gleicher Klarheit hervor, sondern sind die beiden Höfe nur bei einer genaueren Besichtigung unterscheidbar; in manchen Fällen sind dieselben jedoch durch eine im Flächenbilde als feiner Ring erscheinende Entodermverdickung von einander getrennt. Der hellere Hof (db) setzt sich dann nach aussen allmählich in den Keimwall (7) fort, (Einzelne Maasse von dieser und den folgenden Keimscheiben sollen nicht angegeben werden, sondern ergeben sich die Verhältnisse bereits aus den Beziehungen zu dem abge- grenzten Stück.) Durchschnitte. a. Nach vorn von der Eingangsöffnung zum canalis neurentericus. Anmerkung. Bei der Beschreibung dieser und aller folgenden Durchschnitte ist lediglich der Einfachheit der Darstellung halber für die Ectodermlage, soweit dieselbe aus hohen ceylindrischen Zellen besteht, der Ausdruck »Medullarplatte« gebraucht. Wie derselbe hier zu verstehen ist und was durch denselben zusammengefasst wird, ist weiter unten auseinander gesetzt. 0. Querschnitt durch die obere Canalöffnung. Eetodermlage nur an den Seiten abgegrenzt. In der Mitte geht eine obere dunklere dichtere Zellenlage ohne Grenze in die Mesodermlage — .413 — über. Entodermgrenze nur in der Mitte nicht sehr deutlich, doch seitwärts gleich — auch unter dem Mesoderm noch als Lage auf dem Durchschnitt platter Zellen kenntlich. Das Mesoderm ist auf einen um die Canalöffnung beschränkten Theil des Durchschnittes vorhanden, seitlich nicht. 1—4. Querschnitte durch den Canal auf drei Durchschnitten. Derselbe befindet sich innerhalb eines Mesodermwulstes, der nach unten eine Entodermgrenze besitzt, welche nur zuweilen an einzelnen Stellen minder deutlich scheint. Medullarplatte, nach unten erst auf 3 und 4 etwas schärfer abgegrenzt, geht auf allen Schnitten seitlich in eine Lage niedriger eubischer Zellen über. Stellenweise zeigt auch wohl die untere Canalwand eine etwas regel- mässigere Anordnung der Zellen, als sonst im allgemeinen der Mesodermklumpen. Auf Schnitt 4 zeigen die Zellen eine radiäre Streifung nach dem Centrum des Mesoderm hin. (Das seitliche Entoderm ist auf diesen und den folgenden Schnitten im Bereich der im Flächenbild dunklen Zone (a) einschichtig und liegt dem Ectoderm nicht überall unmittelbar an, während es im Bereich der helleren (5) dicker ist und dem Ectoderm anliegt.) 5. Das Mesoderm bildet einen gleichmässigen Zellenklumpen ohne Canal, der etwas niedriger ist, als auf den vorigen Schnitten. Ueber den Rändern desselben besitzt die Medullar- platte je eine leichte Verdickung. Die Entodermgrenze ist hier nicht sehr deutlich (in der Zeichnung daher unter dem Mesoderm nicht angegeben). Auch die untere Grenze der Medullar- platte kann in der Mitte als weniger deutlich bezeichnet werden wie seitwärts, doch ist die Platte als solche an der Beschaffenheit der Zellen erkennbar. 6—9. Während auf 6, 7, 8 der mittlere Mesodermstrang als solcher noch deutlich ist aber kleiner wird, werden auf 9 die Zellen in der Mitte, welche in der Fortsetzung des Mesoderm liegen, spärlich an Zahl. Auf 7 war an den Rändern des Mesoderm unter diesem und zwar besonders einerseits eine deutliche und abgegrenzte Entodermlage vorhanden, die sich nach der Mittellinie in eine dunkler gefärbte aber weniger abgegrenzte untere Zellenlage fort- setzte, so dass in der Figur eine Entodermlage überall angegeben wurde. Auf 8 liess sich dagegen eine solche Grenze nicht nachweisen, wenigstens nur andeutungsweise und wurde sie in der Figur fortgelassen. Bei 9 findet man nur eine in der Mitte durch Auflagerung kleiner Zellen verdickte Entodermlage. 10. Es tritt ein besonderer mittlerer Zellenstrang weniger durch die daselbst noch vor- handene leichte Verdickung (2—3 Zellen übereinander) als dadurch hervor, dass er der Medullar- platte fest anliegt, während seitwärts das Entoderm von derselben getrennt ist. Die ganze seitliche Zellenlage unter der Medullarplatte ist dünn, meist einschichtig. —n #4 7— 11—14. Es verlieren sich allmählich auch die kleineren Zellen in der Axe, und liegt die untere Zellenlage von 13 an in der Mittellinie der oberen nicht mehr an. Die ganze untere Zellenlage besteht gleichmässig in der Mitte und an den Seiten aus grösseren rundlichen sehr körnchenreichen Zellen. 15. Gleiches Bild. Die Entodermlage liegt in der Mitte, wie auch auf den vorigen 2 Schnitten der Medullarplatte nicht fest an, während auf den Seiten beide Lagen sich berühren. 16—19 bieten dasselbe Aussehen. Die Entodermlage ist auf 20 jetzt dicker geworden, so dass mehrere Zellenlagen über einander liegen. 31—24 zeigen eine weitere allmähliche Dickenzunahme der Entodermlage, welche auf 25 zwar noch nicht sehr bedeutend erscheint, dann aber von 26—29 schnell: zunimmt, so dass 30 eine dicke vielschichtige Entodermlage unter der Medullarplatte zeigt, die nach den Seiten in eine dünne Lage übergeht. 31—40 zeigen ein sehr Ähnliches Bild, das in den letzten Schnitten nur eine geringe Verminderung in der Höhe der Medullarplatte aufweist. b. Hinter dem canalis neurentericus. Die Schnitte nach hinten von der oberen Eingangsöffnung des Canales zeigen zunächst eine Fortsetzung der. oberen Zellenlage als dickere, kernreiche Schicht, doch ohne Grenze gegen das Mesoderm, ausser in dessen äusserstem Rande. Nach hinten verliert sich auch diese (0,5—0,10), so dass eine eigentliche obere Zellenlage sich an dem kleinzelligen Endwulst der hinteren Hälfte des Primitivstreifen nicht absetzt. Dagegen ist unter allen abgebildeten Schnitten eine dünne, aber fast durchgehends als solche deutlich erkennbare Entodermlage vorhanden. Der Endwulst ist ausser den abgebildeten Schnitten nach hinten verfolgbar noch auf etwa 11 Schnitten, mit dem Entoderm nicht zusammenhängend, während gegen das Ectoderm auch seitlich keine Grenze vorhanden ist. Dagegen liegen auf den letzten Schnitten einzelne Zellen frei zwischen Ectoderm und Entoderm. Serie II. Die Keimscheibe erscheint im ganzen kaum so gross, als die von Serie I. Die Fort- schritte in der Entwicklung gegen diese zeigen sich einmal in der Umgebung der oberen Canalöffnung. Der Mesodermklumpen, der dieselbe umgiebt, hat sich nach allen Seiten aus- gebreitet. Nach vorn zieht sich derselbe gleichsam in eine Spitze aus, welche sich in einer etwa halbmondförmigen verdickten Stelle der Keimscheibe verliert; diese entspricht dem vorderen — 45 — Abschnitt des Embryonalschildes der Keimscheibe I, in dessen Bezirk sich das stark verdickte Entodermlager vorfindet. Während der vordere spitze Mesodermfortsatz seitlich ziemlich scharf abgegrenzt ist, ver- liert sich nach hinten und nach den Seiten neben der Canalöffnung das Mesoderm allmählich in der Fläche. Doch ergiebt ein Vergleich mit I, dass es viel ausgebreiteter ist als hier. Die obere Eingangsöffnung zum canalis neurentericus, von welcher als Centrum ausgehend das Mesoderm sich peripher ausbreitet, ist in dieser Keimscheibe ganz ausserordentlich breit. Doch scheint dies keineswegs eine besondere Eigenthümlichkeit der vorliegenden Keimscheibe zu sein, sondern findet sich derselbe Umstand bei Keimscheiben gleichen Alters nicht selten. Die Höfe um die Embryonalanlage sind dieselben wie bei I: ein dunkler (a), ein hellerer (b), der dann in den Keimwall (%) übergeht. Durehsehnitte, a. Vor dem canalis neurentericus. 0. Obere Canalöffnung, dem Flächenbild entsprechend, sehr breit. Nur an den Rändern eine abgegrenzte Ectodermlage, keine so scharfe Entodermabgrenzung, als an gleicher Stelle bei I, doch möchte man eine solche nach I wohl annehmen. In der Figur ist dieselbe nicht angegeben. Neben dem Canal auch keine so ausgeprägte Medullarplatte. 1—4. Querschnitte durch den Canal. Auf 1 ist der Mesodermklumpen, innerhalb dessen das Lumen des Canals liegt, dicker als bei I. Ueber demselben keine abgegrenzte Medullarplatte. An der Eetodermfläche den Rändern des Mesoderm entsprechend je eine flache Grube. 2,3, 4 ähnlich, doch überall abgegrenzte Medullarplatte. Nirgends eine scharfe Entodermgrenze, nur auf 2eine Andeutung. 5. Das Mesoderm, das den Canal umgiebt, wird kleiner, ebenso das Lumen des Canals. 6—9. Die Verdünnung des Mesoderm setzt sich fort. Alle vier Durchschnitte enthalten noch das Lumen des canalis neurentericus. Bei 6, auch schon bei 5 besitzt die obere Canal- wand gegen das Lumen eine leichte Convexität. Einzelne Schnitte machen eher den Eindruck, als wenn das Entoderm sich in der Gegend des oberen Randes des Mesodermklumpen, also an der oberen Canalwand verlöre, als dass es unter dem Schnitt herzöge. 10. Letzter Querschnitt, auf dem ein Canallumen noch vorhanden. 11—14. Solider, allmählich nach vorn dünner werdender Mesodermfortsatz, der beiderseits gleichsam in das Entoderm eingeschaltet erscheint, da sich unter demselben eine besondere Entodermlage nicht abgrenzt. Die beiden Furchen auf der Ectodermfläche werden je weiter nach vorn, desto niedriger und finden sich auf 14 üherhaupt nicht mehr vor. — 46 — 15. Als Fortsetzung des mittleren Mesodermstranges findet man noch kleinere Zellen in oder auf das Entoderm aufgelagert, die in 16—19 immer undeutlicher werden; doch liegen auf 16—18 die Medullarplatte und der mediale Zellenstrang unter ihr einander an, während an den Seiten von letzterem die untere und obere Zellenlage einander nicht berühren. Indem zugleich das Entoderm dicker erscheint, als weiter hinten, stellt sich auf 20 ein Bild heraus, das unter einer dicken breiten Medullarplatte eine mehrschichtige Entodermlage zeigt. Die Medullarplatte setzt sich nach aussen in kleinere cubische Zellen fort und liegt hier das Ectoderm dem Entoderm unmittelbar an. In der Mitte findet sich zwischen beiden ein mehr oder minder ausgedehnter Zwischenraum. 31—-40 bieten im .allgemeinen ein dem beschriebenen sehr ähnliches Bild. Die Entoderm- lage wird im weiteren Verlauf nur dicker, mehrschichtiger, die Ectodermlage auf den vordersten Schnitten niedriger. Der Zwischenraum zwischen beiden liegt auf den meisten Durchschnitten nicht in der Mitte, sondern etwas seitlich verschoben, ein Umstand, der wohl auf die Behandlung der Keim- scheibe zu beziehen ist. b. Hinter dem canalis neurentericus. Von den hinter der oberen Canalöffnung gelegenen Durchschnitten zeigt 0,1 noch eine breite mittlere Einsenkung am oberen Rande, als Fortsetzung der oberen Canalöffnung. 0,2 lässt diese nicht mehr erkennen, sondern an dieser Stelle eine zu den Seiten von zwei kurzen Einbuchtungen eingefasste Erhabenheit. Von diesen Einbuchtungen setzt sich besonders die eine noch auf einer ganzen Reihe von Schnitten nach hinten fort und findet man unter und neben ihr auch zunächst eine Ectoderm- grenze, die aber nach der Mittellinie zu sich verliert. Während die kleinen Zellen des Endwulstes sich auf der einen Seite unter der Einbuchtung bald verlieren, setzen sie sich nach der anderen ohne abgegrenzte obere Zellenlage weiter seitlich fort. Auf den Schnitten 0,5 u. s. f. findet sich eine dunkler gefärbte obere Zellenlage, die aber nach unten eine Grenze nicht besitzt. Das Entoderm ist auf 0,1—0,3 zunächst seitlich, dann auch in der Mitte als solches er- kennbar. Am hinteren Randn des Endwulstes liegen auch freie Mesodermzellen zwischen Ectoderm und Entoderm. Der Endwulst ist nach hinten verfolgbar auf etwa 12 Schnitten hinter dem Canal, die spärlichen freien Zellen noch etwas weiter. — 4117 — Serie III. Die Keimscheibe, nach welcher die Zeichnung angefertigt ist, liess erwarten, dass man in den Präparaten einen Uebergang von den in I und II abgebildeten Objeeten zu den in IV und besonders V abgebildeten Stadien finden würde. Ein solches Uebergangsstadium fehlte bisher und haben die Durchschnitte durch das vorliegende Präparat ergeben, dass allerdings wohl ein solches vorliegt, wenn auch einzelne Entwicklungszustände sich als weiter vorgeschritten er- wiesen, als man nach dem Flächenbilde erwarten durfte. Man gewahrte nämlich an der Keimscheibe nichts von einer vorderen halbmondförmigen, dickeren Partie des Embryonalschildes, wie sich dieselbe in Serie II vorfand. Es liess sich an derselben nur ein einziger rundlicher, bei durchfallendem Lichte dunklerer, also dickerer Schild (e) unterscheiden, der sich wieder in ein dickeres, centrales Feld und in eine dünnere periphere Partie gliederte. Derselbe umgab die ungefähr in seiner Mitte liegende obere Eingangsöffnung zum canalis neurentericus. Von einer Rückenfurche war durchaus nichts wahrzunehmen. Die ganze Keimscheibe war etwas grösser als die beiden früheren, die Höfe, wie bisher ein innerer dunklerer (a) und ein äusserer hellerer (6), demgemäss ebenfalls ausgedehnter bis auf den Keimwall, an dem eine Veränderung nicht bemerkbar erschien. Durehsehnitte. a. Nach vorn vom canalis neurentericus. 0. Schnitt durch die obere Eingangsöffnung des Canals. Dieselbe ist nicht so breit als bei II, dagegen die untere Wand derselben dicker. Der Mesoderm breitet sich, schnell schmäler werdend, seitwärts als abgegrenzte Lage zwischen Eetoderm und Entoderm noch eine Strecke weit aus, nach links als zusammenhängende Lage, nach rechts mehr als einzelne Zellen. Rechts und links neben der Canalöffnung findet sich eine Medullarplatte, die an gleicher Stelle, an der das Mesoderm dünner wird, in kleine Zellen übergeht. Unter dem ganzen Durchschnitt eine überall scharf abgegrenzte Lage von niedrigem, einschichtigen Entoderm. 1—4. Durchschnitte durch den Canal. Auf 1 besitzt die Medullarplatte nach unten keine scharfe Grenze in der Medianlinie; auf 2 ist eine überall abgegrenzte Medullarplatte vorhanden. Während unter 1 das Entoderm noch als gleichmässige Zellenlage herzog, beginnt sich bei 2 in der Mitte nach unten von der unteren Canalwand die Zellenlage dadurch zu verändern, dass die Kerne weniger dicht angeordnet sind. Auf 3 ist die Entodermlage unterbrochen und unter dem Canal eine Einziehung von unten her vorhanden und auf 4 findet sich bereits eine untere Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 54 — A], — Canalwand nicht mehr vor. Eine tiefe Rinne bildet die untere Ausmündungsstelle. Das Entoderm reicht von unten her nicht in dieselbe hinein, ist aber neben ihr, und von da aus überall nach aussen abgegrenzt. Die obere Canalwand springt in der Mitte etwas vor. Ausser- dem hat sich das Mesoderm anscheinend in 3 von einander unabhängige Abtheilungen getrennt. Während es auf den vorigen Schnitten wenigstens einerseits als dünne Lage sich von dem dicken mittleren Wulst nach den Seiten erstreckt, findet sich jetzt etwa an derjenigen Stelle, an welcher die Meduilarplatte seitlich in die niedrigen Zellen übergeht, das mediale Mesoderm abgebrochen, während weiter nach aussen beiderseits noch Zellen zwischen Ectoderm und Entoderm gelegen sind. 5. Die beiden Seitenwände der unteren Canalmündung weichen schräger nach aussen ab. Das Entoderm ist, je weiter nach der Medianlinie, desto weniger deutlich abgegrenzt. 6—9 zeigen ein sehr schnelles Kleinerwerden des medialen Mesodermstranges.. Während 6 noch grosse Aehnlichkeit mit 5 hat, findet sich auf 7 ein viel kleinerer Strang von Mesoderm, der nach unten noch eine flache Rinne bildet und an dessen beiden Aussenwänden eine Entoderm- lage vorhanden ist, die in der Mitte fehlt. Auf diesem Schnitt finden sich an der Eetoderm- seite wieder je eine flache Einsenkung oberhalb des jederseitigen Mesodermrandes. Auf 8 und 9 wird der Mesodermstrang noch etwas schmäler. 10. Aehnlicher Schnitt wie die vorigen. Am unteren Rande des Mesoderm beginnt sich die Grenzlage der Zellen deutlich hervorzuheben, so dass man den Eindruck empfängt, als ob eine besondere Entodermlage vorhanden wäre, 11—14 zeigen dies noch deutlicher. In der untersten Zellenlage stehen die Kerne dichter, so dass man den Eindruck einer zusammenhängenden Entodermlage empfängt, mit der die Zellen des Mesoderm sehr eng verbunden sind. Auf diesen Schnitten verlieren sich die Ecto- dermfurchen wieder, ebenso hören beiderseits die Mesodermzellen, welche etwa am Rande der Medullarplatte frei zwischen Ecetoderm und Entoderm gelegen haben, auf. 15 lässt in der Mittellinie weniger Mesodermzellen erkennen (auf dieser und den vorher- gehenden 4 Figuren ist in der Zeichnung die Entodermlage gegen das Mesoderm nicht ab- gegrenzt, sondern nur durch einen unteren Rand dichter gestellter Punkte markirt, um so den Eindruck der Schnitte möglichst wiederzugeben). 16—19. Auf diesen Schnitten werden dieselben erst weniger, dann als solche gar nicht mehr erkennbar, so dass 20 nur noch aus Ectoderm und Entoderm zu bestehen scheint, doch ist das Entoderm in der Mittellinie nicht aus so groben, körnchenreichen Zellen gebildet, wie N seitlich, sondern gleichen seine Zellen noch den kleineren Mesodermzellen und werden erst auf den folgenden Schnitten aueh in der Mittellinie grösser. 31-- 40 zeigen dasselbe. Die Entodermlage wird auf denselben nur nicht so dick wie an gleicher Stelle bei I und II. Ausserdem verschmälert und verdünnt sich die Medullarplatte nach vorn ganz allmählich, um in dieselben kleinen Zellen überzugehen, die wir seitwärts von ihr vorfinden. Von 33, 34, 35 an ist von derselben nichts mehr wahrzunehmen. Zugleich mit diesem Vorgang verschmälert sich der Hohlraum zwischen Eetoderm und Entoderm, so dass derselbe endlich fast ganz fehlt. b. Hinter der oberen Canalöffnung. Der Schnitt hinter der oberen Canalöffnung lässt die Medullarplatte beiderseits noch erkennen; dieselbe umgiebt, durch je eine kleine Vertiefung medianwärts begrenzt, einen mittleren Zellenstrang, der aus denselben kleinen Zellen besteht, wie das Mesoderm und nach unten keine Grenze besitzt. Das Mesoderm unter der Medullarplatte setzt sich links in eine zu- sammenhängende Lage, rechts mehr in lockere Zellen fort. Die nach hinten folgenden Schnitte zeigen dann eine obere Lage von Zellen mit dicht- gestellten, kleineren und dunkler gefärbten Kernen, die in der Mitte nach unten nicht abgegrenzt ist. Seitlich dagegen ist eine niedrige Ectodermlage getrennt von einer ebensolchen Mesodermlage. Die Mesodermlage im allgemeinen wird nach hinten niedriger und schliesslich grenzt sich die obere dichtere Zellenlage auch gegen dieselbe ab, so dass man dann 3 getrennte Keimblätter vorfindet. Das Mesoderm reicht bis 21 Schnitte hinter den Canal. Das Entoderm ist überall als getrennte Lage vorhanden, hinten dicker und mehrschichtiger als weiter vorn. Serie IV. An der Keimscheibe tritt die Embryonalanlage deutlicher hervor, da die ganze Keimscheibe jetzt verhältnissmässig dünner ist, als früher. In der Abbildung ist der dunkle Hof (a) der früheren Keimscheiben vollständig angegeben, von dem helleren ihn umgebenden nur ein kleiner Saum. An der Embryonalanlage unterscheidet man einen die obere Eingangsöffnung des canalis neurentericus umgebenden Wulst; von diesem setzt sich nach den Seiten und nach hinten eine ovale oder rundliche Platte (g) fort, welche bei durchfallendem Licht dünner als der genannte Wulst aber dicker als die Keimscheibe weiter aussen erscheint. Dieselbe zeigt die Ausbreitung des Mesoderm nach hinten und den Seiten in der Fläche an. (Dieselbe Anlage kehrt in den = mu späteren Stadien stets wieder, ist aber nicht in allen Fällen auf der unversehrten Keimscheibe gleich deutlich sondern verläuft in vielen nach aussen sehr allmählich und ohne scharfe Grenze. Es ist die ganze Platte der Gefässhof in erster Anlage.) Der Zellenwulst um die obere Canalöffnung ist nach vorn von dieser in der Medianlinie leicht eingebuchtet; sein vorderer Rand entspricht derjenigen Stelle, an welcher sich auf der Entodermseite die untere Ausmündungsstelle des Canals befindet. Aus der Einbuchtung des Wulstes setzt sich nach vorn ein schmaler Strang fort, der seitlich ziemlich scharf begrenzt ist und nach vorn ohne scharfe Grenze in eine halbmondförmige Platte (s) verläuft, welche die vordere Grenze der Embryonalanlage bildet. Durchschnitte. a. Vor dem ’canalis neurentericus. 0. obere Eingangsöffnung zum Canal, zu beiden Seiten Medullarplatte, unterer Rand wird von einer abgegrenzten Entodermlage gebildet. Diese ist auf der einen Seite etwas nach unten verschoben und liegt hier das Mesoderm, doch als getrennte Schicht, ihm mehr an als dem Ectoderm. Diese Anordnung und Lage des Mesoderm die sich auch besonders an den Schnitten hinter dem Canal wiederholt, ist wohl Folge der Behandlung. Die Mesodermzellen liegen auch sehr locker nebeneinander. 1—4. Querschnitte durch den Canal. In der unteren Wand desselben schwindet, je weiter nach vorn desto mehr, die Entodermgrenze, in der oberen tritt wenigstens andeutungsweise als verdichtete Stelle die Anlage der Chorda hervor; nach den Seiten verliert sich dieselbe ohne Grenze im Mesoderm. Dieses selbst ist ringförmig um den Canal dichter angeordnet als seitwärts. Nach aussen geht es als Lage locker mit einander verbundener Zellen weiter. r 5 verhält sich im allgemeinen ähnlich, 6—9 zeigen die Eröffnung des Canales und dessen untere Ausmündungsstelle. Während auf 6 noch das querdurchschnittene Lumen des geschlossenen Canals vorhanden ist, findet sich auf 7 eine Lücke in der unteren Canalwand. Auf 8 liegen weit aussen und von dem medialen Mesodermstrang getrennt rechts und links freie Mesodermzellen zwischen Ectoderm und Entoderm; auf 9 tritt eine sehr rasche Abnahme des lockeren Mesoderm neben der Chorda-Anlage ein, die Chorda-Anlage ist breit und nähert sich dem Entoderm, so dass 9 den Eindruck macht, als ob dieselbe mit diesem im Zusammenhange stünde; das spärliche seitliche Mesoderm ist ebenfalls von ihr nicht zu trennen. —.. 421: — 10. Das seitliche Mesoderm unmittelbar neben der Chorda-Anlage fehlt fast ganz, so dass das mittlere dem auch hier noch eine Entodermgrenze fehlt, jetzt als Einschaltung im Entoderm erscheint. Es ist nach unten leicht concav, wie sonst die obere Canalwand, der es entspricht. 11—14. Der mediale Zellenstrang erscheint noch kleiner und ganz in das Entoderm eingefügt, von dem er nicht zu trennen ist; auf 11 ist er am unteren Rande leicht concav, dann nicht mehr. 15 bietet noch ein gleiches Bild, 16—19 zeigen dann «das allmähliche Auslaufen des mittleren Stranges im Epntoderm; während dies bis dahin neben ihm sehr dünn war, wird es jetzt dicker, so dass der Strang weniger hervortritt. Während auf 20 in der Mittellinie noch kleinere Zellen wahrnehmbar sind, verlieren dieselben sich auf 21, 22, 23, so dass 34—40 nur noch eine mässig dicke Entodermlage zeigen. Die Medullarplatte beginnt bei 27 sich schnell zu verschmälern, so dass bei 32 sich von derselben nichts mehr vorfindet. b. Hinter dem canalis neurentericus, Die Durchschnitte unmittelbar hinter dem Canal zeigen eine centrale Partie des End- wulstes, die aus dichter gestellten Zellen besteht; an diese schliesst sich oben ein dunkler ge- färbter Rand an, während nach den Seiten von ihr Mesodermzellen in ziemlich lockerer An- ordnung abgehen, die gegen das Ectoderm und Entoderm abgegrenzt sind und von denen die der einen Seite sich mehr dem Ectoderm, die der anderen sich dem Entoderm anlegen. Der mittlere Strang lässt sich noch auf etwa 3 Schnitten nach hinten verfolgen, während von da aus das Mesoderm mehr aus frei zwischen Ectoderm und Entoderm gelagerten lockeren Zellen besteht, die nur in der Mittellinie sich dem Ectoderm so eng anlagern, dass man eine Grenze nicht bemerkt. Das Entoderm ist überall als solches erkennbar, nur auf 0,4 stellenweise in der Mitte gegen das Mesoderm nicht scharf abgegrenzt. Ueberhaupt setzt sich das Entoderm weniger durch ein Grenze, als durch die Beschaffenheit seiner Zellen gegen das Mesoderm ab. Als solches erkennbar, und zwar später sowohl gegen Ectodern als Entoderm abgegrenzt, findet sich das Mesoderm auf 25 Schnitten hinter dem Canal, einzelne Zellen vielleicht noch etwas weiter. Serie V. Die Embryonalanlage und der Gefässhof hinter ihr treten an der unversehrten Keimscheibe deutlich hervor. Die obere Eingangsöffnung des canalis neurentericus ist nicht sehr gross, nach hinten — 422 — winklig abgeknickt. Nach vorn von derselben liegen 2 breite Rückenwülste (r), die eine kurze Rückenfurche einschliessen. Letztere reicht nach hinten nicht bis zur Canalöffnung, sondern wird von dieser durch eine Brücke getrennt. Nach den Seiten und hinten verlaufen die Platten im Gefässhof. Den Abschluss nach vorn bildet eine breite halbmondförmige Scheibe (s), gegen welche die Rückenwülste in zwei schräg von innen hinten nach vorn aussen verlaufende Linien enden. Der Gefässhof (g) und die beiden Höfe (a und 5) verhalten sich wie bei Serie IV. Anmerkung. Der Ausdruck »Sichele ist absichtlich bei der Darstellung überhaupt vermieden, um nicht Irrthümer in der Auffassung hervorzurufen, da der gleiche Ausdruck von den Autoren bislang wohl nicht immer im gleichen Sinne gebraucht ist. Durchsehnitte. a. Vor dem canalis neurentericus. 0. Obere Eingangsöffnung zum Canal, zu beiden Seiten von Medullarplatte eingefasst, unter welcher sich eine etwas dickere Mesodermlage befindet, als weiter nach aussen. In der Mittellinie, von der Medullarplatte durch je eine Einsenkung getrennt, liegt ein Haufen kleiner Zellen, der nach unten continuirlich in das Mesoderm übergeht. Unter dem ganzen Schnitt eine überall scharf abgegrenzte Entodermlage. 1—4. Querschnitte durch den Canal. Auf 1 hat die Medullarplatte in der Mitte keine untere Abgrenzung; von 2 an ist, diese vorhanden. Hier setzt sich in der oberen Wand des Canales die Chorda-Anlage als eine verdichtete Stelle innerhalb des Mesoderm ab; dieselbe beginnt auch die Andeutung einer senkrechten Streifung zu zeigen (in der Figur nicht angegeben) besitzt nach den Seiten noch nirgends eine Abgrenzung. Unter 3 und 4 wird in der Mitte die Entodermgrenze undeutlicher; auch in der unteren Canalwand sind die Zellen immer regel- mässiger angeordnet, als sonst im Mesoderm. 5 enthält die untere Ausmündungsstelle des Canales, neben der beiderseits keine scharfe Entodermgrenze vorhanden ist, 6—9 zeigen eine unten entodermfreie Chorda, die nach den Seiten in das Mesoderm ohne Grenze übergeht; auf 8 und 9 (auch auf weiter folgenden Schnitten) hängt das Entoderm neben der Chorda-Anlage nach oben ebenfalls mit dem Mesoderm ohne Grenze zusammen, wenn an dieser Stelle überhaupt eine Entodermlage vorhanden ist. Eine leichte Andeutung der Rücken- furche wird sichtbar. Die Medullarplatte hat in der Mitte eine leicht verdünnte Stelle. 10. Deutliche breite Rückenfurche. Die Chorda-Anlage erscheint grösser, als auf den vorigen Schnitten und mehr halbmondförmig. 11—14 lassen dies noch deutlicher erkennen. Zugleich tritt, je weiter nach vorn desto deutlicher, ein Zusammenhang des Entoderm mit der Chorda ein. Die seitlichen Mesoderm- platten werden niedriger, die Rückenfurche wird wieder schmaler und flacher. 15. Die Chorda-Anlage ist breit und es lockert sich auch die Verbindung mit dem Meso- derm auf der einen Seite. 16—19 Schnelles Aufhören des seitlichen Mesoderm. Auf 16 stehen die beiden Mesoderm- platten mit der Chorda-Anlage nicht mehr deutlich im Zusammenhang, es erscheint letztere als in das Entoderm eingeschaltet ; auf 17 finden sich auf der einen Seite nur noch einzelne Mesodermzellen vor; auf 18 fehlt das Mesoderm auf der einen Seite ganz; auf 19 finden sich auch auf der anderen nur noch einzelne wenige Zellen. Die Chorda-Anlage verbreitet sich dabei zusehends, während die Rückenfurche ganz verstrichen ist. 20. Das freie seitliche Mesoderm fehlt ganz. Unter einer breiten, in der Mitte leicht vorgewölbten Medullarplatte liegt eine dieser an Breite nicht ganz gleichkommende Lage kleiner dichtgestellter rundlicher Zellen, an denen eine Abgrenzung von Entoderm und Mesoderm nicht möglich. 21—30 zeigen dieselbe Lage von Zellen; die Kerne stehen ebenso dicht als weiter hinten. Die Medullarplatte wird dünner. 31—40. Dieselbe schwindet dann als solche ganz, geht in eine Lage niedriger cubischer Zellen über. In der unteren Zellenlage werden die kleinen rundlichen Zellen nicht mehr er- kennbar, sondern besteht dieselbe nur noch aus grösseren körnchenreichen Entodermzellen. Noch auf 40 ist an den Präparaten in der Eetodermlage die Mittellinie durch dichter gestellte Kerne gegen die Seitentheile hervorgehoben, trotzdem beide Stellen gleichmässig niedrig erscheinen, doch ist dies Verhalten in der Figur nicht wiederzugeben. b. Hinter dem canalis neurentericus. Sämmtliche Schnitte hinter dem Canal zeigen eine Entodermlage, die nach hinten sich etwas verdickt. Die Schnitte 0,1—0,3 lassen die Medullarplatte erkennen, die von den beiden Seiten her sich verdickt, aber nicht bis zur Mittellinie reicht. Hier schliesst sie zwischen sich einen nach hinten niedriger werdenden Zapfen kleiner polygonaler Zellen, der ohne Grenze nach unten in das Mesoderm übergeht. Die Medullarplatte geht nach hinten in niedrige eubische Zellen über, gegen welche das m Mesoderm seitwärts abgegrenzt ist, während in der Mitte eine Grenze desselben gegen die obere dichtere Reihe von Zellen nicht sichtbar ist. Etwas weiter nach hinten ist eine solche vorhanden, so dass dann das Mesoderın, das auf 28 Schnitten hinter dem Canal sich findet, frei zwischen Eetoderm und Entoderm liegt. Serie VI. An der ganzen Keimscheibe tritt die Embryonalanlage deutlich hervor; die Ausdehnung des Gefässhofes war durch anhaftenden Dotter undeutlich und wurde in der Figur nach einem anderen Embryo eingetragen. Zwei breite Rückenwulste (r) umgeben eine jetzt ziemlich lange Rückenfurche. Diese reicht nach hinten nicht bis zu der oberen Eingangsöffnung des Canales. Die Rückenwülste enden nach vorn in schräge, einen nach vorn offenen Winkel bildende Linien und ragt nach vorn unter denselben eine schmale Scheibe (s) noch hervor. Die obere Canalöffnung ist nicht winklig geknickt sondern zeigt nur leicht bebogene Ecken. Die Bezeichnung des Gefässhofes (g) und der Höfe (a und b) in der Keimscheibe entsprechen denen der früheren Serien. Durechsehnitte. a. Von dem canalis neurentericus. 0. Ober Eingangsöffnung zum Canal. Beiderseits von derselben abgegrenzte Medullar- platte. Vollständiger Entodermüberzug. 1—4 Schnitte durch den Canal. Auf 1 noch abgegrenztes Entoderm, während in der Mitte die Medullarplatte noch keine untere Grenze zeig. Von 2 an ist diese vorhanden, während die Entodermgrenze in der Mitte undeutlich wird. Die Chorda-Anlage in der oberen Canalwand ist als Verdichtung der Zellen deutlich, gegen das seitliche Mesoderm nicht abgegrenzt. 4 enthält die untere Ausmündungsstelle des Canals. 5 zeigt eine flache Rückenfurche mit in der Mitte dünnerer Medullarplatte als an den Seiten. Die untere Canalöffnung erscheint noch als flache Furche; zu beiden Seiten derselben keine scharfe Entodermgrenze. 6—-9 Die untere Fläche der Durchschnitte enthält in der Mitte keine Furche mehr. Das Entoderm reicht auf 9 beiderseits von unten bis an die Chorda-Anlage heran. 10 zeigt ein dem vorigen sehr ähnliches Bild. 11—14 lassen die vorerst noch schwache in 14 aber deutliche Verbreitung der Chorda- Anlage erkennen, deren Verbindung mit dem Entoderm auf — 425 — 15 schon deutlicher wird. 16—19 enthalten das vordere Ende der Rückenfurche. Die Chorda-Anlage wird auf diesen Schnitten schnell breiter und, indem je weiter nach vorn desto weniger Verbindung der- selben mit dem seitlichen Mesoderm vorhanden ist, erscheint sie auf 19 und mehr noch auf 20 als in das Entoderm eingeschaltet, da ein jeder seitlicher Zusammenhang mit dem Mesoderm fehlt. 21—24. Indem sich die Chorda-Anlage stark verbreitert, rücken die medialen Enden der beiden seitlichen Mesodermplatten immer weiter auseinander. 25 zeigt das Mesoderm nur noch an der einen Seite als freie Platte. 26—29 enthalten auf der einen Seite noch Mesoderm bis 28. 30 lässt den vorderen Ausläufer der Medullarplatte erkennen. 31—40 enthalten nur eine niedrige Ectodermlage und unter dieser Entoderm, das aus grossen, körnchenreichen Zellen besteht. b. Hinter dem canalis neurentericus. Die Schnitte hinter dem Canal zeigen abgesehen von der Mittellinie bis 0,4 etwa das Auslaufen der Medullarplatte nach hinten; in der Mittellinie gehen die Zellen der obersten Lage ohne Grenze in die des Mesoderm über, doch findet sich kein Fortsatz wie bei V an gleicher Stelle. Das Entoderm ist überall abgegrenzt und wird nach hinten dicker. Das Mesoderm, weiter hinten überall abgegrenzt, findet sich auf 29—30 Schnitten hinter dem Canal. Serie VII. Embryo mit eben eingesenkter Kopfscheide. Die Rückenwulste (r) umgeben als in der Mitte schmale nach vorn sich verbreiternde Leisten eine fast die ganze Länge der Embryonalanlage durchziehende Rückenfurche. Diese wird nach hinten flacher und reicht nicht bis an die obere Eingangsöffnung des Canals heran. Letztere ist klein, bildet einen nach hinten offenen Bogen. Sie ist umgeben von einem verdickten Rand. Urwirbel waren weder bei auffallendem, noch an der durchsichtig ge- machten Keimscheibe bei durchfallendem Lichte wahrnehmbar. Der Gefässhof (g) trat im Flächenbilde ganz ausserordentlich deutlich hervor; derselbe umgiebt hinten und an den Seiten die Embryonalanlage völlig, fehlt aber nach vorn vor dem ganzen Bereich der Kopfscheide. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 55 — 426 — Durchsehnitte. a. Vor dem canalis neurentericus. 0. Obere Eingangsöffnung zum Canal. Beiderseits von derselben eine deutliche, aber nicht weit nach den Seiten reichende Medullarplatte. Abgegrenztes Entoderm; an dem Mesoderm unterscheidet man einen unmittelbar um den Canal gelegenen aus dichter gestellten und einen diesen umgebenden von weiter angeordneten Zellen gebildeten Theil. 1-4. Durchschnitte durch den Canal. Auf 1 ist die dichtere Mesodermlage noch zu unterscheiden, auch auf 2 noch, während von 3 an dieselbe weniger hervortritt; dagegen wird in der oberen Canalwand die Chorda-Anlage erkennbar. Die Entodermgrenze in der Mittel- linie wird nach vorn undeutlicher, die Medullarplatte ist sehr schmal, das Lumen des Canales rundlich und verhältnissmässig sehr wenig ausgedehnt. 5, Untere Ausmündungsstelle des Canals. Tiefe Einbuchtung am unteren Rande, bis in welche die Entodermgrenze von links hineinreicht, während sie von rechts in einem Zell- klumpen endet. 6—9. Keine Nische auf der Entodermseite mehr. Schmale Medullarplatte. Die Chorda- Anlage ist beiderseits mit dem Mesoderm ohne Grenze verbunden. Das Entoderm reicht bis an den äusseren Rand derselben, die Mitte ist entodermfrei. 10. Zeigt die Rückenfurche, von der schon auf den beiden vorigen Schnitten eine An- deutung vorhanden war. 11-—14. Rückenfurche wird etwas tiefer; das Entoderm hört beiderseits nicht neben der Chorda-Anlage auf, sondern reicht unter diese herunter, ohne jedoch in der Mitte zu- sammen zu treffen. Einzelne Durchschnitte machen fast den Eindruck, als ob die Chorda- Anlage, die sich auch stellenweise sehr wenig von dem anliegenden Mesoderm unterscheidet, mit dem Entoderm verschmolzen wäre, so dicht legt sich dieses an. 15. Das Entoderm tritt in noch näheren Zusammenhang mit der Chorda-Anlage. 16—19. Derselbe wird auf 16 fester, auf 17 beginnt ein Spalt zwischen der Chorda und dem seitlichen Mesoderm sichtbar zu werden, während die Vereinigung mit dem Entoderm deutlicher wird. Auf 18 und 19 erscheint die Chorda dann völlig als in das Entoderm ein- geschaltet und ohne seitlichen Zusammenhang mit dem Mesoderm. 20—24 zeigen nur eine Verbreiterung der Medullarplatte, sonst keine Veränderung. Nur kommen zuweilen Schnitte vor, an denen das Mesoderm sich seitlich der Chorda-Anlage wieder anlegt, wie mit ihr verbunden ist. — an 25—29. Es treten die ersten Andeutungen der seitlichen Falten auf, welche die äussersten Enden der Kopfscheide bilden. Die Chorda-Anlage, in das Entoderm eingeschaltet, ver- breitert sich. 30—34. Allmähliches Aufhören des seitlichen, frei zwischen Eetoderm und Entoderm gelagerten Mesoderm. Auf 30 ist auf der einen Seite eine Unterbrechung im Mesoderm an der Falte der Kopfscheide vorhanden, ebenso auf 31, auf 32 ist dies beiderseits der Fall und der periphere Mesodermtheil linkerseits so weit nach aussen gerückt, dass er in der Figur nicht mehr Platz hat. Auf 33 ist auf der einen Seite weder am Embryonalkörper noch seit- wärts Mesoderm mehr wahrnehmbar, auf 34 am Embryonalkörper überhaupt nicht mehr, sondern nur einerseits im Gefässhof noch. Eine Medullarfurche ist nicht mehr vorhanden. Die Chorda-Anlage verbreitert sich fast zur gleichen Ausdehnung wie die Medullarplatte innerhalb der beiden seitlichen Falten. 35—40. Durchschnitte durch das letzte nach unten abgebogene Ende der Embryonal- anlage; von 36 an keine Medullarplatte mehr als solche erkennbar. b. Hinter dem canalis neurentericus. Der Schnitt hinter der oberen Canalöffnung zeigt an seinem oberen Rande eine kurze doppelte Einziehung und jederseits nach aussen von dieser als Fortsetzung der Medullarplatte eine obere dichtere Zellenlage, die aber keine scharfe Grenze gegen das Mesoderm besitzt; eine solche tritt erst weiter nach aussen ein; im Endwulst erkennt man eine mittlere aus dichter gestellten Zellen gebildete Abtheilung, die sich von einer äusseren lockeren absetzt. Die Andeutung der Medullarplatte verliert sich auf den nächsten 2 Schnitten, von 0,5 an ist eine gegen das Mesoderm abgegrenzte niedrige Ectodermlage vorhanden. Das Entoderm ist überall abgegrenzt. Das Mesoderm reicht dann nach hinten bis zum 26. bis 27. Schnitt hinter der oberen Canalöffnung, Nachdem in dem Obigen eine reine Beschreibung der Objecte gegeben war, soll in dem Folgenden nun versucht werden: einmal die Flächenbilder zu controliren nach den Ergebnissen der Durchschnitte; es sollen also aus einer jeden Serie für dasselbe Object die Durchschnitte zur Erklärung der Flächenbilder verwandt werden; ferner sollen die Durchschnitte und Flächen- bilder der verschiedenen Serien unter einander verglichen werden, um dadurch einen Einblick — 4283 — in die Entwicklungs- und Wachsthumsvorgänge der beschriebenen Keimscheiben zu erhalten. Endlich soll dann noch eine kurze Uebersicht über die beschriebenen Entwicklungsvorgänge im allgemeinen und mit Rücksicht auf die Beziehung der Organe zu den Keimblättern und zu theoretischen Betrachtungen gegeben werden. Ausserdem füge ich an dieser Stelle zu, dass zur Controle für die oben mitgetheilten Beobachtungen und um etwaige für die Messungswerthe in Betracht zu ziehende individuelle Abweichungen auszugleichen, 17 beliebige den genannten Entwicklungsstadien angehörende Keimscheiben bei gleicher Vergrösserung, wie die obigen mit der camera gezeichnet und nachgemessen wurden. Dabei ergeben sich wohl einzelne geringe Abweichungen in den Grössenverhältnissen, jedoch keine so erheblichen, dass dadurch irgend etwas in den Schlussfolgerungen aus den Beobachtungen verändert würde. ll. Wie erklären sich die einzelnen Flächenbilder nach den Durchschnitten ? Serie I. An der ganzen Keimscheibe findet sich: ein centraler ovaler Schild (e), der in seinen vorderen Partien deutlicher hervortritt, als in den hinteren. In letzteren schliesst er in sich die obere Eingangsöffnung zu dem Blindsack, der die Bildung des canalis neurenterieus ein- leitet und diese ist umgeben von einem ovalen Wulst, der nach vorn nicht so weit reicht, als nach hinten. Der vordere Theil des Embryonalschildes erscheint dicker, als der mittlere. Der ganze Schild ist umgeben von einem bei auffallendem Licht dunkleren (a) und dieser wieder von einem helleren (b), welche beide zusammen die früher von mir sogenannte intermediäre - Zone ausmachen und von denen die äussere allmählich in den Keimwall (%) übergeht. Vergleicht man nun hiermit die Bilder der Durchschnitte, so zeigt z. B. Durchschnitt o die obere Eingangsöffnung des Canals in einem Haufen kleiner Mesodermzellen und zu beiden Seiten oben überkleidet von einer Medullarplatte. An diese Mitte schliesst sich je nach aussen (in der Durchschnittsfigur des Raumes halber nicht angegeben) ein Abschnitt, in dem man ein dünnes Entoderm findet, das dem Ectoderm nicht fest anliegt. Hieran nach aussen schliesst sich eine Zone, in der dichteres Entoderm vorhanden ist, das dem Ectoderin fest anliegt und dann folgt aussen der Keimwall. Es würde demgemäss die schwache, neben dem Mesodermwulst noch vorhandene An- deutung des Embryonalschildes lediglich auf Rechnung der etwas verdickten Entodermlage zu eo setzen sein; die dunklere Zone (a) entspricht demjenigen Theil des Durchschnittes, an dem die dünnere Entodermlage dem Ectoderm nicht fest sich anschliesst, die hellere Zone (b) derjenigen Partie, in welcher eine dickere Entodermlage dem Ectoderm unmittelbar anliegt und dann folgt im Flächenbild wie Durchschnitt nach aussen der Keimwall. Vergleicht man die Reihenfolge der Durchschnitte nun in der Richtung nach vorn mit dem Flächenbild, so ergiebt sich zunächst, dass etwa bei Schnitt 7 und 8 der mittlere ver- dickte Zellenstrang aufhört, was am Flächenbilde genau derjenigen Stelle entspricht, an der der ovale den Canal umgebende Abschnitt aufhört. Auch an dieser Stelle entspricht die Aus- dehnung des Eimbryonalschildes nach den Seiten derjenigen der Medullarplatte, ebenso ver- halten sich der dunkle und helle Hof wie eben beschrieben. Dann folgt im Flächenbilde nach vorn ein Abschnitt, der in der Mittellinie nicht ganz so dick erschien (von 10 bis etwa 25), als der dann nach vorn anschliessende. Dies fällt zu- sammen, wie die Durchschnitte zeigen, mit einem Abschnitt, in dem eine dünnere Entodermlage (bis etwa 26—27) in eine diekere übergeht. Auch in dieser ersteren Lage wird die Erscheinung des Schildes, wie auch schon Kupffer beschreibt, durch die Medullarplatte hervorgerufen; in dem vorderen Abschnitt wird dieselbe durch die verdickte Entodermlage im Flächenbilde viel- leicht noch mehr hervorgehoben. Von den Durchschnitten im Bereich des vorderen Theiles des Embryonalschildes finden sich einzelne, bei denen die Verschiedenheiten zwischen der dunklen und hellen Zone nicht mit gleicher Deutlichkeit hervortreten, als bei den weiter nach hinten gelegenen. Etwa auf Schnitt 48 nach vorn vom Canal sind sowohl die Medullarplatte, als der das Ectoderm vom Entoderm trennende grössere Zwischenrauin verschwunden, was auch mit dem Bereich des Embryonalschildes im Flächenbild ziemlich genau zusammentrifft. Nach hinten vom Canal trifft man den Mesodermwulst, im engen Zusammenhang mit dem Ectoderm auf 21 Schnitten, was ebenfalls fast genau mit der Ausdehnung desselben-im Flächen- bild übereinstimmt. Es ergiebt sich also für das Flächenbild: der Embryonalschild fällt zumeist zusammen mit der Ausdehnung der Medullarplatte; in seinem hinteren Theil, wo eine solche nicht vor- handen, ist er undeutlich; in dem vorderen, wo er dicker erscheint, liegt eine Entodermver- dickung; dunkle und helle (zusammen intermediäre) Zone sind im Wesen nicht verschieden, eventuell nur in der Anordnung und Dicke der Entodermlage. — 74307 — Serie II. Die ganze Keimscheibe war kleiner als I, doch liegen solche Unterschiede im Bereich individueller Schwankungen. Die Höfe um die Embryonalanlage sind dieselben wie bei I: ein innerer dunkler (a), ein äusserer heller (b) und um diesen der Keimwall (%). Die Embryonalanlage selbst gliedert sich in einen vorderen halbmondförmigen, bei auf- fallendem und durchfallendem Licht dicker erscheinenden und einen hinteren den Canal um- gebenden Theil. Der letztere zieht sich nach vorn in eine Spitze aus, die ohne scharfe Grenze in ersterem verschwindet. Die obere Eingangsöffnung des Canales erscheint sehr breit. Auch hier findet sich auf Schnitt o neben der oberen Canalöffnung beiderseits eine kurze Strecke, in der das Entoderm dem Ectoderm nicht so fest anliegt, als an der dann nach aussen folgenden in der Figur nicht mehr angegebenen. Diese letztere Lage geht dann ziemlich allmählich in den Keimwall über. Dem Verlauf des Fortsatzes von Mesoderm, der von hier aus in der Mittellinie nach vorn zieht, entspricht die Zahl von etwa 15 Durchschnitten durchaus. Dagegen tritt die nach den Seiten allerdings dann bald spitz zulaufende Medullarplatte rechts und links von demselben im Flächenbild weniger hervor. In den vorderen Partien findet man auf den Durchschnitten überall Medullarplatte und eine dicke Entodermlage in der Mitte. Dieselben entsprechen an den Durchschnitten in ihrer Ausdehnung völlig dem Bereich des vorderen Theils des Embryonalschildes.. Auch hier tritt ein Erkennungsmerkmal für die dunkle Zone vorn wenig hervor, was bei der Schmalheit der- selben auch erklärlich ist. Nach hinten vom Canal entspricht die Ausbreitung des Mesoderm im Flächenbild ziemlich genau der an den Durchschnitten. Wie man bei dem allmählichen Auslaufen desselben aber annehmen musste, kann man es auf den Durchschnitten etwas weiter verfolgen, als im Flächenbild. Es erklären sich die einzelnen Abschnitte im wesentlichen demnach gerade so, wie bei I. Serie III. Die ganze Keimscheibe ist grösser als die vorigen. Die Höfe um die Embryonalanlage sind dieselben. j Die Embryonalanlage selbst lässt 2 Abtheilungen, eine vordere und eine hintere, nicht unterscheiden, sondern erscheint als ein einziger rundlicher Schild (e) rings um die nicht sehr breite obere Eingangsöffnung des Canales. An diesem Schild lassen sich nur ein centraler dicker Theil und eine periphere dünnere Randpartie unterscheiden. — 431, — Schnitt o zeigt die obere Eingangsöffnung zum Canal, zu den beiden Seiten eingefasst von Medullarplatte. Die untere und seitliche Wand derselben werden von einem dicken Meso- dermwulst eingefasst. Dieser setzt sich als dünne auf der einen Seite zusammenhängende, auf der anderen nach dem Rand zu stellenweise unterbrochene Lage etwa bis zum äusseren Rande der Embryonalanlage (e) seitwärts fort. Eine zusammenhängende Entodermlage zieht unter dem ganzen Schnitt her. Diese liegt nun im Bereich der ganzen Embryonalanlage (e) dem Mesoderm eventuell am Rand dem Ectoderm nicht fest an, sondern ist von demselben durch einen Zwischenraum getrennt. Nur in der Mitte unter dem Wulst des Mesoderm liegt diesem das Entoderm an. Weiter nach aussen (in Zone a und 5), wo sich kein Mesoderm mehr findet, liegt dann das Entoderm dem Eetoderm unmittelbar an; dabei ist jetzt (an diesem Schnitt weniger deutlich, als an den nach vorn folgenden), das Entoderm im Bereich der inneren dunklen Zone («a) dicker, mehrschichtiger, als im Bereich der äusseren hellen (b). (Zuweilen endet es an der Uebergangsstelle mit einer leichten Verdickung.) Der Mesodermklumpen, der den Canal umgiebt, setzt sich, nach vorn sich allmählich ver- jüngend, durch etwa 15 Schnitte fort, so dass sein Ende ziemlich genau dem vorderen Rande der mittleren dickeren Partie des am Flächenbilde hervortretenden Schildes (e) entspricht. Ueber diesen Schnitten ist überall eine breite Medullarplatte vorhanden, die an den vorderen der genannten Schnitte eine kurze doppelte Einziehung zu den Rändern des Mesoderm zeigt Mit letzterem stehen nicht im Zusammenhang einzelne Mesodermzellen, die am Rande der Medullarplatte frei zwischen Eetoderm und Entoderin liegen. Auch an diesen Schnitten ist im Bereich des Schildes (e) die Entodermlage überall getrennt vom Eetoderm, ist die Entoderm- lage im Bereich der dunklen Zone (a) deutlich dicker als in der hellen (b). Ausserdem geht hier der Canal als solcher nur durch 3 Schnitte hindurch und mündet dann frei auf der Entodermseite aus. Bis 29 setzen sich nun, sich erst allmählich verschmälernd, die Medullarplatte und die Höhlung zwischen Betoderm und Entoderm fort. Dies entspricht im allgemeinen dem vorderen Rande der Embryonalanlage (e). Die Medullarplatte ist fast stets schmäler als der Raum, auf welchem Eetoderm und Entoderm einander nicht anliegen. Das Entoderın unter der Medullarplatte ist oft mehrschichtig, doch treten die Kerne gegen das Protoplasma mehr vor, als in den früheren Stadien. In den seitlichen Partien findet man immer zuerst eine dicke, dann aussen eine dünnere Entodermlage. — 432 -- Von 80 an flacht sich die Medullarplatte in wenigen Schnitten zu einer einschichtigen Lage cubischer Zellen ab, und das Entoderm liegt diesem dicht an. Die Entodermzellen werden auch hier wieder grösser, körnchenreicher und lassen den Kern mehr zurücktreten. Was die Partien nach hinten von der oberen Canalöffnung anlangt, so breitet sich das gegen das Entoderm immer abgegrenzte Mesoderm schnell soweit aus, dass es in der Aus- dehnung mit den Stellen, wo das Entoderm nicht fest anschliesst zusammenfällt, und dieser Raum deckt sich seitlich und nach hinten mit der Ausdehnung der Embryonalanlage (e). In den hinteren Partien derselben findet man dickeres Entoderm und dann auch eine Grenze des Ectoderm gegen das Mesoderm. Bezieht man nun die angeführten Verhältnisse der Durchschnitte auf das Flächenbild, so ınuss man wohl annehmen, dass der grössere periphere Theil des Schildes (e) der Ausdruck für diejenige Partie der Keimscheibe war, an der das Entoderm den oberen Zellenlagen nicht fest anliegt. Dadurch dass diese Partie im Flächenbilde stark vortrat, wurde der Beobachtung entzogen: einmal die Ausdehnung der Medullarplatte in dem vor dem Canal gelegenen Theil, die etwas geringer ist, als der ganze Schild (e), ferner die Ausbreitung des Mesoderm nach hinten vom Canal. Letztere fällt zusammen mit der des Schildes (e). Der dickere centrale Theil des Schildes (e) wird bedingt durch das Mesoderm, welches den Canal umgiebt. Dieser ist bereits eröffnet und bis zu einer Kürze entwickelt, die man nach den sonstigen Entwicklungsverhältnissen der Keimscheibe nicht erwarten konnte. Seine sonst meist erkennbare untere Ausmündungsstelle entzog sich im vorliegenden Fall durch anhaftenden Dotter und ein- zelne Parablastzellen der directen Beobachtung. Serie IV. Von der Keimscheibe ist nur der innere dunklere Theil (a) der intermediären Zone ab- gebildet, von der äusseren (d) der Rand, der Keimwall nicht mehr. An der Embryonalanlage unterscheidet man einen diekeren Wulst um die obere Eingangs- öffnung zum canalis neurentericus, der sich nach hinten in eine scheibenförmige Platte (g) fort- setzt. Nach vorn endet derselbe in eine Linie, die in der Mitte, gerade nach vorn von der - oberen Canalöffnung, eine schwache Einbuchtung nach hinten zeigt und dann in 2 Bogen seit- lich ausläuft. In der Mittellinie geht von der Einbuchtungsstelle ein Strang nach vorn, der sich in eine rundliche Platte (s) verliert. — 433 — Vergleicht man die Durchschnitte mit dem Flächenbild, so zeigt Schnitt o die obere Ein- gangsöffnung zum Canal in einem dicken Mesodermwulst. Unmittelbar neben dem Canal und oberhalb des Mesodermwulstes findet sich eine dicke Ectodermlage. Ectoderm und Mesoderm verdünnen sich nach den Seiten schnell. Letzteres reicht seitlich soweit, wie man im Bereich der Keimscheibe den den Mesodermknopf einschliessenden Hof (g) vorfindet. Auf diese Strecke liegt auch das Entoderm von ihm getrennt, ausser in der Mittellinie. Seitwärts von derjenigen Stelle, an welcher das Mesoderm aufhört, liegt das Entoderm dem Ectoderm fest an. Auf der einen Seite bezeichnet eine leichte Entodermverdickung die Stelle, an der die dunkle Zone (a) in die helle (b) übergeht; ein Ueberwiegen in der Dicke der Entodermlage in einer der beiden Zonen ist nicht auffällig, Allenfalls könnte man das Entoderm im Bereich der inneren (a) etwas dicker finden. Von hier aus nach vorn reicht der Canal durch 6 Schnitte, so dass seine untere Aus- mündungsstelle genau mit dem vorderen Rand des Mesodermwulstes in der Mittellinie zu- sammenfällt. Auf diesen Schnitten ist in der Mitte überall eine Medullarplatte vorhanden. Auf ihnen allen setzt sich das Mesoderm bis zum Rand des den Wulst umgebenden Hofes (g) fort, auf allen ist im Bereich desselben, ausser in der Mittellinie, das Entoderm vom Mesoderm getrennt. Auch tritt auf den meisten im Bereich der dunklen Zone (a) das Entoderm als er- kennbar dicker auf wie im Bereich der hellen; bisweilen befindet sich an der Uebergangsstelle eine ganz leichte Entodermverdickung. Auf den nunmehr nach vorn folgenden 10 Schnitten 7—17 hört zunächst sehr plötzlich der Mesodermwulst auf. Nur ein mittlerer Zellenstrang erhält sich, der rechts und links von einer einschichtigen Lage kleiner Zellen eingeschlossen wird, die alsbald in grössere Entoderm- zellen übergehen. Die Medullarplatte kommt an Breite der nach hinten über dem Mesoderm- wulst gelegenen gleich, nimmt sogar noch etwas zu. Da wo sie seitwärts endet, legt sich das Entoderm fest dem Ectoderm an. Auf den dann weiter nach vorn folgenden 10 Schnitten schwindet der mittlere Zellen- strang als solcher in einer mehrschichtigen Lage grösserer Entodermzellen; diese erreicht aber bei weitem nicht die Dicke der Entodermlage in früherer Zeit. Ueber derselben liegt nach oben vorgewölbte Medullarplatte, die mit dem Entoderm nicht verbunden ist. Dann nehmen nach vorn schnell die Medullarplatte und zugleich unter ihr der Hohlraum zwischen ihr und dem Entoderm ab, und von 32 an findet man nach vorn nur niedriges Ecto- derm und diesem anliegendes Entoderm. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 56 — 434 — Nach hinten vom Canal breitet sich das Mesoderm und der Bereich der Stelle unter demselben, an welcher das Entoderm nicht fest anliegt, noch auf etwa 25 Schnitten aus wenigstens ist es auf diesen deutlich verfolgbar. Ein Vergleich mit dem Flächenbild ergiebt, dass unter der ganzen Embryonalanlage das Entoderm dieser nicht fest anliegt, abgesehen von einer Partie in der Mittellinie, vor und hinter der unteren Ausmündungsstelle des Canals. (Es soll nun nicht gesagt sein, dass diese Loslösung des Entoderm unter der Embryonalanlage nicht auch durch die Behandlung und Er- härtung der Keimscheibe bewirkt oder verstärkt sein könne. Jedenfalls kann ihre Erwähnung nicht unterlassen werden, da sie sich eben an den Durchschnitten vorfindet und an der einmal erhärteten Keimscheibe auch jedenfalls nicht ohne Einfluss für das Flächenbild ist, wie be- sonders Serie III lehrt). Der Knopf um den Canal fällt zusammen mit dem Mesoderm, das diesen umgiebt, sein vorderer Rand in der Medianlinie mit der unteren Ausmündungsstelle desselben. Die Brücke vor der oberen Canalöffnung zeigt also im Flächenbilde an, in welchem Bezirk noch un- eröffneter Canal vorhanden ist. Die Platte (9) hinter und neben dem Canal bezeichnet die Ausbreitung des Mesoderm in der Keimscheibe und wird in Bezug darauf in der Folge als Gefässhof benannt. Die Platte (s), welche nach vorn die Embryonalanlage abschliesst, fällt zusammen mit der Ausdehnung der Medullarplatte und die Verbindungsstelle der Entodermlage dieser Platte mit dem um den Canal gelegenen Mesodermwulst wird bedingt durch einen medialen Zellen- strang, der deshalb besonders hervortritt, weil neben ihm die Entodermlage am verhältnissmässig dünnsten ist. Serie V. An der Keimscheibe unterscheidet man: vor der winklig geknickten oberen Eingangs- öffnung zum Canal liegen zwei breite, flügelartige Platten (r), die sich seitwärts und nach hinten in den Gefässhof fortsetzen gegen den sie sich jedoch schwach abgrenzen und die eine kurze Rückenfurche einschliessen. Nach vorn legt sich eine halbkreisförmige Scheibe (s) an dieselben an, welche die Embryonalanlage vorn abschliesst. Die Höfe (a, 5) sind dieselben, wie früher, Durchschnitte wurden nur noch durch den inneren dunklen gelegt. Schnitt 0 enthält die obere Canalöffnung. Dieselbe wird von einer Medullarplatte ein- gefasst, die beinahe bis zum Rand der Oeffnung reicht, nach aussen niedriger wird; das Mesoderm — 435 — unter ihr bildet keinen nach unten vorspringenden Wulst mehr, sondern fällt seitwärts allmählich ab; nach aussen von Bereich der Medullarplatte ist es dünn und endigt bald. Die dunkle Zone (a) endet nach aussen besonders einerseits in eine deutliche Entodermverdickung. Das Entoderm ist überall abgegrenzt und nirgends erheblich abgehoben. Der Canal reicht als solcher durch 4 Schnitte, so dass seine untere Ausmündungsstelle mit dem vorderen Rande der Brücke zusammenfällt, die nach vorn vor der Canalöffnung gelegen ist. Hier fehlt auch auf dem Durchschnitt die Rückenfurche. Die Medullarplatte und der Bereich von dickerem Mesoderm fallen zusammen, weiter aussen ist letzteres, soweit vor- handen, nur dünn. Auf den 11 nach vorn folgenden Schnitten ist eine Rückenfurche vorhanden (5—16) unter der Medullarplatte beiderseits eine Mesodermplatte, welche auf den meisten Schnitten auf der einen Seite weiter nach aussen reicht als auf der anderen. Dies fällt zusammen mit dem Bereich der die Rückenfurche im Flächenbilde begrenzenden Platten (r). Dann hören auf wenigen Schnitten Rückenfurche und Mesodermplatten auf (17—19) und es folgen (20—31) Schnitte, die unter einer breiten Medullarplatte eine erst schmälere dann breitere Zellenlage zeigen, welche die Fortsetzung der Chorda-Anlage nach vorn bildet und keine Entodermgrenze nach unten besitzt. Wenn man die Medullarplatte in diesem Bereich mit Kupffer als Hirnplatte bezeichnet, so könnte man die untere Platte vielleicht Chorda-Platte nennen, Weiter nach vorn folgen dann niedriges Ectoderm und eine körnchenreiche aber nicht dicke Entodermlage. Die Ectodermlage in diesen vorderen Abschnitten kennzeichnet sich in der Mittellinie also nach vorn von der Medullarplatte dadurch dass die Kerne der Zellen dichter stehen, als seitlich. (Ein Gleiches findet man auch in früheren Stadien). Nach hinten vom Canal findet man das Mesoderm als zusammenhängende Platte noch auf 27 Schnitten, was genau der Ausdehnung des Gefässhofes entspricht. Auch dann findet man einzelne Mesodermzellen noch auf 4 Schnitten weiter. Zu erwähnen sind noch die unmittelbar hinter der oberen Canalöffnung oder besser hinter Schnitt 0 belegenen Durchschnitte. Diese — etwa 3 — enthalten an der Ectodermfläche je eine kurze Einziehung, nach aussen von diesen Medullarplatte, zwischen denselben kleine polygonale Zellen, die ohne Abgrenzung im Mesoderm nach unten verlaufen, Auf den dann nach hinten folgenden 2 Schnitten verläuft die Medullarplatte ganz allmählich. Von Schnitt 14 hinter dem Canal etwa findet man Ectoderm und Mesoderm überall gegen- einander abgegrenzt. — 456 — Der Vergleich des Flächenbildes mit den Durchschnitten ergiebt, dass die Brücke vor der oberen Canalöffnung wieder entspricht demjenigen Theil, in welchem sich uneröffneter Canal vorfindet. Die beiden Platten (») (bereits oben und weiterhin Rückenwülste genannt) sind im wesentlichen bedingt durch die Ausbreitung des Mesoderm unterhalb der Medullarplatte; die Stelle, an der sie in den Gefässhof übergehen ist diejenige, an welcher einmal die Medullar- platte aufhört und an der die dickere Mesodermlage der Rückenwülste in die dünnere des Gefässhofes übergeht. Die vordere scheibenförmige Hirnplatte (s) wird im wesentlichen bedingt durch die Ausbreitung der Medullarplatte und nur verstärkt durch die darunter liegende Chorda- Platte. Dies geht hervor aus Durchschnitt 19 und 20, auf denen die Medullarplatte sehr breit die Chorda-Platte schmal ist und trotzdem im Flächenbild an dieser Stelle eine breite Hirnplatte vorhanden ist. Die Medullarplatte zieht sich nach hinten noch um die obere Canalöffnung herum. Diese selbst ist gabelig abgebogen und zwischen den abgebogenen Schenkeln keine Ectodermgrenze vorhanden. Serie VI. Die Keimscheibe zeigt 2 nicht sehr breite Rückenwülste (r), welche die Rückenfurche zwischen sich schliessen. Vor der oberen Canalöffnung sind sie durch eine Brücke miteinander verbunden, an ihrem vorderen Ende ragt eine schmale Scheibe (s) unter ihnen hervor. Der Gefässhof (g) ist in seiner Ausdehnung nicht direct bestimmbar, da er vom anhaftenden Dotter verdeckt wird und ist nach einem anderen Embryo eingetragen. Die obere Canalöffnung zeigt nur an den beiden Seiten je eine leichte Abbiegung nach hinten. Da die Keimscheibe ebenso wie die Durchschnitte ähnliche Bilder, nur in anderen Aus- dehnungsverhältnissen, bietet, wie die vorige Keimscheibe, so kann sich die Darstellung auf diese beziehen. Die Brücke vor der oberen Oeffnung vom Canal, der durch 3 Schnitte geht, ist auch hier der Ausdruck derjenigen Partie, an welcher derselbe noch uneröffnet ist. Die Rückenfurche reicht von seiner unteren Ausmündungsstelle 5 bis 19. Dem entsprechen die Mesodermplatten der Rückenwülste, die sich auf den Durchschnitten doppelseitig bis 23, einseitig sogar bis 27 fortsetzen. Darauf folgen nach vorn bis 30 Hirnplatte und annähernd soweit Chordaplatte, welchen beiden sich nach vorn niedriges Ectoderm und Entoderm anschliessen. Hinter dem Canal liegen tie Verhältnisse wie bei V, nur fehlt, wie auch das Flächenbild erschliessen lässt, unmittelbar hinter dem Canal die Doppelrinnen auf der Ectodermseite, da die — 437 > obere Eingangsöffnung desselben zu wenig gebogen ist. Dagegen findet sich auf kurze Strecke hinter dem Canal Medullarplatte zu den Seiten der Medianlinie. Das Mesoderm reicht im Ganzen durch 29—30 Schnitte. Es stimmt demnach die Erklärung des Flächenbildes durchaus mit V. Serie VII. An der Keimscheibe heben sich Embryonalanlage und Gefässhof (g) mit grosser Deutlich- keit in ihren Umrissen ab, ein Umstand, der das Messen sehr erleichtert. Die vordere Grenze des Embryo bildet die Einsenkung der Kopfscheide; von deren beiden Seitenwänden geht der Gefässhof aus (g). Die Rückenfurche wird von 2 schmalen, nach vorn sich etwas verbreitenden Rückenwülsten (r) eingefasst; dieselbe reicht nach hinten nicht bis zur oberen Canalöffnung. Diese bildet ein kleines Viereck, dessen hintere Wand fehlt. Das hintere Ende der Embryonalanlage setzt sich dicht hinter ihr vom Gefässhof (g) ab. Die obere Canalöffnung — Schnitt o — wird jederseits von einer schmalen Medullarplatte eingefasst. Das Mesoderm in der Wand derselben setzt sich durch dichter gestellte Zellen von dem weiter nach aussen und unten gelegenen ab. Es bildet unter dem Bereich der Medullar- platte einen Vorsprung und flacht sich dann nach den Seiten erst langsam dann schneller ab. Seine Ausbreitung nach den Seiten entspricht durchaus der Ausdehnung des Gefässhofes (9). Das Entoderm schliesst unter demselben nicht fest an, sondern thut dies erst weiter nach aussen, wo keine Mesodermlage mehr vorhanden. Der Canal erstreckt sich, der Brücke von seinem oberen Eingang entsprechend, durch 4 Schnitte fort, immer umgeben von einer Verdichtung des Mesoderm, das auch nach unten in der Mitte leicht vorspringt, und nach oben überzogen von einer schmalen Medullarplatte ohne Rückenfurche. Die dann im Bereich der Rückenfurche nach vorn folgenden Schnitte zeigen nur eine schmale, sehr dicke Medullarplatte und dieser anliegend ein ziemlich dichtes Mesoderm, das nach aussen vom Bereich der Medullarplatte schnell dünner wird; das Entoderm, unterhalb des Mesoderm ist locker, schliesst zu beiden Seiten der Chorda fest an. Von etwa Schnitt 20 an verbreitet sich die Medullarplatte, während das seitliche Meso- derm schon von 18 an von der Chorda-Anlage getrennt erscheint. Diese letztere verbreitert sich weiter vorn, zuerst wenig, dann stärker. Von 26 an treten die seitlichen Einsenkungen der Kopfscheide auf und auf den vorderen Schnitten fehlt die Rückenfurche noch. Von 36 an treffen die Durchschnitte noch die nach — 438 — unten abgebogene Partie der Embryonalspitze, die auf 38 und 39 frei unter der Fläche der Keimhäute liegt, so dass jedenfalls auf den 3 letzten Schnitten in der Fläche keine Medullar- platte mehr vorhanden ist. Nach hinten vom Canal findet sich die Mesodermverdichtung nur noch auf wenigen Schnitten. In der Medianlinie besteht noch ein Zusammenhang des Eetoderm mit den tieferen Zellen, an den Seiten nicht. Das Entoderm bildet überall eine besondere Zellenlage. Eigent- liche Medullarplatte findet sich nach hinten vor der oberen Canalöffnung nicht vor, vom 7. Schnitt an ist das Eetoderm vom Mesoderm völlig getrennt. Letzteres ist in der Mitte dicker, als zu den Seiten, doch ist dies etwa vom 9. Schnitt an nicht mehr der Fall. Das Mesoderm im Ganzen reicht bis Schnitt 26—27. Der Vergleich mit dem Flächenbild ergiebt für dieses, dass die Brücke vor der oberen Canalöffnung wieder der Länge dieses entspricht, dass die Rückenwülste in ihrem hinteren Theil zusammenfallen mit dem Bereich der Medullarplatte, an die sich von unten eng anlegt eine dickere Mesodermschicht, als wir dieselbe aussen finden; weiter vorn wird dann die Me- dullarplatte noch dicker und breiter, während das Mesoderm an Mächtigkeit abnimmt. Im Flächenbild macht sich dies jedoch nicht bemerkbar. Die Partie hinter dem Canal, an der die Embryonalanlage als solche aufhört, kennzeichnet sich an den Durchschnitten durch eine schnelle Abnahme in der Dicke der Mesodermlage. Der Bereich des Gefässhofes (g) fällt zusammen mit der Ausbreitung des Mesoderm nach den Seiten; auch liegt hier fast überall das Entoderm auf dem Durchschnitt dem Mesoderm nicht unmittelbar an. Das wären die wesentlichsten Punkte, welche ein Vergleich der Flächenbilder und der dazu gehörigen Durchschnittsreihen ergiebt. Es sollen nunmehr die Resultate eines Vergleichs der verschiedenen Entwicklungsstadien zusammengestellt werden. — 439 — Ill. Was ergiebt ein Vergleich der Flächenbilder und Durchschnitte für die Wachsthumsvorgänge an der Embryonalanlage ? Um über Wachsthumsvorgänge an Embryonen einen Aufschluss zu erhalten zu einer Zeit der Entwicklung, in welcher sich die Embryonalaniage als solche noch verhältnissmässig wenig gegen die umgebenden Keimhäute absetzt, ist es jedenfalls von Werth, wenn man einen festen Punkt in der Embryonalanlage besitzt, von welchem ausgehend man die einzelnen Theile ver- gleichen und auf den man Verschiebungen und Lageveränderungen beziehen kann. Ein solcher Punkt ist im vorliegenden Object in der oberen Eingangsöffnung des canalis neurentericus gegeben. Dafür, dass diese Stelle eine Ortsverschiebung innerhalb der Keimscheibe in der zur Darstellung gekommenen Zeit der Entwicklung durchmacht, fehlt jeder Anhaltspunkt. Im Gegentheil ist eine solche in den Stadien II—VII dadurch auszuschliessen, dass in denselben eine Ausbreitung in dem Bezirk vom vorderen Ende der Embryonalanlage bis zum hinteren Rande des Gefässhofes so gut wie gar nicht — nur ein wenig bei VII — stattfindet und dass bei allen diesen die obere Eingangsöffnung des Canals an annähernd gleicher Stelle der Embryonalanlage sich befindet. Ausserdem ergiebt ein Vergleich von I, II und III dass auch hier eine erhebliche Ver- schiebung der ebenen Canalöffnung in der Fläche nicht stattgefunden haben kann, wenn auch eine genaue Controle durch Messung sich hier nicht machen lässt. Man wird also bei Abzählung der Schnitte denjenigen, der die obere Eingangsöffnung des Canals erhält, sehr wohl als Ausgangspunkt wählen können und ist derselbe in der Reihenfolge der Schnitte als O bezeichnet. Der Vergleich von Flächenbild II mit I zeigt die Ausbreitung des Mesoderm um den Canal herum. Dieselbe erstreckt sich wenig nach hinten, mehr zu den Seiten, am auffallendsten nach vorn. Bei I endet das Mesoderm (an dem Maassstab der Umrisszeichnung der Embryonal- anlage) etwa an Theilstrich 7 bei II verliert es sich an 11—17 in dem vorderen Ende des Embryonalschildes. Dieser tritt bei I als Schild hervor, während bei II die Embryonalanlage mehr aus zwei getrennteren an der Spitze des Mesoderm-Fortsatzes mit einander verbundenen Theilen besteht. Dass der Abschnitt von der oberen Canalöffnung bis zum vorderen Rande des Embryonalschildes bei II kleiner ist als bei I kann vielleicht noch auf individueller Abweichung beruhen, vielleicht auch auf einer Veränderung, die zu III überleitet und gleich besprochen wird. — 440 — Entsprechend den Flächenbildern findet man die Durchschnitte, welche die letzte als solche hervortretende Spitze des Mesoderm enthalten, bei I etwa auf 7—9, bei II auf 14—17. Bei I reicht das Lumen des Canals bis 3, bei II bis 10.°). Die Durchschnitte hinter dem Canal ergeben die Verbreiterung des Mesoderm von II gegen 1. Der Vergleich von Flächenbild III gegen II lässt nun erhebliche Veränderungen erkennen. Von dem vorderen Theil des Embryonalschildes gewahrt man bei III nichts, sondern hier besteht die Embryonalanlage nur in einer einzigen den Canal umgebenden Scheibe. Der vordere Rand dieser fällt zwischen Strich 30—35 (der Umrisszeichnung) also auf eine Stelle, die bei II und noch viel mehr bei I mitten in den Bereich des vorderen Theils des Embryonalschildes gelegen war. (Im Anschluss hieran sei gleich erwähnt, dass bei keiner der nun im Alter folgenden Keimscheiben, bei denen allen das vordere Ende der Embryonalanlage sich sehr deutlich abgrenzt, dieses bis etwa 48 Theilstriche vor dem Canal gelegen ist, wie bei I der vordere Rand des Embryonalschildes; es liegt dasselbe bei jenen vielmehr stets zwischen 30—35 auch 40 also immer an einer Stelle, die bei I mitten auf den vorderen Theil des Embryonalschildes fiele,) Entsprechend der Ausbreitung der Scheibe im Flächenbild III reicht auch hier auf den Durchschnitten die Medullarplatte nur etwa bis 30—32. Nach vorn von dieser Stelle befindet sich nur eine niedrige Ectodermlage. Das Mesoderm reicht auf den Durchschnitten nach vorn nicht weiter, als bei II, so dass in dieser Zeit keine Ausbreitung desselben nach vorn stattgefunden hat. Auf III, 12 u. 13 ist der Mesodermstrang dünner als auf II, 12. 13. Die Ausbreitung des Mesoderm und das Verhalten der Doppelfurchen auf der Ectoderm- seite ist es besonders gewesen, was dafür sprach, dass die betreffende Keimscheibe ihren richtigen Platz in der Entwicklungsreihe erhalten hat, trotzdem bereits eine so bedeutende Ver- kürzung des eröffneten Canals erfolgt ist; ebenso spricht für die Richtigkeit das Fehlen einer Verdichtung der Zellen in der oberen Canalwand, welches die Anlage der Chorda kennzeichnet und im folgenden Stadium vorhanden ist. Das Verhalten des Mesoderm nach hinten vom Canal entspricht der sonstigen Entwicklung Es bildet bei III eine dicht hinter dem Canal stärkere Lage als bei II. Das Entoderm, das bei I und IH in dem vorderen Theil des Embryonalschildes eine dicke mehrschichtige Lage grosser körnchenreicher Zellen bildet, ist hier bei III und auch ferner in dem gleichen Bezirk dünner. Während bei I und II die innere um die Embryonalanlage gelegene Zone dünneres Entoderm als die am Keimwall gelegene zeigt, ist dies Verhältniss in den folgenden Stadien — 41 — entweder umgekehrt, oder es tritt der Unterschied wenig hervor. Es geht daraus hervor, dass das verschiedene Aussehen der Höfe wohl nicht auf dem Verhalten des Entoderm allein beruht. Das Flächenbild IV bildet die Ueberleitung zu den späteren Stadien, mit denen es grosse Aehnlichkeit zeigt. Gegen III lässt dasselbe viel deutlicher die Einzelheiten der Embryonalanlage hervortreten. Der Strang, der den vorderen Theil der Keimscheibe mit dem hinteren verbindet, fällt zusammen mit dem Mesodermfortsatz bei II. Dagegen reicht die Medullarplatte auch hier nicht weiter nach vorn als bei III. Die Länge des noch uneröffneten Canals ist im Flächenbild am vorderen Rand der vor der oberen Canalöffnung gelegenen Brücke zu erkennen. Ein Gefässhof hat sich im Flächenbild abgesetzt. Aus den Durchschnitten geht hervor, dass das Mesoderm sich nach vorn langsam aus- zubreiten beginnt und zwar sowohl der mittlere Strang als die Seitentheile. Während ersterer bei III sich auf 14, 15 verlor, endet er jetzt auf 17, 18, 19, 20. Doch ist der Zellstrang auf 11, 12, 13 dünner als bei III 11, 12, 13. IV, 7, 8, 9 zeigen das Fortschreiten in der Entwickelung des Mesoderm gegen III, 7, 8, 9 ebenfalls und muss ein Vergleich hier wohl auf den Gedanken führen, dass die Verdickung bei IV hier den seitlichen freien Zellen oder deren Fortsetzung nach hinten in III zu ver- danken sei. Ferner ergiebt ein Vergleich von IV, 5, 6, 7 mit III, 5, 6, 7 dass bei IV eine zusammenhängende Mesodermlage vorhanden ist, wo dieselbe bei III dreigetheilt war. Flächenbild V zeigt einen weiteren Fortschritt gegen IV. Es hat sich an Stelle des dort vorhandenen Wulstes, der den Canal umgab, diese Partie hier verdünnt und nach vorn in 3 breite Flügel ausgezogen, die eine kurze Rückenfurche einschliessen. Die Brücke vor dem Canal hat sich gegen IV verkürzt. Dem entsprechend ist auch der Canal kürzer geworden, eine Rückenfurche, die bei IV ganz fehlte, findet sich da, wo bei IV eine ebene eher nach oben gewölbte Medullarplatte vor- handen war. ; Das seitliche mit dem medialen Strang nicht zusammenhängende Mesoderm hat, wie die Durckschnitte zeigen, eine Verlängerung nach vorn erfahren, dagegen ist die ganze Mesoderm- schicht in der Mittellinie bei V 1—4 dünner als bei IV 1—4. Die Chorda-Anlage, die bei III fehlte, bei IV begann, ist jetzt in der oberen Canalwand deutlich. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 57 — 42 — Vergleicht man V. 16 mit IV. 16, so zeigt ersterer eine Abflachung und Verbreiterung des medialen Zellenstranges, der sich hier nach hinten unmittelbar in die Chorda-Anlage fort- setzt, und ausserdem neben und ohne Zusammenhang mit ihm 2 freie Mesodermplatten die bei IV. 16 ganz fehlen, Auch hier reicht die Medullarplatte nach vorn nicht weiter als bei IV; während aber dort unter ihr grosse rundliche Entodermzellen lagen, findet man jetzt unter derselben eine aus kleinen rundlichen, den Mesodermzellen gleichenden Zellen bestehende Platte — die Chorda- Platte — die nach hinten im continuirlichen Zusammenhang mit der als solche kenntlicheren Chorda-Anlage steht. Ein Vergleich von Flächenbild V mit desgleichen II zeigt, dass der vordere Rand der Rückenwulste bei V. 15 annähernd dem vorderen Rand des Mesodermfortsatzes bei II. 15 entspricht. Demgemäss wird auch auf Durchschnitt V. 15 die dort vorhandene breite Chorda- Anlage dem medialen Zellenstrang II. 15 entsprechen, wonach sich auch das Verhältniss der weiter nach hinten bei beiden folgenden Schnitte ergiebt. Die Vergleichung von Flächenbild VI mit V ergiebt die Veränderungen leicht. Dieselben bestehen im wesentlichen in einer Ausdehnung der Rückenwülste und des Gefässhofes nach vorn. Damit ist zugleich gegeben eine Verlängerung der Rückenfurche nach vorn und eine Ver- kleinerung der Hirnplatte. An den Durchschnitten findet man dem entsprechend insofern gleichsam eine Verschiebung nach vorn, als die Bilder, die man bei V von 10 an nach vorn erhält, bei VI jedesmal um etwa 3—5 Durchschnitte nach vorn verschoben sind und sich dann wiederfinden. Vergleicht man dann endlich Flächenbild VII mit VI, so lehrt dies die in diesem Stadium constant eintretende Verschmälerung in der oberen Eingangsöffnung zum Canal. Die Ein- senkung der Kopfscheide bei VII hat etwas weiter nach vorn statt, als bei VI der vordere Rand der Hirnplatte sich befindet. Die Rückenfurche reicht nach hinten‘ nicht bis zum Canal. Eine ganz unverkennbare Verschmälerung der Rückenwulste in deren hinteren Theilen hat stattgefunden und das hintere Körperende setzt sich gegen den Gefässhof ab. Dieser reicht nach vorn bis neben die Kopfscheide. Die Durchschnitte ergeben, dass der Canal um einen Schnitt länger ist als bei VI; seine untere Wand ist in der Mittellinie dicker und springt mehr in der Fläche vor, als bei V u. VI, wo dieselbe flach nach den Seiten abläuft. Das Lumen des Canals auf dem Querschnitt ist — und zwar constant in dem vorliegenden — 45 — ‘Stadium — sehr eng und rundlich, während es in den vorhergehenden weiter und platter, nur bei II ganz ausserordentlich gross war. Dem Flächenbild entsprechend ist an den Schnitten mit dem Canallumen und vor diesen bis etwa 19 die Medullarplatte ganz schmal und in der Medianlinie dicker als stellenweise bei V u. VI und schmäler als in allen früheren Stadien gleicher Stelle. Die Chorda-Platte von V u. VI ist viel schmäler geworden und bis nach vorn verschoben. Es findet sich in der ganzen vorderen Hälfte des Embryo eine mit dem Entoderm seitlich zusammenhängende Chorda-Anlage, während in der hinteren 15—16 eine mit dem Mesoderm seitlich zusammenhängende vorhanden ist. Etwa in der Mitte befindet sich diejenige Stelle an welcher die Unterwachsung der Chorda durch das Entoderm zu beginnen scheint. Was die Ausdehnung der Medullarplatte nach vorn anlangt, so ist dieselbe jetzt bis 35 verfolgbar, nicht ganz so weit die Rückenfurche. Die Durchschnitte nach hinten vom Canal in den verschiedenen Stadien ergeben kurz folgende erwähnenswerthe Punkte: Auch in den nach hinten vom Canal gelegenen Partieen findet man und zwar nur unmittelbar hinter diesem und nicht in der Mittellinie Medullarplatte., Das Entoderm ist in dem nach hinten von der oberen Canalöffnung gelegenen Embryonal- abschnitt fast stets und überall abgegrenzt; je weiter nach hinten, desto dicker ist es in der Regel. Das Mesoderm kann in früheren Stadien (Serie II) von einer oberen Zellenlage nicht zu trennen sein, während später nur in der Mittellinie eine besondere obere Zellenlage noch fehlt. In einem Stadium (Serie IV) findet es sich nach hinten als lockere, manchmal frei zwischen Ecto- derm und Entoderm gelagerte Zellenschicht (vielleicht nicht unabhängig von der Behandlung der Keimscheibe) während es in den anderen eine compacte Zellenmasse bildet, von der nur in einzelnen Fällen die Zellen nach den Seiten in schmaler und auf dem Querschnitt nicht ganz zusammenhängender Lage ausgehen. Ferner ergiebt ein Vergleich der verschiedenen Stadien, dass die Embryonalanlage in V u. VI in der Mittellinie dünner ist als in den früheren Stadien und in VII, bei denen der untere Rand mehr vorspringt und dass die Zellen in den medialen Partieen hinter dem Canal dichter stehen können als die weiter aussen gelegenen. — 44 — IV. Zusammenstellung der Beobachtungen und Schlussfolgerungen aus denselben. a. Beobachtungen. Nachdem die Einsenkung, welche zur Anlage des canalis neurentericus führt, sich einge- leitet hat, findet man auf Querschnitten (Serie I), die den Canal enthalten, diesen inmitten eines Zellhaufens, der nach oben gegen die Medullarplatte, ausser unmittelbar vor der Eingangsöffnung, sich absetzt und unten auf den meisten Schnitten von einer dünnen Lage platter Entodermzellen überzogen wird. Nach vorn von dieser Stelle sind die Zellwandungen des Canals fortgesetzt in einen Strang ohne Lumen, der ausserdem keine Entodermgrenze er- kennen lässt und dessen kleine Zellen sich nach vorn in ein dickes mehrschichtiges Lager grosser körnchenreicher Zellen verlieren. Ueber diesem ist eine aus hohen Zellen bestehende Medullarplatte gelegen, die der Ausdehnung des Embryonalschildes gleichkommt. In II ist die Zellenmasse, die den Canal umgiebt, dessen Verlängerung entsprechend, weiter nach vorn geschoben und zieht sich nach vorn in einen gleichen Fortsatz aus, wie bei I. Das Entoderm findet sich hier unter und vor dem Canal nicht als abgegrenzte Lage. Bei III ist die Eröffnung des Canals vor sich gegangen und findet man von der unteren Ausmündungsstelle nun in diesem und allen folgenden beschriebenen Stadien eine abgegrenzte Entodermgrenze nach hinten überall vor. An den Partieen nach vorn von der unteren Aus- mündungsstelle erscheint die obere Canalwand nunmehr unmittelbar auf den Dotter gelagert. Vom Entoderm ist dieselbe nicht überzogen, sondern erscheint sie vielmehr ebenfalls als seitlich vom Entoderm eingefasst, theilweise gleichsam in dasselbe eingeschaltet. Die durch die Eröffnung des Canals nicht veränderte obere Canalwand und das dieselbe seitlich einfassende Mesoderm setzen sich nach vorn ebenso in einen Zellfortsatz fort wie dies früher die ganze den Canal ringförmig umgebende Wand that. Doch finden sich bei III Schnitte, an welchen sich an diesen Zellfortsatz eine untere seitlich in das Entoderm übergehende Zellen- lage kenntlich macht, von der sich die:über ihr gelegenen Zellen zwar nicht durch eine scharfe Grenze, wohl aber durch ihren Charakter und ihr Aussehen abgrenzen. Die Medullarplatte besitzt hier und in allen folgenden Stadien nicht die Ausdehnung nach vorn, wie in I u. Il. —7 445 — In IV tritt in der oberen Wand des Canals sowohl in seinen uneröffneten als in den eröffneten Abtheilungen eine Verdichtung der Zellen — die Chorda -Anlage — auf. Der mittlere Zellfortsatz, in den sich die obere Canalwand nach vorn fortsetzt, liess bereits bei III freie, seitlich mit ihm nicht, nach hinten dagegen mit der Canalwandung im Zusammenhang stehende Zellen erkennen; er zeigt hier unmittelbar nach vorn von der unteren Canalöffnung eine Verbreiterung gegen früher, dagegen weiter vorn eine Verschmälerung, erscheint in letzterem Abschnitt aber auch als Einschiebsel im Entoderm. Das Gleiche ist bei V der Fall, wo er stark verbreitert, abgeplattet und nach vorn nahezu soweit ausgedehnt erscheint, als der Bereich der Medullarplatte reicht. Nach hinten geht er ohne Grenze und sich verschmälernd in die Anlage der Chorda aus der oberen Canalwand über an welcher Stelle dann ein seitlicher Zusammenhang dieser mit dem Mesoderm dagegen kein solcher mit dem Entoderm vorhanden ist. Das Mesoderm, soweit es gegen Ectoderm und Entoderm abgegrenzt ist, erscheint als Platte auf jeder Seite neben der Chorda-Anlage und hängt in seinen vordersten Abschnitten wie gesagt mit dieser nicht zusammen, sondern rückt ziemlich bedeutend von der Median- linie ab, Letzteren Umstand lässt VI noch deutlicher erkennen; es lässt sich im allgemeinen eine Verschiebung der eben beschriebenen Bilder nach vorn feststellen, so dass man ähnliche Bilder wie bei V nur etwas weiter nach vorn von der oberen Canalöffnung trifft. Ein Vergleich von V. 10 u. VI. 10 ergiebt, dass man dabei an Stellen wo früher eine breitere Chorda-Anlage vor- handen war, später eine schmälere antrifft. VI zeigt dann in dem gleichen Bezirk eine ungemein schmale Medullarplatte, die in der Mitte stets am dicksten ist, während bei V und noch mehr bei VI an vielen Stellen die Medullar- platte in’der Mitte dünner war als an den Seiten. Ausserdem findet man die Chorda fast über den ganzen Bereich der Embryonalanlage ausgebildet; nach vorn erscheint dieselbe als Ver- dickung des Entoderm ohne seitlich mit dem frei zwischen Ectoderm und Entoderm gelagerten Mesoderm zusammen zu hängen. (Letzteres wird je weiter nach vorn desto spärlicher.) Weiter hinten hängt die Chorda seitlich mit dem Mesoderm zusammen während das Entoderm unter dieselbe von den Seiten etwas herunterreicht und je weiter nach hinten desto mehr aus- einander weicht. Nach vorn von der unteren Ausmündungsstelle des Canales ist nirgends in der Mittellinie eine abgegrenzte Entodermlage vorhanden. Der Canal reicht als uneröffnet durch einen Schnitt mehr als in VI. Von sonst erwähnenswerthen Veränderungen soll noch genannt werden, dass — 2 — die bei Serie I, II, III vorhandene Doppelfurche auf der Ectodermseite, welche zu den Seiten des medialen Mesodermfortsatzes sich findet, auf IV fehlt. Da bis dahin eine Rückenfurche im Flächenbild nicht erkennbar war, eine solche erst in V u. VI auftritt und auch hier auf den Durchschnitten erscheint, so muss man wohl annehmen, dass die bei I, II, III vor- kommende Doppelfurche nicht direet in die bleibende Medullarrinne übergeht. Die bei den Flächenbildern dargestellten Höfe a u. b, für welche zusammen früher die Bezeichnung »intermediäre Zone« gewählt war, sind in ihrem Wesen in soweit nicht verschieden, als beide zunächt nur aus Ectoderm und Entoderm bestehen; nur die Dicke, besonders der Entodermlage, wechselt. b. Schlussfolgerungen aus den Beobachtungen. 1) Beziehung der Beobachtung aufEntwicklungsvorgänge, die hauptsächlich im Mesoderm ablaufen. Die nächstliegende Folgerung aus den beschriebenen Serien würde sein, dass die Wandungen des Canales, abgesehen von der oberen Eingangsöffnung, dem Mesoderm und nur diesem an- gehören. *) Man wird Querschnitte, an denen man unter der Medullarplatte einen gegen diese und das Entoderm abgegrenzten Zellenklumpen findet, nicht gut anders deuten können. °) Wie das Mesoderm überhaupt entstanden ist, würde eine andere hier nicht zu er- ledigende Frage sein. Dass innerhalb des Mesoderm ein Canal vorhanden ist, der nach der Ectodermseite frei ausmündet und dessen Mesodermwand also an dieser Stelle mit dem Ectoderm in Zusammenhang stehen muss und steht, spricht wohl nicht dagegen, dass man die Zellen der Canalwand als Mesoderm bezeichnet, da man eine besondere den Canal auskleidende Zellenlage nicht wahrnimmt. (Anderenfalls müsste man die Auskleidung des Canals als vom Ectoderm geliefert an- sehen; dies scheint mit Rücksicht darauf, dass man eine etwa den Canal auskleidende besondere Zellenlage nicht beobachtet, nicht räthlich, besonders da sich die erste Einsenkung, die den Canal einleitet zu einer Zeit vorfindet, wo eine besondere Eetodermlage an der Einsenkungsstelle nicht vorhanden ist. Man müsste sonst auch in V, VI, VII die Wand des Canals als Ectoderm ansehen, das dann hier seitlich ohne Grenze in das Mesoderm auslaufen würde, ebenso nach vorn. Thatsächlich würde sich allerdings auch der Auffassung nichts entgegenstellen lassen, dass in der Wand des Canales eine Ectodermlage vorhanden wäre, die sich nur als solche der Be- obachtung entzöge, deren Dicke und Ausbreitung also nicht controlirbar wäre.) — 47 — Es scheint jodoch angemessener, zunächst für die Nomenclatur, um die es sich handeln würde, nur zu verwenden, was sich direct der Beobachtung zugänglich macht und nach dieser wird man aus den Serien erschliessen, dass der Canal innerhalb des Mesoderm gelegen ist und dass dieses an der oberen Eingangsöffnung desselben mit dem Ectoderm im Zusammenhang steht. Gegen die Annahme, dass man die Canalwandungen als Mesodermgebilde bezeichnet, wird auch der Umstand nicht sprechen, dass bei II, also in einem nach der Ausdehnung des Canales zweifellos älteren Stadium als I, sich eine Entodermgrenze unter demselben nicht vorfindet. Aus diesem Umstand würde man nur zweierlei erschliessen können: entweder dass in Folge der Präparation eine vorhandene Entodermgrenze verwischt werden kann oder dass eine Ento- dermgrenze im weiteren Verlauf des Wachsthums an Stellen verschwinden kann, an denen die- selbe früher vorhanden war. Die etwaige dritte Annahme, dass bei I die anscheinende Entoderm- grenze eine Folge der Behandlung des Embryo sei, scheint nicht wahrscheinlich, soll aber doch wenigstens nicht unerwähnt bleiben. Wenn man unter Voraussetzung des eben Gesagten die Wandung des Canales als Mesoderm bezeichnet, dann muss man auch die aus dieser Wand ausgelegte Chorda als ein Mesoderm- gebilde ansehen, soweit dieselbe der oberen Wand des Canales unmittelbar ihren Ursprung verdankt. Es würde sich dann ferner darum handeln, in welcher Weise die nach vorn von dem Canal gelegene Fortsetzung der Wand desselben aufzufassen ist. An dieser Stelle findet man eine besondere Entodermlage in der Regel nicht. Nur in Serie III sind Durchschnitte be- schrieben, an denen sich auch in diesem Bezirk eine wenn auch nicht scharf abgegrenzte, so doch als solche unterscheidbare untere Zellenlage vorfindet, in der die Zellkerne dichter stehen und welche nach den Seiten in das Entoderm übergeht. Berücksichtigt man dies, so ergeben sich wieder drei Möglichkeiten der Erklärung: entweder ist das Bild von Serie III das normale und an guten Präparaten muss eine Grenze vorhanden sein. Dann würde das nach vorn wachsende Mesoderm nur hinten mit dem Mesoderm der Canalwandungen zusammenhängen, also auch nur diesem seinen Ursprung verdanken. Oder es ist das Bild von Serie I und II das normale und eine besondere Entodermlage an entsprechender Stelle nicht erkennbar. Dann würde die Frage entstehen, ob eine solche an dieser Stelle überhaupt nicht vorhanden ist, oder ob dieselbe nur als solche nicht erkennbar ist. Als unmöglich würde auch der erstere Fall nicht zu bezeichnen sein, da unter dem eröffneten Canal zunächst ebenfalls eine Entodermlage fehlt, also jedenfalls Stellen an der Keimscheibe vorhanden sind, unter denen erst eine Entodermlage vorhanden war, später eine solche fehlt; eine be- — . 448 — sondere Wahrscheinlichkeit hat diese Auffassung allerdings nicht für sich, Anderen Falles würde die Entodermlage an der genannten Stelle vorhanden sein, aber als solche nicht abgegrenzt. sein. Es würde darnach dann eine Antheilnahme des Entoderm an der Bildung des Mesoderm an dieser Stelle nicht ausgeschlossen werden können, der Grad dieser aber wiederum nicht bestimmbar sein. Drittens wäre es möglich, dass beide Bilder normale sind. Es würde daraus hervorgehen. dass die verschiedenen Entwicklungsstadien sich verschieden verhielten. Es steht die Frage, ob die Fortsetzung der Canalwandungen nach vorn aus dem Mesoderm oder aus dem Entoderm sich anlegt im directen Zusammenhang nach der Frage von der Entstehung der vorderen Hälfte der Chorda (cf. Serie VII). Denn auch diese ist eine unmittelbare Fortsetzung der Canalwandungen nach vorn und auch an ihr und unter ihr ist eine besondere Entodermlage nicht vorhanden. Demgemäss wird man auch nach dem bisherigen Stand der Sachlage nicht entscheiden können, ob dieser Theil der Chorda dem Entoderm oder dem Mesoderm seinen Ursprung verdankt, da weder die Betheiligung des einen noch des anderen bewiesen oder ausgeschlossen werden kann. Nur würde für denjenigen, welcher die gesammte Chorda als nur aus einem Keimblatt ent- standen annehmen will, sich schwer die Möglichkeit ergeben, dann das vordere Ende der Chorda als entodermal zu bezeichnen, da man für den aus der oberen Canalwand entstandenen Theil der Chorda einen entodermalen Ursprung ausschliessen kann. Es liegt nach den eben angeführten Auseinandersetzungen nahe und ist auch bereits früher von mir (Zool. Anz. Nr. 142) geschehen, einen Versuch zu machen, die von Hertwig aufgestellten Theorien über Chorda und Mesodermbildung auch auf lacerta übertragen. ©. Hertwig hat dies nach den von anderen Autoren und auch von mir vorliegenden Arbeiten bereits selbst gethan und wüsste ich demjenigen, was dieser geehrte Autor für die Unter- stützung seiner Ansicht den betreffenden Arbeiten entnommen hat, augenblicklich kaum etwas zuzufügen. Dagegen sei es mir gestattet, noch einige Punkte namhaft zu machen, die nach der Hertwig’schen Auffassung unterzubringen, mir bis jetzt nicht gelungen ist, und die demnach wohl noch einer Erörterung bedürfen. Die Art und Weise der Entstehung des von Hertwig sogenannten Chorda-Entoblast soll nur kurz erwähnt werden; es ergiebt jedoch ein Vergleich, dass derselbe bei lacerta anders angelegt wird als der Chorda-Entoblast der Amphibien, dass jedenfalls die Beziehungen zum Darmentoblast bei lacerta andere sind, als bei diesen. Es liegt hier die Stelle, an der die Chorda in der oberen Wand der canalis neurentericus angelegt wird, so lange eine völlige — ul) — Eröffnung des horizontalen Canal-Abschnittes nicht erfolgt ist, ganz ausser seitlichem Zusammen- hang mit dem Darmentoblast. Ein solcher kann in demjenigen Abschnitt der Embryonalanlage, in welchem ein canalis neurentericus vorhanden war’, erst secundär nach der Eröffnung des letzteren sich herausbilden. Mit Einschluss der eben angeregten Fragen nach dem Lageverhältniss des Chorda-Ento- bast zum Darmentobast sind es im ganzen vier Punkte, welche einer Erörterung zu bedürfen scheinen, nämlich: 1. Welches ist das Lageverhältniss des Chorda-Entobast zum Darmentobast (mit Berücksichtigung des Vorganges der Eröffnung der unteren Wand des Canalis neurentericus)? Die Stelle, an welcher sich in der oberen Canalwand die Chorda anlegt, steht, wie gesagt, zunächst ganz ausser seitlichem Zusammenhang mit dem Darmentobast (Vergl. Anm. 3, Absatz 2). Mit dem Vorgang der Eröffnung der unteren Wand des canalis neurentericus bei lacerta steht auch der Umstand im unmittelbaren Zusammenhang, dass man die aus der oberen Canalwand angelegte Chorda auf der Entodermseite von einer besonderen Lage von Entoderm- zellen zeitweilig nicht überzogen findet. Trotzdem ist die Chorda an dieser Stelle nicht vom Entoderm angelegt, und es würde aus solchen Entwicklungsvorgängen nur hervorgehen, dass eine ununterbrochene und zu jeder Zeit der Entwicklung vorhandene Entodermlage nicht zu den nothwendigen Erfordernissen einer normalen Keimscheibe gehört. Es geht vielmehr aus denselben hervor, dass die Chorda-Anlage ohne Entodermüberzug seitlich vom Entoderm ein- gefasst sein kann an einer Stelle, an welcher in unmittelbar vorhergehendem Entwicklungs- stadium eine Entodermlage ohne jeden Zusammenhang mit der Chorda-Anlage und den ganzen Querschnitt gleichmässig unterziehend vorhanden war. 2. Ist der Keim nach vorn von der oberen Eingangsöffnung zum Canalis neurentericus (Hertwig’s Blastoporus) zweiblätterig? Wenn man die Figuren Serie I, 3, Serie V, 2, daraufhin vergleicht, so wird man an dieser Stelle überall 3 Keimblätter unterscheiden müssen (Vergl. Anm, 3, Absatz 2), jedenfalls bei Serie V, 2, da bei Serie I, 3, eine scharfe Trennung von Medullarplatte und Mesoderm in der Mittellinie im Bereich der oberen Canalwand noch nicht eingetreten ist. Auf alle Fälle findet man an dieser Stelle einen mit der Chorda-Anlage nicht in Be- ziehung zu setzenden Darmentoblast in der Mittellinie vor, während z. B. in Hertwig’s (Entw. des mittl. Keimblattes I. Th.) Tafel II, Figur 12 ein seitlicher Zusammenhang der Chorda-Anlage mit dem Darmentoblast vorhanden ist, ein freier Darmentoblast in der Mittellinie dagegen nicht. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 58 — 450 — Es wird auch für die Erledigung der genannten Frage nicht etwa der Einwand gemacht werden können, dass man nur die obere Wand des canalis neurentericus der vorderen Blastoporus- lippe der Amphibien gleichsetzen solle, da beide z. B. im Längsschnitt ein sehr ähnliches Bild zeigen; das Verhalten des Darmentoblast bei den Amphibien ist hiermit nicht in Einklang zu bringen; bei diesen wird die Einstülpungshöhle nicht nur durch die spätere Chorda-Anlage, sondern auch durch das spätere Darmepithel begrenzt und ausgekleidet. Das letztere hat aber bei lacerta niemals einen Antheil an der Auskleidung des Canales; es würde dies wohl eines der naheliegendsten Unterscheidungsmerkmale sein. Wenn man also Bilder wie Serie V, 2 zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage ver- wendet, so wird man nach diesen wohl annehmen müssen, dass auch nach vorn von der oberen Canalöffnung in der Mittellinie die Keimscheibe zeitweilig dreiblätterig ist. Erst nach der Eröffnung der unteren Canalwand — ein Vorgang der bei den Amphibien nicht beobachtet ist — würde auch an der gleichen Stelle die Keimscheibe, und zwar wieder nur zeitweilig, zweiblätterig sein. 3. Ist das Mesoderm nach vorn von der oberen Eingangsöffnung zum Canalis neurentericus paarig oder unpaar, und in wie weitund an welchen Stellen hängt es mit anderen Keimschichten zusammen? Was zunächst die Frage anlangt, in welcher Ausdehnung bei lacerta ein Zusammenhang des Ectoderm und Mesoderm in der Fläche vorhanden ist, wie weit also eine directe Trennung beider von einander eintreten muss, so ergibt sich die Antwort aus der Form des Primitivstreifen ; während dieser beim Vogel- und Säugethierembryo erheblich in die Länge gezogen ist, und dagegen nur eine geringe Breite besitzt, in der Ectoderm und Mesoderm mit einander zusammenhängen, ist er bei lacerta viel kürzer, dagegen, wenigstens verhältnissmässig und häufig besonders nach seinem hinteren Ende zu, verbreitert. Daraus ergibt sich, dass eine Trennung von Ectoderm und Mesoderm innerhalb desselben auf einer kürzeren aber relativ breiteren Fläche vorkommt. Die Trennung tritt nach Einsenkung des canalis neurentericus ein. Anmerkung: Dabei sei hier nur kurz zugefügt, dass in dem nach vorn und seitwärts von der oberen Canalöffnung gelegenen Abschnitt sich bei der Trennung von Eetoderm und Mesoderm ein eylindrisches Ectoderm herausbildet, während nach hinten von derselben ein solches nur im beschränkten Umfang und nicht in der Mittellinie sich bildet Dieser Anlage des Mesoderm gemäss kommt ein Zusammenhang desselben mit dem Ectoderm, nachdem es sich gegen dieses abzugrenzen begonnen hat, vor in einem Bezirk ring- förmig um den oberen Eingang zum canalis neurentericus. Für den Zusammenhang des Mesoderm mit dem Entoderm kommt, wenn man von der frühesten Entwicklungszeit absieht, dann die Art und Weise der Ausbreitung desselben nach = el — vorn in Betracht; es ist dabei zu unterscheiden dasjenige Mesoderm, welches sich in der Mittellinie als unmittelbare Fortsetzung der Canalwandungen nach vorn ausbreitet, von dem Theil, welcher weiter seitlich sich vorschiebt. Von diesen Abschnitten läuft der mittlere ohne Grenze nach vorn in einen Zellenstrang aus, der keinen besonderen Entodermüberzug besitzt und seitlich ohne Grenze in das Entoderm eingeschaltet erscheint. Dabei ist festzuhalten, dass, abgesehen von den anderen abgebildeten Entwicklungsstadien, aus Serie VII hervorgeht, dass in der ganzen vorderen Hälfte der zu dieser Zeit vor der oberen Canalöffnung vorhandenen Embryonalanlage (von Schnitt 17—35) die seitlichen Meso- dermplatten auf dem Querschnitt mit dem mittleren Strang, der die Chorda-Anlage enthält, nicht im Zusammenhang stehen. Dagegen folgt etwa in der Mitte der besprochenen Serie eine kurze Strecke (etwa 16, 15, 14,), an welcher ein Zusammenhang der Chorda-Anlage sowohl mit dem seitlichen Mesoderm als mit dem Entoderm vorhanden sein kann. In dem weiter nach hinten hiervon gelegenen Abschnitt, in welchem ein canalis neurentericus früher vorhanden war, hängt das Mesoderm wohl seitlich mit der Chorda-Anlage zusammen, dagegen kann ein Zu- sammenhang mit dem Entoderm, wenn ein solcher vorhanden zu sein scheint, sich erst nach der Eröffnung des Canales herausgebildet haben. Die von 17 aus nach vorn belegenen, seitlich nicht mit der Chorda-Anlage im Zusammen- hang stehenden Mesodermplatten hängen dagegen nach hinten natürlich mit dem dort vor- handenen Mesoderm und dadurch auch mit der Chorda-Anlage zusammen. Für das eben angeführte Entwicklungsstadium VII und die etwas früheren, etwa V und VI, würde nun die Annahme gelten, dass das Mesoderm, so weit es seitlich mit der Chorda- Anlage im Zusammenhang steht, paarig und durch diese in 2 seitliche Abschnitte zerlegt sei. Dabei würde dann aber dahingestellt bleiben, ob und wie weit Mesoderm in der nach vorn von dieser Stelle belegenen mit dem Entoderm seitlich, mit dem Mesoderm dagegen nur nach hinten im Zusammenhang befindlichen Chorda-Anlage vorhanden wäre. Dagegen wäre eine paarige Anlage dieses später paarig erscheinenden Mesoderm wohl nach den Flächenbildern und Durchschnitten von Serie I, II und III auszuschliessen, da man bei diesen Stadien in der oberen Canalwand eine besonders als solche sich hervorhebende Chorda-Anlage nicht bemerkt und demnach keine Veranlassung für die Annahme eines doppelten Mesoderms hat. 4. Ist die Ausbreitung des Mesoderm nach dem Vorgang von Hertwig durch Einfaltung zu erklären? —-— 452 — Dazu sei bemerkt, dass aus den Präparaten bislang eine Hindeutung auf einen solchen Vorgang nicht zu entnehmen war; doch wird dies auch nicht erforderlich sein, sobald man annimmt, dass beide Platten so fest aufeinander gedrückt sein können, dass der Spalt zwischen denselben stellenweise verschwindet. Sucht man also trotzdem die Ausbreitung des Mesoderm durch eine Einfaltung zu erklären, so muss man dabei wohl von einem Entwicklungszustand ausgehen, in welchem ein gegen das Ectoderm abgegrenztes Mesoderm noch nicht vorhanden ist. Dies ist der Fall in einer Zeit der Entwicklung kurz vor derjenigen, in welcher sich das jüngste der oben dargestellten Ent- wicklungsstadien (Serie I) befindet; es ist dies die Zeit, in welcher eine Einsenkung des canalis neurentericus noch nicht vorhanden, dagegen die Anlage des Mesoderm als solider knopf- förmiger Primitivstreifen gegeben ist. Sieht man nun von der Entstehung dieses Zellknopfes selbst ab, so geht aus Serie I und II hervor, dass nach der Einleitung der Bildung des canalis neurentericus sich um diesen und von seiner oberen Ringangsöffnung aus das Mesoderm ring- förmig nach allen Seiten ausbreitet. Wenn man also in dieser Zeit eine Einfaltung des Mesoderm annehmen wollte, so könnte diese nur von der oberen Eingangsöffnung des Canales ringförmig ausgehen, nicht aber seitlich neben der Stelle, an welcher später in der oberen Wand des Canals sich die Chorda anlegt. Es würde der Bezirk dieser Einfaltung bei Serie II mindestens bis Schnitt 11 gehen, vielleicht noch über diesen hinaus. Vergleicht man nun hiermit gleich das Verhalten des Mesoderm in dem letzten der ab- gebildeten Entwicklungsstadien, so findet man in Serie VII dasselbe fast in der ganzen dort vorhandenen Embryonalanlage. In dieser Serie ist nun das Mesoderm von Schnitt 17 an nach vorn frei zwischen Ectoderm und Entoderm gelegen und bis zu seinem vorderen Ende seitlich ausser Zusammenhang mit der Chorda-Anlage; es kann also von Schnitt 17 an nach vorn, wenn man eine Einfaltung annehmen will, dieselbe nicht zu den Seiten der Chorda-Anlage erfolgt sein, sondern höchstens in der Richtung von hinten nach vorn. Dass an dieser Stelle ein seitlicher Zusammenhang des Mesoderm mit der Chorda-Anlage vorhanden gewesen wäre, der sich bereits gelöst hätte, lässt sich aus den Präparaten nicht entnehmen, Da nun aus den früheren Serien (II) hervorging, dass etwa bis Schnitt 11 eine seitliche Einfaltung des Mesoderm neben der Chorda-Anlage behufs dessen erster Anlage nicht statt- gefunden haben kann, und da Serie VII lehrt, dass auch von Schnitt 17 an nach vorn ein solcher Vorgang nicht anzunehmen ist, so bliebe bei Serie VII für die Möglichkeit einer — 4433 9 seitlichen Einfaltung des Mesoderm neben der Chorda-Anlage nur die Strecke von Schnitt 12—16 übrig. Vergleicht man nun damit noch Ser. V, so findet man auf Schnitt 16 und auf der einen Seite noch bei 15 und 14 das Mesoderm seitlich nicht im Zusammenhang mit der Chorda-An- lage. Berücksichtigt man ferner den Umstand, dass nach der Dreitheilung des Mesoderm vor der oberen Canalöffnung dieses in dem jeweiligen vordersten Abschnitt seiner beiden seitlichen Theile stets frei zwischen Eetoderm und Entoderm ohne seitlichen Zusammenhang mit der Chorda-Anlage gelegen ist, sowie dass man es dabei mit einem von hinten nach vorn ablaufenden Entwicklungsvorgang zu thun hat, so bleibt für die Annahme einer seitlichen Einfaltung des Mesoderm neben der Chorda-Anlage behufs Ausbreitung desselben wenig Raum übrig. Jedenfalls kann man aber sagen, dass an derjenigen Stelle, an welcher Hertwig (Ent- wicklung des mittleren Keimblattes II. Theil. Taf. IX. Fig. Ia, Ib) gestützt auf meine frühere Abbildung eine seitliche Einfaltung des Mesoderm neben der Chorda-Anlage annehmen zu können glaubt, dass an dieser Stelle eine solche nicht zur ersten Anlage des Mesoderm geführt haben kann; diese Bilder sind von Stellen der Embryonalanlage, an welcher vorher canalis neuren- tericus gewesen war, der sich eröffnet hat. Und wie aus Ser. II hervorgeht, ist an solcher Stelle überall das Mesoderm anders gebildet. Für die Annahme Hertwig’s würde auch der Umstand nicht sprechen, dass auf den von ihm eitirten Abbildungen die Chorda keinen Entodermüberzug besitzt und dass an ihren Seitenrändern keine abgegrenzte Entodermlage vorhanden ist. Beide Umstände erklären sich mit dem Vorgang der Eröffnung der unteren Canalwand von selbst. — Die erste Ausbreitung des Mesoderm, wie Kölliker dieselbe in seiner Abhandlung über die Entwicklung des Kaninchens abbildet (Festschrift zum Würzburger Universitätsjubiläum. Taf. I. Fig. 4, 5), bietet im Flächenbild eine entschiedene Aehnlichkeit mit der oben (und früher) im Flächenbild zu Ser. II dargestellten Keimscheibe. Bei beiden findet sich dieselbe nach vorn in eine Spitze ausgezogene nach hinten sich verbreiternde Platte. Auch beschreibt Kölliker für das Kaninchen ebenfalls eine Dreitheilung des Mesoderm in dessen vorderstem Abschnitt (l. c. p- 22). Nur ist bei seinem Object auch der mediale Abschnitt des Mesoderm gegen das Entoderm überall abgegrenzt. Was die von His vertretene Ansicht über die Entwicklung und Ausbreitung des mittleren Keimblattes anlangt, so liegen bei lacerta die Verhältnisse insofern anders wie beim Vogelembryo als sich hier eine etwa von der Peripherie nach dem Centrum wachsende Abtheilung des Mesoderm nicht nachweisen lässt; eine Bildung von Mesoderm im Keimwalle und Betheiligung desselben an der Bildung der Gefässe lässt sich vielmehr für die ehe Zeit der Entwicklung bis zur Anlage des Herzens und der ersten Gefässe dadurch ausschliessen, dass bis zu dieser Zeit der innere Rand des Keimwalles und der äussere des Gefässhofes durch eine ziemlich breite intermediäre Zone von einander getrennt sind; es ist dies zum Theil be- reits von mir in einer früheren Arbeit dargestellt. Es soll an dieser Stelle auch nicht näher darauf eingegangen werden, da hierbei hauptsächlich spätere Stadien in Betracht kämen. Es möge dies über die Ausbreitung des Mesoderm genügen. Es sei nur noch darauf hingewiesen, dass in dem Bereich desselben um den Canal nicht ganz unbedeutende Ver- änderungen in der Dicke und Anordnung desselben hervortreten, die allerdings bei der Klein- heit der obigen Figuren nicht sehr augenfällig sind. Bei II. III. IV findet man um den Canal einen dickeren Mesodermstrang, bei V. VI fehlt ein solcher, bei VII ist er wieder vorhanden. Wenn man nicht annehmen will, dass die gleiche Menge von Zellen etwa durch Contractilitätserscheinungen diese Bilder hervorbringen, könnte man nicht unbedeutende Zellverschiebungen innerhalb des Mesoderm als Ursache ansehen, um so mehr als die genannten Veränderungen bei allen den betreffenden Entwicklungsstadien an- gehörigen Embryonen mehr oder minder hervortreten und nicht etwa als individuelle Eigen- thümlichkeiten erscheinen. Es liegt der Gedanke zum mindesten nicht fern, dass es sich hier- bei auch um den Verbleib von Zellen handelt, die früher in der nunmehr eröffneten Canalwand gelegen haben. Ferner würde bei der Besprechung der Veränderungen in der Dicke der Mesodermlage auch noch einmal darauf hinzuweisen sein, dass eine Veränderung in derselben sich auch vor dem Canal beobachten lässt, wie z. B. ein Vergleich von Ser. II. 12. 13 und Ser. IV. 12, 13 ergibt. 2. Beziehung der Beobachtungen auf Entwicklungsvorgänge des Entoderm. Im Anschluss an die oben beschriebenen Präparate, die sich auf das Verhalten des Entoderm unter dem caudalwärts vom Canal gelegenen und aus der hinteren Hälfte des Primitivstreifen gebildeten Endwulst bezogen, soll hier noch das Verhalten des Entoderm hinter dem Canal in späterer Zeit der Entwicklung besprochen werden. Man kann, wie früher von mir beschrieben, im Verlauf der Entwicklung des canalis neurentericus eine frühere Periode unterscheiden, in welcher derselbe aus einem senkrechten Stücke, dem oberen Eingang und aus einem sich an diesen nach vorn anschliessenden horizontalen Abschnitt besteht, und eine spätere, in welcher nach Eröffnung des horizontalen Theiles der ganze Canal senkrecht von oben nach unten oder auch ein wenig schräg nach hinten führt. In der ersten dieser Perioden, solange noch ein horizontaler Theil des Canals besteht, ist, wie —— 455, — auch aus den oben beschriebenen Präparaten hervorgeht, das Entoderm unmittelbar hinter der unteren Ausmündungsstelle als besondere Lage nicht erkennbar ®), tritt aber bald weiter nach hinten als abgegrenzte Zellenlage auf, so dass sie bereits unterhalb der oberen Eingangsöffnung meist als solche schon erkennbar ist. Wenn man nun Präparate von Embryonen, welche zunächst in der Entwicklung auf die oben beschriebenen folgen, auf die gleiche Frage hin untersucht, so findet man, dass in der Zeit, in welcher noch ein horizontaler Theil des Canales vorhanden ist, auch ziemlich die gleichen Verhältnisse obwalten; unmittelbar hinter der unteren Canalöffnung findet man keine Entoderm- grenze (cf. Strahl, Beiträge zur Entwicklung der Rep. His Arch. 1883. Taf. I Fig. 16. 20) zuweilen eher einen Haufen sehr dicht gestellter kleiner Zellen, weiter hinten eine mehr oder minder deutliche, doch wohl stets wenigstens erkennbare Entodermlage vor (l. c. Fig. 15); dieselbe ist oft an den Seiten dicker, als in der Mitte. Kurz vor der Zeit des Rückenmarkschlusses am hinteren Körperende hat sich das untere horizontale Stück des Canales ganz eröffnet; um diese Entwicklungszeit beginnt sich hinter dem Canal im Endwulst ein Medullarstrang anzulegen und der Canal selbst ist seitlich eingefasst von cylindrischen Zellen, die sich in seinen Seitenwandungen anlegten. Mit diesen Seitenwandungen des Canales (l. ce. Fig. 25) ist dann das Entoderm eben so ohne Grenze verbunden, wie es dies früher mit der unteren Canalwand war; seitlich von dieser Stelle ist es überall scharf abgegrenzt. Unter dem Endwulst und besonders unter dem Medullar- strang dagegen findet man es als abgegrenzte Lage (l. c. Fig. 23), die unmittelbar hinter dem Canal nur dünn, nach hinten dann ebenso dick als seitlich ist. Dann folgt nach Schluss des Rückenmarkes eine Entwicklungszeit, in der unter der hinteren Hälfte des Endwulstes, die zur Allantoisanlage wird, sich mit dem Entoderm die Darmfaser- platte loslöst. Auch dann ist unter dem vorderen Theil des Endwulstes, also zwischen Allantois und Canal noch eine Entodermgrenze vorhanden. (Cfr, Strahl, Ueber die Entwicklung des canalis myelo entericus His’ Archiv 1881 Taf. VII. Fig. 23. Die Grenze in dieser Figur könnte noch deutlicher sein, wie sich überhaupt nach diesen Auseinandersetzungen einige frühere Angaben modificiren und in einigen Figuren die Entodermgrenze hinter dem Canal deutlicher sein muss.) In der sich dann anschliessenden Entwicklungszeit dagegen, in welcher unter dem Endwulst durch eine Falte der von der Allantois abgelösten Darmfaserplatte und des Entoderm sich die Verbindung des Enddarms mit der sich inzwischen aushöhlenden Allantois herstellt, findet man hinter dem Canal in der oberen Wand des Ganges und am unteren Rand des Medullar- stranges keine besondere Entodermlage vor. (L. e. etwa Fig. 25. Aehnliche Bilder liefern — Abb Durchschnitte von L. viridis, die in einer eben im Druck befindlichen Abhandlung abgebildet sind.) An der eben besprochenen Stelle fehlt die Entodermgrenze an allen mir bis jetzt vor- liegenden Objecten. Noch später lassen sich geeignete Querschnittserien durch ein grösseres Stück vom hinteren Ende des Embryonalkörpers nur schwierig anfertigen. Auch liegt dann bald der Canal in der sich herausbildenden Schwanzspitze. Wenn man diese Beobachtungen für die Entwicklung des Schwanzendes verwerthen will, so könnte man am ehesten denken, dass die Verschmelzung des Entoderm mit dem Medullar- strang ein Vorgang sei, der auf die beginnende Verschiebung des Canals nach hinten verweist. Es erscheint dies nicht-unmöglich, da man einen ähnlichen Vorgang in der unteren Wand des Canals bei deren Eröffnung beobachtet. Auch hier tritt zunächst vor der Eröffnung des Canals ein Entwicklungszustand ein, in welchem man eine Entodermgrenze in der unteren Canalwand nicht bemerkt, an einer Stelle, wo dieselbe früher vorhanden war und dann erfolgt die Er- öffnung der Canalwand. Beide Vorgänge haben jedenfalls so viel Aehnlichkeit miteinander, dass die Vermuthung nicht allzu fern liegt, der Mangel der Grenze hinter dem Canal sei das Zeichen für den Beginn der Verschiebung desselben von vorn nach hinten. Jedenfalls ergaben die Be- obachtungen, dass man in früherer Zeit der Entwicklung nach hinten von der unteren Aus- mündungsstelle des canalis neurentericus eine Entodermgrenze vorfindet, während in späterer Zeit hinter dem Canal eine solche stellenweise nicht vorhanden ist. Anmerkung. Gelegentlich der Bespreehung der Verhältnisse des Entoderm soll noch eine Serie von Quer- schnitten erwähnt werden, welche während der Anfertigung der vorliegenden Arbeit geschnitten wurde und sonst nicht besprochen ist. Dieselbe ist angefertigt von einer Keimscheibe, die nicht vom Dotter abgehoben, sondern mit diesem geschnitten wurde. Es liessen sich daher makros- kopisch die Entwieklungsverhältnisse nicht sehr genau bestimmen, doch war die Keimscheibe von derselben Eidechse, von der die in III abgebildete Keimscheibe stammte; auch die Durchschnitte, welche ein wenig schräg zur Längsaxe gefallen waren, ergaben etwa einen gleichen Entwicklungszustand. An den Durchschnitten durch die untere Ausgangsöffnung des Canales fand sich die Er- öffnungsstelle seitlich. Es war noch eine untere Canalwand, von wenigen kleinen Zellen gebildet, vorhanden. Dann folgten Schnitte, auf denen frei unter der ehemaligen oberen Canalwand kleine Zellen lagen, die bei einer Abnahme der Keimscheibe vom Dotter vermuth- lich auf diesem haften geblieben wären. Dann folgten weiter nach vorn Schnitte, auf denen unter dem Bereich der Keimscheibe sich eine zusammenhängende Entodermlage vorfand, die aber in der Medianlinie vom Mesoderm abwich, so dass das Bild eines engen Canales entstand. Noch weiter nach vorn kommen dann Schnitte, welche die vorderen Ausläufer des Mesoderm enthalten. Es ist an denselben eine vollständige Entodermlage vorhanden auf welcher die Mesodermzellen wie aufgelagert erscheinen. Diese letztere Beobachtung erscheint nicht ohne Bedentung für die Frage nach der Herkunft des voderen Chorda-Endes und soll noch weiter verfolgt werden. —ı 7 ale 3. Beziehung der Beobachtungen auf Entwicklungsvorgänge desEctoderm. Wie bereits Eingangs hervorgehoben, ist im Interesse einer einfacheren Darstellung in obigen Ausführungen überall für das Ectoderm, soweit es aus hohen, cylindrischen Zellen be- steht, der Ausdruck Medullarplatte gebraucht, obgleich damit zusammengefasst ist derjenige Theil desselben, der nur zur Anlage des Centralnervensystems verwandt wird mit demjenigen, der das Hornblatt liefert. Es soll zur Ergänzung der folgenden Auseinandersetzungen kurz auf das Verhalten des Ectoderm in früheren Entwicklungsstadien zurückgegangen werden. Bereits Kupffer hat gegenüber Clark hervorgeboben, dass das Ectoderm im Bereich des Embryonalschildes vor der Anlage des canalis neurentericus aus hohen, nach aussen allmählich in niedrigere übergehenden Zellen bestehe. Diese Beobachtung kann ich durchaus bestätigen, ebenso wie die Bemerkung Kupffer’s, dass der Uebergang, des hohen in das niedrigere Ecto- derm ein allmählicher, kein sprungweiser sei. Ebensowenig wie Kupffer finde ich an gut er- härteten Keimscheiben eine den Embryonalschild umgebende Furche. Dies hohe Eetoderm im Bereich des Embryonalschildes sondert sich aus der durch die Furchung gebildeten dicken, mehrere Zellenlagen über einander enthaltenden Keimscheibe ab, indem sich in dieser eine obere und eine untere Zellschicht trennen. Es kommen Keimscheiben mit bereits deutlichem Embryonalschild vor, bei welchen die Ectodermlage von dem Entoderm nur durch einzelne Lücken geschieden wird, während dazwischen an vielen Stellen noch ein Zusammenhang derselben vorhanden ist. Es entwickelt sich dann im Bereich des Embryonalschildes die beschriebene Platte hoher eylindrischer Zellen mit dicht gestellten, ziemlich kleinen Kernen; diese Platte liefert das Hornblatt und die eigentliche Medullarplatte und geht aus den Beobachtungen hervor, dass der Bereich, in welchem sich die cylindrischen Zellen vorfinden, bis zur völligen Ausbildung der Embryonalanlage kleiner wird und zwar zuerst in der Richtung von vorn nach hinten; dies geht aus dem Umstand hervor, dass man in späterer Zeit auf viel weniger Schnitten nach vorn vom canalis neurentericus die hohe Ectodermlage findet, als früher; dann auch in der Richtung von den Seiten, wie ein einfacher Vergleich von Serie VII und Serie VI ergibt. °) Dabei kommt zugleich ein Ausgleich einer früher vorhandenen, mittleren, dünnen Stelle der eigentlichen Medullarplatte, die auch schon Kölliker für den Säugethierembryo beschrieben hat, zu Stande. Bei VII findet man unmittelbar vor dem Canal die Medullarplatte in der Mitte überall wenigstens ebenso dick, wie an ihrer Uebergangsstelle in das Hornblatt. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 59 —ı 458 — Es geht also aus den Beobachtungen hervor, dass das Hornblatt in gleicher Weise wie die eigentliche Medullarplatte, und von dieser zunächst im Aussehen nicht zu trennen aus hohen cylindrischen Zellen sich anlegt, die später niedrig und cubisch werden. Es bezieht sich dies nicht nur auf denjenigen Theil des Hornblattes, der später die Urwirbelplatten überkleidet, sondern möglicher Weise auch noch auf den nach vorn von der Embryonalanlage gelegenen, der in die Kopfscheide aufgenommen und später zur Bildung des Amnion und der serösen Hülle verwandt wird. Es lässt sich wenigstens auch dieser Bezirk nicht ausschliessen. ?) Es erklärt sich auch damit das oben beschriebene Vorkommen von cylindrischem Ecto- derm nach hinten von deroberen Eingangsöffnung vom Canal, also in einem Bezirk der Em- bryonalanlage, in welchem niemals eine Rückenfurche sich bildet, sondern das Rückenmark ohne eine solche aus dem Medullarstrang sich anlegt. Hier werden eben die Cylinderzellen, wie die Beobachtung älterer Entwicklungsstadien lehrt, lediglich zur Bildung des Hornblattes verwandt. Es schliessen sich an dieser Stelle an die Besprechung der Veränderungen im Ectoderm am besten auch wohl noch einige Bemerkungen an, welche sich auf Beobachtungen über das Verhalten des Ectoderm im vorderen Ende des Primitivstreifens beziehen, und welche an neuerdings angefertigten sonst noch nicht beschriebenen Präparaten gemacht wurden. Es war früher beschrieben, dass der canalis neurentericus sich mitten auf dem Primitiv- streifen anlegt und dass in dem vor dem Canal gelegenen, zunächst nicht differenzirten Abschnitt desselben sich durch einen Differenzirungsvorgang das Ectoderm vom Mesoderm sondert. Dieser Differenzirungsvorgang konnte nun genauer beobachtet werden. Man bemerkt nämlich an geeigneten Präparaten, dass zuerst in der obersten Zellschicht vor dem sich einsenkenden Canal eine Streifung auftritt, welche durch das Auftreten von cylindrischen Zellen bedingt ist, die früher an dieser Stelle nicht vorhanden waren. Zuweilen kann dieser Charakter der Zellen in der Seitenwand des sich einsenkenden Canales deutlicher hervortreten, als an dem nach vorn von dieser Stelle gelegenenen Primitivstreifenabschnitt. Dann bemerkt man, dass zugleich von vorn und von den Seiten her eine allmähliche Lösung des Mesoderm vom Ectoderm eintritt, während in der Mitte beide noch fest ver- einigt sind. Das Entoderm ist an den meisten Präparaten an dieser Stelle, wenn nicht abgegrenzt, so doch an der Beschaffenheit seiner grossen, runden, körnchenreichen Zellen deutlich erkennbar. (Der Eindruck seines Verhaltens zum Mesoderm ist immerhin ein anderer als zum Beispiel der des früher beschriebenen der oberen Zellenlage des Primitivstreifen hinter der oberen == 2a) — Canalöffnung. Bei letzterem sind die Zellen der oberen und mittleren Lagen einander anfänglich viel ähnlicher, es erscheinen dieselben als eine gleichartige Zellenmasse, bei welcher nur in oberer Lage die Kerne dichter stehen; das Entoderm dagegen, auch wenn es dem Mesoderm sehr dicht und fest angelagert ist, so dass man keine eigentliche Grenze wahrnimmt, setzt sich doch eher durch den Character seiner Zeilen ab). Wenn die beschriebene Loslösung des Mesoderm vom Ectoderm in der Spitze des Primitivstreifen eingetreten ist, dann wächst das Mesoderm nach vorn dem Entoderm eng anliegend und sich gleichsam auf diesem verlierend. Es liegen mir Schnittserien vor, bei welchen man an dem Vorderende des Primitivstreifen die Mesodermzellen dem Entoderm gleichsam aufliegen sieht, je weiter nach vorn desto weniger an Zahl. Das Verhalten vom Mesoderm hinter dem Canal ist oben bereits beschrieben. Doch will ich hier noch anschliessen, dass, während sonst in der Zeit vor der Anlage des Canals und in der ersten Zeit der Entwicklung desselben in dem hinteren Theil des Primitivstreifen ein gegen das Ectoderm abgegrenztes Mesoderm nicht beobachtet wird, mir eine Querschnittserie vorliegt mit Primitivstreifen ohne Canal, an welcher am hinteren Ende des Streifens sich zwischen einer niedrigen Ectodermlage und dem Entoderm eine grosse Anzahl kleiner, nur locker mit einander ver- bundener, zum Theil frei liegender Mesodermzellen vorfindet. Wenn diese Anordnung derselben nicht eine durch die Behandlung der Keimscheibe bewirkte ist, so würde aus diesen Präparaten hervorgehen, dass eben in einzelnen Fällen eine Trennung des Ectoderm vom Mesoderm bereits vor Anlage des Canales eintreten kann, während das Fehlen einer solchen wohl die Regel bilden würde. Im Folgenden sollen eine Anzahl von Punkten aus den obigen Auseinandersetzungen noch einmal kurz hervorgehoben werden. 1. Die spätere Medullarplatte und das Hornblatt bilden in früher Entwicklungszeit eine zusammenhängende Platte hoher cylindrischer Zelien, in welcher die Anlagen beider nicht von einander zu trennen sind. Das Hornblatt wird dadurch von der Medullarplatte unterscheidbar , dass man an gleicher Stelle, an der sich früher hohe Zellen befanden, später eine einschichtige Lage niedriger cubischer Zellen antrifft. Soweit die cylindrischen Eetoderm-Zellen sich hinter der oberen Eingangsöffnung zum canalis neurentericus vorfinden, kann aus denselben überhaupt nur Hornblatt angelegt werden, da an dieser Stelle keine Rückenfurche mehr gebildet wird, also auch keine eigentliche Medullarplatte vorkommen kann. — 4607 — 2. Während man in früherer Zeit die Medullarplatte dicht vor dem canalis neurentericus in der Mittellinie dünner findet, als zu den Seiten, ist dieselbe an gleicher Stelle zur Zeit der Anlage der Kopfscheide in der Mitte nicht dünner als seitwärts. 3. Von der Zeit der Eröffnung des canalis neurentericus an findet sich nach hinten von der oberen Eingangsöffnung desselben unter dem Endwulst eine abgegrenzte Entodermlage, die zuweilen nur in der Mitte viel dünner ist, als seitlich. Erst zur Zeit der Entwicklung des Enddarms und der Bildung einer Verbindung desselben mit der Allantois tritt ein Entwicklungs- zustand ein, in welchem hinter dem canalis neurentericus unter dem im Endwulst angelegten Medullarstrang eine Entodermgrenze nicht beobachtet wird. 3. Das Mesoderm breitet sich ringförmig nach allen Seiten um den canalis neurentericus aus. Bald tritt in dem nach vorn von der oberen Eingangsöffnung zum Canal gelegenen Ab- schnitt eine schon von Kupffer beschriebene Dreitheilung des Mesoderm ein. Die mittlere Partie bildet die unmittelbare Fortsetzung der Canalwandungen nach vorn, und zwar vor der Eröffnung die Fortsetzung der ganzen den Canal einschliessenden Wand, nach der Eröffnung die der ehemaligen oberen Canalwand. Sie ist stellenweise vom Entoderm nicht zu trennen. Die beiden seitlichen Abschnitte sind gegen Ectoderm und Entoderm stets abgegrenzt. Nach hinten vom canalis neurentericus ist das Mesoderm in der Regel zu früher Ent- wicklungszeit von einer Ectodermlage nicht zu trennen. Dasselbe erscheint in den verschie- denen Entwicklungsstadien an dieser Stelle verschieden dick; während zuerst sich ein mittlerer dickerer Strang entwickelt, verschwindet derselbe dann, um später wieder hervorzutreten. 4. Die Chorda, soweit dieselbe aus der oberen Wand des canalis neurentericus angelegt wird und seitlich mit dem Mesoderm im Zusammenhang steht, ist stets in Verbindung mit dem- jenigen Theil, welcher, weiter vorn im Embryo gelegen, für lange Zeit der Entwicklung als Entodermverdickung erscheint. Eine ganz selbstständige Anlage des letzteren Abschnittes ist demnach nicht anzunehmen, und eine Betheiligung von Zellen des hinteren direct aus der Canalwand angelegten Theils derselben ebensowenig auszuschliessen, als eventuell eine Betheiligung des Entoderm. AI IB — nl Anmerkungen. 1) Die Arbeiten von ©.K. Hoffmann (Contribution ä l’histoire du d&veloppement des rep- tiles, Arch. neerl. T. 17, 2 livr.) und Weldon sind mir erst während des Druckes der Arbeit zugänglich gewesen. In der ersteren finde ich keine von den meinigen abweichende Beobachtungen, soweit es sich um frühe Stadien handelt; die letztere siehe Anm. 5. 2) Der Ausdruck »Mesoderm« ist in obiger Darstellung gebraucht nicht nur für denjenigen Theil, welcher peripherisch liegt und gegen Ecetoderm abgegrenzt ist, sondern auch für den im Bereich des Primitivstreifen noch nicht vom Ectoderm getrennten. Es steht dies in Ueberein- stimmung mit der Nomenclatur von Kölliker. (Vergl. z. B. Grundriss der Entwicklungs- geschichte pag. 99. »Diese Wucherung des äusseren Keimblattes [nämlich der Primitivstreifen] ist, wie beim Hühnchen nichts anderes als die erste Anlage des Mesoderma.« Dazu Fig. 90.) 3) Die grösste Ausdehnung des canalis neurentericus finde ich an den mir bis jetzt vor- liegenden Objecten an einer Querschnittserie, bei welcher derselbe durch 20 Schnitte von je 0,02 mm Dicke verläuft, demgemäss eine Länge von 0,4 mm besitzt. — An einer anderen Serie, an welcher der Canal eben eröffnet ist und noch durch 12 Schnitte von 0,02 mm Dicke ‚reicht, finde ich in dem uneröffneten Abschnitt freie Zellen im Lumen liegen; unter demselben Theil ist fast durchgängig eine abgegrenzte Entodermlage vorhanden, so dass dieselben das gleiche Bild liefern, wie oben beschrieben: zwischen Medullar- platte und Entoderm liegt ein dicker Mesodermstrang, der den Canalquerschnitt einschliesst ; in der oberen Wand des letzteren noch keine Chorda-Anlage. 4) Des engen Zusammenhanges der Objecte halber möchte ich an dieser Stelle auch auf die während des Druckes der vorstehenden Abhandlung erschienene Fortsetzung der ausführlichen Untersuchungen von Kupffer »Die Gastrulation an den meroblastischen Eiern der Wirbelthiere und die Bedeutung des Primitivstreifs,« Archiv für Anatomie und Physiologie 1884 anat. Abth. Pag. 1 zu sprechen kommen. Kupffer erörtert in derselben auch von neuem die Anlage des canalis neurentericus bei den Reptilien und bin ich durchaus damit einverstanden, wenn Kupffer selbst die jetzt noch für die Entwicklung von l. agilis bestehenden Differenzen unserer beiderseitigen Darstellung mehr in die Auffassung und Deutung als in die Beobachtung verlegt. Auch die weiter noch in Frage stehenden Punkte lassen sich vielleicht auf diesem Wege erledigen. ee Was zunächst die Frage der Gastrulation anlangt so habe ich selbst bereits vor einiger Zeit (Zool. Anz. 1883 Nr. 142) erklärt, dass die Erledigung dieser Frage wohl lediglich Sache des Uebereinkommens sei. Es sind an genannter Stelle der Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten eine grössere Zahl gegeben, die sich vielleicht noch vervollständigen liesse. Es wird sich aus dieser Zusammenstellung eine Ansicht über den in Rede stehenden Bildungsvorgang leicht ergeben, und bin ich mit Kupffer ganz der Ansicht, dass bei der Wahl der Nomenclatur es dann: nur darauf ankommt, ob man mehr das Trennende oder das Verbindende betonen will. Eine Ver- anlassung, meinen dort dargelegten Standpunkt zu verlassen, habe ich bis jetzt nicht. Ich habe dies um so weniger, als selbst die Ansichten derjenigen Autoren, welche den als Gastrulation bezeichneten Entwicklungsvorgang niederer Wirbelthiere bei dem Embryo des Vogels und Reptils wiederzufinden suchten, noch weit auseinander gehen. So bezeichnet Kupffer als Blastoporus die obere Eingangsöffnung des canalis neurentericus; Kollmann (der Mesoblast und die Entwicklung der Gewebe bei Wirbelthieren. Biol. Centralblatt Band III Nr. 24) und Sarrasin (Reifung und Furchung des Reptilieneies, Wiesbaden 1883), dessen Arbeit bei Semper angefertigt ist, vertreten die Ansicht, dass der äussere Rand der Keimscheibe, also demgemäss in vorgeschrittener Entwicklungszeit das Loch am Gegenpol des Eies die gleiche Bedeutung habe, während Rauber für das Vogelei die gesammte Primitivrinne, an der er noch einen queren Ab- schnitt unterscheidet, den canalis neurentericus und das Dotterloch zusammen als Blastoporus angesehen wissen will. Unter diesen Umständen erscheint es mir gerathener den bisher eingenommenen Standpunkt für jetzt nicht zu verlassen. Wenn Kupffer jedoch angibt, dass meine Beweisführung, so weit sie sich auf die Anlage des mittleren Keimblattes stützt, durch meine eigene Annahme abgeschwächt würde, dass man den Primitivstreifen am zweckmässigsten als indifferentes Material ansähe, so kann ich mich dieser Auffassung doch nicht anschliessen. Wenn Kupffer sagt, dass man bei obiger Annahme die inneren Zellen des Knopfes des Primitivstreifen nicht als Mesoderm ansehen könne, so möchte ich einmal auf Anmerkung 9 verweisen und ausserdem beifügen, dass ich auch in meinen Dar- stellungen einen Widerspruch nicht recht zu finden vermag. Es scheint mir als ob man sehr wohl den Primitivstreifen als ein indifferentes Material bezeiehnen könne, da in demselben un- unterscheidbar die Anlagen der verschiedensten Gebilde enthalten sind und dass man trotzdem mit der Anlage des Primitivstreifen auch die Anlage des Mesoderm gegeben sein lässt, selbst ehe noch eine Trennung in einzelne Zellschichten vor sich gegangen ist. Es enthält dann eben der Primitivstreifen das noch undifferenzirte Mesoderm, welches deshalb doch immerhin Meso- — 210) derm wäre. Es scheint mir dies um so erlaubter, als ja der vordere Theil des Primitivstreifen lediglich in Ectoderm und Mesoderm zerfällt. Da nun in der vorstehenden Abhandlung erst von einem Entwicklungsstadium ausgegangen ist, in welchem bereits ein canalis neurentericus vorhanden ist, so soll in dem Folgenden noch eine kurze Uebersicht über die diesem vorausgehenden Entwicklungsvorgänge gegeben werden, wie dieselben sich nach den mir jetzt vorliegenden Präparaten ausnehmen. Bei völlig entwickeltem Primitivstreifen ohne Anlage des Canals findet man, dass ersterer von einem meist länglich ovalen oder birnförmigen oder auch fast dreieckigen Haufen von kleinen rundlichen Zellen gebildet wird. (Die früher von mir gegebene Zeichnung war nach einem weniger geeigneten Object angefertigt und liegen mir jetzt bessere vor.) Auf Durch- schnitten erscheint das Verhalten des Entoderm nicht an allen Präparaten gleich; während an einzelnen keine Spur einer Grenze sichtbar ist, möchte man bei anderen dazu neigen, eine wenigstens stellenweise abgegrenzte mehr oder minder dicke Entodermlage anzunehmen. Die ganze Keimscheibe ausserhalb des Primitivstreifen besteht nur aus Ectoderm und Entoderm und zwar besteht nach vorn von dem Primitivstreifen das Ectoderm aus hohen, cylindrischen, nach hinten von demselben und seitlich aus niedrigen cubischen Zellen, während unter diesen überall ein mehrschichtiges, aus grossen rundlichen Zellen bestehendes Entoderm vorhanden ist, An einer soweit ausgebildeten Keimscheibe treten nun drei vielleicht völlig von einander zu trennende Entwicklungsvorgänge auf. 1. Es grenzt sich unter dem Primitivstreifen sofern es nicht bereits vorher vorhanden war, ein einschichtiges Entoderm ab. 2. Es senkt sich von oben her in der Mitte des Primitivstreifen der canalis neurentericus zunächst gerade nach unten dann nach vorn fortwachsend ein. 3. Es tritt in dem Bereich des Primitivstreifens eine Trennung des Ectoderm vom Meso- derm ein. Diese Trennung oder Differenzirung beginnt in der Peripherie des Primitivstreifens. Hier kann man zuerst Ectoderm und, Mesoderm als von einander geschiedene Zellenlagen beobachten. Sobald an dem äussersten Rande des Primitivstreifen die erste Sonderung in Ecto- derm und Mesoderm stattgefunden hat, entwickelt sich letzteres nunmehr nach zwei Richtungen weiter: einmal nach der Peripherie, stets getrennt vom Ectoderm und in seinen äussersten Theilen hauptsächlich das mittlere Keimblatt des Gefässhofes liefernd; zweitens nach der Mitte des Primitivstreifen; in dieser Richtung sind zwei scharf von einander geschiedene Abtheilungen zu unterscheiden, nämlich die durch die obere Eingangsöffnung zum canalis neurentericus von einander getrennte vordere und hintere Hälfte. In der vorderen Hälfte trennen sich von ge einander die aus hohen cylindrischen Zellen bestehende Meaullarplatte von unter ihr gelegenem Mesoderm, welches den canalis neurentericus einschliesst. In diesem Bezirk entwickelt sich später das Rückenmark aus der Rückenfurche. In der hinteren Hälfte des Primitivstreifen stellt die sich zunächst differenzirende Ectodermlage, die zuerst aus einer dickeren, später aus einer dünneren Schicht cubischer Zellen besteht, das Hornblatt dar. Der unter diesem belegene in der Mitte noch ziemlich dicke Wulst von Zellen enthält am Rande nur Mesoderm allein, in der Mitte dagegen zunächst vereinigt die Anlage für den letzten Theil des Rückenmarkes, welches in dieser Region nirgends mehr aus einer Furche sich bildet, ferner die Anlage für das letzte Ende der Chorda, für den Schwanzdarm, seitlich für die Urwirbel und in der am weitesten nach hinten gelegenen Partie auch die Anlage für die Allantois. Alle diese letztgenannten Gebilde entwickeln sich erst, nachdem im Bereiche des vorderen Theiles sich die Rückenfurche zum Rohr geschlossen hat, und ist von der Differenzirung des Hornblattes zuerst auch noch eine kleine Partie der Median- linie ausgeschlossen, in welche sich die letzten gabeligen Ausläufer der oberen Canalöffnung erstrecken. Es ist dies im wesentlichen der Entwicklungsvorgang im Bereich des Primitivstreifen. Es wird hiernach wohl lediglich im Belieben der Autoren liegen, sich die ihnen am meisten zu- sagenden Bezeichnungsweisen auszuwählen. Der Hauptunterschied in der Umwandlung inner- halb der vorderen und hinteren Hälfte des Primitivstreifen beruht eben darin, dass in der vorderen sogleich das gesammte Ectoderm von dem gesammten Mesoderm getrennt wird, während in der hinteren zunächst nur ein Theil des Ectoderm, das Hornblatt abgetrennnt wird, während die Sonderung des zurückbleibenden Zellenrestes in seine definitiven Bestandtheile einer späteren Entwicklungszeit vorbehalten bleibt. Wenn oben gesagt wurde, dass die drei beschriebenen Entwicklungsvorgänge, Sonderung des Entoderm, Anlage des canalis neurentericus und Trennung des Ectoderm vom Mesoderm und vom Medullarstrang als anscheinend von einander unabhängige Vorgänge zu betrachten seien, so ist dies aus folgendem Grund geschehen: für gewöhnlich scheint die Bildung des canalis neurentericus etwa gleichzeitig mit dem Auftreten des vom Ectoderm getrennten Meso- derm am Rände des Primitivstreifen vor sich zu gehen. Es kann jedoch auch vorkommen, dass man an dem hinteren Ende des Primitivstreifen bereits 3 getrennte Zellenlagen vorfindet, ehe noch die Bildung des canalis neurentericus sich einleitet. Es liegt mir, wie oben erwähnt, eine Serie von Querschnitten vor, welche diesen Umstand erkennen lässt. Bei derselben löst sich der gesammte Primitivstreifen nach hinten in eine obere und untere Zellenlage auf, welche zahlreiche unregelmässig durcheinander gelagerte und sehr locker angeordnete Zellen zwischen sich schliessen, die weder mit der oberen noch der unteren Lage in Zusammenhang stehen. — 465 — Hier wäre also vom Ectoderm getrenntes Mesoderm ohne canalis neurentericus vorhanden. Selbst wenn man nun die Kupffer’sche Nomenclatur anwendet, so wird sich sachlich auch gegen meine bisherige Darstellung kaum etwas einwenden lassen; denn wenn man einen Zellenklumpen vorfindet, der sich wie die vordere Hälfte des Primitivstreifen einfach in zwei Lagen trennt, die man als Ectoderm und Mesoderm bezeichnet, so wird man die gleiche Bezeichnung wohl auch auf dieselben Zellen anwenden können, so lange sie noch nicht von einander getrennt sind. (Vergl. Anm. 2.) Die einzige Frage, in welcher Kupffer meinen Angaben direct widersprechen zu müssen glaubt, wird sich lediglich als eine Differenz der Nomenclatur auffassen lassen. Es ist dies die Frage, ob die Rückenwülste den canalis neurentericus hinten umgreifen oder nicht. Kupffer gibt letzteres an, ich selbst habe es in Abrede gestellt. Nun ist mir der Bogen den Kupffer als Schlussbogen bezeichnet ebenfalls wohl bekannt und habe ich denselben früher verschiedentlich abgebildet. Ich habe denselben jedoch nicht als zu der Rückenfurche gehörig betrachtet, da er bereits vorhanden ist, ehe noch die Rückenfurche die obere Eingangsöffnung des Canales erreicht hat. Erst nachträglich mit der weiteren Aus- bildung der Rückenfurche bis an die obere Eingangsöffnung des Canales erscheint auch die Seitenwand der letzteren als unmittelbare Fortsetzung der Rückenwülste. Es zieht sich jedoch auch jetzt die obere Eingangsöffnung des Canales nach hinten in eine kurze gabelförmige Furche aus, welche sich später ausgleicht und niemals in den Bereich der Rückenwülste hineingezogen wird sondern oberhalb des Medullarstrangs liegt. Besonders aus diesem letzteren Umstande den auch Kupffer anführt, dass nämlich hinter dem Canal niemals eine Rückenmarksbildung aus einer Furche stattfindet, habe ich mich veranlasst gesehen, ein Umgreifen der Rückenwülste um die obere Canalöffnung in Abrede zu stellen. Ich fasste vielmehr die Seitenwand der oberen Canalöffnung als die Uebergangsstelle auf, an welcher Rückenmark aus Rückenfurche und Rücken- mark aus Medullarstrang aneinanderstossen. Wenn Kupffer diese Stelle als Rückenfurche bezeichnen will so steht dem für ältere Entwicklungsstadien ja auch nichts entgegen, doch wäre dann festzuhalten, dass dieser Theil der Rückenfurche anders und unabhängig von dem nach vorn belegenen entsteht. Es sind die bei diesem Entwicklungsvorgang in Frage kommenden Verhältnisse bereits früher von mir ausführlich erörtert. (Beiträge zur Entwicklung der Rep. His’ Arch. 1882). Dieselben laufen im wesentlichen darauf hinaus, dass in der ursprünglich eine Ebene bildenden Oberfläche des Primitivstreifen vor der oberen Canalöffnung der Boden der Rückenfurche gegeben ist, hinter dem Canal die Decke des geschlossenen Rückenmarkes. In einer anderen Beziehung kann ich mich allerdings den Darstellungen von Kupffer Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII. 60 — 466 — auch jetzt nicht anschliessen, dass nämlich aus der Wand des eingestülpten Blastoderm sich ein Theil des Hinterdarmes entwickeln soll. An keinem meiner Öbjecte ist ein solcher Vorgaug mir bis jetzt nachweisbar gewesen. Das, was Kupffer an einem Längsschnitt von 1. viridis als zum Hinterdarm gehörig auffasst (1882 Tafel IV Fig. 39. ec.) möchte ich als solchen nicht bezeichnen. Dieser untere horizontale Theil des Canales ist kein bleibendes Gebilde, sondern er eröffnet sich, und auf das von Kupffer abgebildete Entwicklungsstadium folgt ein späteres, in welchem von einer Nische an der unteren Ausmündung des Canales keine Spur vorhanden ist. Die bleibende untere Wand des Hinterdarms legt sich erst später mit der Drehung der Allantois nach vorne an. Von einer Betheiligung der Zellen, welche den Canal ursprünglich ausgekleidet haben, an der Bildung des Darmepithels lässt sich an meinen Objeeten nichts nachweisen. Abgesehen von einer Stelle unter der vordersten Spitze des Canales vor dem Durchbruch desselben und der Stelle unmittelbar hinter der unteren Ausmündungsstelle des Canales nach dem Durchbruch, finde ich zu dieser Zeit stets ein überall abgegrenztes Entoderm vor; dasselbe ist demgemäss nur an denjenigen Stellen zeitweise nicht sichtbar, an denen die Eröffnung des Canales gerade bevorsteht. Bei der Schwierigkeit einer sicheren Feststellung über den eigentlichen Eröffnungs- vorgang, sowie über den Verbleib der Zellen, welche die unteren und die seitlichen Wände des Canales bildeten, wird der Beweis dafür, dass dieselben späterhin Darmepithel liefern sollen, nicht leicht zu führen sein. Von der oberen Canalwand dagegen lässt sich der Nachweis direkt führen, dass dieselbe zur Begrenzung des Darmes nicht verwandt wird. Denn wenn dieselbe auch zeitweilig vor der Anlage des Darms den späteren Darmraum mitbegrenzt, so lässt sich doch hier beobachten, dass das Entoderm von den Seiten her unter dieselbe wieder herunter wächst. 5) In der Arbeit von Weldon (The Quarterly Journal Jan. 83. pag. 134 Tafel 4, 5, 6) sind ähnliche Entwicklungsstadien, wie die hier in Rede stehenden von lacerta muralis be- schrieben. Auch hier stimmt die Darstellung in allem Thatsächlichen mit den von mir ver- öffentlichten Beobachtungen überein; auch hier würden etwaige Differenzpunkte wohl nur auf die Auffassung der Durchschnittsbilder hinauslaufen. Zunächst findet Weldon auch bei lacerta muralis einen Primitivstreifen vor, ähnlich wie denselben Balfour (Handbuch der ver- gleichenden Embryologie Band 2, pag. 182) kurz erwähnt und wie ich ihn für lacerta agilis beschrieben habe. Es ist demgemäss auch hier das Material für die Wände des canalis neu- rentericus eher angelegt, ehe eine Einbuchtung auftritt. Sodann beschreibt Weldon die Anlage des Canales selbst, die er an das Vorderende des Primitivstreifen verlegt; ich selbst habe dagegen für lacerta agilis die Entstehung mitten oa ai re Me u ee — A460 auf dem Primitivstreifen nachweisen können. Bei weiterer Untersuchung wird letzteres vielleicht auch für lacerta muralis gelingen und bemerke ich zu den Figuren von Weldon, dass einmal in Fig. 1 sich mitten an dem oberen Rande des Primitivstreifen eine Einbuchtung vorfindet, welche ich für die erste Anlage der. zur Bildung des Canals führende Einbuchtung halten möchte, dass ferner bei lacerta agilis zwischen den Stadien Fig. 1 u. 2 noch ein Zwischenstadium vorkommt, in welchem die Medullarplatte von vorn her noch nicht so weit an die obere Ein- gangsöffnung des Canales heranreicht und dass endlich für- die Beurtheilung der in Rede stehenden Verhältnisse auch Querschnittserien wünschenswerth sind. Den Ausdruck Hypoblast finde ich bei Weldon erst angewandt für Entwicklungsstadien aus der Zeit nach dem Durchbruch des Canales auf der Entodermseite und wird dann auch die frühere obere Wand des Canales mit diesem Namen bezeichnet, demgemäss auch die Chorda aus dem Hypoblast abgeleitet. Für lacerta agilis möchte ich diese Bezeichnung nicht wählen, da mir dieselbe für Ent- wicklungsstadien nicht durchführbar erscheint, wie ich dieselbe kurz vor der Eröffnung des Canals finde. (N. B. Es gebraucht Weldon, wenn ich seine Ausführungen recht verstehe, den Ausdruck Hypoblast nicht etwa in dem Sinne des Kupffer’schen Entoderm, sondern in dem früher üblichen Sinne.) Vergleicht man auf diesen Punkt hin die obigen Figuren, so wird man, wie auch oben bereits auseinandergesetzt, die Canalwand bei lacerta agilis wohl nicht als vom Entoderm, sondern als vom Mesoderm gebildet ansehen und dann demgemäss nach der Eröffnung des Canales, die in der oberen Wand desselben sich herausbildende Chorda auch nicht als ein Product des Entoderm auffassen. 6) Nur auf einem einzigen medialen Längsschnitt durch einen etwa dem in Serie V. dar- gestellten gleichaltrigen Embryo reicht eine scharf abgegrenzte Entodermlage bis direkt an die untere Ausmündungsstelle des Canales heran. Die Bedeutung dieses Umstandes würde vielleicht noch aufzuklären sein. 7) Der Umstand, dass man in früherer Zeit in einem grösseren Flächenbezirk der Keim- scheibe eylindrische Ectoderm-Zellen vorfindet, als in einem späteren, ist für die Partien seitlich von der Mittellinie des Embryo so augenscheinlich, dass derselbe trotz aller eventuell vor- kommenden individuellen Verschiedenheiten doch nicht zu verkennen ist. Dagegen wäre für die Partien nach vorn von der Embryonalanlage allerdings eine grössere Reihe von Messungen wünschenswerth, da nach dieser Richtung die individuellen Schwankungeu der Grösse der einzelnen Embryonen noch am auffälligsten sind. Am constantesten scheint der Unterschied in dem Ab- stande des canalis neurentericus von dem vorderen Ende des Embryo zwischen den Stadien I — 468 — und V zu sein. Hier findet man denselben z. B. auch an den früher ganz ohne Rücksicht auf den genannten Punkt angefertigten Abbildungen (Beitr. ete. His. Archiv 1882. T. XIV. Fig. 2, 3). 8) Was die Frage anlangt, ob man im Medullarstrange zwischen Eetoderm und Entoderm gelegene Zellschichten als Mesoderm bezeichnen soll, so möchte ich in dieser Beziehung auf Kölliker verweisen (Zeitschrift für wissenschaftliche Zool. Bd. XL. p. 208) welcher sagt: »In einem gewissen Sinne lässt endlich auch ein Theil des Nervensystems sich aus dem Mesoderm ableiten, insofern als, wie ich gezeigt habe, das Rückenmark, nachdem es einmal angelegt ist, an seinem hinteren Ende mit den Urwirbeln, der Chorda und dem Ectoderm zu einer Masse verschmilzt und als geschlossenes Rohr unter Mitbetheiligung einer Zellenmasse sich fortbildet, die vorwiegend dem mittleren Keimblatt angehört.« Man sieht hieraus, dass sich der gleiche Entwicklungsvorgang in Bezug auf die Nomen- clatur recht wohl von zwei Gesichtspunkten aus verwerthen lässt: Entweder nennt man die Zellschicht unterhalb des Hornblattes nicht Mesoderm, weil sich in ihr vereinigt vorfinden die Anlage für das Rückenmark, die Chorda und die Urwirbel; oder man nennt die gleiche Schicht Mesoderm und lässt dann das Rückenmark in seinem hinteren Abschnitt aus dem Mesoderm entstehen, eben weil man es aus der genannten Zellschicht heraus- bilden sieht. a Nachtrag. Nach beendetem Druck der vorstehenden Abhandlung ist eine Fortsetzung der Beobachtungen von C. K. Hoffmann!) über Reptilien-Entwicklung erschienen, welche für mich von besonderem Interesse gewesen ist. Ich will an dieser Stelle noch auf eine Besprechung derselben eingehen, da es sich einmal zum Theil um ähnliche Entwicklungsstadien handelt, als die oben beschriebenen und da ich andererseits glaube, dass die Erledigung einer Anzahl der streitigen Fragen sich aus einer einfachen Vergleichung der von mir abgebildeten Figurenreihen ergibt. Die von mir für lacerta beschriebenen Entwicklungsvorgänge bestätigt Hoffmann nahezu in allen Punkten, was die Beobachtungen selbst anlangt. An Abweichungen würden noch folgende Fragen zunächst zu erledigen sein: 1. Beweist die von Hoffmann beschriebene Querschnittserie (l. c. Fig. 2—-8) das Vorkommen von Mesodermbildung im Sinne Hertwig’s durch Einfaltung von der Entodermseite? Vergleicht man darauf hin die Reihen der beifolgenden Figuren, so wird sich diese Frage wohl kaum mit ja beantworten lassen (siehe auch oben pag. 451). Nach der schematischen Zeichnung von Hoffmann liegt der in seiner Figur 3 abgebildete Schnitt ce etwa 0,15 mm vor der oberen Canalöffnung (das Schema ist in 130 facher Vergrösserung dargestellt und Buch- stabe ce steht 23 mm nach vorn von der oberen Canalöffnung). Nimmt man statt dessen nun 0,2 mm und vergleicht in meinen Figuren die Stelle, welche an allen Serien 0,2 mm vor dem Canaleingang liegt; so würde dies etwa Schnitt 8 sein. Nun ist aber in Ser. II Schnitt 8 (also in einem Entwicklungsstadium, das jünger ist, als das von Hoffmann beobachtete) der Querschnitt des noch uneröffneten Canalis neurentericus enthalten; man muss demgemäss wohl auch z. B. bei Ser. IV. Schnitt 8, der dem von Hoffmann abgebildeten annähernd entspricht, annehmen, dass das Bild, welches man jetzt an dieser Stelle findet, ursprünglich anders gewesen ist, dass auch hier vorher uneröffneter Canal gewesen ist. Deshalb wäre auch die von Hoff- mann mit ch. ent. bezeichnete Stelle nicht als ein Theil des Entoblast aufzufassen, sondern nach Hoffmann’s Annahme da er die ganze Canalwand als zum Ectoblast gehörig ansieht, auch als Ectoblast; nach meinen Beobachtungen muss ich dieselbe als zum mittleren Keimblatt gehörig betrachten (vergl. oben Anm. 3). !) Zeitschrift für wiss. Zool. 1884. p. 214. Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIII, 6l — 470 — Ich bin übrigens weit entfernt, die in dieser Auseinandersetzung genannten und ange- nommenen Zahlen für absolut, feststehende Werte zu halten; jedenfalls geben dieselben aber relative und für die allgemeinen Anhaltspunkte völlig ausreichende Bestimmungen ab; und es geht aus dieser Ausführung hervor, dass die Entscheidung der von Hoffmann bearbeiteten Frage nicht durch Beobachtung einer einzelnen Schnittserie, sondern nur durch Verfolgung grösserer Reihen von Entwicklungsstadien zu lösen ist. Was die mit den eben entwickelten Punkten in unmittelbarstem Zusammenhang stehende Frage anlangt, ob in der Mittellinie Mesoderm auch nach vorn vom canalis neurentericus vorkommt, so kann ich in dieser Beziehung nur auf meine in der Abhandlung gegebene Darstellung verweisen, an der ich nichts zu ändern habe. 2. Sind bei lacerta nach hinten vom canalis neurentericus ursprünglich 3 von einander getrennte Keimblätter vorhanden, welche später verschmelzen ? Auch in dieser Frage kann ich mich Hoffmann nicht anschliessen. Ich kann die Ver- besserung, welche er an dem von mir abgebildeten Längsschnitt angebracht hat, als eine solche nicht anerkennen; ein derartiges Bild können nur Längsschnitte liefern, welche seitlich von der Mittellinie liegen, oder welche schräg geschnitten sind. Vergleicht man in Bezug auf diesen Punkt die hierfür besonders geeigneten Figuren der Ser. V, so findet man, dass hier bei Schnitt 0,1-—-0,2 etc. nur neben der Mittellinie ein abgegrenztes Ectoderm vorhanden ist. Die Mitte des Schnittes besteht lediglich aus kleinen undifferenzirten Zellen, deren Herkommen vom Primitivstreifen man aus einem Vergleich mit den jüngeren Stadien entnehmen kann. Verschieden- heiten in der Anordnung der Zellen, welche den Figuren 6, 7, 8 von Hoffmann entsprechen, finden sich an meinen Präparaten insofern stellenweise ebenfalls vor, als zuweilen (z. B, auch Ser. IV und VII) die Zellen des mittleren Keimblattes aussen weniger dicht stehen, als in der Mittellinie; eine Grenze, eine membrana prima finde ich nirgends vor, in den früheren Ent- wicklungsstadien bis jetzt auch nicht einmal eine solche Verschiedenheit der Zellen, wie ein Vergleich der Ser. I, II, III ergiebt. Auf die von Hoffmann bearbeitete Frage der Entstehung der Allantois will ich an anderer Stelle ausführlicher eingehen, doch hier bereits bemerken, dass ich das, was Hoffmann in Fig. 16 als erste Allantoisanlage bezeichnet, als solche nicht ansehen möchte; der Beschreibung nach, besonders ihrer Stelle nur 0,105 mm hinter dem canalis neurentericus würde ich die Einbuchtung als die erste Anlage des Verbindungsganges zwischen Enddarm und Allantois an- sehen, und von dieser habe ich auch selbst beschrieben, dass sie durch Faltung gebildet wird und jederzeit in offenem Zusammenhange mit dem Darm steht. Die Allantoishöhle selbst entsteht nahezu gleichzeitig und zuerst an dem hintersten Ende des Allantoiswulstes, also viel — 41 — weiter nach hinten. Für die Annahme Hoffmann’s, dass die von ihm beschriebene Einbuch- tung sich später abschnüre und zur Allantoishöhle werde, scheint mir doch der Nachweis durch die Präparate zu fehlen. Was zudem meine Darstellung der Allantoisanlage betrifft, so habe ich die Längsschnitte nur für die Uebersichtlichkeit der Schilderung ausgewählt; wie aus meinen sonst zahlreich ab- gebildeten Querschnitten hervorgeht, habe ich auch diese zu untersuchen keineswegs versäumt. In Bezug auf die Bildung des Amnion am Kopfende freue ich mich, dass die Unter- suchungen von Hoffmann so völlig mit den meinigen übereinstimmen. Das Wesentliche der meinigen ist übrigens bereits vor längerer Zeit (His’ Archiv 1883 p. 43 und Zool. Anz. Jan. 1883. Nr. 129) von mir kurz veröffentlicht, welche Mittheilungen Hoffmann nicht bekannt gewesen zu sein scheinen. TEE es BES Se 3} heit arbnhrk ee zer WA IBIE-BISW HAT tel) ia dh war aelbrtye: a al LDE ahll is kam äraae a Be, RATE AH | rEnnd Köck Fr ned Sn Wat A ninltsgrnach all 5 ba Ba aa Re YPIERERIDER ap! Kot Tr a et 4 en sch ll; v2 Ari TER are i i% vie Se WE DER a arhrad Behr wer hi TEN fissi ala Suilartesng Sg. sa ER sag Figurenerklärung. (Es sind im ganzen 7 Keimscheiben und die dazu gehörigen Schnittserien dargestellt, welche je mit den Nummern Serie I bis VII bezeichnet sind.) Die ganzen Keimscheiben, deren Zeichnung ich der Güte des Herrn Prof. Wagener verdanke, sind bei etwa 17facher Vergrösserung und auffallendem Licht gezeichnet; die den Serien vorangesetzten Umriss- zeichnungen bei durchfallendem Licht unter gleicher Vergrösserung. Die Durchschnitte sind bei Vergrösserung 45/1 gezeichnet. Dieselben sind nummerirt, so dass O bei allen Serien denjenigen Schnitt bezeichnet, der die obere Eingangsöffnung zum canalis neurentericus enthält; die Schnitte nach vorn von diesem sind dann fortlaufend mit 1—40, die hinter demselben mit 0,1—0,10 bezeichnet. Dementsprechend ist in die Umrisszeichnungen der Embryonalanlagen ein Maasstab mit gleichen Nummern eingetragen. Für alle Flächenbilder gelten die gemeinsamen Bezeichnungen: g. Gefässhof. k. Keimwall. a. Innerer dunkler b. Aeusserer hellerer r. Rückenwülste. Hof der intermediären Zone. Ser. I. Keimscheibe mit eben begonnener Anlage des canalis neurentericus; e=FEmbryonalschild, zu dessen Bereich der die T förmige obere Eingangsöffnung zum canalis neurentericus umgebende ovale Mesoderm- wulst ebenfalls gehört. Ser. II. Keimscheibe mit canalis neurentericus kurz vor dem Durchbruch nach der Entodermfläche. Der dunkle Hof « entspricht nicht dem Embryonalschild, sondern umgibt die Embryonalanlage, die sich in einen hinteren, den Kanal umgebenden mesodermhaltigen Abschnitt und einen vorderen halbmondförmigen, nur aus Ectoderm und Entoderm bestehenden Abschnitt gliedert. Ser. III. Keimscheibe mit eröffnetem canalis neurentericus. Man unterscheidet an der Embryonal- anlage nicht zwei Abschnitte, sondern erscheint dieselbe als ein einziger ovaler, in der Mitte dickerer, an den Rändern dünnerer Schild (e) um die obere Eingangsöffnung zum canalis neurentericus. Ser. IV. Keimscheibe mit beginnender Anlage des Gefässhofes; derselbe erscheint als seitlich und nach hinten von der oberen Eingangsöffnung des canalis neurentericus sich ausbreitende Platte. Vorn wird die Embryonalanlage durch eine halbmondförmige Scheibe s (Kupffer’s Hirnplatte) abgeschlossen. Ser. V. Keimscheibe mit beginnender Anlage der Rückenfurche, die von 2 kurzen breiten Rücken- wülsten eingefasst wird. Ser. VI. Keimscheibe mit weiter ausgebildeter Rückenfurche, welche von der die Embryonalanlage nach vorn abschliessenden Scheibe s nur noch wenig erkennen lassen. Ser. VII. Keimscheibe mit nahezu völlig ausgebildetem Gefässhof, der nur die Partie vor dem Embryo noch frei lässt. Die Embryonalanlage wird nach vorn von der eben eingesenkten Kopfscheide abgeschlossen, bis zu welcher sich die nach vorn sich verbreiternden hinten schmalen Rückenwülste erstrecken. (Die Verhältnisse der Durchschnitte zu den ganzen Keimscheiben ergibt besonders ein Vergleich mit den als Umrissfiguren gezeichneten Embryonalanlagen.) Pe pe FE BE N ee Strahl. Tafı. vie SENSE TFT TR ET SE IR Ra RT € Strahl. I. /0. 01. 0.4. 0.5. 06. 07. 0.10. 70637 Art f83 ABHANDLUNGEN HERAUSGEGEBEN VON DER SENGKENBERGISCHEN NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT. DREIZEHNTER BAND. ERSTES HEFT. Mit XXVI Tafeln. FRANKFURT .M. IN COMMISSION BEI MORITZ DIESTERWEG. 1883. Inhalt. Seite Dr. Joh. Chr. Gust. Lucae, Die Statik und Mechanik der Quadrupeden an dem Skelet und den Muskeln eines Lemur und eines Choloepus. Mit 24 Tafeln. . . vo 2 2 2.2... 1—- 22 Dr. phil. Oskar Böttger, Die Reptilien und Amphibien von Marocco II. Mit einer Tafel . 93—146 Dr. med. Otto Körner, Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Kehlkopfes der Säugethiere und des Menschen. Mit einer Tafel . . . ». 2» 2 2 2 202.2. 147—-160 ABHANDLUNGEN HERAUSGEGEBEN VON DER SENCKENBERGISCHEN NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT. DREIZEHNTER BAND. ZWEITES HEFT. Mit IX Tafeln. FRANKFURT «AM. IN COMMISSION BEI MORITZ DIESTERWEG. 1383. Dr. F. Leyaig in Bonn, Ueber die Einheiten Schlangen. Mit 2 Tafeln N ae Dr. Fritz Noll, Entwiekelungsgeschichte der Veroniea-Blüthe. Mit 3 Tafeln ER . IE ERE Dr. Joh. Chr. Gust. Lucae, Zur Sutura Bunetarsa ‚squanıae vecipitis bei Thieren an) Menschen. Mit 2 Taten. N ae Br ee Det een R Ir May 6. Sy ABHANDLUNGEN HERAUSGEGEBEN VON DER SENOKENBERGISCHEN NATURFORSCHENDEN ıESELLSCHAFT. DREIZEHNTER BAND. DRITTES HEFT. Mit einer Tafel. FRANKFURT,M. IN COMMISSION BEI MORITZ DIESTERWEG. 1384. a Y iR Inhalt. Seite Dr. med. Otto Koerner, Weitere Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Kehl- kopfss Mit EIN Or Raten ee a Be Kr I Een Dr. J. Probst, Natürliche Warmwasserheizung als Prineip der climatischen Zustände der geologischen HOTMALIONENE Re A De a ET Pr OUT ABHANDLUNGEN HERAUSGEGEBEN VON DER SENCKENBERGISCHEN NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT. DREIZEHNTER BAND. VIERTES HEFT. Mit sechs Tafeln. FRANKFURT .«.M. IN COMMISSION BEI MORITZ DIESTERWEG. 1884. Inhalt. Seite Dr. Ferd. Richters, Beitrag zur Kenntniss der Crustaceenfanna des Behrinesmeeres. Mit einer Tafel 401 Dr. H. Strahl, Ueber Wachsthumsvoreänge an Embryonen von lacerta agilis. Mit fünf Tafeln . . 409 4 i Big [3 Pr . [2 CH . 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